Die US-Wahlen und ihr Einfluss auf die Börse

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AnlagenAktuell
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22. August 2012
Die US-Wahlen und ihr Einfluss auf die Börse
Die Präsidentschaftswahlen finden in den Vereinigten Staaten
von Amerika am 6. November 2012 zum 57. Mal statt. Gemäss
Umfragen zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Gewinnt
der Amtsinhaber Barack Obama oder sein republikanischer
Herausforderer Mitt Romney? Aus europäischer Perspektive
ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass so viel Aufhebens um die Beziehung zwischen Wirtschaft, Finanzmärkten
und Politik in den USA gemacht wird. Beide grossen Parteien
zeigen sich erfahrungsgemäss recht wirtschaftsfreundlich.
Es hat sich insgesamt auf die US-Börse jeweils nicht
ausgewirkt, ob die Republikaner oder die Demokraten
Regierungspartei sind. Es lassen sich aber auf Branchen- und Titelebene je nach Wahlausgang doch einige
klare Verlierer und Gewinner ausmachen.
Wahlen und Börsen
Wahlzyklen gehören zu den am besten untersuchten
Börsenzyklen. Man muss sich nicht unbedingt mit Par-
tei- und Wirtschaftsprogrammen befassen, um zu erahnen,
was 2012 für die Investoren bereithält – ein Blick in den Kalender genügt: 2012 ist das Jahr der Wahlen, und Wahljahre
sind tendenziell gute Börsenjahre, da mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 % ein Indexzuwachs (S&P 500) zu erwarten ist.
In Nichtwahljahren sind es «nur» 63 %. Allerdings: Seit 1928
fielen von den 21 Wahljahren fünf in eine Rezessionsphase,
was in vier Fällen mit einem Indexrückgang quittiert wurde.
Das Wahljahr 2012 hatte bisher einen Indexzuwachs zur Folge
(S&P 500 seit Jahresanfang +11 %). Eine bessere Performance dürfte v.a. durch den bremsenden Effekt der Schuldenproblematik in Europa und der globalen Wirtschaftsschwäche
verhindert worden sein. Die US-Wirtschaftsentwicklung ist
schleppend, im Quervergleich aber überdurchschnittlich gut.
Wie sieht es nun für 2013, dem ersten Jahr nach den Wahlen,
aus? Seit 1928 legte der S&P-500-Index im ersten Jahr nach
den Präsidentschaftswahlen um durchschnittlich 4.9 % zu, im
zweiten um 6.2 %.
Wahlzyklen und Indexveränderung
WahlzyklenDurchschnittl.
seit 1928
Wahljahr
Indexzuwachs
Bandbreite Zyklus
(Höchst- / Tiefstwerte)(2008–2011)
6.5 %
27.8 % / -36.0 %
-36.0 %
1. Jahr nach Wahl
4.9 %
46.6 % / -38.6 %
+23.4 %
2. Jahr nach Wahl 6.2 %
45.0 % / -29.7 %
+12.7 %
Jahr vor der Wahl
16.0 %
41.5 % / -5.4 %
+0.3 %
Quelle: Lehman Brothers, Zürcher Kantonalbank
Im dritten und im vierten Jahr ging es jeweils kräftiger nach
oben. Im Schnitt stiegen die Kurse um 16.0 % bzw. 6.5 %.
Im Zyklus 2008 bis 2011 verlief die Indexentwicklung nicht
nach Fahrplan. Das Hauptrezessionsjahr 2008 fiel ausgerechnet auf das Wahljahr und brachte herbe Kurseinbussen. Die
Wirtschaftserholung sorgte dann v.a. in den Anschlussjahren
für höhere Kurszuwächse. Das in der Regel beste Börsenjahr,
das Jahr vor den Wahlen (2011), zeigte beinahe eine Marktstagnation. Es zeigt sich, dass die Wahlzyklenregel von Durchschnittswerten ausgeht: Die Performancebandbreite ist für die
einzelnen Jahre zudem sehr gross. Im Jahr nach der Wahl z.B.
reicht sie seit 1928 von -38.6 % bis +46.6 %. Die Wahlstatistik trägt damit nur wenig zum Anlageerfolg bei. Wahlzyklen können in Einschätzungen einbezogen werden, sind aber
nicht als verlässliche Marktbarometer anzusehen.
