VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -1- Was bedeutet es, wenn es "genetisch Gesunde" und "genetisch Kranke" geben wird? Was bedeutet es, wenn andere Ansätze der Medizin und der Gesundheitsversorgung vernachlässigt werden, weil genetische Ursachen überbewertet werden? Verstehen wir genügend über die Wechselwirkungen von Genen und ihre Auswirkungen auf den Körper? Können wir mit Gentests eine neue Generation Supersportler schaffen? Gentests können eine bessere Behandlung von Krankheiten ermöglichen, aber wer darf die Ergebnisse einsehen? Sollten Versicherungen oder ArbeitgeberInnen Zugang zu solchen Informationen haben und unter welchen Umständen? Wie kann Missbrauch vermieden und die Vertraulichkeit der Daten sichergestellt werden? Chancen und Risiken von Gentests Genetische Testverfahren in der medizinischen Diagnostik gewähren dem Menschen Einblicke in sein Innerstes sein Erbgut. Der technologische Fortschritt und die Verfügbarkeit von bevölkerungsweiten Screeningmethoden konfrontieren den Menschen aber nicht nur mit neuen Facetten seiner Identität, sondern werfen auch völlig neue ethische Probleme und Fragestellungen auf. Was sind Gentests? Als DNA-Analyse, auch DNA-Test, DNS-Analyse, DNS-Test, Genanalyse oder Gentest, werden molekularbiologische Verfahren bezeichnet, welche die DNA (deutsche Abkürzung DNS) verwenden, um Rückschlüsse auf verschiedene Aspekte des Individuums ziehen zu können. Wie kein Mensch dem anderen gleicht, so unterschiedlich sind auch die genetischen Muster jedes Menschen. Mit Ausnahme eineiiger Zwillinge besitzt jedes Individuum einen einzigartigen Code. Das GTG definiert eine genetische Analyse als Laboranalyse, die zu Aussagen über konkrete Eigenschaften hinsichtlich Anzahl, Struktur oder Sequenz von Chromosomen, Genen oder DNA – Abschnitten oder von Produkten der DNA und deren konkrete chemische Modifikatio-nen führt, und die damit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Aussagen über einen Überträgerstatus, ein Krankheitsrisiko, eine vorliegende Krankheit oder einen Krankheits- oder Therapieverlauf an einem Menschen ermöglicht (§ 4 Z 3 GTG). Wozu werden Gentests durchgeführt? Gemäß § 65 (1) GTG dürfen genetische Analysen am Menschen zu medizinischen Zwecken nur nach dem Stand von Wissenschaft und Technik durchgeführt werden. Sie werden in vier Typen unterschieden: 1. Typ 1 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, der Vorbereitung einer Therapie oder Kontrolle eines Therapieverlaufs und basiert auf Aussagen über konkre-te somatische Veränderung von Anzahl, Struktur, Sequenz oder deren konkrete chemi-sche Modifikationen von Chromosomen, Genen oder DNA-Abschnitten. 2. Typ 2 dient der Feststellung einer bestehenden Erkrankung, welche auf einer Keim-bahnmutation beruht. Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -2- 3. Typ 3 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insbesondere der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Er-krankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Prophylaxe oder Therapie möglich sind. 4. Typ 4 dient der Feststellung einer Prädisposition für eine Krankheit, insbesondere der Veranlagung für eine möglicherweise zukünftig ausbrechende genetisch bedingte Er-krankung oder Feststellung eines Überträgerstatus, für welche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik keine Prophylaxe oder Therapie möglich sind. Wer darf in Ö Gentests durchführen? Die Durchführung von genetischen Analysen im Sinne des § 65 Abs. 1 Z 3 und 4 darf gemäß § 68 GTG nur in hierfür zugelassenen Einrichtungen und nur auf Veranlassung eines in Humangenetik/Medizinischer Genetik ausgebildeten Facharztes oder eines für das Indikationsgebiet zuständigen behandelnden oder diagnosestellenden Facharztes erfolgen. Wie werden Gentests durchgeführt? Für einen