Risiken und Ka t a s t ro ph e n in De u t s ch la nd 7 . Bürgermei st erkong ress EHEC, Legionellen, Noroviren, ... – wie sicher sind unsere Lebensmittel? Chemisch-toxikologische Sicht Oberstapotheker Dr. rer. nat. Boris Mey Fachapotheker für Toxikologie und Ökologie Staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker Leiter der Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Süd 1 Risiken und Ka t a s t ro ph e n in De u t s ch la nd 7 . Bürgermei st erkong ress EHEC, Legionellen, Noroviren, ... – wie sicher sind unsere Lebensmittel? A B C akzidentielle/intentionale Kontamination atomar Radionuklide biologisch Bakterien, Viren chemisch Gift-, Schadstoffe 2 Chemisch-toxikologische Sicht (Chemische) Risiken in Lebensmitteln und Trinkwasser und deren (analytische) Aufklärung Giftstoffe definieren sich durch ihre schädigende Wirkung, nicht aber durch - die chemische Struktur, Aufklärung - die Herkunft oder - den Wirkmechanismus. Toxine sind biogene Giftstoffe, die von Bakterien, Pflanzen, Tieren und Pilzen gebildet werden. 3 H. Russmann, Toxine, Bundesgesundheitsblatt, 2003 (46), 989-996 Chemisch-toxikologische Sicht Die Toxizität ist ein wichtiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Relevanz des unbeabsichtigten Vorkommens oder des beabsichtigten Einsatzes von Giftstoffen (in Lebensmitteln und Trinkwasser): - extrem toxisch: LD 50 < 0,025 µg/kg - hoch toxisch: LD 50 0,025 – 2,5 µg/kg - mäßig toxisch: LD 50 > 2,5 µg/kg 4 H. Russmann, Toxine, Bundesgesundheitsblatt, 2003 (46), 989-996 Chemisch-toxikologische Sicht Pestizide mäßig – untoxisch Schwermetalle mäßig – untoxisch Pilztoxine mäßig toxisch bakterielle Toxine extrem – mäßig toxisch Radionuklide extrem – mäßig toxisch pflanzliche Toxine hoch – mäßig toxisch C-Kampfstoffe mäßig toxisch tierische Gifte hoch – mäßig toxisch akute ≠ chronische Toxizität B. Klaubert, Lebensmitteluntersuchung im Einsatz, Beiträge Wehrmedizin und Wehrpharmazie, 2001 (15), 431-435 H. Russmann, Toxine, Bundesgesundheitsblatt, 2003 (46), 989-996 5 Chemisch-toxikologische Sicht Übersicht zur Toxizität verschiedener biogener und synthetischer Toxine bei Mäusen (I) Toxin LD50 [µg/kg] Herkunft Botulinumtoxin 0,0001 Bakterium Shigatoxin 0,002 Bakterium Tetanustoxin 0,002 Bakterium Abrin 0,04 Pflanze Maitotoxin 0,1 Algen Batrachotoxin 2,0 Pfeilgiftfrosch Ricin 3,0 Pflanze α-Conotoxin 5,0 Kegelschnecke Saxitoxin 10,0 Algen H. Russmann, Toxine, Bundesgesundheitsblatt, 2003 (46), 989-996 6 Chemisch-toxikologische Sicht Übersicht zur Toxizität verschiedener biogener und synthetischer Toxine bei Mäusen (II) Toxin LD50 [µg/kg] Herkunft Staphylococcus aureus 27 Enterotoxin B Bakterium Microcystine 50 Cyanobakterien T-2-Toxin 1.210 Schimmelpilz VX 15 Nervenkampfstoff Soman 64 Nervenkampfstoff Sarin 100 Nervenkampfstoff Seveso-Dioxin 100 Synthesenebenprodukt H. Russmann, Toxine, Bundesgesundheitsblatt, 2003 (46), 989-996 7 Chemisch-toxikologische Sicht Weitere Kriterien für den beabsichtigten Einsatz von Giftstoffen (in Lebensmitteln) (I) Vorkommen B-Kampfstoff C-Kampfstoff Natürliche Toxine Verfügbarkeit der Ausgangsstoffe Frei; Nährmedien Überwacht, reglementiert Frei Produktion Sehr aufwendig, Sicherheitsmaßnahmen In großem Maßstab leicht möglich Leicht bis schwer Verdeckte Produktion Dual-use der Biotechnologie Dual-use begrenzt möglich Dual-use der Biotechnologie leicht möglich Nachweis Methoden der Mikrobiologie Chemische Analytik Chemische/ Biochemische Analytik 8 H. Russmann, Toxine, Bundesgesundheitsblatt, 2003 (46), 989-996 Chemisch-toxikologische Sicht Weitere Kriterien für den beabsichtigtenEinsatz von Giftstoffen (in Lebensmitteln) (II) Vorkommen B-Kampfstoff C-Kampfstoff Natürliche Toxine Wirkungsmechanismus Infektion Toxische Wirkung Toxische Wirkung Einsetzen der Wirkung Tage bis Wochen Minuten bis Stunden Minuten bis Stunden Applikation Inhalativ, oral Inhalativ, oral, dermal Inhalativ, oral, dermal Aussehen, Flüchtigkeit Feststoff, nicht flüchtig Gasförmig bis Feststoff, nicht fest, tlw. flüchtig flüchtig H. Russmann, Toxine, Bundesgesundheitsblatt, 2003 (46), 989-996 9 Chemisch-toxikologische Sicht Analytik und Krisenbewältigung (I) • Die Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit liegt grundsätzlich beim Lebensmittelunternehmer. • Im Krisenfall ist innerhalb weniger Stunden die gesamte Supply Chain detailliert, einschließlich aller Beprobungen und deren Ergebnisse, transparent zu machen. • Die analytische Ursachenidentifizierung ist unabdingbar, aufwendig und zeitraubend. • Valide Ergebnisse liegen häufig erst nach Bewältigung der Krise vor. U. Nöhle, Was ist eigentlich ein Skandal?, Fleischwirtschaft, 2014 (1), 64-66 10 Chemisch-toxikologische Sicht Analytik und Krisenbewältigung (II): Woher ist der Giftstoff gekommen? Wohin hat sich der Giftstoff verbreitet? Welche Menge und Charge ist betroffen? Wer hat was wann mit welcher Methode analysiert? Wer hat wann welche Befunde zu den Überwachungsbehörden und ggf. zu den Medien kommuniziert? U. Nöhle, Was ist eigentlich ein Skandal?, Fleischwirtschaft, 2014 (1), 64-66 11 Chemisch-toxikologische Sicht Analytik und Krisenbewältigung (III): Asservierung Rückstellproben Rückverfolgung Patienten Symptome Therapie Zeit Diagnostik Analytik Epidemiologie Risikobewertung Risikomanagement Risikokommunikation 12