4. Physikalische Grundlagen der Pulsspektroskopie Dieses Kapitel behandelt das Zustandekommen des NMR-Signals sowie einige ausgewählte Messmethoden, die dem Verständnis der 2D-Techniken dienen. Am COSY wird das Prinzip der 2D-Spektroskopie eingeführt, die weiteren Mesmethoden (HMQC etc.) werden nicht im Detail behandelt. Soweit wie möglich wird dabei auf grafische Darstellungen zurückgegriffen (Vektormodell). Die sind zwar anschaulich aber völlig unzureichend, wenn es um das „Verstehen“ der Puls-NMR-Spektroskopie geht. Erst der im Rahmen dieser Vorlesung nicht behandelte Produktoperatorformalismus bringt einen weiter. Kernspinquantenzahl: Kein magnetisches Moment P I = 0 I = ½ Magnetischer Dipol Modell: „Stabmagnet“ I > 1 Komplexe Kopplungsmuster antiparallel E-Zustand "Larmorpräzession" parallel 'E = h 2S h Q Y Z = JB0 rad s Resonanz ! Feldstärke des angelegten Magnetfeldes B0 bestimmt die Resonanzfrequenz Z D Y X Y Q Z Überschuß -4 Geyer, NMR-Spektroskopie nicht resonant, ignorieren Je länger der Rf-Puls, desto weiter neigt sich M0 M0 Y' B1 Y 90°Puls X' Y Y' B1 Q Einzelspins D = E gleichbesetzt Phasenkoharenz Die Spins sammeln sich auf einer Seite des Kegelmantels. Z zwei Kegelmäntel Z X X' Im rotierenden Koo.system spürt M0 das statische Feld B1 als Drehmoment (torque) E 3. M0 X X' X Z Q J = gyromagnetisches 2. viele Kerne X M0 Feld Verhältnis Z - X Z Dazu denkt man sich ein Koordinatensystem mit B0-Feld entlang der z-Achse. 1. Ein Kern Y Y + 'E D-Zustand - Diese mit der Frequenz +/-Q0 rotierenden Feldkomponenten wechselwirken mit der Gleichgewichts-Magnetisierung M0 der NMR-Probe (unten links), die daraufhin eine komplizierte Taumelbewegung vollführt. Nun das entscheidende Gedankenexperiment: Wir setzen uns gedanklich auf den rotierenden Vektor +Q0. So erscheint uns das von ihm erzeugte Feld B1 statisch. Wir befinden uns im rotierenden Koordinatensystem X‘,Y‘ Larmorpräzession Q= Z 2S JB 0 + X Typische NMR-Kerne mit I = ½ sind 1H, 13C, 31P, 15N, 19F In einem äußeren statischen Magnetfeld B0 gibt es für P zwei Einstellungen, P präzediert um B0. B0 Im td Gleichgewicht ist Überschussmagnetisierung im energieärmeren D-Zustand. Wodurch aber kommt das NMR-Signal zustande? Dazu setzt man einen Radiofrequenz-Puls ein: Elektromagnetische Strahlung, die in der x,y Ebene polarisiert ist. Wir betrachten nur die magnetische Feldkomponente, die entlang der X-Achse polarisiert ist. Im Koordinatensystem blicken wir aus der z-Richtung auf die x,y-Ebene und zerlegen die lineare Polarisierung in zwei gegenläufige zirkular polarisierte Komponenten (gestrichelt): Y' Bulk-Magnetisierungsvektor M0 "Bloch'sches Vektormodell" Dies ist die NMR-Probe im Gleichgewicht. 20 Geyer, NMR-Spektroskopie 21 180°Puls Z Nur die Quermagnetisierung erzeugt ein Signal im Empfänger Überschuß im E Zustand Inversion von M0 keine x,y-Magnetisierung Von oben im Laborkoordinatensystem z. B.: 90°X – Puls Konvention von oben: Z X' -M0 Y' Der Pulswinkel wird meist über die Zeitdauer des angelegten Feldes charakterisiert. Typisch ist ein 90° Puls von ca. 10 Mikrosekunden. x,y-Magnetisierung bezeichnet man als Quermagnetisierung, nur diese führt zu einem Signal in der Empfängerspule. Die maximale "Störung" der Spins (d.h. 180°Puls) führt zu keinem messbaren Signal. Dies ist hier für ein Singulett gezeigt. Gezeigt ist 16 mal das selbe 1H-NMR Spektrum in Abhängigkeit von der Pulslänge. X' B1 Y' M Daumen der rechten Hand: M0 Zeigefinger B1 Mittelfinger: M X Y T1 und T2-Relaxation ist strahlungslos Der rotierende Magnetisierungsvektor induziert einen Strom in der Messspule (Dynamoprinzip, Induktion) Int. Zeit Fouriertransformation Frequenzanalyse Als Relaxation bezeichnet man die Rückkehr ins Gleichgewicht: Int. Nach einem 90° Puls: T2-Relaxation. Verlust der Phasenkoharenz. „Auffächern der Spins“: Verlust an Ordnung / Entropie ( + T1-Relaxation, Überschuß D Zustand) Nach einem 180° Puls: T1-Relaxation. Energie wird an die Umgebung abgegeben und die Gleichgewichtsmagnetis ierung stellt sich wieder ein; D ļ E Insgesamt vollführt der Magnetisierungsvektor eine komplizierte Rotationsbewegung um die Achse des Magnetfeldes. Geyer, NMR-Spektroskopie Q 22 Geyer, NMR-Spektroskopie Frequenz 23 90°X Z 90°-X M0 Warum so ausführlich? Z Hier kommt erstmals die Signalphase ins Spiel, eine zusätzliche Information (bei anderen spektroskopischen Methoden gibt es nur Frequenz und Intensität): M0 B1 M Darstellung Puls-NMR X B1 X Y M Y 90°X Detektion von y-Magnetisierung FID - cosinus cosinus Modulation D1 Zeitachse negative Absorption "Emmision" (ist es keine) Puls Detektion M Präparation (vollständige Rückkehr ins Gleichgewicht) Phasenzyklus zur Unterdrückung von Störsignalen 1H Puls "positive Absorption" FT 90°Y 90°-Y Z M0 Z 1.) 90X M0 X X Y sinus el. Störsignal Detektion aus 2.) 90-X Y y Vorzeichenumkehr im Computer = Detektion aus -y + - sinus "Selektion der gewünschten Magnetisierung" subtrahiert! positive Dispersion (Anschaulich: 1. Ableitung, Steigung mathematisch nicht korrekt) pos./neg. 180° phasenversetzt Abs./Disp. 90° phasenversetzt Geyer, NMR-Spektroskopie cos zu -cos cos zu sin 24 Geyer, NMR-Spektroskopie 25 Nochmals Relaxation: Zwei einfache Zweipulsexperimente. Die Störung der Gleichgewichtsmagnetisierung = Veränderung des DE Besetzungszustandes. Bei der Rückkehr ins td Gleichgewicht wird die Energie wird als Wärme durch Stoßrelaxation an die Umgebung abgegeben. M0 - MZ T1 dMZ = dt Zeitkonstante des Zerfalls erster Ordnung = R1-1 In Abhängigkeit von der chemischen Umgebung hat jeder Kern seine eigene charakterisitsche Relaxationszeit. Hier gezeigt für das 1H-NMR von D-Pinen in Sekunden MZ = M0(1 . e -t/T1) T1 : Sekunden! Keine spontane Emmission, da geringe Anregungsenergien. Elektronische Anregungen relaxieren auf der Picosekunden-Zeitskala. schmale Linien Mehrpulsexperimente werden möglich Information über interne Dynamik, Wechselwirkung etc. Wie kann man T1 messen? Inversion-Recovery-Experiment Mehrpulsexperimente werden von links nach rechts gelesen. Im nachfolgenden Diagramm bedeutet das: Das Experiment beginnt mit einem 180°-Puls, gefolgt von einer kurzen Wartezeit, dann ein 90°-Puls und Detektion des FID. 90°X 180° variable Wartezeit W Z Z Z Detektion X X -MZ Y X Y X Z Y kurzes W Geyer, NMR-Spektroskopie Z langes W Y Y Die Bestimmung von T1 erfolgt anhand folgender Formel MZ = M0( 1-2e -W/T1 ) Da wir von der maximalen Störung -MZ ausgehen, ist die beobachtete Differenz 2 . MO Z -Y! X Y X Y neg. Absorption 26 Quick: Wnull = T1 ln2 bzw. T1 = 1.44 . Wnull Wartezeit, nach der ein Kern gerade durch Null geht! Geyer, NMR-Spektroskopie 27 Gilt für alle Kerne, 13C können sehr lange Relaxationszeiten haben. Chemische Verschiebung Bisher kennen wir chemische Verschiebung nur als ppm-Differenz zu einer Eichsubstanz, wie z.B. TMS = SiMe4 . Für das Verständnis der Pulsspektroskopie müssen wir eine andere Betrachtungsweise wählen. 1000 Hz bisher: Q -Q GX = X TMS . 106 = 2.5 ppm Q0 QX QTMS Messfrequenz 400 MHz offset Z "off-resonance" "on-resonance" QX Q0 Q0 + 'Q M0 Q$ Kern A Q0 Sendefrequenz X MX rotiert mit QX Referenzfrequenz 400 000 000 (Sendefrequenz) 10 Ps ein/aus 1000 Hz detektiertes Signal (Audiobereich) Puls 2.5 ppm Radiofrequenz 400 001 000 28 Y ist die Mitte des Spektrums. An dieser Position soll der Kern A resonant sein. Puls-NMR: Geyer, NMR-Spektroskopie Nach dem 90°Puls während der Detektion Geyer, NMR-Spektroskopie Subtraktion des Referenzfrequenz. Der Computer speichert Frequenzdifferenzen 29 Ein weiteres Zweipulsexperiment : Spin-Echo Nach dem 90°Puls liegen alle Magnetisierungen in y, während der Detektion rotiert Mxy mit der Frequenz QX – QA (bzw. Q0). Dies ist die experimentelle Realisierung des Gedankenexperiments „Rotierendes Koordinatensystem“. Umgekehrt zu Inversion Recovery zuerst 90°, dann 180° 90°X 180°Y W = variabel ' = fest Detektion Ein 1H-NMR-Spektrum wird an einem 400 MHz Spektrometer mit einer Genauigkeit von +/- 1 Hz gemessen. Diese Genauigkeit erreicht man durch Differenzbildung der Resonanzfrequenzen der Protonen mit einer Trägerfrequenz von 400 000 000 Hz. Ähnlich große Zahlen spielen bei der Abstandsmessung Erde Mond eine Rolle. Die 380 000 000 m können nicht exakt vermessen werden. Aber die Änderung des Abstandes kann mit Lasern und Spiegeln aber sehr exakt bestimmen (+/- 1m). ' 0. ' 1. 2. Was passiert? 0. Kopplungen Wie für die chemische Verschiebung, die nur als Frequenzdifferenz betrachtet wird, so wird Kopplung bei der Pulsspektroskopie auch nur als Frequenzdifferenz der Einzelsignale behandelt. 4. 3. 1. Z M0 Z Wartezeit in ms ' 90°X X X Y M Y Auch hier eine andere Betrachtungsweise. Q0 : on-resonance in der Mitte des Multipletts. Dublett - J/2 + J/2 Z 2. Triplett langsamer -J +J QB X QA Z X 1 2J QB langsamer Y Bedeutung: 90'180' als Baustein fast aller komplexer Pulssequenzen Nach 1 4J Z 90°X 180°Y T2 Relaxationsmessung ' Y D = E, MZ = Mque = 0 trotzdem kein Gleichgewicht „Antiphasenstruktur“ zwei Vektoren 180° phasenversetzt Geyer, NMR-Spektroskopie Y X ^ Zustand 1 = Refokusierung der chem. Verschiebung (und Kopplung) Y X Z X Y 4. ' - J/2 Nach QA Z Die Vektoren rotieren doppelt so schnell + J/2 schneller 180°Y Spiegelt alles was senkrecht auf y-Achse steht x zu -x bzw. umgekehrt schneller Q Q Z 3. X ' n Y Z Diese Unterschiedliche Rotationsgeschwindigkeit ist Grundlage für editierte 13C Spektren wie INEPT, DEPT etc. Dazu später mehr... 30 Z n=1 n = 10 X Y X Y kürzerer Vektor! Geyer, NMR-Spektroskopie 31 Allgemeines Flussdiagramm der 2D Spektroskopie 5. Zustandekommen des zweidimensionalen Spektrums Allgemeines Flussdiagramm der 1D Spektroskopie t1 Präparation Puls(e) Evolution Präparation Puls(e) Detektion Der in Klammern gesetzte Puls steht für die Anregung durch einen oder mehrere Pulse. Ein Beispiel für so ein Mehrpulsexperiment ist das Inversion-Recovery-Experiment. Ein Gedankenexperiment: Was passiert, wenn man kurz wartet zwischen dem Puls und der Detektion des Signals? 1. Absorption '= 0 s ' t2 Magnetisierungstransfer Detektion Es werden 256 oder 512 eindimensionale Spektren gemessen, bei denen zwei Pulse (resp. Pulsgruppen) jeweils durch eine kurze Wartezeit (t1) getrennt sind. Die Länge dieser Wartezeit wird von einem zum nächsten Spektrum systematisch verlängert (= inkrementiert). Abhängig vom offset und von den Spin-Spin-Kopplungen unterscheiden sich alle Signalphasen (siehe obiges Gedankenexperiment). Der Puls am Ende der t1Zeit bewirkt eine Projektion aller Magnetisierungsvektoren auf die y-Achse (die x-Anteile der Vektoren werden in z / -z gedreht). Danach wird sofort detektiert (t2: Aquisitionszeit). Schreibt man alle 1D-Spektren hintereinander, so wird eine zweite Zeitdimension aufgespannt. Entlang dieser indirekten Dimension (inkrementierte Zeitdimension) zeigen die Signale eine Intensitätsänderung (siehe übernächste Abbildung). Die Fouriertransformation entlang der 1D-Spektren ergibt dann die zweite (indirekte) Dimension. 2. Dispersion ' '' 3. Emission 2' 3.) X 2.) 1.) Y Der offset (chemische Verschiebung) bestimmt die Umlaufgeschwindigkeit jedes einzelnen Magnetisierungsvektors. Für Multipletts gilt: Je größer die Kopplung, desto unterschiedlicher die Umlaufgeschwindigkeiten der beiden Einzelvektoren. Der Effekt auf das 1D-Spektrum wäre fatal, da der Phasenfehler eines Signals umso größer wird, je weiter (in ppm bzw. Hz) dieses Signal von der zufällig gewählten Sendefrequenz entfernt ist. Geyer, NMR-Spektroskopie 32 Geyer, NMR-Spektroskopie 33 Geyer, NMR-Spektroskopie 34 Geyer, NMR-Spektroskopie 35 Geyer, NMR-Spektroskopie 36 Geyer, NMR-Spektroskopie 37