Gedanken zur Vererbung der Sittiche von Stefan Kunz (AZ 44057), Jardelund, Dank der Unterstützung von Karl Bernhardt (AZ 3176), Büttjebüll Erbträger und die Erbanlagen Jahrhunderte hindurch haben die Wissenschaftler versucht, hinter die Geheimnisse der Vererbung zu kommen. Die männliche Samenzelle und die weibliche Eizelle enthalten in ihrem Zellkern die Träger der Erbanlagen, die Chromosomen (chroma, gr. = Farbe, soma, gr. = Körper). Die Chromosomen, die man heute weitgehend erforscht hat, sind kleinste, sehr kurze und dicke oder auch etwas schlankere, stäbchenartige Gebilde, die oft gekrümmte und gebogene oder kugelartige Formen aufweisen. Sie treten gestaltsmäßig bei den Vögeln, insbesondere auch bei den Sittichen, stets paarweise auf. Die Zahl der Chromosomen in den Zellkernen ist je nach Tierart verschieden. Man bezeichnet die Chromosomenzahl der reifen Geschlechtszelle als einfachen Chromosomensatz (haploid). Da sich bei der Befruchtung Samen- und Eizelle vereinen, werden die vorhandenen Chromosomen zusammengeführt, also verdoppelt. Man nennt das den doppelten Chromosomensatz (diploid). Da aus der befruchteten Eizelle durch Teilung der Keim und seine Körperzellen hervorgehen, haben auch alle Körperzellen den doppelten Chromosomensatz in ihren Zellkernen. Die Chromosomen tragen in fast unendlicher Vielzahl die Erbanlagen in sich, die man Erbfaktoren, Erbeinheiten oder Gene nennt. Den Begriff „Gene“ führte der dänische Vererbungsforscher Johannsen für die Erbanlage ein. Aus ihm leitet sich das Wort Genotyp ab. Die Erbanlagen liegen innerhalb der Chromosomen wie die Glieder einer Kette dicht beieinander. Es gibt somit unwahrscheinlich viel mehr Erbanlagen als Chromosomen. Reifeteilung der Geschlechtszellen Reife Geschlechtszellen haben nur halb soviel Chromosomen wie die späteren Zellen des Keimlings und des kommenden Lebewesens. Ursprünglich hatten auch sie den doppelten Satz an Chromosomen. In dieser Zeit befanden sie sich noch unausgereift in den Keimzellen, den Hoden und den Eierstöcken. Wenn die Keimzellen diesen vollen Satz bei ihrer Vereinigung mitbrächten, würde die Chromosomenzahl verdoppelt werden. Dann hätte das neue Individuum also bereits doppelt soviel Träger von Erbanlagen, und bei jeder weiteren Generation würden sich die Chromosomen immer wieder verdoppeln. Dadurch bekäme jede neue Generation so überaus viele Erbanlagen, dass ein völlig neues Rasse- oder Artbild entstünde. Die Art bliebe nicht erhalten. Wenn die Tierformen erhalten bleiben sollen, die im Laufe der Jahrtausende entwickelt wurden und deren Eigenheiten sich im Kampfe ums Dasein bewährt haben, muss die Zahl der Chromosomen und der in ihnen ruhenden Erbanlagen für jede Tierart stabil bleiben. Das wird durch Reifeteilung (Meiose) erreicht. Sie ist ein Reifeprozess, der sich im Inneren der Geschlechtszellen abspielt. Dieser Reifeprozess halbiert den Erbträgerbestand. Er verkleinert die Chromosomenzahl um die Hälfte und führt zugleich die Erbanlagen auf die Hälfte zurück. Das bezeichnet man wissenschaftlich als Reduktionsteilung (reductio, lat. = Zurückführung). Die Reifeteilung erfolgt nun nicht in der Form, dass sich jedes Chromosom halbiert, sondern die gleichgeformten