Modellierung Prof. Dr. Sibylle Schwarz HTWK Leipzig, Fakultät IMN Gustav-Freytag-Str. 42a, 04277 Leipzig Zimmer Z 411 (Zuse-Bau) http://www.imn.htwk-leipzig.de/~schwarz [email protected] Wintersemester 2014/15 1 Informatik Informatik Lehre von der Darstellung und Verarbeitung von Information durch Algorithmen Teilgebiete der Informatik: theoretisch technisch Sprachen zur Formulierung von Information und Algorithmen, I Möglichkeiten und Grenzen der Berechenbarkeit durch Algorithmen, I Grundlagen für technische und praktische (und angewandte) Informatik I maschinelle Darstellung von Information Mittel zur Ausführung von Algorithmen (Rechnerarchitektur, Hardware-Entwurf, Netzwerk, . . . ) I I praktisch Entwurf und Implementierung von Algorithmen (Betriebssysteme, Compilerbau, SE, . . . ) angewandt Anwendung von Algorithmen (Text- und Bildverarbeitung, Datenbanken, KI, Medizin-, Bio-, Wirtschafts-, Medieninformatik, . . . ) 2 Syntax und Semantik algorithmische Verarbeitung von Information erfordert geeignete Darstellung der Information I Formalismus (Kalkül): Maschinen-( und Menschen-)lesbare Sprache I eindeutige Zuordnung einer Bedeutung zu den Elementen des Formalismus Semantik (Bedeutung) Was wird dargestellt? Syntax (Darstellungsform) Wie wird es dargestellt? (meist viele verschiedene Möglichkeiten) 3 Beispiel Münzenspiel Spielfeld: (beidseitig unendliche) Folge von Stapeln von Münzen ... ... 1. Zu Beginn liegen 5 Münzen auf einem Stapel, alle anderen Stapel sind leer. 2. In jedem Zug werden zwei Münzen von einem Stapel (auf dem wenigstens zwei Münzen liegen) genommen und eine davon auf den rechten, die andere auf den linken Nachbarstapel gelegt. 3. Das Spiel ist zuende, wenn kein Zug mehr möglich ist. 4 Münzenspiel: Fragen I In welchen Zuständen sind keine Züge möglich? I Welche Zustände sind aus dem Startzustand erreichbar? I Wieviele Züge können (mindestens / höchstens) gespielt werden, bis kein Zug mehr möglich ist? Münzenspiel für zwei Personen: 4. Beide Spieler ziehen abwechselnd. 5. Wer am Zug ist, wenn kein Zug mehr möglich ist, verliert. (Der andere gewinnt.) I Kann der Spieler, der den ersten Zug macht, gewinnen? I Kann der Spieler, der den zweiten Zug macht, gewinnen? I Gewinnt immer der Spieler, der den ersten Zug macht? I Gewinnt immer der Spieler, der den ersten Zug macht? I (Wie) Hängt das von der Anzahl der Münzen zu Beginn ab? 5 Modellierung des Münzenspiels: Zustände ... ... Zustand (Konfiguration): Momentaufnahme des Spielfeldes vor oder nach einem (vollständigen) Spielzug maschinenlesbare Modellierung eines Spielzustandes, z.B. durch I Folge von Stapeln (Folgen) von Münzen, z.B. [. . . , [], [5, 2, 10, 20 , 20], [], . . .], [. . . , [], [20 ], [5, 2, 10], [20], [] . . .] I Folge natürlicher Zahlen (Anzahlen der Münzen je Stapel), z.B. [. . . , 