Gentestes benötigt man meist eine Blutprobe. Für manche Tests sind einzelne Zellen der Mundschleimhaut, aus Mundspülwasser oder Abstrichen der Wange ebenfalls ausreichend. In der vorgeburtlichen Diagnostik wird kindliches Zellmaterial aus dem Fruchtwasser oder den Chorionzotten (Begrenzung der Gebärmutter) der Gebärmutter gewonnen. Ein neueres, risikoloseres Verfahren ist das Filtrieren fetaler Zellen aus dem Blut der Mutter. Da die Durchführung von Gentests zahlreiche ethische Probleme aufwerfen kann, ist sie einer strengen Regelung unterworfen: • Der Test darf erst nach eingehender genetischer Beratung erfolgen. • Der Test muss freiwillig sein, um das Recht auf Nicht-Wissen zu gewährleisten. • Bei der Aufklärung und Beratung darf der Ratsuchende nicht beeinflusst werden. • Bei Kindern und Jugendlichen ist der Test nur dann durchzuführen, wenn mit dem Auftreten der Erkrankung bereits im Jugendalter zu rechnen ist, und wenn sinnvolle medizinische Maßnahmen zur Verhütung oder Therapie ergriffen werden können. Bei Minderjährigen muss Einsichtsfähigkeit für die Krankheit und das Testergebnis bestehen. • Das Eigentumsrecht an Untersuchungsmaterial und Ergebnis liegt allein beim Patienten. • Zwischen Beratung und Untersuchung soll eine längere Bedenkzeit liegen. • Die Einwilligung zum Gentest muss jederzeit widerrufen werden können. Bei einem Gentest werden Daten erhoben, die dem Kernbereich der Privatsphäre zuzurechnen sind und zur Ausgrenzung und Diskriminierung Betroffener führen können. Sie unterliegen strengsten datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -3- Gentests im Internet Seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert hat sich vor allem in den USA ein Markt für Gentests im Internet entwickelt. Es bestehen jedoch große Unterschiede in Bezug auf den primären Geschäftsgegenstand sowie die Finalität der angebotenen Tests. Einerseits werden prädiktive Gentests mit dem Ziel der Gesundheitsvorsorge angeboten, andererseits werden auch Tests vermarktet, die Informationen über die genetische Herkunft einer Person betreffen, nach genetischen Prädispositionen für athletische Höchstleistungen suchen, genetische Vaterschaft feststellen2 oder für „Matching“ im Bereich der Partnervermitt-lung herangezogen werden.3 Bei anderen Tests bekommt man die genetische Analyse „gratis“, wird aber dazu aufgefordert, bestimmte Produkte (z. B. Nahrungsergänzungsmittel, die auf die individuelle Genvariante zugeschnitten zu sein behaupten) käuflich zu erwerben.4 Für umgerechnet etwa 300 bis 2000 Euro (je nach Bandbreite der Leistungen) analysieren Unternehmen bis zu über eine Million SNPs, also Punkte am Genom, von denen vermutet wird, dass sie – stets im Zusammenwirken mit Lebensstil- und anderen so genannten Umwelt-faktoren – bestimmte Krankheiten begünstigen. Die derzeit angebotenen Tests, die im weiteren Sinn mit der Gesundheitsvorsorge zu tun haben, bieten die Testung auf monogene Erkrankun-gen, auf polygene multifaktorielle Erkrankungen, auf äußere Merkmale (z. B. Augenfarbe) und andere Eigenschaften (z. B. Laktoseintoleranz), sowie auf Medikamentenreaktionen an Rechtliche Aspekte genetischer Analysen Das Österreichische Gentechnikgesetz (GTG), BGBl. Nr. 510/1994, i.d.g.F., regelt grundsätzlich nur jene Analysen, die zu medizinischen Zwecken durchgeführt werden. Andere Anwendungsfälle, wie etwa der Einsatz im Rahmen der Verbrechensaufklärung oder Vaterschaftsnachweise, sind in anderen gesetzlichen Bestimmungen bzw. gar nicht geregelt. Die in Österreich geltenden gesetzlichen Regelungen greifen auch nicht in Bezug auf (DTC) Marketing von Gentest durch das Internet. Diese Tests werden zum Großteil von Firmen angeboten, die ihren Sitz in den USA haben, wodurch sie US amerikanischem Recht unterliegen. Der österreichische Gesetzgeber hat für die Durchführung