Chromosomenpaare trennen sich. Anders ausgedrückt: Die gleichartigen, homologen Partner der Chromosomenpaare, von denen einer die väterlichen und der andere die mütterlichen Erbanlagen in den Geschlechtszellen enthält, gehen getrennt in die zwei neuen Geschlechtszellen, die sich durch die Reifeteilung bilden, ein. Ihre Verteilung hängt vom Zufall ab, um so mehr, als die Erbanlagen gleichzeitig durchmischt werden. Bei diesem Prozess legen sich nämlich die Chromosomen eng aneinander, überkreuzen sich dabei zum Teil vielfach und trennen sich an den Kreuzungsstellen. Sie „zerreißen“ hier, wachsen jedoch nach der Vermischung wieder zusammen. Dieser Vorgang wird auch „Crossing Over“ genannt. Die Erbanlagen, die in den Chromosomen kettenartig aneinandergereiht waren, sind an dieser Trennung und Neuverbindung beteiligt, dadurch werden sie „bunt“ gemischt. Die Chromosomen, die nun zur Befruchtung kommen, haben also Teile ihrer Erbanlagen ausgewechselt. Durch diese „Vermischung“ der Erbanlagen können in einer gereiften Geschlechtszelle einmal mehr väterliche, ein anderes Mal mehr mütterliche Erbanlagen enthalten sein. Ebensogut ist es möglich, dass durch die Mischung die Erbanlagen beider Eltern gleichmäßig verteilt sind. Jede Geschlechtszelle kann nach ihrer Reduktionsteilung ein wesentlich anderes Erbbild darstellen. Da immer nur eine männliche Samenzelle das Ei befruchtet, ist es wiederum ein Zufall, welche Erbanlagen nun gerade durch diese Zelle zu neuem Leben erweckt werden und welche Erbfaktoren mit den übrigen Samenzellen verloren gehen. Vererbung des Geschlechts Das Geschlecht wird durch zwei Chromosomen gebildet. Jeder Erbfaktor wird durch ein Buchstabensymbol dargestellt. Die Geschlechtschromosomen versinnbildlicht man bei den Vögeln – anders als bei den Säugetieren – durch das Symbol Z. Wie alle Erbanlagen, die zur Entfaltung kommen, sind auch die Geschlechtschromosomen doppelt angelegt. Bei den Vögeln treffen wir den Erbfaktor für das männliche Geschlecht in der Samenzelle vor deren Reifeteilung doppelt an: Z und Z. Der Hoden produziert also Samenzellen, die nach der Reifeteilung nur die Geschlechtsanlage für Z haben. Man spricht in diesen Fällen von Homogametie. Beim weiblichen Geschlecht liegen die Dinge anders. Auch bei ihr befinden sich in jeder Geschlechtszelle zwei Geschlechtschromosomen, aber nur einer der Partner stimmt in seiner Gestalt mit dem Z-Chromosom überein. Der andere Partner weicht in seiner Form ab und wird als W-Chromosom bezeichnet. Mithin hat das Geschlechtschromosomenpaar des weiblichen Vogels das Symbol WZ. Man spricht in diesem Falle von Heterogametie. Bei der Reifeteilung müssen hier zwei erblich verschiedene Eizellen entstehen. Der Gang zur Geschlechtsvererbung ist nun, wie auch das nachstehende Schema lehrt, leicht erklärlich. Wird eine Eizelle, die die Anlage für das männliche Geschlecht Z enthält, von einer Samenzelle, die in jedem Falle die Anlage für das männliche Geschlecht Z enthält befruchtet, so kommt im befruchteten Keim (Zygote genannt) das Chromosomenpaar Z und Z zusammen. Das bedeutet die Bildung eines männlichen Wesens. Wird aber die weibliche W-Eizelle von einer Samenzelle befruchtet, so entsteht ein weiblicher Vogel