0, 5, 0, . . .], [. . . , 0, 1, 3, 1, 0, . . .], I endliche Folge natürlicher Zahlen (nur relevanter Bereich), z.B. [6], [1, 3, 1] oder [0, 5, 0], [0, 1, 3, 1, 0], Nebenwirkung Abstraktion: ermöglicht einfache Übertragung auf ähnliche Aufgaben (Art und Anzahl der Objekte) 6 Modellierung des Münzenspiels: Ablauf Modellierung aller möglichen Übergänge zwischen Zuständen z.B. als I formale Darstellung der Spielregeln Startzustand : [. . . , 0, 5, 0 . . .] Spielzug: Ersetzung einer Teilfolge des Zustandes der Form [x, y + 2, z] durch [x + 1, y , z + 1] Regel: [x, y + 2, z] → [x + 1, y , z + 1] I formale (graphische) Darstellung aller möglichen Spielzüge (Tafel) Modellierung eines Spieles z.B. als I (gültige) Folge von Positionen, an der die Regel angewendet wurde I Weg im Spielgraphen 7 Modelle Modelle sind Abstraktionen realer Dinge, Eigenschaften, Beziehungen, Vorgänge I Auswahl der (für den Anwendungsbereich, zur Problemlösung) wichtigen Informationen I Vernachlässigung unwichtiger Details Beispiele: I Liniennetzplan wichtig: Stationen, Verbindungen zwischen Stationen, Art der Verbindung (z.B. Liniennummer) unwichtig: genaue Linienführung, aktuelle Verspätungen, Baustellen,. . . I Grundriss I Stundenplan I Ablaufplan spezielle Form der Modelle abhängig von I Problembereich I geplante Verwendung 8 Prozess beim Lösen von Aufgaben (Problemen) Analyse der (informalen) Aufgabe, Identifikation von I Aufgabenbereich (Kontext) I Eingabedaten (Typ, mögliche Werte) I gewünschte Lösung (Typ, Eigenschaften, Zusammenhang mit Eingabe) Modellierung (Spezifikation, formale Darstellung) von I Aufgabenbereich (Kontext) I Eingaben I Lösungen Modellierung von Daten und deren Eigenschaften Entwurf einer Lösungsstrategie für die modellierte Aufgabe (mit vorhandenen oder neuen Methoden) Modellierung von Abläufen und deren Eigenschaften Realisierung der Lösungsstrategie im Modellbereich Ausführung der Lösungsstrategie im Modellbereich Übertragung der Lösung vom Modellbereich in die Realität 9 Logik Beispiel: 1. Tom besucht heute das Kino oder das Konzert. Tom ist nicht im Kino. Also besucht Tom das Konzert. √ 2. √2 ist eine rationale oder eine irrationale Zahl. 2 6∈ .√ Also ist 2 irrational. Q gemeinsames Schema: Aus (P oder Q) und (nicht P) lässt sich Q schließen. formal: {P ∨ Q, ¬P} |= Q oder (allgemeiner) ∀x : (((P(x) ∨ Q(x)) ∧ ¬P(x)) → Q(x)) maschinelle Verarbeitung logischer Formelmengen z.B. durch SAT-Solver, Inferenzsysteme, Prolog-Interpreter 10 Vorteile der formalen Darstellung Abstraktion von unwichtigen Details (Entwicklung und Verwendung von Modellen) Präzisierung der relevanten Aussagen (eindeutige Semantik) Systematisches Lösen (auch maschinell) von formal dargestellten Problemen möglich Struktureigenschaften formaler Beschreibungen Schlussweisen unabhängig von Bedeutung der