308_330_BIOsp_0306.qxd 13.04.2006 9:36 Uhr Seite 316 Industrie-Applikationen 316 Dem Skorpiongift auf der Spur Identifikation weiterer Toxine Bettina Rohde1, Johannes Regenbogen1 und Eliahu Zlotkin2 Weitere potenzielle Toxine wurden basierend auf einer gewebsspezifischen, subtraktiven cDNA-Bibliothek identifiziert. Dazu wurde das Verfahren der „Suppression Subtractive Hybridization“ gewählt[4]. Der spezifische Vorteil dieser PCR-basierten Methode gegenüber anderen zur Herstellung solcher Bibliotheken verwendeter Verfahren liegt darin, dass a) unter Ausnutzung eines Suppressionseffekts spezifisch die differenziell exprimierten cDNAs angereichert werden, und dass b) der eigentlichen Subtraktion eine Normalisierung der unterschiedlichen cDNA-Abundanzen vorausgeht. Somit lassen sich gewebsspezifische cDNAs näherungsweise unabhängig von ihrer Expressionsstärke darstellen. Mithilfe dieser Bibliothek wurden neben bereits charakterisierten Toxinen wie dem BjαIT zahlreiche neue, zum Teil bisher völlig unbekannte ToxinGene identifiziert. Als Ausgangsmaterial diente RNA aus Giftdrüsengewebe. Als Referenz diente Schwanzgewebe, welches in unmittelbarer Nachbarschaft zur Giftdrüse lokalisiert ist. Die subtrahierte cDNA wurde kloniert und die Insertionen von zunächst 1200 zufällig ausgewählten Klonen sequenziert. In der bioinformatischen Datenanalyse wurden die Sequenzen nach Sequenzähnlichkeit in circa 300 Cluster eingeteilt und diese mit Genbankeinträgen der NCBIDatenbank verglichen. Gut ein Drittel der annotierten Proteinsequenzen und die Hälfte aller annotierten Nukleotidsequenzen weisen Treffer zu Toxin-Proteinen auf. Und dies, obwohl die verfügbaren Datenbanken nur sehr unvollständig annotiert sind. 1GATC Biotech AG, Konstanz und 2Hebrew University of Jerusalem 왘 Das Skorpiongift ist ein komplexes Gemisch verschiedener, zum Teil noch völlig unbekannter Polypeptide. Von einigen dieser Moleküle ist bekannt, dass sie an Ionenkanäle in der Membran von Nervenzellen binden und dadurch deren Eigenschaften verändern[1, 2]. Damit sind sie aus pharmakologischer Sicht von großem Interesse. Skorpione der Familie der Buthidae produzieren ein Gift, das einen starken Einfluss auf die meisten Vertebraten und Invertebraten besitzt. Seine Toxizität wird einer Vielzahl einfacher Polypeptide zugeschrieben, die basierend auf Molekulargewicht und physiologischer Aktivität in zwei Hauptgruppen unterteilt werden. Die erste Gruppe beinhaltet kurze Toxine (30 – 40 Aminosäuren) mit drei bis vier Disulfidbrücken, die hauptsächlich auf Kalium- und Chloridkanäle wirken. Die zweite Familie umfasst langkettige Toxine (60 – 70 Aminosäuren) mit vier Disulfidbrücken, die spezifisch Natriumkanäle beeinflussen. Die Besonderheit der langkettigen Toxine ist, dass sie zwischen Säugetieren, Insekten und Krustentieren unterscheiden. Somit sind sie speziesspezifisch! Mehrere dieser einzigartigen Moleküle wurden entdeckt und stehen nun in Form charakterisierter cDNA-Klone, bzw. einer umfassenden cDNA-Bibliothek zur Verfügung. Sie stellen einen riesigen Fundus für innovative Entwicklungen im Pflanzenschutz und der Pharmabranche dar. Abb. 1: A) lyophilisiertes Skorpiongift wurde durch HPLC auf einer RP-C18 Säule aufgetrennt. B) Feinaufspaltung der Fraktion fIII. des Schwarzen Skorpions Buthotus judaicus[3]. Dazu wurden Skorpione gemolken, das Gift lyophilisiert und mittels HPLC und einer revers-Phasen-Säule aufgetrennt (Abb. 1). Die das insektenselektive Toxin enthaltende Fraktion fIIIa wurde aufgrund von zwei Kriterien identifiziert. Zum einen wurden alle Fraktionen im Bioassay an Insektenlarven getestet. Zum anderen