von genetischen Analysen eine Reihe von Vorschriften zur Sicherheit und Wahrung von allgemein geltenden medizinethischen Grundsätzen der getesteten Person erlassen. Diese beziehen sich auf die Qualität der Untersuchungen, die Selbstbestimmung des Patienten, adäquate medizinische Aufklärung und allenfalls psychologische Beratung sowie den Schutz der durch die Untersuchung anfallenden Daten. Die einschlägigen Bestimmungen werden in Folge im Detail beschrieben, um einen Vergleich der österreichischen Sicherheitsstandards und der berücksichtigten medizinethi-schen Grundsätzen bei Gentests, die unter das österreichische Gentechnikgesetz fallen, zu im Internet angebotenen Gentests zu ermöglichen. Datenschutz Besondere Bedeutung kommt den umfassenden Vorschriften des GTG zum Datenschutz zu: Grundsätzlich hat, wer genetische Analysen durchführt oder veranlasst, gemäß § 71 (1) GTG die dabei gewonnenen personenbezogenen Daten geheim zu halten und die folgenden Bestimmungen zu beachten: Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -4- 1. Der untersuchten Person ist über deren Verlangen Einsicht in alle sie betreffenden Daten zu gewähren. 2. Der untersuchten Person sind unerwartete Ergebnisse mitzuteilen, die von unmittelbarer klinischer Bedeutung sind oder nach denen sie ausdrücklich gefragt hat. Diese Mitteilung ist insbesondere dann, wenn die untersuchte Person nicht danach gefragt hat, so zu gestalten, dass sie auf die untersuchte Person nicht beunruhigend wirkt; in Grenzfällen kann diese Mitteilung gänzlich unterbleiben. 3. Daten in nicht anonymisierter Form (§ 66 Abs. 1) dürfen für einen anderen als den Zweck, für den sie ursprünglich erhoben worden sind, nur mit ausdrücklicher und schriftlicher Zustimmung der untersuchten Person verwendet werden. 4. Daten dürfen unbeschadet der Bestimmungen Untersuchungsergebnisse nur übermittelt werden des § 71a über die Dokumentation der a) an Personen, die in der Einrichtung, in der sie erhoben worden sind, mit der Ermittlung, Verarbeitung oder Auswertung der Daten unmittelbar befasst sind, b) an die untersuchte Person, c) an die in § 69 Abs. 2 genannten Personen, d) an den Arzt, der die genetischen Analysen veranlasst hat, und an den behandelnden Arzt, e) an andere Personen nur, soweit die untersuchte Person hiezu ausdrücklich und schriftlich zugestimmt hat, wobei ein schriftlicher Widerruf dieser Zustimmung jederzeit möglich ist. 5. Daten müssen vor dem Zugriff Unbefugter in geeigneter Weise geschützt werden. 6. Die Verpflichtungen gemäß Z 3 bis 5 gelten auch für Personen, die bei der Durchführung von genetischen Analysen oder bei der Aufbewahrung oder Verwaltung der dabei erhobenen Daten mitwirken. Das Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, das Gesundheitstelematikgesetz, BGBl. I Nr. 179/2004, sowie Vorschriften, die besondere Verschwiegenheits- oder Meldepflichten beinhalten, gelten zusätzlich. Eine wichtige datenschutzrechtliche Bestimmung findet sich in § 67 GTG: Dieser bestimmt, dass es Arbeitgebern und Versicherern einschließlich deren Beauftragten und Mitarbeitern verboten ist, Ergebnisse von genetischen Analysen von ihren Arbeitnehmern, Arbeitsuchenden oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten. Von diesem Verbot sind auch das Verlangen nach Abgabe und die Annahme von Körpersubstanz für genanalytische Zwecke umfasst. Welche verschiedenen Gentests gibt es? Gentests der Eltern bei Kinderwunsch (Heterozygotendiagnostik) Bei so genannten rezessiv vererbten Krankheiten kommt es nur dann zum Ausbruch der Erkrankung, wenn beide für ein Merkmal verantwortlichen Genorte verändert sind. Ist nur ein einzelnes Gen defekt, sind die Betroffenen zwar gesund, sie können jedoch als Anlageträger die Erkrankung an ihre Nachkommen weitergeben. Kinder zweier Anlageträger haben ein erhöhtes Risiko zu erkranken. Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -5- In Familien mit erblicher Vorbelastung und Kinderwunsch kann eine genetische Untersuchung daher nützlich sein, um das Risiko für den Nachwuchs einzuschätzen. Bei einer genetischen Beratung wird zunächst geklärt, ob ein Gentest bei der entsprechenden Krankheit und dem jeweiligen Erkrankungsmuster im Stammbaum sinnvoll ist. Eine routinemäßige Testung gibt es nicht. Gentests zur Vorhersage von Krankheiten (Prädiktive genetische Diagnostik) Die Untersuchung eines gesunden Menschen auf Erbanlagen, die zu Erkrankungen im späteren Leben führen, wird nur bei besonderem Verdacht durchgeführt. Bei vermeidbaren oder behandelbaren Krankheiten kann diese Untersuchung im Einzelfall eine wichtige Hilfe bei Entscheidungen über vorbeugende Maßnahmen oder Fragen der Lebens- oder Familienplanung sein. Die prädiktive genetische Diagnostik ist keine Routineuntersuchung. Gentests in der vorgeburtlichen Diagnostik (Pränataldiagnostik, Präimplantationsdiagnostik) Voraussetzung eines vorgeburtlichen Gentests ist eine Beratung mit ausführlicher Aufklärung über alle Aspekte der Untersuchung und ihre möglichen Konsequenzen. Aus dem Untersuchungsergebnis können sich schwerwiegende Entscheidungen ergeben, die Grundwerte und Grundrechte des menschlichen Lebens betreffen. Das Vorliegen oder erhebliche Risiko einer nicht heilbaren Schädigung des Kindes kann so schwer wiegen, dass eine Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann. Die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch sollten die Schwangere, ihr Partner sowie die beteiligten Ärzte und Berater gemeinsam diskutieren. Die Höhe des Risikos, der Schweregrad der gesundheitlichen Beeinträchtigung, Therapie und Förderungsmöglichkeiten sowie die individuelle Situation der schwangeren Frau und deren Bedeutung für das betroffene Kind müssen dabei in Betracht gezogen werden. Die Schwangere kann im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen aufgrund des Testergebnisses einen Abbruch verlangen. Keinesfalls jedoch kann der Arzt aus medizinischen Gründen auf einen Abbruch bestehen. Er ist lediglich der Berater der Schwangeren, die letztlich die Entscheidung trifft. Vorgeburtliche Genanalysen bergen durch die eingreifenden Techniken bei der Gewinnung kindlicher Zellen ein zusätzliches Risiko. Die genetische Pränataldiagnostik wird daher nur bei konkretem Verdacht auf eine schwere Erbschädigung durchgeführt. Sie gehört nicht zur Routinediagnostik. Präimplantationsdiagnostik bezeichnet die genetische Untersuchung embryonaler Zellen nach einer In-vitroFertilisation (Befruchtung im Reagenzglas) vor dem Einpflanzen in die Gebärmutter. Auch dieses Verfahren ist keine Routinediagnostik und bleibt Sonderfällen vorbehalten, bei denen ein erhebliches genetisches Risiko für schwerwiegende kindliche Erkrankungen besteht. Vorgeburtliche Vaterschaftsbestimmung Eine vorgeburtliche Bestimmung der Vaterschaft ist technisch möglich, wenn Blutproben der Mutter und eines Partners sowie eine Gewebeprobe des Kindes zur Verfügung stehen. Vorgeburtliche Geschlechtsbestimmung Bereits in der achten bis elften Schwangerschaftswoche kann bei genetischen Untersuchungen das Geschlecht des Kindes erkannt werden. Aus dieser Information darf aber keine Entscheidung über Austragen oder Abbruch Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -6- der Schwangerschaft entstehen. Deshalb werden Geschlechtsbestimmungen erst nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche an Eltern und Frauenärzte weiter gegeben. Keine sichere Prognose für den Einzelnen Es gibt inzwischen Gentests für über 400 Krankheitsbilder. Zu diesen Krankheiten gehören u.a. Chorea Huntingdon, Mukoviszidose, Brustkrebs, bestimmte Ausprägungen von Alzheimer, Empfindlichkeiten gegenüber Chemikalien. Nur bei