Aussagen 11 Inhalt der Lehrveranstaltung Modellierung Einführung in formale Beschreibungsverfahren in der Informatik Modellierung von Aussagen durch aussagenlogische Formeln Daten durch I Mengen I Wörter (Folgen) und Sprachen I Terme I Abstrakte Datentypen Zusammenhängen durch I Relationen I Graphen I Strukturen Abläufen durch Zustandübergangssysteme Eigenschaften, Anforderungen (für Daten und Systeme) durch prädikatenlogische Formeln (Ausblick in nichtklassische Logiken) 12 Lernziele I Fähigkeit zur Abstraktion I Verständnis der grundlegenden Modellierungs-Formalismen der Informatik: Logik, Mengen, Relationen, Graphen, Terme, Strukturen, Datentypen I anwendungsbereite Kenntnisse zur Modellbildung I Zusammenhänge zu anderen Gebieten der Informatik und zur Mathematik 13 Literatur Folien zur Vorlesung, jeweils nach der Vorlesung veröffentlicht unter www.imn.htwk-leipzig.de/~schwarz/lehre/ws14/modellierung empfohlene Bücher: I zur Modellierung: I I Uwe Kastens, Hans Kleine Büning: Modellierung - Grundlagen und formale Methoden, Hanser 2008 zur Logik I I I Michael Huth, Mark Ryan: Logic in Computer Schience, Cambridge University Press 2010 Uwe Schöning: Logik für Informatiker, Spektrum, 1995 Martin Kreuzer, Stefan Kühling: Logik für Informatiker, Pearson Studium, 2006 14 Organisation der Lehrveranstaltung Folien, Übungsserien, Termine, Änderungen, . . . unter www.imn.htwk-leipzig.de/~schwarz/lehre/ws14/modellierung aus der Modulbeschreibung: 90 h für Präsenzstudium + 120 für Selbststudium Lehrveranstaltungen für jeden Studenten: I wöchentlich zwei Vorlesungen (60 SWS) I wöchentlich eine Übung (30 SWS) entsprechend Stundenplan, Wiederholer aus JG 12 und früher: mit ÜG MIB1 (14 und 13) Vor- und Nachbereitung: schriftliche Aufgaben (ÜS), Literaturstudium, praktische Aufgaben (Autotool) Selbststudium: Vor- und Nachbereitung (90 h, also 6h wöchentlich) Prüfungsvorbereitung (30 h) Vollzeit-Studium ist ein Ganztagsjob. 15 Selbstudium Vor- und Nachbereitung jeder Lehrveranstaltung (Vorlesung, Seminar, Praktikum, ...) Unterlagen zu den Lehrveranstaltungen (eigene Notizen, Folien, Skript, Zusatzmaterial, Übungsaufgaben) durcharbeiten Übungsaufgaben regelmäßig und rechtzeitig lösen, (Aufgaben vom Typ der) Übungsaufgaben gehören zum Stoff der LV und werden geprüft Bücher benutzen (Bibliothek), enthalten oft zusätzliche Übungsaufgaben, Informationen aus dem Internet sind oft unzuverlässig Lerngruppen bilden und gemeinsam lernen Nachfragen bei Dozenten (E-Mail, Sprechzeit, nach der Lehrveranstaltung,. . . ), Mitstudenten, älteren Studenten, Fachschaft, . . . 