5_Halogenalkane

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5. Halogenalkane
• Halogenalkane gehören zur Gruppe der Halogenkohlenwasserstoffe (neben Halogenalkenen und Halogenaromaten).
In Halogenkohlenwasserstoffen ist mindenstens ein Wasserstoffatom durch ein Halogenatom X (X = F, Cl, Br, I) ersetzt (= funktionelle Gruppe).
• C‐Atome in Halogenalkanen sind sp3‐hybridisiert.
Einteilung:
Alkylierungs‐
grad
RCH2‐X
R2CH‐X
R3C‐X
Halogenalkane
primär
sekundär
tertiär
 vgl. primäre – tertiäre H‐Atome
Halogenierungs‐
grad
mono‐, di‐, tri‐, tetra‐, (per‐)substiuiert
Beispiel: chlorierte Methane
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Allgemeines
Bindung und physikalisch‐chemische Eigenschaften
• Aufgrund der polaren C‐X‐Bindung unterscheiden sich Alkane und Halogenalkane beträchtlich in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften.
• C‐X‐Bindung:
• C‐X‐Bindungsstärke nimmt mit zunehmender Größe von X ab. Größere (diffusere) Orbitale führen zu geringerer Überlappung der Atomorbitale  schwächere Bindung!
 Wdh. Elektronegativität
• X – höhere Elektronegativität  zieht stärker am gemeinsamen Bindungs‐
elektronenpaar  polare Atombindung  Dipol (resultierendes Dipolmoment)
δ+
δ‐
Bindung
Bindungslänge
[pm]
Bindungsstärke
[kJ/mol]
Dipolmoment
[D]
C-F
138.5
460
1.51
C-Cl
178.4
356
1.56
C-Br
192.9
297
1.48
C-I
213.9
239
1.29
C-C
154
346
-
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Allgemeines – Atomradien [pm]
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Allgemeines – Siedepunkte
• Konsequenzen – physikalische Eigenschaften:
• Siedepunkte liegen höher als die der entsprechenden Alkane.
 Dipol‐Dipol‐WW in flüssiger Phase!
• Siedepunkte steigen mit zunehmender Halogengröße!
Größere molare Masse und stärkere LONDON‐WW (VAN‐DER‐WAALS‐WW) (höhere Polarisierbarkeit).
δ+
δ+
δ‐
δ‐
••••••
X=
R
H
F
Cl
Br
I
CH3
-161,7
-78,4
-24,2
3,6
42,4
CH3CH2
-88,8
-37,7
12,3
38,4
72,3
CH3(CH2)2
-42,1
-2,5
46,6
71,0
102,5
CH3(CH2)3
-0,5
32,5
78,4
101,6
130,5
CH3(CH2)4
36,1
62,8
107,8
129,6
157,0
CH3(CH2)7
125,7
142,0
182,0
200,3
225,5
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Allgemeines – Eigenschaften
• Konsequenzen – chemische Eigenschaften:
• Positiv polarisiertes Kohlenstoffatom kann durch Anionen oder elektronenreiche Spezies angegriffen werden.
• Negativ polarisiertes Halogenatom kann durch Kationen oder elektronenarme Teilchen angegriffen werden.  Nucleophile Substitution
Zusammenfassung des Einflusses der Halogengröße:
In der Reihe F, Cl, Br, I (zunehmend diffusere Orbitale) gilt:
1) Stärke der C‐X‐Bindung nimmt ab.
2) Länge der C‐X‐Bindung nimmt zu.
3) Für gleiche Reste R steigen die Siedepunkte.
4) LONDON‐WW gewinnen an Bedeutung.
5) Polarisierbarkeit des Moleküls nimmt zu.
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Nomenklatur
• Halogenalkane werden als R‐X abgekürzt (vgl. R‐H für Alkane)
IUPAC: Halogenatome werden wie Alkylgruppen (Substituenten des Alkangerüstes) behandelt!
• Regeln: 1) Längste Alkylkette so nummerieren, dass Substituenten möglichst niedrige Nummern erhalten.
2) Substituenten werden alphabetisch geordnet.
• Verbreitete (alte) Bezeichnung als Alkylhalogenide!
F
CH3
H3C C Br
CH3
CH3I
Iodmethan
Methyliodid
Fluorcyclohexan
Cyclohexylfluorid
H2 CH3
I C C CH3
H
2-Brom-2-methylpropan 1-Iod-2-methylpropan
tert-Butylbromid
I
C CH3
H
(1-Iodethyl)cyclooctan
• Trivialnamen für viele halogenhaltige Lösungsmittel:
• Methylenchlorid, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, ...
