Dem Skorpiongift auf der Spur

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Dem Skorpiongift auf der Spur
Identifikation weiterer Toxine
Bettina Rohde1, Johannes Regenbogen1 und Eliahu Zlotkin2
Weitere potenzielle Toxine wurden basierend auf einer gewebsspezifischen,
subtraktiven
cDNA-Bibliothek identifiziert.
Dazu wurde das Verfahren der
„Suppression Subtractive Hybridization“ gewählt[4]. Der spezifische Vorteil dieser PCR-basierten Methode gegenüber anderen zur Herstellung solcher
Bibliotheken verwendeter Verfahren liegt darin, dass a) unter
Ausnutzung eines Suppressionseffekts spezifisch die differenziell exprimierten cDNAs angereichert werden, und dass b) der
eigentlichen Subtraktion eine
Normalisierung der unterschiedlichen cDNA-Abundanzen vorausgeht. Somit lassen
sich gewebsspezifische cDNAs
näherungsweise unabhängig von
ihrer Expressionsstärke darstellen.
Mithilfe dieser Bibliothek
wurden neben bereits charakterisierten Toxinen wie dem
BjαIT zahlreiche neue, zum Teil
bisher völlig unbekannte ToxinGene identifiziert. Als Ausgangsmaterial diente RNA aus
Giftdrüsengewebe. Als Referenz
diente Schwanzgewebe, welches
in unmittelbarer Nachbarschaft
zur Giftdrüse lokalisiert ist. Die
subtrahierte cDNA wurde kloniert und die Insertionen von zunächst 1200 zufällig ausgewählten Klonen sequenziert. In der
bioinformatischen Datenanalyse wurden die Sequenzen nach
Sequenzähnlichkeit in circa 300
Cluster eingeteilt und diese mit
Genbankeinträgen der NCBIDatenbank verglichen. Gut ein
Drittel der annotierten Proteinsequenzen und die Hälfte aller
annotierten Nukleotidsequenzen weisen Treffer zu Toxin-Proteinen auf. Und dies, obwohl die
verfügbaren Datenbanken nur
sehr unvollständig annotiert
sind.
1GATC
Biotech AG, Konstanz und 2Hebrew University of Jerusalem
왘 Das Skorpiongift ist ein komplexes Gemisch verschiedener,
zum Teil noch völlig unbekannter Polypeptide. Von einigen dieser Moleküle ist bekannt, dass
sie an Ionenkanäle in der Membran von Nervenzellen binden
und dadurch deren Eigenschaften verändern[1, 2]. Damit sind sie
aus pharmakologischer Sicht von
großem Interesse.
Skorpione der Familie der
Buthidae produzieren ein Gift,
das einen starken Einfluss auf
die meisten Vertebraten und Invertebraten besitzt. Seine Toxizität wird einer Vielzahl einfacher Polypeptide zugeschrieben,
die basierend auf Molekulargewicht und physiologischer Aktivität in zwei Hauptgruppen
unterteilt werden. Die erste
Gruppe beinhaltet kurze Toxine
(30 – 40 Aminosäuren) mit drei
bis vier Disulfidbrücken, die
hauptsächlich auf Kalium- und
Chloridkanäle wirken. Die zweite Familie umfasst langkettige
Toxine (60 – 70 Aminosäuren)
mit vier Disulfidbrücken, die
spezifisch Natriumkanäle beeinflussen. Die Besonderheit
der langkettigen Toxine ist, dass
sie zwischen Säugetieren, Insekten und Krustentieren unterscheiden. Somit sind sie speziesspezifisch!
Mehrere dieser einzigartigen
Moleküle wurden entdeckt und
stehen nun in Form charakterisierter cDNA-Klone, bzw. einer
umfassenden cDNA-Bibliothek
zur Verfügung. Sie stellen einen
riesigen Fundus für innovative
Entwicklungen im Pflanzenschutz und der Pharmabranche
dar.
Abb. 1: A) lyophilisiertes Skorpiongift wurde durch HPLC auf einer RP-C18
Säule aufgetrennt. B) Feinaufspaltung der Fraktion fIII.
des Schwarzen Skorpions Buthotus judaicus[3]. Dazu wurden
Skorpione gemolken, das Gift lyophilisiert und mittels HPLC
und einer revers-Phasen-Säule
aufgetrennt (Abb. 1).
Die das insektenselektive Toxin enthaltende Fraktion fIIIa
wurde aufgrund von zwei Kriterien identifiziert. Zum einen
wurden alle Fraktionen im Bioassay an Insektenlarven getestet.