16 Schriftliche Hausaufgaben – Seminar schriftliche Übungsserien zu jeder Vorlesung unter www.imn.htwk-leipzig.de/~schwarz/lehre/ws14/modellierung Lernziele bei der Bearbeitung der Übungsaufgaben: I Nachbereitung der letzten Vorlesung anhand der Vorlesungsfolien und (der angegebenen) Literatur I Vorbereitung der nächsten Vorlesung I Vorbereitung der Seminarvorträge zu jeder Aufgabe Seminar (Übungen): I Besprechung der Lösungen der schriftlichen Hausaufgaben (Vorrechnen durch Studenten, Prüfungszulassung) I Fragen zum aktuellen Vorlesungsstoff und zu den neuen schriftlichen und praktischen Hausaufgaben I immer mitbringen: (alles auf Papier) alle bisherigen Folien und Übungsblätter Ihre Lösungen und Notizen aus der Vorlesung 17 Praktische Hausaufgaben – Autotool https://autotool.imn.htwk-leipzig.de/shib/cgi-bin/Super.cgi einmal zu Beginn: I Anmeldung über Shibboleth (HRZ-Login) I Click Einschreibung“, ” eigene Übungsgruppe auswählen jedes Mal: I Anmeldung über Shibboleth (HRZ-Login) I Aufgabe ansehen (Click Solve“) ” Aufgabe lösen (meist mit Stift, Papier, Folien, Literatur), Lösung in Textfeld eintragen, Click Textfeld absenden“! ” Autotool-Antwort lesen ! I I Beispiel Faktor-Demo 18 Prüfung Klausur 120 min Aufgabentypen aus den Übungsserien Zulassungsvoraussetzungen: I regelmäßige erfolgreiche Lösung der Hausaufgaben, d.h.: I I I mindestens dreimal richtiges Vorrechnen“ von ” Übungsaufgaben in den Übungen 50 % aller Punkte für praktische Pflichtaufgaben (Autotool) Modellierungs-Projekt (Januar 2015) 19 Aussagenlogik 20 Aussagen Aussage = Behauptung Beispiele: I Es regnet. I Die Straße ist naß. I I 9 ist eine Primzahl. √ 2∈ I 3<5 I x < 5 (hängt von x ab, keine Aussage) I Ist x < 5? (keine Aussage) I Sei x < 5. (keine Aussage) I Morgen regnet es. I Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Q 21 Wahrheitswerte Prinzipien der klassischen Logik: Zweiwertigkeit Jede Aussage ist wahr oder falsch. ausgeschlossener Widerspruch Keine Aussage ist sowohl wahr als auch falsch. Wahrheitswerte 1 (wahr) oder 0 (falsch) Jede Aussage p hat genau einen Wahrheitswert W(p) ∈ {0, 1}. Beispiele: I W(Es regnet.) = ? I W(Die Straße ist naß.) = ? I I W(9 ist eine Primzahl.) = 0 √ W( 2 ∈ ) = 0 I W(3 < 5) = 1 I W(Morgen regnet es.) = ? I W(Es ist nicht alles Gold, was glänzt.)=1 Q 22 Zusammengesetzte Ausdrücke – Junktoren Junktor (mit zugeordneter Stelligkeit): Symbol (Syntax) für Verknüpfung von Aussagen z.B. und“ (zweistellig), nicht“ (einstellig) ” ” Gottlob Frege: Die Bedeutung des Ganzen ist eine Funktion der Bedeutung seiner Teile. Wahrheitswert eines zusammengesetzten Ausdruckes lässt sich aus dem Wahrheitswert seiner Teilausdrücke berechnen. Semantik (Bedeutung) eines n-stelligen Junktors ∗: [∗] : {0, 1}n −→ {0, 1} (n-stellige Funktion auf der Menge {0, 1}) Wahrheitswertkonstanten (nullstellige Junktoren): t mit [t] = 1 f mit [f] = 0 23 Konjunktion ∧ Es regnet und 9 ist eine Primzahl. I W(9 ist eine Primzahl.)= 0 I W(Es regnet.)=? I W(Es regnet und 9 ist eine Primzahl.)