mit dem Symbol WZ. Für die Bildung des Geschlechts ist bei den Vögeln also allein die mütterliche Vererberin entscheidend. Sie hat natürlich keinerlei Einfluss auf das Erbgeschehen. Ob Männchen oder Weibchen, bleibt für den einzelnen ein Spiel des Zufalls. Im Ganzen betrachtet, wird aber das Ziel erreicht, das die weise natur gesteckt hat: 50:50. Ich will das auch rechnerisch nachweisen: Samenzelle: Eizelle: ZZ WZ Nach der Reifeteilung vier Geschlechtszellen: Z Z W Z Nach der Vereinigung und Befruchtung vier Möglichkeiten: WZ ZZ WZ ZZ (weibl..) (männl.) (weibl.) (männl.) Koppelung der Erbanlagen gebundene Vererbung und geschlechts- Die Vererbungswissenschaft (Genetik) hat das verhalten der Keimzellen erforscht und durch Experimente viele Gesetzmäßigkeiten für die Variation entdeckt. So können zum Beispiel zwei oder mehrere Erbmerkmale oder ganze Gruppen von Erbanlagen gemeinsam in jeder Generation der Nachkommenschaft auftreten. In diesem Falle befinden sich einige bestimmte Anlagen als „Kettenglieder“ in einem Chromosom. Man bezeichnet diese Erscheinung als Koppelung der Erbfaktoren. Sie vererben sich geschlossen so, als ob sie einer einzigen Erbanlage entstammten. Bei den Nymphensittichen kann z.B. die Erbanlage für Zimt z.B. mit der Erbanlage für Opalin(geperlt) gekoppelt sein. Diese beiden Erbmerkmale erscheinen dann genotypisch in Ihrer Linie stets gemeinsam, obwohl für jedes von ihnen eine gesonderte Erbanlage vorhanden ist. Gekoppelte Erbfaktoren sind häufig, lassen sich jedoch nicht so leicht herausfinden. Zu diesem Zweck muss man seinen Stamm auf Eigenschaften hin untersuchen, die deutlich wahrnehmbar sind und sich unterscheiden. Namentlich prüfe man, ob sie sich in Ahnen- und Enkelreihen immer gemeinsam nachweisen lassen. Besonders interessant ist die Koppelung von Erbanlagen, wenn der Erbfaktor für ein bestimmtes Merkmal, wie oben, zufällig im Geschlechtschromosom eingelagert ist. Wenn sich dieses Chromosom nach der Befruchtung entfaltet und seine Erbanlagen sich entwickeln, liegt die geschlechtsgebundene Vererbung vor, d.h. das Gefesseltsein eines Merkmals an ein bestimmtes Geschlecht. So ist bei den Sittichen zum Beispiel der Ino-Faktor, der Totalverlust des Melanins aber auch der OpalinFaktor geschlechtsgebunden. Wie an das Geschlecht, so können Erbmerkmale an beliebig andere Erbmerkmale gekoppelt sein, man kann dann beim Auftreten des einen Merkmals stets auf das Vorhandensein des zweiten schließen. geprägt sein kann. In der Vogelzucht ist der gute Erscheinungstyp einer Art erwünscht. Um Ihn zu schaffen, muss der Züchter Vögel mit guten Erbanlagen verpaaren und der Nachzucht beste Umweltbedingungen (Pflege und Haltung) bieten. Nicht jedes Tier trägt gute Erbanlagen in sich oder vererbt sie zuverlässig weiter. Es gibt bei allen Tierarten viele so genannte „Blender“. Zwar stempeln sie äußerlich ein Rassetier zum Zuchtpartner, zur Züchtung verwendet, enttäuschen sie aber durch ihre Nachkommen. Neben dem Erscheinungsbild vertritt jedes Tier auch einen Erbtyp oder Genotypus (genos, gr. = Erzeugtes). Er umfasst alle von den Vorfahren übernommenen Erbanlagen, gleichgültig, ob sie äußerlich in Erscheinung treten oder nicht. Man erkennt ihn nur an der