Kurzfassung Auswirkungen verschiedener Arten von Raufutter auf die Gesundheit und Leistung von Schweizer Mastkälbern Rahel Moser, Dr. med. vet. Wiederkäuerklinik, Vetsuisse Fakultät Bern Einleitung In der Schweizerischen Kälbermast steht den meisten Kälbern Stroh als Rohfaserquelle zur Verfügung. Stroh wird aufgrund seines hohen Ligningehalts jedoch der Verdauungsphysiologie des Kalbes nicht gerecht und kann zu Verdauungsstörungen und Labmagenläsionen führen. Im Rahmen der Revision der Tierschutzverordnung vom 23.4.2008 wurde die Rohfaserversorgung von Kälbern mit einer Übergangsfrist von 5 Jahren wie folgt geregelt: "Kälbern, die mehr als zwei Wochen alt sind, muss Heu, Mais oder anderes geeignetes Futter, das die Rohfaserversorgung gewährleistet, zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen. Stroh allein gilt nicht als geeignetes Futter" (Artikel 37, Absatz 4). Demzufolge darf in Zukunft nicht mehr ausschliesslich Stroh als Rohfaserquelle angeboten werden. Ziel dieser Untersuchung war es deshalb, ein alternatives Zusatzfutter zu finden, welches den Anforderungen des Kalbes an Physiologie und Gesundheit gerecht wird und gleichzeitig zu einer Schlachtkörperqualität führt, welche vom aktuellen Markt akzeptiert wird. Material und Methode Praxisbetrieb Auf einem Praxisbetrieb wurden 2 Mastdurchläufe mit insgesamt 400 Kälbern aufgeteilt in 5 Gruppen à 40 Tiere durchgeführt. Pro Gruppe wurde jeweils ein auf seine Eignung hin zu testendes Festfutter (Stroh als Kontrolle, Mix, Maissilage, Ganzpflanzen-Maiswürfel und Heu) zugefüttert, die Grundfütterung (Milchnebenprodukt und Ergänzungspulver ad libitum) war bei allen Gruppen gleich. Folgende Erhebungen wurden während der Mastperiode gemacht: Gesundheitsstatus der Kälber, Blutstatus, Medikamenteneinsatz, Untersuchung von Labmagen und Pansen nach der Schlachtung, Untersuchung der Todesfälle und das Wiederkauverhalten. Ausserdem wurden folgende Leistungsparameter beurteilt: Schlachtgewicht, Fleischqualität (CHTAX, Fett), Fleischfarbe, Tageszuwachs, Mastdauer und Futterverzehr. Des Weiteren wurden die Futtermittel regelmässig analysiert. Material und Methode ALP Auf der eidg. Forschungsstation Agroscope Liebefeld-Posieux ALP wurden 3 Mastdurchläufe mit insgesamt 270 Kälbern aufgeteilt in 3 Gruppen à 30 Tiere durchgeführt. Pro Gruppe wurde jeweils ein auf seine Eignung hin zu testendes Festfutter (Stroh als Kontrolle, Mix ALP und GanzpflanzenMaiswürfel) zugefüttert, die Grundfütterung (Vollmilch und Ergänzungspulver ad libitum) war bei allen Gruppen gleich. Folgende Erhebungen wurden während der Mastperiode gemacht: Gesundheitsstatus der Kälber, Blutstatus, Medikamenteneinsatz, Untersuchung von Labmagen und Pansen nach der Schlachtung, Untersuchung der Todesfälle und das Wiederkauverhalten. Ausserdem wurden folgende Leistungsparameter beurteilt: Schlachtgewicht, Fleischqualität (CHTAX, Fett), Fleischfarbe, Tageszuwachs, Mastdauer und Futterverzehr (Einzeltiererkennung). Des Weiteren wurden die Futtermittel regelmässig analysiert. Statistik Für den statistischen Nachweis von Unterschieden zwischen den Fütterungsgruppen wurde für kategorielle Daten der Chi-Quadrat Test verwendet, für normalverteilte kontinuierliche Daten die Varianzanalyse (ANOVA) und für nicht normalverteilte Daten der Kruskal Wallis Test. Wenn die Fütterungsgruppe einen Einfluss hatte (p<0.05), wurde in einem (logistischen