Artikel vom 24.10.2005

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Ärzte-Zeitung, Nr. 190 vom 24.10.2005
Die Vogelgrippe - das Wichtigste auf einen Blick
Das Vogelgrippevirus mit der Bezeichnung H5N1 hat inzwischen auch die Türkei und
Rumänien erreicht - zuvor hatte es sich in Asien ausgebreitet. Bald könnte es auch in
Deutschland sein. Doch selbst dann sind hier nur Menschen in Gefahr, die beruflich mit
lebendem Geflügel zu tun haben. Und selbst für Geflügelbauern ist die Gefahr gering:
Weltweit haben sich über 100 Millionen Hühner, Enten und Gänse mit dem
Vogelgrippevirus infiziert, aber nur etwa 120 Menschen sind daran erkrankt. Das
Vogelgrippevirus ist nicht zwischen Menschen übertragbar. Ob es sich jemals so
verändert, dass es von Mensch zu Mensch übertragen wird, kann niemand
sagen.
Ist die Vogelgrippe für Menschen gefährlich?
Die Vogelgrippe ist eine Tierkrankheit und vor allem für Vögel gefährlich - kaum für
Menschen. Es gibt viele verschiedene Vogelgrippeviren, die meisten sind für Menschen
völlig harmlos. Das Vogelgrippevirus H5N1, das jetzt auch in der Türkei und Rumänien
nachgewiesen wurde, kann auch Menschen infizieren. Dies geschieht aber sehr selten,
und nur bei Menschen, die intensiven Kontakt mit infiziertem Geflügel haben, also
Bauern und Geflügelzüchter.
Sind Eier oder Hühnerfleisch infektiös?
Foto: ill
Das ist unwahrscheinlich. Menschen können sich durch Kontakt mit kranken Vögeln infizieren sowie
über Federn oder den Kot infizierter Vögel. Empfohlen wird aber, in Ländern, in denen Vogelgrippe
vorkommt, nur gut durchgegartes Geflügelfleisch und keine rohen Eier zu essen. In Deutschland ist
es völlig unproblematisch, Geflügel und Eier zu essen.
Kann man beruhigt in Länder mit Vogelgrippe reisen?
Ja! Für keines der Länder mit Vogelgrippe gibt es offizielle Reisewarnungen. Allerdings sollten
Reisende Kontakte mit lebendem Federvieh und rohem Geflügelfleisch meiden, also keine
Geflügelmärkte oder -farmen besuchen. Den Kontakt mit Menschen, die sich mit Vogelgrippe
infiziert haben, sollte man sicherheitshalber auch meiden.
Worauf ist bei der Rückreise nach Deutschland zu achten?
Kommen Reisende aus Ländern mit Vogelgrippe, dürfen sie kein Geflügel, keine Geflügelprodukte
wie Fleisch, Eier oder Federn mit sich führen. Auch andere Vögel oder unbehandelte Jagdtrophäen
sind tabu. Die Einfuhr lebender Vögel ist unabhängig vom Herkunftsland generell untersagt und
strafbar.
Kann ich mich bei Menschen infizieren, die an Vogelgrippe erkrankt sind?
Nein, das Vogelgrippevirus H5N1 ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Es wird bei einigen
Personen diskutiert, ob sie sich bei Familienangehörigen angesteckt haben. Dies ist aber noch nicht
eindeutig geklärt.
Was kann man tun, wenn jemand an Vogelgrippe erkrankt?
Eine Therapie mit Neuraminidase-Hemmer hilft vermutlich, die Erkrankung zu lindern. In
Laborversuchen reagierte das Vogelgrippevirus H5N1 empfindlich auf die beiden erhältlichen
Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®). Noch gibt es aber
wenige klinische Daten zur Wirksamkeit bei einer Erkrankung mit H5N1.
Kann man gegen Vogelgrippe impfen?
Eine Vakzine gibt es derzeit nur für Geflügel, nicht für Menschen.
Wenn man sich kaum mit Vogelgrippe infizieren kann, weshalb dann die Aufregung?
Virologen befürchten, dass das Vogelgrippevirus H5N1 eines Tages so mutiert, daß es wie
gewöhnliche menschliche Grippeviren von Mensch zu Mensch übertragen wird. Das
Vogelgrippevirus könnte sich auch mit einem Human-Influenzavirus kreuzen, etwa in einem Tier
oder in einem Menschen, der mit beiden Virustypen infiziert ist. Auf diese Weise könnte ebenfalls
ein neues Influenzavirus entstehen, das von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Ein solches Virus
könnte dann eine Pandemie auslösen, sich also in kurzer Zeit über die ganze Welt verbreiten und
Millionen Menschen infizieren. Das ist aber alles noch Spekulation!
Weshalb wäre eine Pandemie durch Vogelgrippeviren so schlimm?
Die alljährliche Grippewelle wird von Influenzaviren verursacht, die sich nur geringfügig von den
Influenzaviren aus dem Vorjahr unterscheiden. Sie sind dem Immunsystem daher recht gut
bekannt und erzeugen eine schnelle und starke Immunantwort. Trotzdem sterben auch bei einer
Grippewelle mit gewöhnlichen Influenzaviren jedes Jahr 7000 bis 20 000 Menschen in Deutschland
- vor allem Alte und Geschwächte. Ein neues Influenzavirus, das etwa aus dem Vogelgrippevirus
entstanden ist, wäre jedoch für das Immunsystem völlig unbekannt. Die Influenza würde viel
schwerer verlaufen und könnte auch junge, zuvor gesunde Menschen töten. Experten befürchten
dann weltweit Millionen Tote.