Qualität der Nachkommen und zum Teil auch durch Prüfung der Vorfahren und der Geschwister, also mehr oder weniger an der Leistung der Linie. Zuchttiere, die man aus einem guten Leistungsstamm auswählt, deren Geschwister auch viel versprechend sind, sind besser zur Zucht geeignet als Tiere unbekannter Herkunft oder aus Durchschnittsstämmen. Der Züchter muss in strenger Auslese seine Elterntiere wählen. Es können Tiere die Gegenbilder zu den Blendern – infolge schlechter Umweltbedingungen ein recht bedenkliches Erscheinungsbild zeigen (siehe unter Modifikation) und doch sind sie infolge ihrer guten Abstammung wertvoll für die Zucht. Reinerbigkeit und Spalterbigkeit Für die Erforschung des gewünschten Erbtyps ist also die Nachzuchtkontrolle sehr wichtig. Dazu ist eine ordnungsgemäße Zuchtbuchführung unerlässlich, aus der die Erbwerte aller Ahnen und Familienmitglieder einwandfrei zu ersehen sind, denn darauf kommt es an. Der Züchter muss schwarz auf weiß sehen, ob ein Stamm „durchgezüchtet“ ist, d.h., für die Leistungsmerkmale (z.B. Farbe) des Stammes müssen die entsprechenden Erbanlagen vorhanden sein, damit sie an die nächste Generation weitergegeben werden können. Ist das der Fall, so nennt man ein solches Elterntier reinerbig oder homozygot (homos, gr. = gleichartig, zygos, gr. = Paar). Die Reinerbigkeit für ein angestrebtes, bestimmtes Merkmal setzt voraus, dass der Merkmalsträger die betreffende Erbanlage doppelt (von Vater und Mutter stammend) in seinen Geschlechtszellen führt. Der Erbreinheit steht die Spalterbigkeit gegenüber. Tiere, die ihre Erbmerkmale aufspalten, bezeichnen wir als spalterbig oder heterozygot (heteros, gr. = anders). Dominante und rezessive Erbanlagen Abb1: schematische Darstellung des „Crossing Over“; hier Entstehung des Lutino-Geperlten Nymphensittich Diese äußeren Erbmerkmale brauchen nicht für immer aneinandergekoppelt zu bleiben. Durch das „Überkreuzen“ der Erbanlagen können sie zerreißen, dadurch trennt sich ihr Erbgang. Erscheinungstyp und Erbtyp In der Erblehre bezeichnet man das äußere Bild jedes Lebewesens als den Erscheinungstyp oder Phänotyp (phainomai, gr. = ich erscheine). Dieser sichtbare Ausdruck des Körpers und seines Verhaltens wird einerseits von den Erbanlagen der Eltern und andererseits von den Kräften der Umwelt geformt, die auf den Organismus einwirken. Der Erscheinungstyp ist also nur zum Teil von der Erbmasse der Ahnen abhängig. Er braucht auf die Nachkommenschaft nicht vererbbar sein, da er auch von den Umweltbedingungen Es gibt Erbanlagen, die sich im befruchteten Ei beim Zusammentreffen mit anderen Erbanlagen „vordrängen“. Solche Erbfaktoren, die sich in der nächsten Generation durchsetzen, vorherrschen, nennt man dominant (dominans, lat. = Herrscher). Die Erbanlagen, die den dominanten das Feld im Vererbungsprozess räumen, die zurückweichen und dadurch im Erscheinungsbilde ihrer Träger nicht zu sehen sind, heißen rezessive Erbanlagen (recessum, lat. = das Zurücktretende). Dominante Erbanlagen werden in der Vererbungslehre durch große Buchstaben, rezessive durch kleine Buchstaben versinnbildlicht. Beispiele für dominante und rezessive Erbanlagen: Spezies Phänotyp Vererbung Symbol Nymphensittich Halsbandsittich