Die Mission kann beginnen

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Mo., 24. 10.
Forschung Spezial
A1
JOURNAL FÜR TECHNOLOGIE UND ENTWICKLUNG
Die Venus Express braucht
trotz des eindeutigen Namens doch bis April 2006,
um bei der Venus anzukommen.
Foto: ESA
Die Mission
kann
beginnen
Der Start ist zwar um einige Tage verschoben.
Aber irgendwann im noch bis 24. November
offenen Zeitfenster wird die europäische
Raumsonde Venus Express wohl abheben – und
mit ihr heimische Produkte: die Thermalisolation
und ein Magnetometer. Beide sind für das
Gelingen der Mission nicht ganz unwichtig.
Peter llletschko
Die Thermalisolierung einer
Raumsonde muss zwei Eigenschaften besitzen, damit sie
sich überhaupt so nennen
darf: die Wärme nach außen
reflektieren und nach innen
isolieren. Klingt einfach, ist
aber recht aufwändig in der
Herstellung, wie Bernhard Eichinger von Austrian Aerospace versichert. Das Unternehmen aus Wien Meidling
stellte für Venus Express wie
auch schon für frühere Missionen der European Space
Agency (ESA) diese „Außenhaut“ der Sonde her.
„Die Anforderungen“, erzählt Eichinger, sind freilich
nie die gleichen: Die demnächst durch das All fliegende
Sonde benötigte zum Beispiel
einen stärkeren Schutz als
Mars Express. Das heißt: Die
metallisierten
Kunststoffschichten der Thermalisolierung müssen weit mehr aushalten. Der Grund: Auf der Venus herrschen aufgrund von
einem außer Kontrolle geratenen Treibhauseffekt höllische
Temperaturen, die eine Landung wie auf dem Mars unmöglich machen würden und
natürlich auch auf einem Satelliten, der um den Planeten
kreist, Einfluss haben. 1956
wurde durch Radar eine Temperatur von 400 Grad Celsius
auf der Oberfläche gemessen.
Mittlerweile weiß man, dass
es etwa 470 sind.
Die Entwickler von Austrian Aerospace entwerfen den
Isolationsschutz auf Basis detailreicher Messungen. Die
ideale Beschichtungsdichte
findet man durch Tests im
Reinraumlabor heraus. Die
Dreidimensionalität der Au-
ßenhaut wird mithilfe von
Computersimulationen vorgefertigt. Genaue Berechnungen
werden angestellt, um mit
möglichst wenig Abfall die
Sonde „verpacken“ zu können. Eichinger: „Man muss
sich das so wie eine Schuhschachtel vorstellen. Da wird
auch ganz genau geschaut,
wie man die Form der Schachtel aus dem Karton ausschneidet.“ Wobei das Material von
Austrian Aerospace wohl
doch wesentlich widerstandsfähiger ist.
Komplexe Aufgabe
Sowohl der Technologiebeitrag des Meidlinger Unternehmens als auch jener des Instituts für Weltraumforschung
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (siehe
unten) – hier wurden Magnetometer
für Venus Express
gebaut – weisen
auf zwei Charakteristika der Venus hin: große
Hitze und ein
kaum existierendes Magnetfeld. Und
sie sind dadurch auch von
zentraler Bedeutung für die
Mission: Die ESA will nämlich
klären, wie es geschehen
konnte, dass ein Planet, der
der Erde in vielerlei Hinsicht
ähnelt (siehe Wissen), sich so
unterschiedlich zur Erde entwickelt und ein derartiger Hitzepol zum Beispiel wird.
Eine doch recht komplexe
Aufgabenstellung, wenn man
bedenkt, wie die Idee zu Venus Express 2001 entstanden
ist: Die ESA suchte nach Möglichkeiten, das Design der
Marssonde Mars Express für
eine zweite, günstige Weltraummission neuerlich zu
verwenden. Aus vielen Vorschlägen wurde dann die Mission zur Venus ausgewählt
worden, weil sie nach Ansicht
der ESA den größten wissenschaftlichen Nutzen erbringt.
Und weil Europa noch nie dort
war. Die letzte Raumsonde bei
der Venus war vor gut 15 Jahren, die Magellan der ameri-
Ein Planet wie ein Magnet
Grazer Institut entwickelte den Magnetometer der Raumsonde Venus Express
VEX-MAG heißen die beiden,
und sie werden, wenn Venus
Express sein Ziel, den Nachbarplaneten der Erde, im April
2006 erreicht hat, nicht gerade
wenig leisten müssen: Die Magnetometer, die unter Federführung des Grazer Instituts
für Weltraumforschung (IWF)
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt wurden, sollen das
Magnetfeld des Planeten Venus untersuchen. Und das ist
aufgrund der geringen Eigenrotation des Planeten eigentlich kaum existent. Weshalb
es der Atmosphäre der Venus
auch keinen Schutz vor dem
„Sonnenwind“ bietet und der
Nachbarplanet der Erde die
für ihn typischen, extrem hei-
ßen Temperaturen aufweist
(siehe Wissen).
Warum zwei Magnetometer
desselben Typs mit auf die
Reise gehen, weiß Wolfgang
Baumjohann, Leiter des IWF.
Einer wurde direkt an der „Außenhaut“ der Sonde befestigt.