Wirkung der Politik auf Wirtschaft und Börse
Die historische Erfahrung der Nachkriegszeit zeigt, dass in
den sechs Legislaturperioden unter demokratischer Präsidentschaft im Durchschnitt ein höheres Wirtschaftswachstum
(3.7 %) resultierte als unter den neun Legislaturperioden unter republikanischer Führung (2.8 %). Im Durchschnitt lag das
Wirtschaftswachstum in den letzten 15 Perioden bei 3.0 %.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man, wenn man anstelle
des Wirtschaftswachstums die jährliche Indexveränderung
(S&P 500) analysiert. In den letzten 15 Legislaturperioden
betrug der Jahresindexanstieg im Schnitt 8.3 %, unter demokratischer Präsidentschaft 9.4 % und unter republikanischer
Herrschaft 7.6 %. Die Performanceunterschiede sind damit
aber nicht gross, und die beiden Parteien teilten sich in der
Vergangenheit Hausse- und Baissephasen an der Wall Street.
So startete der Bullenmarkt der Jahre 1950 bis 1966 unter
dem Demokraten Truman. Von 1953 bis 1961 regierte dann
der konservative Eisenhower. Danach hielten die Demokraten
mit Kennedy und Johnson Einzug. Durch die Phase der Stagnation und Inflation bis 1982 lenkten Nixon und Ford (beide
Republikaner) sowie Carter (Demokrat). Die anschliessende
Börsenhausse bis 2000 wurde sowohl von den Konservativen
Reagan und George H. W. Bush als auch vom Demokraten
Clinton begleitet. Unter dem Republikaner George W. Bush erlebte die Börse ein wildes Auf und Ab. Die schlechteste je registrierte Börsenperformance resultierte unter dem Demokraten
Carter (1977–1980), knapp gefolgt vom Republikaner Bush
(2001–2004). Grundsätzlich zeigen sich, wie er-wähnt, beide
Parteien wirtschaftsfreundlich, und das Veränderungspotenzial der Wahlen ist deshalb eher beschränkt. Schwarz-WeissDenken ist in der US-Politik nicht angebracht. Demokraten
sind nicht «links» im europäischen Sinne, und eine republikanische Regierung ist nicht zwingend besser für Wirtschaft
und Börse. Von grosser Bedeutung ist auch, wie die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus und Senat nach
den Wahlen sind. Ein Präsident, der im Kongress nicht auf
die nötige parteipolitische Unterstützung zählen kann, wird
Schiffbruch erleiden, wenn er viele Veränderungen vornehmen
will. Heisst das nun, dass es aus Sicht der Anleger keine Rolle
spielt, wie die politischen Machtverhältnisse in den USA sind?
Jein. In der Summe sind die politischen Einflüsse auf den Gesamtmarkt meist gering, aber auf Branchen- und Titelebene
sind Auswirkungen zu erkennen. Bezüglich Energiefragen,
Regulierungen sowie in der Fiskal- und Steuerpolitik positionieren sich die beiden Parteien oft recht unterschiedlich, was
einzelne Branchen stark positiv oder aber negativ tangieren
kann. Im Vorfeld der Wahlen und in den Monaten danach können deshalb oft heftige Kursreaktionen beobachtet werden.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Machtverhältnisse im Kongress verschieben und ein neuer Präsident ins
Weisse Haus einzieht. Die Börse versucht, dies früh zu vorwegzunehmen, weshalb die zahlreichen Umfragen im Vorfeld
der Wahlen grosse Beachtung finden.
Wirtschaftslage spricht eher für einen Wechsel
Drei Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen beträgt der
Vorsprung Barack Obamas auf Mitt Romney gemäss Umfragen
lediglich 2.6 Prozentpunkte. Zu schaffen machen Obama die
schleppende Wirtschaftsentwicklung und die grosse Arbeitslosigkeit. Das Erbe der Bush-Regierung ist eine schwere Hypothek. Obama zog beinahe auf dem Tiefpunkt der schlimmsten
Rezession seit den 1930er-Jahren ins Weisse Haus ein, und
die Staatsschulden bewegten sich bereits auf einem bedenklich hohen Niveau. Die Amtsbilanz von Barack Obama fällt
nun ernüchternd bis enttäuschend aus. So ist das Haushaltsdefizit auf fast 11 % der Wirtschaftsleistung angestiegen,
und die Häuserpreise sind um über 20 % eingebrochen. Das
Wachstum der realen verfügbaren Einkommen hat sich in den
letzten Jahren deutlich abgeschwächt. Es liegt aber nicht alles
im Argen. Der Schuldenabbau der privaten Haushalte hat in
den letzten Jahren erfreuliche Fortschritte gemacht, und viele
Unternehmen sind in guter Form, was sich unter anderem
in soliden Bilanzrelationen zeigt. Die einst gebeutelten USBanken stehen ebenfalls wieder gut da. Fakt bleibt aber, dass
sehr viele Wähler die aktuelle Wirtschaftslage als schlecht
einschätzen. Die Vergangenheit hat des Öfteren gezeigt, dass
in wirtschaftlich schlechten Zeiten meist der Kandidat jener
Partei gewählt wird, die gerade nicht regiert.