Halsbandsittich Halsbandsittich Halsbandsittich Weißkopf Blau Graugrün Bleichschwanz Misty (ehem.Lind) rezessiv rezessiv dominant rezessiv dominant wk/wk bl/bl G/G ct/ct Mt/Mt Modifikation und Mutation Das Bild des entstehenden Lebewesens wird von der Gesamtheit aller Erbanlagen bestimmt, die auf die keimende Zelle übergegangen sind. Hierzu kommt der Einfluss, den die Umwelt auf den ganzen Organismus ausübt. Unter Umwelt versteht man nicht nur klimatische, sondern auch vom Züchter abhängige Faktoren wie Ernährung, Haltung und Pflege. Das fertige Erscheinungsbild, der Phänotyp, kann durch die Einwirkung der Umwelt somit vom Erbtyp mehr oder weniger abweichen. Man nennt solche umweltbedingte Abweichungen, die mehr oberflächlicher Art im Körperbau oder in den Verhaltensweisen auftreten, Modifikationen (modificatio, lat. = Umformung). Sie erstrecken sich nicht auf die in den Keimzellen befindlichen Erbanlagen, sind also nicht erblich. Die Modifikationen treffen den Organismus nur „am Rande“, im Erscheinungsbild. Daneben gibt es viel „schwerwiegendere“ Veränderungen, die nicht nur einzelne oder mehrere Merkmale betreffen, sondern auch auf die Keimzellen einwirken und damit den Erbgang beeinflussen können. Sie fallen dadurch auf, dass ganz plötzlich – sprunghaft – neue, im Stamm bisher nie vorhanden gewesene Erscheinungen auftreten. Abwandlungen dieser schweren Art hat der holländische Botaniker de Vries Mutationen (lat. = Änderung) genannt. Unter den Mutationen gibt es solche, die nur einzelne Erbanlagen betreffen (Genmutationen), und andere, die die Erbeinheiten in ihrer Anordnung verändern (Chromosomenmutationen). Die Genmutationen erfolgen richtungslos, d.h. es sind die verschiedensten Abwandlungen möglich, soweit die chemische Struktur sie zulässt. Ihre Zahl ist nicht unbegrenzt, gleiche Mutationen können sich wiederholen. Mendelsche Gesetze Johann Mendel wurde am 22. Juli 1822 in Heinzendorf im damaligen Böhmisch-Mähren geboren. Der Bauernsohn trat 1843 in das Brünner Augustinerkloster ein. Das Resultat seiner Arbeiten waren die 1865 erschienenen „Forschungen über verschiedene Pflanzenbastarde“. Die Wissenschaftler der ganzen Welt arbeiteten an diesen Problemen, deren Grundregeln nach ihrem Entdecker Mendelsche Gesetzte genannt wurden. Unter Mendelismus versteht man heute nicht nur die von Mendel aufgestellten Erbregeln, sondern auch eine Reihe später von anderen Forschern gefundener Grundsätze. Das 1. Mendelsche Gesetz lehrt: Kreuzt man zwei reinerbige, aber bezüglich eines Merkmals unterschiedlich veranlagte Eltern zweier Rassen, so sind die Nachkommen der 1. Kreuzungsgeneration (F1) stets gleich: Gleichförmigkeits- oder Uniformitätsregel. Es kommt nun darauf an, ob die Anlage des einen Elternteils dominant (vorherrschend) ist oder ob die elterlichen Anlagen gleich stark sind. Für den zu erst genannten Fall hier ein Beispiel bei den Halsbandsittichen: Verpaarung: 1,0 Grün (wildfarbig) (bl+/bl+) x 0,1 Blau (bl/bl) F1 Generation: 100% Grün (wildfarbig) spalt blau (bl+/bl) Das heißt, alle Nachkommen der F1-Generation aus der Kreuzung eines reinerbig wildfarbenen Sittichs (hier: Halsbandsittich) mit einem Blauen Sittich (hier: Halsbandsittich) sind