=0 p ∧ q ist genau dann wahr, wenn beide Aussagen p und q wahr sind. W(p) W(q) W(p ∧ q) 0 0 0 0 1 0 1 0 0 1 1 1 W(p ∧ q) = min(W(p), W(q)) [∧] = min ist kommutativ, assoziativ n ^ pi = p1 ∧ p2 ∧ · · · ∧ pn i=1 24 Disjunktion ∨ (inklusiv) Es regnet oder 3 < 5. I W(3 < 5) = 1 I W(Es regnet)=? I W(Es regnet oder 3 < 5.)=1 p ∨ q ist genau dann wahr, wenn wenigstens eine der Aussagen p und q wahr ist. W(p) W(q) W(p ∨ q) 0 0 0 0 1 1 1 0 1 1 1 1 W(p ∨ q) = max(W(p), W(q)) [∨] = max ist kommutativ, assoziativ n _ pi = p1 ∨ p2 ∨ · · · ∨ pn i=1 25 Negation ¬ √ ¬( 2 ∈ I I Q) √ Q (meist √ 2 6∈ Q) W( 2 ∈ ) = 0 √ W(¬( 2 ∈ )) = 1 Q ¬p ist genau dann wahr, wenn p falsch ist. W(p) W(¬p) 0 1 1 0 W(¬p) = 1 − W(p) 26 Implikation → Wenn es regnet, dann ist die Straße naß. I W(Es regnet.)=? I W(Die Straße ist naß.)=? I W(Wenn es regnet, dann ist die Straße naß.)=1 p → q ist genau dann wahr, wenn die Aussage p falsch oder die Aussage q wahr ist. W(p) W(q) W(p → q) 0 0 1 0 1 1 1 0 0 1 1 1 W(p → q) = 1 falls W(p) ≤ W(q) 0 sonst 27 Äquivalenz ↔ 3 < 5 gilt genau dann, wenn 0 < 5 − 3 gilt. I W(3 < 5) = 1 I W(0 < 5 − 3) = 1 I W(3 < 5 gilt genau dann, wenn 0 < 5 − 3 gilt.)=1 p ↔ q ist genau dann wahr, wenn entweder beide Aussagen p und q gelten oder beide nicht gelten. W(p) W(q) W(p ↔ q) 0 0 1 0 1 0 1 0 0 1 1 1 W(p ↔ q) = 1 falls W(p) = W(q) 0 sonst 28 Was bisher geschah (Klassische) Aussagenlogik: I Aussage I Wahrheitswerte 0 (falsch) und 1 (wahr) I Junktoren wahr falsch Konjunktion Disjunktion Negation Implikation Äquivalenz Stelligkeit Syntax Symbol Semantik Wahrheitswertfunktion 0 0 2 2 1 2 2 t f ∧ ∨ ¬ → ↔ 1 0 min max x 7→ 1 − x ≤ = 29 Modellierungsbeispiel Party umgangssprachliche Beschreibung der Situation: Anna geht zur Party, wenn Max oder Paul hingehen und Max geht zur Party, wenn Paul nicht hingeht. Anna geht nirgends ohne ihren Hund hin. formale Beschreibung der Situation: I elementare Aussagen (Atom): a Anna geht zur Party. m Max geht zur Party. p Paul geht zur Party. h Der Hund geht zur Party. P = {a, h, m, p} I zusammengesetzte Aussage (aussagenlogische Formel): (((m ∨ p) → a) ∧ (¬p → m)) ∧ ¬(a ∧ ¬h) 30 Aussagenlogische Formeln (Syntax) Junktoren z.B. t, f (nullstellig), ¬ (einstellig), ∧, ∨, →, ↔ (zweistellig) Aussagenvariablen (Atome), z.B. p, q, r , s, . . . oder p1 , p2 , . . . Definition (induktiv) Die Menge AL(P) aller (aussagenlogischen) Formeln mit Aussagenvariablen aus der Menge P ist definiert durch: IA: Alle Aussagenvariablen p ∈ P sind Formeln. (P ⊆ AL(P)). I t und f sind Formeln. IS: I I Ist ϕ eine Formel, dann ist auch ¬ϕ eine Formel. Sind ϕ und ψ Formeln, dann sind auch ϕ ∨ ψ, ϕ ∧ ψ, ϕ → ψ und ϕ ↔ ψ Formeln. IS’: (Zusammenfassung aller Unterpunkte zu IS) Sind j ein n-stelliger Junktor und ϕ1 , . . . , ϕn Formeln, dann ist auch j(ϕ1 , . . . , ϕn ) eine Formel. (Aus {ϕ1 , . . . , ϕn } ⊆ AL(P) folgt j(ϕ1 , . . . , ϕn ) ∈ AL(P).) 