18 weiterBILDUNG 2–2008 Weiterbildungsentscheide: am fiktiven Beispiel von Sanja Bachmann, KV-Absolventin «Mein Entscheid für die Zukunft!» Am Beispiel von Sanja Bachmann wird deutlich, wie vielfältig sich die Weiterbildungsmöglichkeiten alleine im Bereich Marketing und Betriebswirtschaft darstellen. Diese Optionenvielfalt bedingt bei Weiterbildungsentscheiden klare Vorstellungen von dem, was man will. Ausserdem ist Klarheit darüber, welche Lücken in der eigenen Laufbahnplanung effektiv zu schliessen sind, unabdingbar. von Dr. Peter Petrin und Dr. Daniel C. Schmid (*) Die junge Frau, 23-jährig, ist wohnhaft in Zürich. Nach einer Lehre auf einer schweizerischen Grossbank, die sie erfolgreich mit dem KV abgeschlossen hat, war Frau Bachmann zwei Jahre in der Marketingabteilung einer Versicherung tätig. Darauf folgte eine zwölfmonatige Weltreise, die sie in entfernte Regionen brachte und anlässlich der sie sich die Frage nach ihrer beruflichen Zukunft stellte: «Wie soll es mit mir weitergehen: Soll ich mich marketingspezifisch weiterbilden oder bin ich eher der generalistische Typ?» Mit dieser Frage im Gepäck will sich Frau Bachmann nach ihrer Rückkehr ausgiebig mit Bildungsanbietern und -angeboten auseinandersetzen. Zieldefinition: Was will ich wirklich? Zunächst muss sich Frau Bachmann klar werden, Unsere Absolventin beginnt mit der fiktiven Reise. welches Bildungsziel sie denn genau verfolgen will. Dieses ist vom angestrebten Berufsziel (in ihrem Fall: «Eine anspruchsvolle Aufgaben im Marketingbereich, z. B. als Produktmanagerin, evtl. weiter in der Dienstleistungs- oder neu in der Konsumgüterbranche») her abzuleiten. Ein präziser Kriterienkatalog sowie ein strukturiertes Vorgehen bilden die Grundlage für eine individuelle Weiterbildungsstrategie. Die Kernfragen lauten: – «Welches sind die beruflichen Anforderungen meiner Wunschposition und welche Voraussetzungen bringe ich schon mit?» – «Welche zu schliessenden Lücken ergeben sich im Hinblick auf meine Wunschposition?» Bei kleinen Lücken sind kürzerfristige Bildungsmassnahmen (Seminare, Kurse) angezeigt; bei grösseren Lücken mittelfristige Massnahmen wie Lehrgänge. Im Fall von Frau Bachmann zeichnen sich im Anschluss an ihre berufliche Grundbildung (KV-Abschluss) gleich drei Weiterbildungsstränge ab (die Hochschulwelt bleibt ihr wegen der fehlenden Matura zunächst verwehrt, vgl. Grafik): Will sie sich fachspezifisch weiterbilden und vorzugsweise in der Marketingwelt bleiben, bilden die eidg. Fachausweise eine interessante Variante: Im Falle des Marketings bietet sich Marketingfachfrau mit eidg. Fachausweis (ehemals «Marketingplanerin mit eidg. Fachausweis») an. Fachausweise haben den Vorteil, dass sie in kurzer Zeit erreicht werden können. Als Nachteile fallen die relativ hohen Durchfallquoten bei den eidgenössischen Prüfungen (30 bis 40 Prozent) ins Gewicht, wobei hohe Durchfallquoten keinesfalls unbesehen mit hoher Abschlussqualität gleichzusetzen sind. Will sich Frau Bachmann primär generalistisch entwickeln, hat sie zwei Möglichkeiten in Form einer dreijährigen Führungsausbildung an einer Höheren Fachschule (HF). An der Höheren Fachschule für Wirtschaft wird sie zur dipl. Betriebswirtschafterin HF ausgebildet; sie erwirbt sich dabei breite betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Führungswissen, weshalb