wildfarben, da die Wildfarbe über Blau dominiert. Dagegen können sich gleich starke elterliche Anlagen mischen. Es entsteht dann in der F1-Generation ein neues Merkmal, das eine Misch- oder Zwischenform der elterlichen Merkmale darstellt. Man nennt diese Art des Erbgangs intermediäre Vererbung (inter, lat. = zwischen, medium, lat = Mitte, also zwischenliegend). Mendel fand diese Zwischenstufe, als er rotund weißblühende Pflanzen kreuzte, es entstanden in der F1Generation rosa blühende Pflanzen. Zum Beispiel ist auch die Dunkelgrün-Mutation bei den Halsbandsittichen ist eine intermediäre Vererbung, denn Verpaart man einen wildfarbigen Vogel (bl+ tq+_D+/bl+ tq+_D+) mit einem Olivgrünen (bl+ tq+_D/bl+ tq+_D) entstehen ausschließlich Dunkelgrüne Nachkommen (bl+tq+_D/bl+tq+_D+). Das 2. Mendelsche Gesetz lehrt: Die Nachkommen der F1-Generation ergeben zweierlei Erscheinungstypen im Verhältnis 3:1. Diese vier Nachkommen der F2-Generation sind aber erbmäßig versieden. Wir finden je einen Teil der Nachkommen reinerbig in wildfarbig (bl+/bl+) und Blau (bl/bl) und zwei Teile aufspaltend wildfarbig(bl+/bl) [Spaltungsgesetz]. Die Aufspaltung beweist zugleich das Vorhandensein von paarweisen Erbanlagen, ausgenommen die Geschlechtsvererbung. Das 3. Mendelsche Gesetz lehrt: Die Erbanlagen der verschiedenen Arten (einer Rasse) sind völlig unabhängig voneinander. Jedes Merkmal vererbt sich ohne jede Bindung an eine andere Erbanlage (Unabhängigkeitsgesetz). Wir wissen jedoch heute, dass gekoppelte Erbfaktoren (Allele) eine Ausnahme zu diesem Gesetz bilden. Für die praktische Tierzucht besagen die Lehren Mendels, dass die F1-Generation als eigentliche Kreuzungsoder Bastardgeneration stets die Erbanlagen beider Elternteile in sich führt. Dabei ist es nebensächlich, ob die Erbanlagen erkennbar sind. Das ist lediglich eine Frage der Dominanz gegenüber der Rezessivität bestimmter Anlagen. Diese F1-Generation hat für den Mutationszüchter keinen direkten züchterischen Wert, so gut sie äußerlich vielleicht auch aussehen mag. Sie interessiert den Mutationszüchter nur als Zwischenglied zur F2-Generation. Die F2-Generation entsteht aus Verpaarungen der F1-Geschwister untereinander oder entsprechender Nachkommen verschiedener Linien und ist für die züchterische Auslese von höchstem Wert. Wenn die F2Generation genügend zahlreich ist, vereinigt sie je nach den Ausgangseltern sehr verschiedene Farben und Typen in sich, von denen sogar die Hälfte reinerbig auf ein bestimmtes Merkmal ist. Die F2-Generation deckt die Erbwerte der Großeltern auf, zeigt alle möglichen Zusammenstellungen von Erbanlagen und alle Kombinationsmöglichkeiten. Hier braucht man „nur“ auszuwählen und nach dem Zuchtplan weiterzuzüchten, ganz gleich, welches Merkmal man verbessern oder verdrängen will. So führt der Weg zur Inzucht dem Ziele näher, die Erbmasse zu vereinheitlichen, vielleicht sogar Reinerbigkeit für bestimmte Merkmale zu erreichen. Wer den züchterischen Blick hat, wer seine Tiere von den Großeltern an richtig beurteilt, kann bei dieser Herauszüchtung reinerbigen „Materials“ auch mit guten Vererbern der Elternreihe und Großelternreihe zurückzüchten. Das setzt allerding voraus, dass sich Eltern und Großeltern