wenigen Krankheiten gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer Genveränderung und einer späteren Erkrankung. Chorea Huntingdon ist einer dieser seltenen Fälle. Ein positives Testergebnis bedeutet, dass die Krankheitssymptome auftreten werden - allerdings weiß niemand wann. Bei manchen Menschen geschieht dies in jungen Jahren, bei manchen Menschen erst mit 70. Der Regelfall ist noch wesentlich komplizierter: Durch Gentests werden Abweichungen von einer festgelegten genetischen Norm analysiert. Ein positives Ergebnis heißt nichts anderes, als dass bei Menschen, die Träger eines bestimmten Genes bzw. einer Genvariante sind, eine Krankheit häufiger als bei der definierten "Normgruppe" auftritt. Eine sichere Prognose für den einzelnen Menschen ist nicht durchführbar. Da es aber kein "Sinnesorgan für Wahrscheinlichkeit" gibt, nehmen die meisten Menschen ein positives Testergebnis meist als sicheres Urteil über eine Krankheit wahr. Dabei liegt die Ungenauigkeit in der Natur der Sache, sprich in der Natur der Gene. Auch in Zukunft wird kein noch so ausgeklügeltes Testverfahren mehr Licht an den Tag bringen. Ob eindeutige Aussage über das Auftreten der Krankheit oder nicht ... ... sicher ist, dass es bei fast keinem der 400 Krankheitsbilder eine Therapie gibt. Früher wurden Diagnosen gestellt, um daraus eine Therapie abzuleiten. Die Einführung der Gendiagnostik ändert dies. Wer z.B. mit 20 durch einen Gentest erfährt, dass er später an Chorea Huntington erkranken wird, muss mit dieser Gewissheit leben - ohne etwas dagegen tun zu können. Er weiß, dass er später mit schweren Wesensveränderungen, Psychosen, Demenz und körperlichem Verfall rechnen muss, bis der Tod eintritt. Manche wollen es wissen, um sich darauf einzustellen. Die meisten aber wollen eine solche Gewissheit nicht - auch nicht die Angehörigen, die dann persönlich betroffen sind, wenn Testergebnisse von Familienmitgliedern Aussagen über sie ermöglichen. Insbesondere Behindertenverbände fordern deshalb ein "Recht auf Nichtwissen". Die Frage von Handlungsmöglichkeiten stellt sich auch bei Gentests für Krankheiten, wie Bluthochdruck, wo allenfalls eine erhöhte Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Wie soll sich der Betroffene verhalten? Soll er überhaupt etwas ändern? Was bedeutet es, vor einem Gentest gesund gewesen zu sein und danach "genetisch krank"? Nur wenige erbliche Krankheiten können auf einen einzelnen Defekt im Erbgut zurückgeführt werden (monogenetische Erbkrankheiten). Die meisten Erkrankungen sind Folge mehrerer genetischer Veränderungen (Mutationen), die zusammen ein bestimmtes Beschwerdebild verursachen (polygenetische Erbkrankheiten). Auch der Nachweis eines für eine Krankheit typischen Gendefekts kann das Auftreten der Erkrankung nicht mit Sicherheit vorhersagen. Ebenso wenig ist ein Gentest in der Lage, eine Erkrankung mit erblicher Komponente völlig auszuschließen. Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -7- Die Struktur des Genoms bestimmt lediglich die mehr oder weniger starke Neigung, eine Krankheit zu entwickeln. Entsprechend zurückhaltend muss mit Ergebnissen von Gentests umgegangen werden, deren Ergebnisse bestenfalls eine Risikoeinschätzung möglich machen. Niemals können damit hundertprozentige Voraussagen gemacht werden. Die genetische Erfassung der Bevölkerung Derzeit werden Gentests nur in Einzelfällen durchgeführt. Aber dies kann sich ändern, wenn die DNA-Chips auf den Markt kommen, weil die Tests dadurch billiger und einfacher werden. Dann wäre es möglich, mit relativ geringem Aufwand, in relativ kurzer Zeit und mit nicht sehr hohen Kosten Untersuchungen auf viele Krankheiten gleichzeitig durchzuführen. Eine bisher ungeklärte Frage ist allerdings, wie der informed consent beispielsweise bei der gleichzeitigen Untersuchung auf 90 Krankheiten