KULTUR Dienstag, 1. Dezember 2015 Sinfonische Nordlichter Die Suche der Kammerphilharmonie Graubünden nach ihrem zukünftigen Chefdirigenten ging am Sonntagabend in die zweite Runde. Und damit musikalisch in den Norden. B ü n d n e r Ta g b l a tt 11 Kunstausstellung schlägt Brücke über «Röstigraben» Zwei Kantone, zwei Sprachen, eine Ausstellung: Kunsthäuser von Pruntrut bis Interlaken bieten ab Anfang Dezember einen Überblick über das aktuelle Kunstschaffen in den Kantonen Bern und Jura. Philippe Bach programmierte in seinem Konzert mit der Kammerphilharmonie Graubünden im Theater Chur ausschliesslich Werke nordeuropäischer Komponisten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. (FOTO OLIVIA ITEM) P ▸ CHRISTIAN ALBRECHT Tanzsuite «Fra Holbergs tid, Suite i gammel stil» – «Aus Holbergs Zeit, Suite im alten Stil» op. 40 in der Fassung für Streichorchester hat wohl unter anderem dank ihrer einzigartigen Unverwechselbarkeit zu einer Popularität gefunden, die bis heute anhält. Dabei beansprucht sie innerhalb des Gesamtwerkes eine Ausnahmestellung: Zeichnen sich Griegs Werke primär durch eine enge Beziehung mit seiner nordischen Heimat aus, so beschreitet er hier einen neuen Weg, indem er auf barocke Formen zurückgreift. Pate gestanden hat, dem ersten Werk ein zweites folgen zu lassen, dessen formal-äusserliche Rückwärtsgewandtheit nicht wie bei Grieg ins Barockzeitalter führt, sondern einen geistreich-verspielten Neoklassizismus als Ausgangspunkt zu einem kontrastreichen Dialog zwischen Solist und Orchester nimmt. weglichen Temporegime des musikalischen Leiters. Stimmiger «Regieaufbau» Die beiden ersten Sinfonien von Jean Sibelius waren romantische und national-patriotische Werke. Philippe Bach entschied sich für die dritte Sinfonie und damit zu einem Opus, welches, ähnlich wie dasjenige von Nielsen, neoklassizistischen Einflüssen zugeneigt ist. Dass dem Dirigenten hier die musikalische Architektur und eine gewisse, beinahe spröde Sachlichkeit in sehr begrüssenswerter Weise wichtiger sind als zuckersüsser Stimmungszauber, demonstrierte er am klingenden Beispiel. Zwar liess er oft auch dann eine gewisse innere Ruhe vermissen, wenn eine solche quasi aus der Partitur kroch, doch der «Regieaufbau» der Interpretation insgesamt war dennoch stimmig: Ungebremst steuerte das musikalische Geschehen auf die finalen Schlusstakte mit seinen mächtigen Klangsäulen hin. Philippe Bach, der zweite Kandidat auf dem Dreierticket der Kammerphilharmonie Graubünden, erhielt einen grossen und lang andauernden Applaus. Philippe Bach, der zweite Kandidat nach Christoph-Mathias Müller und vor Philipp von Steinaecker, der sich am kommenden Montag dem Publikum vorstellen wird, programmierte in seinem Konzert ausschliesslich Werke nordeuropäischer Komponisten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die dadurch erreichte innere Geschlossenheit der Werkwahl ist überaus begrüssenswert. Allerdings wäre es mit Blick auf die besondere Art dieser konzertanten Exposition durch drei Anwärter auf den Posten des Chefdirigenten auch spannend zu erfahren, welche musikalischen und interpretatorischen Vorstellungen jeder Einzelne in Bezug auf möglichst verschiedene Musikstile und -epochen hat. Philippe Bachs Werkwahl bewegt sich, führt man die Uraufführungen ins Feld, relativ eng um die Wende des 20. Jahrhunderts. Und hier, das wurde deutlich hörbar, ist der Dirigent zu Hause und in seinem Element. Edvard Griegs 1884 uraufgeführte fünfsätzige Philippe Bach hängte dem eingängigen musikalischen Kleinod mit Bedacht nicht Puder und Perücke um. Unter seinem Dirigat mutierten die steifen Hoftänze zu schwereloser Heiterkeit und Eleganz und anstelle der Terrassendynamik «aus alter Zeit» verlangte er von den Streichern der Kammerphilharmonie auch mal