wurden sie auf eine Membran gespottet und mit einem Antikörper inkubiert, der gegen das sehr wirksame insektenselektive α-Toxin LqhαIT gerichtet ist. Die Edman-Analyse ergab ein dominantes Peptid mit einer für α-Toxine charakteristischen Aminosäuresequenz[3]. Die Isolierung des vollständigen Gens erfolgte durch eine RT-PCR mit degenerierten Primern an RNA aus dem Giftdrüsengewebe. Die PCR-Primer wurden von verwandten Toxinen abgeleitet. Das PCR-Produkt wurde kloniert, sequenziert und die Sequenz des Vorläufer BjαIT-Toxin-Gens ermittelt. Die bioinformatische Analyse des aus 65 Aminosäuren bestehenden aktiven Toxins zeigte, dass die gefundene BjαIT-Sequenz auf Proteinebene bis auf sechs Aminosäuren identisch zu dem bekannten Lqq4-Toxin ist. Dieses aber besitzt – anders als das BjαIT – Säugetierselektivität. Somit ist die Speziesselektivität direkt oder indirekt auf diese sechs Positionen zurückzuführen (Abb. 2). Verglichen mit anderen mikrobiellen oder chemischen Insektiziden besitzt das insektenselektive BjαIT-Toxin eine unerreichte Wirtsspezifität und macht es dadurch attraktiv für den biologischen Pflanzenschutz. Es wirkt als Neurotoxin, indem es spezifisch die Signalweiterleitung in Natriumkanälen von Neuronen beeinflusst. Ein anregender, präsynaptischer Effekt führt zur Lähmung und zum Tode der Insekten. Anwendung finden soll das Toxin als Bioinsektizid, indem es beispielsweise über biologische Systeme, wie das arthropodenspezifische Baculovirussystem, durch einfaches Sprühen ausgebracht werden kann. Suche nach insektenselektiven Toxinen Die Kombination aus Proteinchemie, Bioassays und Molekularbiologie führte zur Identifikation des insektenspezifischen BjαIT-Toxins aus Feldisolaten Abb. 2: Vergleich des insektenselektiven Bjα IT-Toxin (Acc. # AY585097) mit dem säugetierselektiven Lqq4-Toxin (Acc. # P01489). Identische Aminosäuren sind durch eine Linie markiert. BIOspektrum · 3/06 · 12. Jahrgang 308_330_BIOsp_0306.qxd 13.04.2006 9:36 Uhr Seite 317 Industrie-Applikationen 317 Die identifizierten neuen Toxin-Gene bilden nun die Grundlage für künftige Bioinsektizide und pharmakologische Anwendungen. Die erhaltenen Daten belegen auch, dass das gewählte Verfahren der cDNA-Subtraktion eine außerordentlich leistungsfähige Technik zur Identifizierung differenziell exprimierter cDNAs darstellt. Vor allem dann, wenn Transkriptome von Organismen untersucht werden, für die es keine kommerziell erhältlichen Microarrays gibt, ist die Methode nach wie vor das Mittel der Wahl, um vergleichsweise schnell und kosteneffektiv zu sehr guten Ergebnissen zu gelangen. Das dieser Veröffentlichung zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des BMBF unter dem Förderkennzeichen 0312616 gefördert. Literatur [1] Zuo, X. P., Ji, Y. H. (2004): Molecular mechanism of scorpion neurotoxins acting on sodium channels: insight into their diverse selectivity. Mol. Neurobiol. 30(3): 265 – 278. [2] Rodriguez de la Vega, R. C., Possani, L. D. (2004): Current views on scorpion toxins specific for K+-channels. Toxicon. 43(8): 865 – 875. [3] Arnon, T., et al. (2005): BjalphaIT: a novel scorpion alpha-toxin selective for Insects – unique pharmacological tool. Insect Biochem. Mol. Biol. 35(3): 187 – 195. [4] Diatchenko, L., et al. (1996): Suppression subtractive hybridization: a method for generating differentially regulated or tissue-specific cDNA probes and libraries. Proc Natl Acad Sci USA. 93(12): 6025 – 6030. Korrespondenzadresse: Bettina Rohde GATC Biotech AG Jakob-Stadler-Platz 7 D-78467 Konstanz Tel.: 07531-8160-0 Fax: 07531-8160-81 [email protected] BIOspektrum · 3/06 · 12. Jahrgang