sinnvoll erreicht werden kann. Vorstellbar ist, dass es ab einer bestimmten Anzahl von Tests eine Unterscheidung in "genetisch Gesunde" und "genetisch Kranke" nicht mehr geben kann, weil jeder Mensch von der genetischen Norm abweicht. Nicht nur die Firmen, die Gentests anbieten, auch die Pharmaunternehmen haben Interesse an den genetischen Daten ganzer Bevölkerungsgruppen. Regierungen ziehen mit, weil sie die Hoffnung haben, das Ergebnis dieses Entgegenkommens wäre ein Boom der einheimischen Biotechbranche. Bisher sorgen die Länder Island und Estland und das pazifische Inselreich Tonga dafür, dass die Bevölkerung mehr oder weniger komplett genetisch erfasst wird. Nebenwirkung: Diskriminierung Positive Testergebnisse haben nicht nur Folgen für das eigene Verständnis von Krankheit bzw. Gesundheit. Es besteht bereits jetzt in anderen Ländern das Problem, dass Menschen am Arbeitsplatz und im Versicherungswesen diskriminiert werden, wenn sie "genetisch krank" sind. So ist es z.B. zumindest in Einzelfällen in den USA zu Entlassungen gekommen. In verschiedenen Ländern werden Menschen von bestimmten privaten Versicherungen ausgeschlossen oder müssen erhöhte Prämien bezahlen, wenn sie Träger bestimmter Genmerkmale sind. Die deutsche Versicherungswirtschaft hat 2001 ein fünfjähriges Moratorium beschlossen, will also zumindest in dieser Zeit Ergebnisse nicht verwenden. Allerdings gibt es auch aus der Versicherungswirtschaft Stimmen, die dieses Moratorium in Frage stellen. Auch wehrt sich die Versicherungswirtschaft gegen ein Gesetz, das die Nutzung von Ergebnissen von Gentests beim Abschluss von Versicherungen ausschließt. Die Datenschutzbeauftragen dagegen sind der Ansicht, dass "Genomanalysen im Versicherungswesen grundsätzlich nicht erforderlich sind und mit dem Prinzip der Versicherungen, Risiken abzudecken und nicht auszuschließen, unvereinbar." Zur informationellen Selbstbestimmung gehöre auch das Recht auf Nichtwissen. Eine "genetische Diskriminierung" bei der Gewinnung oder Verwendung genetischer Informationen, etwa im Arbeitsverhältnis oder beim Abschluss von Versicherungsverträgen, müsse verhindert werden. Es hat von Seiten der Politik immer wieder Anläufe gegeben, ein Gentestgesetz auf den Weg zu bringen, allerdings sind sie bisher alle im Sande verlaufen. Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt VERTIEFENDE INFORMATION Verwendung der Ergebnisse von Gentests: Welche Auswirkung hat das auf die Gesellschaft? -8- Gentests und Sport Der Sport-Gen-Test überprüft, welcher Sporttyp man ist. Alpha-Actinin-3 gibt Aufschluss, ob man eher auf Kraft oder Ausdauer setzen sollte Der Sport-Gen-Test überprüft die Variante des Gens Alpha-Actinin-3 und gibt damit Aufschluss, ob man eher für Kraft- oder Ausdauersportarten veranlagt ist. Entwickelt wurde dieser Test in Sydney gemeinsam mit der dortigen Universität und der "Australian National University". Forscher der Universität Wien untersuchten die DNA Hunderter Sportler, darunter auch Dutzende Olympia-Teilnehmer. Alpha-Actinin-3 kommt in der Skelettmuskulatur vor und ist an den Muskelkontraktionen beteiligt. Diese sind für schnelle Sprints oder kurze Kraftleistungen etwa beim Speerwerfen oder beim Hoch- und Weitsprung notwendig. Von diesem Gen gibt es eine Variante, die kein Alpha-Actinin-3 produziert. Aber das ist kein Nachteil: Menschen ohne dieses Protein sind in der Lage, körperliche Leistungen mit größerer Ausdauer zu erbringen, etwa bei Radrennen oder beim Marathonlauf. Je nach Veranlagung muss beispielsweise die Schinderei im Fitnesscenter nicht unbedingt auch für jeden das optimale Training darstellen. Tests, die genaueren Aufschluss über die genetische Disposition geben sollen, werden vorbereitet oder stehen kurz vor der Mar Österreichisches Wissenschaftsparlament – 15.-16.9.2010 – Wiener Neustadt