ein lispelnd leises Saitenspiel im gespürten vierfachen Pianissimo. Barock am Ende des 19. Jahrhunderts eben. Dass sich der Dirigent aus Saanen für die Programmierung des Flötenkonzertes von Carl Nielsen entschloss, überrascht zunächst. Es mag allerdings sein, dass zu diesem Entschluss die Fortführung der Idee Simon Wyrsch Quartet in Chur Mano Khalils neuer Film eröffnet die Solothurner Filmtage «Schellen-Ursli» hält sich tapfer WEEKLY JAZZ In der Reihe «Weekly Jazz» ist heute Abend in der «Marsöl»-Bar in Chur das Simon Wyrsch Quartet zu Gast. Die Band des Schweizer Klarinettisten Simon Wyrsch widmet sich hauptsächlich den Eigenkompositionen des Bandleaders, welche von Blues, Swing, über Bop bis hin zu Bossa Nova, Free Jazz und Funk reichen, wie es in einer Mitteilung heisst. Das aktuelle Programm ist auf ihrem neuen Album «Behind the truth» dokumentiert. Die Band setzt sich zusammen aus Simon Wyrsch (Bassklarinette und Klarinette), Dario Bianchin (Gitarre), Ueli Heinzler (Bass) und Robert Mark (Drums). Konzertbeginn ist um 20.30 Uhr. (BT) SOLOTHURN «Die Schwalbe», der erste Langspielfilm des preisgekrönten Dok-Filmers Mano Khalil, eröffnet am 21. Januar 2016 die 51. Solothurner Filmtage, die bis 28. Januar dauert. Ehrengast an dem Abend ist Bundesrat Alain Berset, wie die Filmtage gestern mitteilten. Khalil, Berner Regisseur mit kurdisch-syrischen Wurzeln, begibt sich mit dem Familiendrama «Die Schwalbe» zurück in seine konfliktgeprägte Heimatregion. Auf der Suche nach ihrem Vater reist eine junge Berner Fotografin Hals über Kopf ins irakische Kurdistan. Dort trifft sie auf Terrorismus, Kriegsverbrechen und Selbstjustiz und findet an diesem unwirtlichen Ort trotz allem KINO In den Schweizer Kinocharts hält sich «Schellen-Ursli» tapfer auf Platz drei. Mit bisher 277 000 Eintritten hat er am Wochenende «Vitus» (2006) überholt und steht auf Platz neun der erfolgreichsten Schweizer Filme. Die Spitze der Charts hält «Spectre». Dahinter folgt in der Deutsch- und Westschweiz nach wie vor «The Hunger Games – Mockingjay Part 2». Im Tessin behauptet das «Hunger Games»-Finale die Spitze, «Spectre» wurde von «The Good Dinosaur» auf den dritten Rang verdrängt. In der Deutschschweiz startete dieser Trickfilm ebenfalls gut – auf dem vierten Platz, wie die Statistik des Filmverleiherverbands ausweist. (SDA) Ohne Puder und Perücke Verdient grosser Applaus Mit dem Flötisten Loïc Schneider stand ein Solist auf der Bühne, der den besonderen Tonfall des dänischen Komponisten äusserst überzeugend traf. Zwischen pointierten Einwürfen, artistischer Instrumentalakrobatik und agiler Expressivität changierend, entwarf der Virtuose ein in allen Regenbogenfarben oszillierendes Tongemälde. Nach dem verdient grossen und andauernden Applaus interpretierte er Claude Debussys Stück «Syrinx» für Soloflöte. Die Kammerphilharmoniker waren dem Solisten ein kongenialer Partner, der darauf achtete, den vielen Nebenstimmen in verschiedenen Instrumenten zu ihrem Recht zu verhelfen. Der dem Stück immanente rhapsodische Charme allerdings, der sich wesentlich aus der Agogik speist, verschwand über weite Strecken hinter dem zu unbe- so etwas wie Frieden. Nach den Dokumentarfilmen «Unser Garten Eden», der 2010 unter anderem den Schweizer Filmpreis Quartz erhielt und «Der Imker» (2013 Prix de Soleure) knüpft Mano Khalil auch mit seinem Spielfilm «Die Schwalbe» an die universellen Fragen nach Identität und Heimat an, die ihn als Filmemacher seit seinen Anfängen beschäftigen. Die 27-jährige Schweizerin Manon Pfrunder ist in ihrer ersten Kinohauptrolle zu sehen. An ihrer Seite spielt der deutsch-kurdische Schauspieler Ismail Zagros («Alarm für Cobra 11»). Beide werden für die Uraufführung in Solothurn erwartet. (SDA) Das letzte «Chefdirigent der Zukunft?»