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Wichtige Synthesen
• Wichtige Synthesemethoden sind:
a)
Radikalische Halogenierung von Alkanen
b)
Addition von Halogenwasserstoff an Alkene
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c)
Addition von Halogenen an Alkene
d)
Dehydrohalogenierung
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e)
Radikalische Bromierung in Allylstellung
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Halogenierung von Alkanen
Herstellung von Fluor‐ und Iodalkanen:
• Keine direkte Herstellung durch radikalische Halogenierung von Alkanen!
• Reaktion mit F2 ist stark exotherm!
• F2 ist extrem korrodierend und reaktiv.
• Fluorierung mittels anorganischer Fluorverbindungen:
CoF3
CnF2n+2
CnH2n+2
- HF, CoF2
• perfluoriert bei Überschuss an Fluorierungsmittel (s. Teflon)
Halogenaustausch:
• Iodierungen mit I2 sind endotherm.
• Einführung von Iod durch Reaktion von Halogenalkanen mit Alkalimetalliodid:
FINKELSTEIN‐Reaktion:
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Weitere Reaktionen
GRIGNARD‐Reaktion
• Halogenalkane und ‐aromaten können mit Magnesium eine
metallorganische Verbindung eingehen  GRIGNARD‐Verbindung.
• Bei dieser Metallierung erfolgt eine UMPOLUNG des elektrophilen
Kohlenstoffes in einen nucleophilen Kohlenstoff.
2 R X +
2 Mg
2 R Mg X
R Mg R
F. A. V. GRIGNARD
1871 – 1935
Nobelpreis 1912
+
MgX2
SCHLENK‐Gleichgewicht
• Vielfältige Folgechemie, besonders C‐C‐Bindungsknüpfungen!
• Kopplung eines elektrophilen und eines nucleophilen Kohlenstoffs:
 siehe auch: WURTZ‐Reaktion
Beispiel:
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Verwendung und Umwelt
• Lösungsmittel  besonders: CH2Cl2, CHCl3, ClCH2‐CH2Cl, Cl2CH‐CH2Cl)
• In der Industrie als Fett‐ und Harzlöser; im Labor als (nichtbrennbares) Reaktionsmedium.
• Kältemittel  FCKWs, FKWs, ClKWs  mittlerweile weitgehend verboten
• Feuerlöschmittel  Halone, z.B. Halon 1301 = CBrF3 (Flugzeuge und Militär)
• Brandschutzmittel  BrKWs
• PVC (Polyvinylchlorid)  Fenster, Bodenbeläge, Rohre, Kabelisolierungen, Schallplatten
• Teflon (Polytetrafluorethen)  Beschichtungen (beständig gegen aggressive Chemikalien und Hitze)
• Pestizide  ClKWs  DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) (verboten).
• Treibgas  CCl3F, CCl2F2
• Ausgangsstoff für viele Verbindungen (organische Synthesechemie).
Umweltproblematik:
• Sehr langsame Zersetzung vieler Halogenkohlenwasserstoffe.
• Halogenkohlenwasserstoffe, besonders FCKWs zerstören die Ozonschicht.
• Halogenierte Lösungsmittel sind bei dauerhafter Exposition gesundheitsschädlich. • Beim Verbrennen von PVC entseht HCl, bei Kabelbränden können hochgiftige, carcinogene polykondensierte Aromaten entstehen.
• DDT ist krebserregend.
• ...
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Nukleophile Substitution
Zwei Mechanismen:
• SN1 (nucleophile Substitution erster Ordnung)
• SN2 (nucleophile Substitution zweiter Ordnung)
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Nukleophile Substitution
Wichtige Einflussfaktoren:
• Abgangsgruppe
• Lösungsmittel
• Struktur des Substrats
• Nucleophilie
Nucleophilie hängt von verschiedenen Faktoren ab:
• Ladung
• Basizität
• Lösungsmittel
• Polarisierbarkeit
• Substituenten
? Läuft eine nucleophile Substitution nach einem Mechanismus erster oder zweiter Ordnung ab?
