Geminin sorgt für Brückenschläge - Göttinger Forscher identifizieren

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Göttinger Tageblatt
Sonnabend, 28. Februar 2004
Geminin sorgt für Brückenschläge
Göttinger Forscher identifizieren Protein zur Koordination der Zellentwicklung
Bei der Entwicklung eines Embryos aus der befruchteten Eizelle müssen viele Prozesse zeitlich koordiniert ablaufen, damit die richtigen Zellen zum
richtigen Zeitpunkt an der
richtigen Stelle sind. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen haben jetzt ein
Protein entdeckt, das sowohl
die Zellteilung im Zellzyklus als
auch die Anlage der Wirbelsäule im Embryo beeinflusst.
M
it dieser Doppelfunktion
stellt es damit einen wirksamen Kontrollmechanismus dar,
mit dem beide Prozesse bei der
Entwicklung von Lebewesen koordiniert werden können. Die
Körperachse eines Säugetieres,
auch des Menschen, wird nach
einem immer gleichen Muster
angelegt. Dies zeigt sich
besonders deutlich in dem Aufbau der Wirbelsäule aus vier Bereichen, der Hals-, Brust-, Lenden- und Kreuzbeinregion, die
wiederum unterteilt sind in einzelne Segmente, die Wirbel. Segmentierung ist ein Bauprinzip,
das sich in vielen Gruppen des
Tierreichs, von Wirbeltieren bis
zu Insekten und Ringelwürmern,
wiederholt hat.
Eigene ldentität
Um einzelnen Regionen, Segmenten oder vielleIcht sogar jeder einzelnen Zelle eine eigene
Identität zuzuweisen, scheinen
alle Tiere die gleiche Gengruppe
einzusetzen, die sogenannten
Hox-Gene. Hox-Gene treten im
Chromosom in Klustern auf, wobei jeweils etwa zehn Gene
hintereinander aufgereiht sind.
Diese Aufreihung reflektiert die
Aktivierung der Hox-Gene in der
Embryonalentwicklung: Während die Körperachse von vorne
nach hinten angelegt wird, wird
ein Hox-Gen nach dem anderen
aktiviert.
In Säugetieren, wie
diese Rolle übernehmen
Maus oder Mensch,
kann. Es heißt „Geminin“
sorgt das sukzessive
-bereits der Name weist auf
Anschalten von insgeeine Zwillingsfunktion
samt 39 Hox-Genen
hin. Geminin ist ein Mitdafür, dass verschiedeglied von verschiedenen
ne Kombinationen von
Multiproteinkomplexen,
Hox-Proteinen verdie bei der Regulation von
schiedene Segmente,
Zellzyklus-Genen auf der
die Vorläufer der Wireinen Seite und von Hoxbel, definieren. Falsche
Genen auf der anderen
Aktivierung führt zu
wichtige Rollen spielen.
falschen Identitäten
Wenn Geminin mit Hoxund kann sich zum
Genen interagiert, hemmt
Beispiel in der Entstees ihre Funktion bei der
hung von KopfDefinition der Körperwirbeln, Halsrippen, in
achse. Wenn es mit der
Veränderungen am
Maschinerie des ZellBrustbein oder in der
zyklus, insbesondere der
Lendenregion maniDNA-Replikation, interafestieren. Dieses Pringiert, reguliert es den gezip eines „Hox Codes“
ordneten Verlauf der Zellwurde bereits Anfang
teilung. Mit Geminin als
der neunziger Jahre
gemeinsamem Regulator
am Max-Planck-Instiist eine Koordination der
tut für biophysikalibeiden Prozesse möglich.
sche Chemie in GöttinBebrütetes Ei
gen gefunden.
Bei Ausbildung der
Die Göttinger Forscher
Körperachse wächst
wandten für ihre Untersuein Embryo durch
chungen eine Reihe von
Wachstumszonen am
biochemischen Methoden
hinteren Körperende,
an, um die Eigenschaften
in denen eine extensivon Geminin im Reagenzve Zellteilung abläuft.
glas zu erkunden. Mit dieDen neuen Zellen wird
sen Erkenntnissen haben
über verschiedene Sigsie dann das Zusammennale eine Position im
spiel von Hox-Genen und
Embryo zugewiesen,
Zellzyklus direkt im EmHox-Gen-Kluster in Fliege, Maus und Mensch: Die
wo sie schließlich nach Farbgebung weist auf die Kolinearität zwischen bryo des Huhns im bebrüund nach zu ihrer end- den Körperachsen und den Gen-Klustern hin. teten Ei, untersucht. So gegültigen, Funktion
Grafik: Blanck lang ihnen ein Brückenausdifferenzieren könschlag zwischen Konnen. So wird beispielsweise aus nalen und Abläufen passsen: Es trollmechanismen der Embryogeeiner nur teilweise festgelegten kommt zu Fehlbildungen. Damit nese und des Zellzyklus. Es ist
Vorläuferzelle in der Wachstums- dies vermieden wird, muss es nicht unwahrscheinlich, dass
zone eine Gruppe von verknö- Mechanismen und Moleküle ge- Geminin auch andere Entchernden Zellen in einem Brust- ben, die eine Koordination zwi- wicklungsprozesse koordiniert
wirbel.
schen dem Zellzyklus und den und so in der Forschung für weiTeilt sich eine Zelle in der Hox-Genen vermitteln.
tere Brückenschläge sorgen
Wachstumszone zu schnell oder
mpi
Im Labor von Prof. Michael könnte.
zu langsam, werden Zellen mit Kessel am Max-Planck-Institut
einem falschen Hox-Code produ- für biophysikalische Chemie haziert, die nicht in das komplizier- ben Lingfei Luo und seine Kolte Gefüge von embryonalen Sig- legen ein Protein identifiziert, das
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