-Konzert findet am 7. Dezember um 20 Uhr im Theater Chur statt. BERN Fast 400 Künstlerinnen und Künstler bewarben sich um eine Teilnahme an der diesjährigen Ausgabe der «Cantonale Berne Jura». Fachjurys an den insgesamt neun beteiligten Kunsthäusern trafen daraus ihre Auswahl, die das facettenreiche künstlerische Schaffen der Region widerspiegelt. Die Kunstwerke wurden auch im Hinblick auf die räumlichen Gegebenheiten an den Ausstellungsorten ausgewählt, wie aus Unterlagen der Ausstellungsmacher hervorgeht. Die Ausstellungsräume sind tatsächlich sehr unterschiedlich und reichen von einer alten Kirche, über ein historisches Hotel bis zur Kunsthalle Bern oder dem Kunstmuseum Thun. So unterschiedlich die Ausstellungsräume, so breit ist auch die Palette der ausgewählten Werke. Sie reicht von Zeichnungen und Malerei über Videoarbeiten bis hin zu ortsspezifischen Installationen oder Performances. Neben jungen, noch wenig bekannten Namen finden sich auch arrivierte Künstlerinnen und Künstler. Zu sehen sind etwa Bilder aus den Metamorphose-Serien von MarieFrançoise Robert. Die Künstlerin lässt sich von Werken alter Meister inspirieren und verfremdet die Figuren mit üppigen Tier- und Blumenmotiven. Im Bieler Centre PasquArt wird die «Cantonale Berner Jura» am 6. Dezember eröffnet. Zu sehen sind unter anderem Skulpturen des jurassischen Künstlers Christophe Bregnard oder Werke des Thuner Fotografen Christian Helmle. In den folgenden Tagen öffnen auch die Ausstellungen im Kunsthaus «Les Halles» in Pruntrut, in der Kunsthalle Bern, im Kunsthaus Interlaken, im Kunsthaus Langenthal, im Kunstmuseum Thun, im «La Nef» in Le Noirmont, im Kunstmuseum Moutier und in der Stadtgalerie Bern. Die Ausstellungen werden begleitet von einem Rahmenprogramm aus Führungen, Gesprächen mit Kunstschaffenden und Workshops. Die «Cantonale» wurde 2011 erstmals durchgeführt. Sie hat ihre Wurzeln in regionalen Kunstausstellungen zur Weihnachtszeit. Vorbild für die «Cantonale» war seinerzeit eine regionale Ausstellung im Dreiländereck um Basel. (SDA) www.cantonale.ch Bündner Brass Bands bewähren sich in Montreux WETTBEWERB Dieses Wochenende fand in Montreux der 41. Schweizerische Brass Band Wettbewerb statt. Mit dabei waren auch vier Bands aus Graubünden. Die Brass Band Sursilvana unter der Leitung von Roman Caprez wurde für ihre Darbietung in der 1. Klasse (20 teilnehmende Bands) mit dem hervorragenden 6. Rang belohnt, wie es in der Mitteilung heisst. Bei ihrer ersten Teilnahme in der 1. Klasse erreichte die Brass Band Cazis mit dem Dirigenten Enrico Calzaferri den 10. Rang. Jenaz startete gleich mit zwei Bands. Andrea Nold mit der Musikgesellschaft Jenaz erreichte in der 3. Klasse den 10. Rang, und die Jugendmusik Jenaz mit Simon Bühler erspielte sich in der 4. Klasse den 5. Rang. Die Brass Band Imperial Lenzburg A unter der Leitung des Bündners Rafael Camartin erreichte in der ersten Klasse den 5. Rang und die Feldmusik Knutwil mit dem Bündner Dirigenten Gian Stecher erspielte sich in derselben Klasse den 15. Rang. Sieger in der Höchstklasse wurde die Valaisia Brass Band vor der EC Valaisan und der Brass Band Berner Oberland, welche unter der Leitung des Bündner Dirigenten Corsin Tuor steht. (BT) www.sbbv.ch K U LT U R NO T I Z Regisseur-Legende Rjasanow gestorben Eldar Rjasanow, einer der angesehensten Regisseure Russlands, ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Er sei in der Nacht zum Montag einer schweren Herzinsuffizienz erlegen, berichtete die Agentur Tass unter Berufung auf Angehörige. Rjasanow hinterlässt rund 30 Filme, von denen viele in Russland als Klassiker gelten. Zu seinen berühmtesten Werken gehört «Die Ironie des Schicksals» von 1975. Das russische Fernsehen zeigt die Verwechslungskomödie seit Jahrzehnten traditionell an Silvester.