sie vielseitig einsetzbar ist und damit auch zahlreiche Positionen ausserhalb des Marketing einnehmen könnte. An der Höheren Fachschule für Marketing kann sie als dipl. Marketingmanagerin HF abschliessen. Wie der Titel andeutet, verfügt die dipl. Marketingmanagerin HF über Marketing- und Managementwissen und ist damit für Führungsaufgaben im Marketing vorbereitet. Im Vergleich zur Marketingfachfrau mit eidg. Fachausweis ist sie betriebswirtschaftlich breiter ausgebildet und hat mehr Führungswissen. Gegenüber dipl. Betriebswirtschaftern HF ist die dipl. Marketingmanagerin HF betriebswirtschaftlich weni- ger tief, dafür mit einem klaren Fokus auf Marketing ausgebildet. Das Studium an beiden Höheren Fachschultypen ermöglicht mittels einer sog. «Passerelle» zudem den Übertritt an eine Fachhochschule («Bachelor-Studium»). Nachteilig beim HF-Studium ist der hohe Zeitaufwand. Sowohl Fachausweise als auch HFDiplome erlauben den Zugang zu zahlreichen Nachdiplomstudien auf Stufe Höhere Fachschule (NDS HF). Vergleich IST- und SOLL-Zustand Frau Bachmann entscheidet sich für ein klare Marketingausrichtung und ist neu mit folgender Frage konfrontiert: «Welche Bildungsprogramme passen zu mir, wenn ich Produktmanagerin werden will und welche Lücken muss ich gezielt schliessen?». Wie neueste Studien belegen, haben sich die Anforderungen an Marketingspezialistinnen und -spezialisten stark gewandelt: Aus der Sicht von Schweizer Führungskräften stellen Faktoren wie Fremdsprachenkenntnisse, Flexibilität bei neuen Anforderungen, Kreativität und Ideenreichtum, Kommunikationsfähigkeit sowie die Fähigkeit, auf Kundenbedürfnisse eingehen zu können, neben der – vorausgesetzten Fachkenntnis – die Kernkompetenzen künftiger Marketingprofis dar. Zusätzlich ist ein Optimum zwischen Bildungsinhalten und dem in Aussicht gestellten Abschlusszertifikat zu bestimmen. Pointiert ausgedrückt: «Geht es mir um ein 'schönes' Papier, oder geht es mir wirklich um einen Qualifikationszuwachs, der mir neue berufliche Perspektiven ermöglicht?» Oft ergibt sich hier nämlich ein Zielkonflikt. Folgende Beispiele aktueller Stelleninserate zeigen, dass Frau Bachmann unterschiedlichen Eintrittshürden (sprich Lücken) auf dem Arbeitsmarkt begegnet: Sachbearbeiter/-in Marketing/Verkauf Sie, KV-Abschluss, gute Kenntnisse der Office-Programme sowie Französisch und Englisch sind zwingend erforderlich, verfügen über analytisches Denkvermögen und eine exakte Arbeitsweise wie auch Freude am Kundenkontakt. Ihr Alter: KV-Abgänger bis 25 Jahre.» > Lücke = null, Sofortbeginn möglich Junior Category Field Manager/-in «Die kompetente und erfolgreiche Ausübung dieser Tätigkeit erfordert eine konzeptionelle Denkweise, Erfahrung im Bereich Product Management und Vermarktung sowie über eine fundierte Weiterbildung im Bereich Marketing (z.B. Marketingfachfrau/mann).» > Lücke = Eidg. Fachausweis 19 weiterBILDUNG 2–2008 Product Manager/-in: «Sie verfügen über eine betriebswirtschaftliche Ausbildung (FH oder Uni) oder als Praktiker/-in über eine höhere Fachausbildung. > Lücke = Hochschulstudium bzw. höhere Fachausbildung wie z. B. dipl. Marketingmanager/in HF oder dipl. Betriebswirtschafter/in HF mit mehrjähriger Erfahrung im Marketing Für Frau Bachmann ist die Entscheidung nach der Durchsicht von diversen Stellenanzeigen klar: «Ich will lieber jetzt, mit 23 Jahren in eine fundierte, breit gefächerte Ausbildung investieren, die auch Führungsthemen gewichtet, damit mir später Türen offen stehen, die mir bei fehlender Qualifikation schon bei der Selektion versperrt sind. Marketing finde ich ein spannendes Gebiet. