Vollständige Pressemitteilung

Werbung
DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden – Exzellenzcluster
Pressemitteilung 02. September 2009
Sperrfrist: 04.09.2009, 18 Uhr (CEST/MESZ)
Freie Bahn für größeres Gehirn - Kurze Phase der Zellteilung von Stammzellen
könnte Erklärung für evolutionäres Geheimnis liefern
Dresdner Regenerationsforscher haben einen Weg gefunden, die Vermehrung
körpereigener Stammzellen im Gehirn zu steuern. Die Länge der Zeitspanne zwischen
zwei Zellteilungen beeinflusst maßgeblich, wie viele Stamm- und reife Nervenzellen
gebildet werden. Den Wissenschaftlern gelang der Nachweis, dass die Verkürzung
dieser Zeit die Vermehrung von Stammzellen ermöglicht und dadurch das Gehirn
vergrößern kann. Diese Ergebnisse untermauern eine Hypothese der
Evolutionsforschung mit experimentellen Daten und könnten gleichzeitig den Weg für
Therapien bei Schlaganfall ebnen.
Die Entstehung und Reifung des Nervensystems ist ein wichtiger Prozess, in dem
Eigenschaften von körpereigenen Stammzellen untersucht werden können. Während
der embryonalen Entwicklung des Gehirns schalten neurale Stammzellen immer mehr
dazu um, bei der Zellteilung statt zwei Stammzellen mindestens eine Nervenzelle zu
bilden, die sich dann nicht weiter teilt. Der Zeitpunkt dieses Umschaltens zur Bildung
von Nervenzellen (Neurogenese) reguliert die Balance zwischen Vermehrung,
Selbsterneuerung und Verbrauch des Vorrates an Stammzellen, wodurch wiederum
die Größe des Gehirns festgelegt wird. Bisher war höchst umstritten, ob eine simple
Änderung der Zeitspanne zwischen zwei Zellteilungen die Differenzierung der
Tochterzellen hin zur Nervenneubildung beeinflusst. In der aktuellen Ausgabe von Cell
Stem Cell zeigen Dr. Federico Calegari und Christian Lange vom DFGForschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD), dass die Dauer der
Zellteilung, speziell der sogenannten G1 Phase, wesentlich das Umschalten von
Stammzellvermehrung zur Neurogenese steuert. So ist eine längere G1 Phase
notwendig zur Bildung von Nervenzellen. Eine kürzere G1 Phase dagegen hemmt
deren Bildung und fördert die Vermehrung von Stammzellen – eine wichtige
Voraussetzung für regenerative Therapien. Die Studie ist gemeinsam mit Prof. Wieland
Huttner vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden
entstanden.
Um aufzuklären, welchen Effekt die Dauer der G1 Phase auf die Bildung von
Nervenzellen hat, erhöhten die Forscher die Menge eines Proteinkomplexes cdk4 und
cyclinD1 im Gehirn sich entwickelnder Maus-Embryonen, mit dem Resultat, dass sich
die Länge der G1 Phase verkürzte. „Unsere Theorie war, dass eine kürzere G1 Phase
die Neurogenese unterdrücken sollte und sich die Stammzellen vermehren. Da der
Effekt nach wenigen Tagen nachlässt, sollten die vermehrten Stammzellen dann
CRTD / DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden
BIOTEChnologisches Zentrum der TU Dresden
Tatzberg 47/49
01307 Dresden
Internet
http://www.crt-dresden.de
-2-
wieder Nervenzellen bilden und somit die Oberfläche der Hirnrinde vergrößern“, so Dr.
Federico Calegari, Forschungsgruppenleiter im CRTD. Genau das haben die
Wissenschaftler dann auch beobachtet. Aber die Studie hielt auch Überraschungen
bereit: Die Verkürzung der G1 Phase bewirkte, dass anstelle der Nervenzellen eine
besondere Art von Stammzellen gebildet wurde: sogenannte basale Progenitorzellen.
Diese Zellen wandern in die benachbarte Hirnregion, die subventrikuläre Zone ein,
vermehren sich dort, können aber im Gegensatz zu normalen neuralen Stammzellen
ausschließlich zu Nervenzellen differenzieren. „Aufgrund der vermehrten Bildung der
basalen Progenitorzellen konnten wir eine Vergrößerung der subventrikulären Zone um
40% im Gehirn der Mäuse beobachten. Weiterhin waren die Nervenzellen, die von den
veränderten Stammzellen gebildet wurden, auf ein größeres Gebiet der Großhirnrinde
verteilt“, fasst Christian Lange, Doktorand bei Dr. Calegari, die Ergebnisse zusammen.
Die experimentellen Daten der Studie belegen die Hypothese, dass ein erhöhter Anteil
an basalen Progenitorzellen in höheren Säugetieren der Grund für die Vergrößerung
der Hirnrinde während der Evolution ist. Bisher konnten nur vergleichende
Untersuchungen in verschiedenen Arten gemacht werden. „Wir konnten zum ersten
Mal in derselben Art mit Daten zeigen, dass die Vermehrung der basalen
Progenitorzellen die Oberfläche der Hirnrinde vergrößert, die durch diese Zellen
gebildet wird“, so Dr. Calegari. Vor allem bieten die Ergebnisse der Studie neue
Einblicke in die Vermehrung und Differenzierung körpereigener Stammzellen. Erstmals
konnte bewiesen werden dass Zeit – als Dauer der Zellteilung – ein wesentlicher
Faktor bei der Steuerung dieser Vermehrung ist. Eine ähnliche Rolle könnte der Faktor
Zeit auch bei der Vermehrung oder Differenzierung von adulten neuralen Stammzellen
spielen. Bei Schlaganfällen können diese Ergebnisse zu neuen Therapien verhelfen.
Christian Lange erklärt: „Nach einem Schlaganfall können nur wenige der
abgestorbenen Zellen im Gehirn wieder regeneriert werden. Dazu gibt es zu wenige
Stammzellen. Wenn man einen Weg findet, deren Anzahl zu steigern, z.B. durch die
Verkürzung der G1 Phase, könnte Schlaganfall-Patienten geholfen werden.“ Diese
Studie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin.
Originalveröffentlichung: Christian Lange, Wieland B. Huttner, Federico Calegari Cdk4/cyclinD1
overexpression in neural stem cells shortens G1, delays neurogenesis and promotes the generation and
expansion of basal progenitors. Cell Stem Cell. (2009). DOI 10.1016/j.stem.2009.05.026
Begriffe:
G1-Phase: Erste Phase des Zeitraumes zwischen zwei Zellteilungen zwischen der Neubildung der Zelle
und der DNA-Verdoppelung für die nächste Zellteilung. In dieser Phase wächst die Zelle und nimmt
Signale aus der Umgebung auf, die das weitere Schicksal der Zelle festlegen.
Subventrikuläre Zone: Gehirnregion unterhalb der Großhirnrinde. In dieser Zone befinden sich
Stammzellen und neu gebildete Nervenzellen. In der Evolution der Säugetiere ist die subventrikuläre Zone
stark vergrößert.
Kontakt für Journalisten:
Katrin Bergmann, Pressesprecherin CRTD
Tel.: 0351 463 40347, E-Mail: [email protected],
Christian Lange, Doktorand am CRTD
Tel.: 0351 210 2454, E-Mail: [email protected]
CRTD / DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden
BIOTEChnologisches Zentrum der TU Dresden
Tatzberg 47/49
01307 Dresden
Internet
http://www.crt-dresden.de
Herunterladen