Romney: Weniger Steuern und Regulierungen
Mitt Romney tritt für die typisch konservativen Forderungen
nach weniger Steuern und weniger Staat ein. Er lehnt Konjunkturprogramme für den Arbeitsmarkt ab und bevorzugt Anreize für die Unternehmen. Die Körperschaftssteuer soll von
derzeit 35 auf 25 % gesenkt werden. Die Grenzsteuersätze
sollen für alle Einkommen um 20 % gesenkt werden, und die
tiefen Steuersätze auf Dividenden, Zinsen und Kapitalerträge
sollen unangetastet bleiben. In der Finanzpolitik ist Romneys
Ziel ein ausgeglichener Haushalt, weshalb die Staatsausgaben auf 20 % des Bruttoinlandsproduktes beschränkt werden
sollen. Die Verteidigungsausgaben sollen gleich bleiben. Dagegen will er die Sozialhilfe und staatliche Gesundheitshilfen
reformieren. Diese seien ausser Kontrolle geraten und würden
mehr als die Hälfte der Bundesausgaben ausmachen. Die Zahl
der Staatsangestellten soll um 10 % reduziert werden. Obamas Gesundheitsreform will er rückgängig machen, und die
auf den Weg gebrachte Finanzmarktreform Dodd-Frank will er
abschaffen. Bei der Energiepolitik will Romney die Umweltauflagen reduzieren und die Kernenergie fördern. Der Öl- und
Gasindustrie ist er wohlgesinnt (mehr Bohrvorhaben und Bau
neuer Pipelines). Klimaschutz steht bei Romney weit unten auf
der Agenda, was unter anderem auch die Automobilindustrie
gern hört.
Diese Branchen / Bereiche profitieren
Barack Obama / Demokraten Mitt Romney / Republikaner
Alternative Energien
Kernenergie (Bau, Zulieferer)
Billiganbieter im Konsumbereich
Erdöl / Kohle / Erdgas / Ölservice
Bau / Infrastruktur
Pharma
Energieeffiziente Technologien
Rüstung
(Gebäude, Automobile)
Luxusgüterindustrie
BildungswesenBanken
Stromversorger (Kernenergie)
Stromversorger (Kohle)
Newcomer im Telekombereich
Telekom (Grosskonzerne)
SpitalkettenAuto
(Titel mit hoher Dividendenrendite)
Quelle: Zürcher Kantonalbank
Obama: Konjunkturprogramme und höhere Steuern
Während Barack Obama vor vier Jahren auf die Schlagworte
«hope and change» (Hoffnung und Wandel) gesetzt hatte,
wählte er für seine neue Kampagne nun «forward» (vorwärts).
Obama will auch weiterhin auf staatliche Konjunkturprogramme setzen und ist gewillt, Milliarden in Infrastrukturprojekte (u.a. öffentliche Gebäude, Strassen, Schienen) und
den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren. Forschungsvorhaben (z.B. IT) und das Bildungswesen sollen
ebenfalls gefördert werden. Finanziert werden sollen die Investitionen in erster Linie mit Steuererhöhungen. Sparen will
Obama beim Militär. Die Reichen sollen vermehrt zur Kasse
gebeten werden. Obama will eine Mindeststeuer von 30%
für Millionäre und steigende Steuersätze für Einkommen ab
USD 250 000. Die Steuerlast auf Kapitalgewinnen und vor allem auf Dividenden würde somit ebenfalls ansteigen. Ferner
plädiert Obama für eine Bankenabgabe, mit der über zehn
Jahre insgesamt USD 60 Mrd eigenommen werden sollen. Die
Steuervorteile für die Öl- und Gasindustrie sollen abgebaut
werden. Die einzige Steuerentlastung sieht Obama bei Unternehmen vor, die Arbeitsplätze aus dem Ausland ins Inland
transferieren. Obamas Drang zur Regulierung zielt ab auf eine
Überwachung der Finanz- und Energiemärkte, aber auch des
Gesundheitswesens (Krankenversicherung) und der Telekomwirtschaft. Die Umweltschutzvorschriften sollen weiter verschärft werden, und Kernenergie ist kein zentrales Thema.
Der Kandidat der Wall Street heisst Mitt Romney
Dass angesichts der immensen Staatsverschuldung an Einsparungen kein Weg vorbeiführt, wissen sowohl Obama als auch
Romney. Ihre Vorstellungen gehen jedoch weit auseinander.