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich auch auf lange Sicht darin arbeiten möchte: Ich werde mich also für eine Weiterbildung zur dipl. Betriebswirtschafterin HF entscheiden.» Wahl des Bildungsanbieters «An welchen Bildungspartner soll ich mich nun wenden?» Die Anbietervielfalt ist beträchtlich, und Frau Bachmann verbringt etliche Stunden damit, Stu­ dienbroschüren zu analysieren und Internetportale zu sichten. Bei der Auswahl von Bildungsinstituten gilt es insbesondere, zwischen Kernleistungsmerkmalen und begleitenden Leistungsmerkmalen zu unterscheiden. Zu den letzteren zählen der Veranstaltungsort, die Infrastruktur, die Veranstaltungszeiten sowie der Preis. Wichtiger dürften die Kernleistungsmerkmale sein: nämlich die Kompetenz des Anbieters, das postulierte Bildungsversprechen effizient und qualitativ hoch stehend einzulösen. Vorsicht ist heute gerade bei internationalen Abschlüssen geboten. Im Wissen, dass viele Bildungsnachfrager gerne auch ein international gültiges Zertifikat hätten, schiessen solche Zertifikate wie Pilze aus dem Boden. Doch nicht alles, was englisch klingt, ist das Papier wert, auf dem es gedruckt ist. Hier empfiehlt es sich, im beruflichen Umfeld Personen auf das internationale Zertifikat anzusprechen. Wenn das Papier völlig unbekannt ist, ist Zurückhaltung angezeigt. Achtung speziell bei MBAs und ähnlichen Abschlüssen: Nicht alles, was Master heisst, ist auch ein Master! Und nicht in jedem Master- oder Bachelorprogramm wird man Meister im betreffenden Fach. Die Überprüfung der inhaltlichen Qualität ist besonders schwierig, da man selbst ja gerade nicht Experte und damit nicht in der Lage ist, den Inhalt zu beurteilen. Daher ist auf den Ruf und das Image des Bildungsanbieters speziell zu achten. Bei mittelfristigen Bildungsmassnahmen empfiehlt sich ein physischer Augenschein (Infoanlass, Beratungsgespräch). Das «Bauchgefühl» ist oft ein guter Ratgeber, wobei folgende Fragen nützlich für die Bewertung sind: – Habe ich das Gefühl, dass die Chemie stimmt? – Fühle ich mich wohl? – Wie dienstleistungsorientiert ist der Anbieter? – Werden meine Bedürfnisse angehört und ernst genommen? – Werde ich rasch zur Vertragsunterzeichnung gedrängt? Übrigens, Frau Bachmann hat mehrere Informationsanlässe an verschiedenen Bildungsinstitutionen besucht und wird ihre berufsbegleitende Weiterbildung im kommenden Oktober beginnen. Wir wünschen ihr dazu viel Erfolg! (*) Dr. Peter Petrin ist Direktor des SIB Schweizerisches Institut für Betriebsökonomie, Zürich. Dr. Daniel C. Schmid leitet den Bereich Seminare und Beratung am SIB. Bildungsstufen und Standardverläufe in der schweizerischen Aus- und Weiterbildungslandschaft (vereinfachte Darstellung) PhD MAS, EMBA MAS, EMBA Grafik: www.sib.ch Master Master NDS HF Diplom (eidg.) Bachelor Bachelor Diplom HF Eidg. Fachausweis Universitäre Hochschulen Fachhochschule Höhere Fachschulen Berufs- und höhere Fachprüfungen Gymnasiale Maturitätsschulen Berufsmaturitätsschulen Berufliche Grundbildung Sekundarschulen Primarschule