Das hoch empfindliche Instrument könnte aber durch die in
Venus Express mitgeführten
Instrumente gestört werden.
So hat man einen „Ausleger“
fabriziert, der im All mittels
Zündung ausgeklappt wird,
und darauf, etwa einen Meter
von der „Außenhaut“ entfernt,
noch einen VEX-MAG angebracht. Er wenigstens soll ungestört arbeiten können.
Das IWF hat schon langjährige Erfahrung mit Flügen zur
Venus. Bei insgesamt vier Mission der Russen (Venera 13, 14
und Vega 1, 2) war man dabei –
alle in den Achtzigerjahren.
Zum Auftrag, den Magnetometer für Venus Express zu
entwickeln (gemeinsam mit
der TU Braunschweig und
dem Imperial College London), kam man über eine internationale Ausschreibung. Unterstützt wurde das IWF auch
von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Die Vorlaufzeit für Aufträge, an den Instrumenten einer
Raumsonde mitzuarbeiten, ist
mitunter lange: So weiß man
beim IWF schon heute, dass
für Bepi Colombo, der Mission
der European Space Agency
(ESA) zum Merkur, Startter-
min voraussichtlich 2013,
wieder ein Magnetometer gebraucht wird.
Bepi Colombo ist übrigens
ein völlig neuartiges Projekt.
Erstmals schicken die ESA
und die japanische Weltraumagentur JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) zusammen je eine Sonde los, die
beim Merkur, nach etwa vier
Jahren Reisezeit, Aufgabenteilung machen: Der
europäische
Orbiter
wird die Oberfläche
des Merkur untersuchen, der japanische
die Atmosphäre. (pi)
der Standard Webtipp:
www.iwf.oeaw.ac.at
www.ffg.at
kanischen Nasa, die nur mit
einem einzigen Instrument
ausgestattet war, einem Radar.
Obwohl dieses Radar in der
jahrelangen
Missionsdauer
fast den gesamten Planeten
detailreich kartografierte, gibt
es noch viel zu erforschen.
„Die Venus ist einerseits
noch nicht gründlich erforscht, und andererseits stehen genau zu diesem Zweck
diverse Instrumente bereit,
die als Reserveinstrumente für
die Mars-Mission entwickelt
wurden“, berichtete das Online-Nachrichtenservice Astro
News über die Sparidee.
Die Pläne für Venus Express
wären jedoch beinahe wieder
fallen gelassen worden: Durch
die Kürzungen im ESA-Wissenschaftsbudget hatten sich
die Chancen für eine Realisierung der Venus-Mission deutlich verschlechtert. Venus Express wurde vom ESA-Wissenschaftsdirektor
sogar
schon gestrichen, weil dieser
die Finanzierung und die Bereitstellung der Instrumente in der kurzen
Zeit nicht für gesichert
hielt.
Europas erstem Flug
zur Venus steht nun
keine halb leere Wissenschaftskasse mehr
im Wege, jüngst aufgetretene
Probleme haben andere Ursachen. Bei einer Inspektion entdeckten Arbeiter eine Verschmutzung auf der Wärmeisolation der Trägerrakete von
Venus Express. Der für 26. Oktober geplante Start wird sich
daher verschieben.
Nicht weiter tragisch, wie
man in der Europäischen
Weltraumagentur versichert.
Hektisch braucht die ESA deswegen wirklich noch nicht
werden: Das Startfenster erstreckt sich noch bis zum
24. November. Bis dahin wird
die Rakete wohl abheben.
der Standard Webtipp:
www.space.at
WISSEN
Eine heiße
Reise
Q Venus: Der Planet wird
nicht selten als Schwesterplanet der Erde bezeichnet. Er ist nur unwesentlich kleiner als die
Erde (95 Prozent des Erddurchmessers,
80 Prozent der Erdmasse). Ihre
Dichten und chemischen
Zusammensetzungen
sind ähnlich. Der Druck
der Venusatmosphäre beträgt 90 Atmosphären
(das ist ungefähr der
Druck, der einen Kilometer unter den Ozeanen
der Erde herrscht). Sie
besteht vor allem aus
Kohlendioxid. Zu beobachten waren bisher auch
verschiedene
mehrere
Kilometer dicke Schichten aus Schwefelsäuredampf. Diese Wolken machen einen freien Blick
auf die Oberfläche unmöglich. Die Atmosphäre
verursacht einen unkontrollierbaren Treibhauseffekt, der die Oberflächentemperatur aufheizt
(heiß genug, damit Blei
schmilzt). Die Oberfläche
der Venus ist mit 470
Grad Celsius heißer als
die von Merkur (427
Grad), obwohl sie doppelt so weit von der Sonne entfernt ist.
Q Venus Express:
Die
Reise von der Erde zur
Venus dauert laut European Space Agency (ESA)
153 Tage. Das Raumschiff wird durch die Anziehungskraft der Venus
eingefangen. Venus Express wird fünf Tage benötigen, bis der operationelle Orbit erreicht ist.
Der Orbit geht über die
Polkappen des Planeten.
Die dichteste Annäherung an die Venus ist 250
km, die weiteste 66.000
km. Die geplante Beobachtungsdauer: circa 500
Erdtage. (pi)
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