Zum anderen wurden sie auf eine Membran gespottet und mit
einem Antikörper inkubiert, der
gegen das sehr wirksame insektenselektive α-Toxin LqhαIT
gerichtet ist. Die Edman-Analyse ergab ein dominantes Peptid mit einer für α-Toxine charakteristischen Aminosäuresequenz[3].
Die Isolierung des vollständigen Gens erfolgte durch eine
RT-PCR mit degenerierten Primern an RNA aus dem Giftdrüsengewebe. Die PCR-Primer
wurden von verwandten Toxinen abgeleitet. Das PCR-Produkt wurde kloniert, sequenziert
und die Sequenz des Vorläufer
BjαIT-Toxin-Gens ermittelt.
Die bioinformatische Analyse
des aus 65 Aminosäuren bestehenden aktiven Toxins zeigte,
dass die gefundene BjαIT-Sequenz auf Proteinebene bis auf
sechs Aminosäuren identisch zu
dem bekannten Lqq4-Toxin ist.
Dieses aber besitzt – anders als
das BjαIT – Säugetierselektivität. Somit ist die Speziesselektivität direkt oder indirekt auf
diese sechs Positionen zurückzuführen (Abb. 2).
Verglichen mit anderen
mikrobiellen oder chemischen
Insektiziden besitzt das insektenselektive BjαIT-Toxin eine
unerreichte Wirtsspezifität und
macht es dadurch attraktiv für
den biologischen Pflanzenschutz. Es wirkt als Neurotoxin,
indem es spezifisch die Signalweiterleitung in Natriumkanälen von Neuronen beeinflusst.
Ein anregender, präsynaptischer
Effekt führt zur Lähmung und
zum Tode der Insekten.
Anwendung finden soll das
Toxin als Bioinsektizid, indem
es beispielsweise über biologische Systeme, wie das arthropodenspezifische Baculovirussystem, durch einfaches Sprühen
ausgebracht werden kann.
Suche nach insektenselektiven
Toxinen
Die Kombination aus Proteinchemie, Bioassays und Molekularbiologie führte zur Identifikation des insektenspezifischen
BjαIT-Toxins aus Feldisolaten
Abb. 2: Vergleich des insektenselektiven Bjα IT-Toxin (Acc. # AY585097) mit dem säugetierselektiven Lqq4-Toxin
(Acc. # P01489). Identische Aminosäuren sind durch eine Linie markiert.
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Die identifizierten neuen Toxin-Gene bilden nun die Grundlage für künftige Bioinsektizide
und pharmakologische Anwendungen.
Die erhaltenen Daten belegen auch, dass das gewählte Verfahren der cDNA-Subtraktion
eine außerordentlich leistungsfähige Technik zur Identifizierung differenziell exprimierter
cDNAs darstellt. Vor allem dann,
wenn Transkriptome von Organismen untersucht werden, für
die es keine kommerziell erhältlichen Microarrays gibt, ist die
Methode nach wie vor das Mittel
der Wahl, um vergleichsweise
schnell und kosteneffektiv zu
sehr guten Ergebnissen zu gelangen.
Das dieser Veröffentlichung
zugrunde liegende Vorhaben
wurde mit Mitteln des BMBF
unter dem Förderkennzeichen
0312616 gefördert.
Literatur
[1] Zuo, X. P., Ji, Y. H. (2004): Molecular mechanism of scorpion neurotoxins
acting on sodium channels: insight into
their diverse selectivity. Mol. Neurobiol.
30(3): 265 – 278.
[2] Rodriguez de la Vega, R. C.,
Possani, L. D. (2004): Current views on
scorpion toxins specific for K+-channels.
Toxicon. 43(8): 865 – 875.
[3] Arnon, T., et al. (2005): BjalphaIT: a
novel scorpion alpha-toxin selective for
Insects – unique pharmacological tool. Insect Biochem. Mol. Biol. 35(3): 187 – 195.
[4] Diatchenko, L., et al. (1996): Suppression subtractive hybridization: a
method for generating differentially regulated or tissue-specific cDNA probes and
libraries. Proc Natl Acad Sci USA. 93(12):
6025 – 6030.
Korrespondenzadresse:
Bettina Rohde
GATC Biotech AG
Jakob-Stadler-Platz 7
D-78467 Konstanz
Tel.: 07531-8160-0
Fax: 07531-8160-81
[email protected]
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