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Verschiedene Nukleophile
Nucleophil (Nu‐)
Formel
Name
Formel Name
HO‐
Hydroxid
R‐OH
Alkohol
RO‐
Alkoxid
R‐OR
Ether
HOH
Wasser
R‐OH2
+
→ R‐OH + H
R‐OH
Alkohol
R‐OHR
+
→ R‐OR + H
NH3
Ammoniak
R‐NH3
+
→ R‐NH2 + H
R‐NH2
primäres Amin
‐
‐
Sauerstoff
Stickstoff
Schwefel
+
Alkyloxoniumion
+
Dialkyloxoniumion
+
Alkylammonium‐ion
R‐NH2R
+
→ R‐NHR + H
+
Dialkylammonium‐
ion
Hydrogensulfidion
R‐SH
Thiol
Mercaptidion
R‐S‐R
Thioether (Sulfid)
I‐
Iodid
R‐I
Alkyliodid
CN
Cyanid
R‐CN
Nitril
‐R
Carbanion
R‐R‘
Alkan
HS
R‐S
Halogen
Kohlenstoff
Produkt (R‐Nu)
‐
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Mechanismus SN2
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Mechanismus SN2
Energieprofil des SN2‐Mechanismus
sp2‐hybridisiertes C‐Atom
sp3‐hybridisiertes C‐Atom
sp3‐hybridisiertes C‐Atom
SN2 = konzertierter, einstufiger Prozess
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SN2 – Sterische Aspekte
• Alkylierungsgrad des elektrophilen Kohlenstoffs:
Relative SN2‐Reaktitvität:
CH3
>
Cprimär
schnell
>
Substrateinfluss
Csekundär
langsam sehr langsam
>> Ctertiär
keine Reaktion
hier: Halogenmethan > prim. Halogenalkan > sek. Halogenalkan >> tert. Halogenalkan
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SN2 – Sterische Aspekte
• Verzweigungsgrad des benachbarten Kohlenstoffs:
Substrateinfluss
Relative SN2‐Reaktitvität des substituierten Kohlenstoffs:
Ethyl
>
Isopropyl
>
tert‐Butyl
schnell
langsam
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sehr langsam
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SN2 – Stereochemie
RÜCKSEITENANGRIFF!
Inversion der Konfiguration am stereogenen Kohlenstoff!
„Walden‐Umkehr“
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Mechanismus SN1
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Mechanismus SN1
Energieprofil des SN1‐Mechanismus
geschwindigkeitsbestimmend
produktbestimmend
SN1 = zweistufiger Prozess
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SN1 ‐ Stereochemie
Nucleophil kann von beiden Seiten angreifen  RACEMISIERUNG!
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SN1 vs. SN2
R
R‐X + Nu‐ → R‐Nu + X‐
SN 1
SN 2
CH3
in Lösung nicht beobachtet
häufig: rasche Reaktion mit guten Nucleophilen in aprotischen Lösungsmitteln und guten Abgangsgruppen primär
in Lösung nicht beobachtet
häufig: rasche Reaktion mit guten Nucleophilen und guten Abgangsgruppen: langsam, wenn Verzweigung an C‐2 von R vorhanden
sekundär
relativ langsam: am besten in polaren, protischen Medien mit guten Abgangsgruppen und sperrigen Substituenten
relativ langsam: am besten mit guten Nucleophilen in aprotischen Medien
tertiär
häufig: besonders rasch in polaren protischen Lösungsmitteln und bei sterisch gehinderten R mit guten Abgangsgruppen extrem langsam
Nucleophilie
Lösungsmittel
Reaktionsgeschwindigkeit unabhängig von der
Nucleophilkonzentration; Mechanismus für neutrale
Nucleophile wahrscheinlicher
Reaktionsgeschwindigkeit abhängig
von der Nucleophilkonzentration;
anionische Nucleophile begünstigen den
Mechanismus
Da die Zwischenstufen Ionen sind, wird die Reaktion durch
polare protische Lösungsmittel beschleunigt
Reaktion wird durch polare protische
Lösungsmittel verzögert und durch
polare aprotische Lösungsmittel
beschleunigt
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Nukleophile II
Beurteilung der relativen Stärke oder Schwäche von Nucleophilen
• Anionen sind nucleophiler (bessere Elektronendonoren) als die zugehörigen neutralen Moleküle  HO‐ > H2O, RS‐ > RSH; RO‐ > ROH
• Weiter unten im Periodensystem stehende Elemente neigen zu stärkerer Nucleophilie als die in der gleichen Gruppe darüber befindlichen Elemente  HS‐ > HO‐; I‐ > Br‐ > Cl‐ > F‐
• Elemente derselben Periode sind in der Regel um so schwächer nucleophil, je elektro‐
negativer sie sind  R3C‐ > R2N‐ > RO‐ > F‐; H3N > H2O > HF
MERKE:
Die Nucleophilie wird vom Lösungsmittel (protisch polar oder aprotisch polar) beeinflusst!
Einfluss der Abgangsgruppen
• Gruppen mit gutem Austrittsvermögen (= gute Stabilisierung der negativen Ladung) reagieren schneller  I‐ > Br‐ > Cl‐ > F‐ (SN2).
• Das Austrittsvermögen korreliert mit der Basenstärke:
• Je schwächer X‐ basisch ist, desto besser fungiert es als Abgangsgruppe!
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