oder linearen) Regressionsmodell überprüft, ob andere Faktoren (Confounders) einen Einfluss auf diesen Effekt hatten. In allen Modellen wurde für Jahreszeit, Geschlecht und Rasse korrigiert. Falls es andere biologisch sinnvolle Einflussfaktoren gab, wurde deren Effekt ebenfalls überprüft. Resultate Praxisbetrieb Es konnte gezeigt werden, dass die Fütterung von Stroh als alleiniges Festfutter nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit von Mastkälbern hat. Kälber, welche nur mit Stroh zugefüttert wurden, wiesen tendenziell am meisten Labmagenläsionen im Fundusbereich auf (p=0.08), sie zeigten ein signifikant schlechteres Wiederkauverhalten (p<0.01) als in den anderen 4 Fütterungsgruppen und der Anteil Kälber mit ungenügend entwickeltem Pansen war in der Strohgruppe auch signifikant höher (p<0.05) als in den anderen Gruppen. Die Leistungsparameter jedoch waren in der Strohgruppe am besten. Positiv aufgefallen ist das Zusatzfutter GanzpflanzenMaiswürfel: Die Kälber aus dieser Gruppe hatten vergleichsweise wenig Fundus- und Pylorusläsionen, der Anteil Kälber mit gut entwickeltem Pansen (Zottenlänge und Panseninhalt) war am höchsten und diese Kälber wiesen am wenigsten Behandlungstage mit Antibiotika auf. Zudem erreichten sie gute Leistungsdaten. Resultate ALP Die Resultate der ALP bestätigen ebenfalls, dass die Fütterung von Stroh als alleinige Rohfaserquelle negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Kälber hat. Kälber, welche nur mit Stroh zugefüttert wurden, wiesen hochsignifikant am meisten Labmagenläsionen im Fundusbereich auf (p<0.001), sie zeigten schlechtes Wiederkauverhalten (p<0.01) und der Anteil Kälber mit ungenügend entwickeltem Pansen war in der Strohgruppe signifikant am höchsten (p<0.05). Die Leistungsparameter unterschieden sich nicht signifikant. Das Zusatzfutter Ganzpflanzen-Maiswürfel st auch im Versuch der ALP positiv aufgefallen: Die Kälber aus dieser Gruppe hatten am wenigsten Fundusläsionen (p<0.001), die am besten entwickelten Pansenzotten (p<0.05) und zudem erreichten die Kälber aus der Maiswürfelgruppe als einzige Gruppe gute Schlachtkörperklassifizierungen. Schlussfolgerungen Die Resultate der beiden Versuchsteile (Praxisbetrieb und ALP) lassen den Schluss zu, dass das Zufüttern von Ganzpflanzen-Maiswürfeln eine geeignete Alternative zur bisherigen Strohbeifütterung ist, da die Maiswürfel dem Anspruch auf ein gesundes Kalb kombiniert mit einer guten Leistung am besten gerecht wurden. Dank Ich bedanke mich persönlich und auch im Namen der Projektleitung und der Mitautorenschaft herzlich beim Schweizer Kälbermästerverband für die finanzielle Unterstützung dieses Projekts und die hervorragende Zusammenarbeit während der letzten Jahre. Mitautorenschaft: Dr. med. vet. Corinne Bähler Dr. med. vet. Thomas Kaufmann Dr. med. vet. Marc Kirchhofer Dipl. Ing. Agr. ETHZ Isabelle Morel Dr. med. vet. Horst Posthaus Prof. Dr. med. vet. Gertraud Schüpbach-Regula Dr. med. vet. Michel Rérat Prof. Dr. med. vet. Adrian Steiner Prof. Dr. med. vet. Michael H. Stoffel Dr. med. vet. Alois von Rotz Wiederkäuerklinik Bern, Kälberpraxis Rickenbach Agridea Lindau Wiederkäuerklinik Bern Agroscope Liebefeld-Posieux Institut für Tierpathologie Bern Veterinary Public Health Institute Bern Agroscope Liebefeld-Posieux Wiederkäuerklinik Bern Institut für Tieranatomie Bern Institut für Tieranatomie Bern Rahel Moser, 21.9.2011