Wie wahrscheinlich ist eine Pandemie mit solch einem neuen Influenzavirus?
Das weiß niemand. Im Schnitt gibt es drei bis viermal in hundert Jahren eine Influenza-Pandemie.
Im 20sten Jahrhundert gab es 1918, 1957 und 1968 Influenza-Pandemien - die letzte liegt also
schon sehr lange zurück. Trotzdem kann niemand sagen, wann die nächste kommt, auch nicht, ob
sie tatsächlich durch eine Variante des Vogelgrippevirus verursacht wird. Vielleicht schafft es das
Vogelgrippevirus H5N1 nie, zwischen Menschen übertragbar zu werden. Im Prinzip kommt jeder
neue Influenzastamm, der von Mensch zu Mensch übertragbar ist, als Kandidat für eine Pandemie
infrage.
Weshalb glaubt man, daß der Vogelgrippe-Erreger eine Pandemie auslösen könnte?
Das Virus kann Menschen infizieren und krank machen, daher hat schon eine gewisse Anpassung
an Menschen stattgefunden. Bislang ist auch kaum ein anderes Tier-Influenzavirus bekannt, an
dem Menschen erkranken können. Zwar starb bei einem Ausbruch der Vogelgrippe in den
Niederlanden im Jahr 2003 ein Tierarzt an einer Infektion mit dem Virus H7N7, aber dies blieb ein
Einzelfall.
Bei dem derzeit kursierenden Vogelgrippevirus H5N1 hat man zudem genetische Veränderungen
beobachtet, wie sie auch bei dem Pandemievirus von 1918 auftraten. Das Pandemievirus von 1918
stammte nach neuen Erkenntnissen auch von einem Vogelgrippevirus. Ein Vergleich von H5N1 mit
dem Pandemivirus von 1918 hat aber auch ergeben, dass H5N1 noch viele entscheidende
Veränderungen fehlen, die offenbar nötig sind, um von Mensch zu Mensch zu springen.
Was wird getan, um Menschen vor einer Pandemie durch das Vogelgrippevirus zu
schützen?
Zunächst wird versucht, das Vogelgrippevirus H5N1 auszurotten oder zumindest die Ausbreitung
unter Vögeln zu stoppen. Damit will man verhindern, dass das Virus auf Menschen überspringt.
Bisher waren die Eindämmungsversuche wenig erfolgreich. In vielen Ländern lagert man nun
Neuraminidase-Hemmer ein.
Sollte es eines Tages tatsächlich zu einer Influenza-Pandemie kommen, könnten die Medikamente
die Bevölkerung so lange schützen, bis es einen Impfstoff gibt. In Deutschland werden solche Mittel
für etwa zehn Prozent der Bevölkerung gelagert. Im Ernstfall werden die Arzneien dann nach einem
Pandemieplan verteilt - zunächst für Ärzte, Klinikpersonal, Polizisten und Grenzbeamte.
Sollte man sich aus Angst vor einer Influenza-Pandemie vorsorglich mit Grippemitteln
eindecken?
Wenn keine akuten Grippesymptome bestehen, werden Ärzte in der Regel keine Grippemittel
verordnen, denn das Robert-Koch-Institut rät Ärzten davon ab, Neuraminidase-Hemmer auf Vorrat
zu verschreiben. Wer sich aus Angst vor einer Pandemie vorsorglich mit Grippemitteln eindecken
will, sollte mit seinen Arzt darüber sprechen. Wenn der Arzt ein Privatrezept ausstellt, müssen die
Kosten selbst übernommen werden.
Patienten sollten die Mittel aber auf keinen Fall schon bei einer gewöhnlichen Erkältung einnehmen
oder bei einer normalen Influenza in zu geringer Dosierung. Denn das könnte die Bildung von
Resistenzen gegen gewöhnliche Grippeviren fördern.
Schützt die saisonale Grippeimpfung auch vor der Vogelgrippe?
Nein! Die Impfstoffe, die jedes Jahr neu gegen die saisonalen Human-Influenzaviren hergestellt
werden, schützen nur vor den Human-Influenzaviren der jeweiligen Saison.
Warum macht man keine Vakzine gegen die Vogelgrippe?
Ein solcher Impfstoff wäre höchstens geeignet für Geflügelbauern, um sie vor dem derzeitig
kursierenden Vogelgrippevirus zu schützen. Das Virus ändert sich jedoch sehr schnell. Treten neue
Varianten auf, ist der bisherige Impfstoff wirkungslos. Bei einer Pandemie unter Menschen durch
ein mutiertes Vogelgrippevirus würde ein bereits jetzt hergestellter Impfstoff nicht schützen. Einen
Pandemie-Impfstoff kann man erst herstellen, wenn die Influenza-Pandemie begonnen hat und
wenn man das Pandemie-Virus isoliert hat.
Wie lange würde es bei einer Influenza-Pandemie dauern, einen Impfstoff zu
produzieren?
Drei bis sechs Monate. Zunächst muss das Pandemievirus isoliert werden. Dann muss man es mit
Influenzaviren kreuzen, die gut auf Hühnereiern wachsen. Mit einem solchen als Saatvirus
bezeichneten Influenza-Stamm kann man den Impfstoff in Hühnereiern produzieren. Die
Herstellung des Saatvirus dauert etwa drei Monate, die des Impfstoffs weitere drei Monate. Wenn
man aus den aktuell kursierenden Vogelgrippeviren stets Saatviren herstellt, hat man vielleicht das
Glück, zu Beginn der Pandemie schon das passende Saatvirus zu besitzen. Dann kann man sofort
mit der Impfstoffproduktion loslegen. (mut/ug)
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