bereits als sichere Vererber bestimmter Anlagen erwiesen haben. Vor Inzuchtschäden hat man sich zu hüten (siehe Glatzenbildung bei den Ino-Nymphensittichen). Hier sollte lediglich der hohe Wert der Mendelschen Gesetze für die Sittichzucht gezeigt werden. Mendel brauchte acht Jahre, bis er durch seine Zuchtversuche mit gelben und grünen Erbsen zahlenmäßig so viel Material beisammen hatte, dass er die Gesetzmäßigkeit der Vererbung nachweisen konnte. Das besagt für den Sittichzüchter, dass er sehr viele Bruten auswerten muss, um das zu finden, was er sucht. Für den Züchter ist vor allem wichtig zu wissen, auf welche Weise er spalterbige Tiere für irgendein Merkmal herausfinden kann. So kann er dann bei gezielter Verpaarung bereits in der nächsten Generation in der gewünschten Mutation reinerbige Nachkommen ziehen. Mendel hat das in mühevoller Weise an den Pflanzen ausgekundschaftet. Wir brauchen es heute durch die Erkenntnisse der modernen Erblehre mit den Buchstabensymbolen nur zu errechnen. Vererbungslehre und züchterische Praxis Durch die Vererbungslehre sind heute verschiedene alte Zuchtanschauungen überholt. Dazu gehört vor allem die Auffassung über den Erbwert des „Blutes“, die früher die Tierzucht beherrschte. Noch heute sprecht man von Blutströmen und Blutlinien. Diese Begriffe werden wohl nicht so schnell aus der Sprache der Züchter verdrängt werden, da sie seit Jahrhunderten in der Tierzucht verankert sind. Wenn ein Tierzüchter in der Vererbungslehre eingeweiht ist und vom „Blut“ als dem Sammelbegriff für sein erreichtes Zuchtziel spricht, so meint er die Erbanlagen seiner Tiere: die Erbkraft, die sich bei der Fortpflanzung auswirkt. Früher wurde z.B. von Halbblut, von Ein-Viertel-Blut usw. gesprochen, um die Erbanteile eines Tieres zu kennzeichnen. Heute wissen wir viel über die Erbanlagen, die in den Keimzellen liegen. Die einstige Theorie von der gleichmäßigen mathematischen Verteilung des Ahnenerbes in den Nachkommen und ihre Errechnung in Brüchen ist unhaltbar geworden. Die Vererbungslehre hat andererseits gezeigt, dass alte, im der Zeit durch Erfahrung gewonnene Anschauungen und Zuchtwege den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen standhalten. Hierher gehört – für den Mutationszüchter – auch die Inzucht. Als wichtigstes Ergebnis der Erblehre gilt für die Praxis: Der Zuchtwert eines Tieres kann nicht nach seinem Erscheinungsbild, sondern allein aus der Güte der Nachkommenschaft bestimmt werden. Außerdem lassen sich aus den Merkmalen der Geschwister eines Tieres Schlüsse auf dessen erblichen Wert ziehen. Letztlich kann man mit den heutigen Erkenntnissen über die Erblehre alle bisher vorkommenden Mutationen untereinander gezielt kombinieren, so dass - wie z.B. bei den Wellensittichen und Halsbandsittichen - die unterschiedlichsten Farbschläge in unseren Volieren zu bestaunen sind. Für Fragen zur Vererbung – insbesondere bei den Nymphen- und Halsbandsittichen – gebe ich gerne Auskunft. Nymphensittich – Weißkopfschecke (wk/wk; s/s) Stefan Kunz (44057) eMail: [email protected] / Internet: www.moortiere.de Tel. 04605/188914 Halsbandsittich – Grauer Scheck (bltq+_D+/bltq+_D+; G/G+; s/s) Halsbandsittich – Violett (bl tq+_D+/bl tq+_D+; V/V)