Mitt Romney lehnt Steuererhöhungen kategorisch ab, was
aber eher unrealistisch scheint. Gleichwohl sind unter Mitt
Romney respektive den Republikanern geringere Steuerbe-
lastungen für Dividenden und Kapitalgewinne zu erwarten.
Aktien, die eine hohe Dividendenrendite aufwiesen, werden
damit begünstigt. Weniger Staatseinfluss, sprich Regulierungen werden an der Wall Street ebenfalls begrüsst. Obamas
Ideen und Pläne scheinen aus Investorensicht weniger verheissungsvoll als diejenigen Mitt Romneys. Das Rennen um
die kommende Präsidentschaft ist aus heutiger Sicht weitgehend offen, sodass wohl vor allem in der Zeit nach dem
Wahlausgang Kursreaktionen zu beobachten sein dürften; in
einzelnen Titeln können diese auch stark sein. So wurden im
Anschluss an den berühmten Wahlausgang 2000 (Nachprüfung der Wahlzettel in Florida) Umschichtungen von gut USD
100 Mrd von «Al-Gore-Titeln» in «George-W.-Bush-Aktien»
beobachtet. Bei einem Wahlsieg der Republikaner mit Mitt
Romney ist grundsätzlich mit einer stärkeren Börsenreaktion
zu rechnen als bei einem Wahlsieg der Demokraten mit Barack
Obama. Dies, weil der Wechsel grössere Veränderungen auslösen könnte. Der Politkurs der regierenden Demokraten ist
hingegen in den Kursen schon wesentlich stärker eingepreist,
sodass ein Wahlsieg weniger bewirken würde. Wir haben zwei
Titellisten zusammengestellt: ein «Demokraten-Portfolio» und
ein «Republikaner-Portfolio», die stark vom Wahlausgang
tangiert sein werden. Potenzielle Gewinnertitel sind je nach
Wahlausgang auf einen Blick ersichtlich: Dabei sind die Gewinneraktien bei einem Wahlsieg von Barack Obama die Verlierer bei einem Sieg von Mitt Romney und umgekehrt.
Gewinnerauswahl bei Wahlsieg Mitt Romneys
Marktkap.
Unternehmen
Branche
Boeing *
Ralph Lauren*
Saks*
in Mrd USD
Rüstung
54.7
Kleider
13.5
Kleider/Schuhe/Handtaschen1.7
Juwelier
6.9
UnitedHealth *
Tiffany *
Krankenversicherung
53.5
WellPoint*
Krankenversicherung17.9
Merck *
Exxon Mobil
Patterson UTI*
Transocean *
Pharma
134.3
Öl/Gas
404.1
Landbohrungen
2.4
Offshore-Bohrungen
17.5
Ford*
Ameren*
Auto34.7
Versorger (v.a. auf Kohlebasis)
8.3
Kohle 7.1
JP Morgan Chase
Bank
137.0
Goldman Sachs *
Broker
51.1
Peabody Energy *
AT&T
Shaw Group*
General Electric
US-Steel *
Telekom216.8
Bau, Dienstl. Nuklear-/Ölindustrie 2.6
u.a. Kernkraftwerke 222.0
Stahl (für Ölindustrie) 3.1
Allgemein: Aktien mit einer hohen Dividendenrendite
*nicht im Anlageuniversum der Aargauischen Kantonalbank
Quelle: Zürcher Kantonalbank
Gewinner bei Wahlsieg Barack Obamas
Marktkap.
Unternehmen
Branche
in Mrd USD
First Solar *
Solartechnik
1.5
GT Advanced Techn.*
Solartechnik
0.6
u.a. Wind- und Solarenergie
29.9
NextEra Energy*
Covanta*
Johnson Controls *
Bioenergieanlagen2.3
u.a. Gebäudeeffizienz
Family Dollar Stores*
Waste Management *
Excelon*
16.8
Discounter
7.7
Abfallentsorgung
16.1
Versorger (Kernenergie)
32.8
Home Depot *
Baumarktkette
80.0
HCA Holdings*
Spitalkette
11.7
WellCare Health Plans*
DeVry*
Apollo Group*
Cummins*
BorgWarner*
URS*
Gesundheitsdienstleister
2.4
Ausbildung (Technik)
1.2
Ausbildung (Wirtschaft)
3.0
Motoren/Filteranlagen18.8
Automobilzulieferer7.5
Bau- und Umweltsanierungsprojekte
2.7
*nicht im Anlageuniversum der Aargauischen Kantonalbank
Quelle: Zürcher Kantonalbank
Alle Angaben ohne Gewähr!
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