31 Aussagenlogische Formeln (Beispiele) Junktoren der klassischen Aussagenlogik: {t, f, ¬, ∨, ∧, →, ↔} kürzere Notation: ohne äußere Klammern und Klammern um ¬ϕ Beispiele: t ∧ (¬t) Formel ohne Aussagenvariablen ¬¬¬p Formel mit Aussagenvariable p ∧(p ∨ q) ¬(p → q) →q keine Formel (syntaktisch unkorrekt) Formel mit Aussagenvariablen p, q keine Formel (syntaktisch unkorrekt) Baumstruktur (analog arithmetischen Termen) Beispiel (Tafel): ϕ = ((p ∧ ¬q) → (¬r ∨ (p ↔ q))) 32 Menge aller Aussagenvariablen einer Formel Definition (induktiv): Für jede aussagenlogische Formel ϕ ∈ AL(P) ist die Menge var(ϕ) aller in ϕ vorkommenden Aussagenvariablen definiert durch: IA: falls ϕ = p (Atom), dann var(ϕ) = {p} I nullstellige Junktoren (t, f): IS: I I für ϕ = t oder ϕ = f gilt var(ϕ) = ∅ einstellige Junktoren (¬): für ϕ = ¬ϕ1 gilt var(ϕ) = var(ϕ1 ) zweistellige Junktoren (∗ ∈ {∨, ∧, →, ↔}): für ϕ = ϕ1 ∗ ϕ2 gilt var(ϕ) = var(ϕ1 ) ∪ var(ϕ2 ) Beispiel: Für ϕ = p → ((q ↔ t) ∨ (r → q)) gilt var(ϕ) = {p, q, r } 33 Anzahl der Variablenvorkommen in einer Formel Definition (induktiv): Für jede aussagenlogische Formel ϕ ∈ AL(P) ist die ANzahl von Varablenvorkommen varcount(ϕ) definiert durch: IA: falls ϕ = p (Atom), dann varcount(ϕ) = 1 I nullstellige Junktoren (t, f): IS: I I varcount(t) = varcount(f) = 0 einstellige Junktoren (¬): varcount(¬ϕ) = varcount(ϕ) zweistellige Junktoren (∗ ∈ {∨, ∧, →, ↔}): varcount(ϕ ∗ ψ) = varcount(ϕ) + varcount(ψ) Beispiel: ϕ = p → ((q ↔ t) ∨ (r → q)) gilt varcount(ϕ) = 4 varcount(ϕ) ist die Anzahl aller mit Variablen markierten Blätter im Formelbaum von ϕ Allgemein gilt varcount(ϕ) ≥ |var(ϕ)| 34 Menge aller Teilformeln einer Formel Definition (induktiv): Für jede aussagenlogische Formel ϕ ∈ AL(P) ist die Menge TF(ϕ) aller in ϕ vorkommenden Teilformeln definiert durch: IA: falls ϕ = p (Atom), dann TF(ϕ) = {p} I nullstellige Junktoren (t, f): IS: I I für ϕ = t oder ϕ = f gilt TF(ϕ) = {ϕ} einstellige Junktoren (¬): für ϕ = ¬ϕ1 gilt TF(ϕ) = {ϕ} ∪ TF(ϕ1 ) zweistellige Junktoren (∗ ∈ {∨, ∧, →, ↔}): für ϕ = ϕ1 ∗ ϕ2 gilt ∗ ∈ {∨, ∧, →, ↔} TF(ϕ) = {ϕ} ∪ TF(ϕ1 ) ∪ TF(ϕ2 ) 35 Prinzip der strukturellen Induktion Beobachtung: Bestimmung von Variablenmenge, Größe, Menge der Teilformeln einer aussagenlogischen Formel geschah nach demselben Schema: Definition einer Funktion f : AL(P) → X durch Induktion über die Struktur der Formel Für jede aussagenlogische Formel ϕ ∈ AL(P) ist der Funktionswert f (ϕ) definiert durch: IA: Definition des Funktionswertes f (ϕ) für Atome ϕ = p (Blätter im Formelbaum) IS: Definition des Funktionswertes f (ϕ) für zusammengesetzte Formeln ϕ durch die Funktionswerte der Teilformeln von ϕ 36 Aussagenlogische Interpretationen (Semantik) (Belegungen der Aussagenvariablen mit Wahrheitswerten) Interpretation (Belegung) für Formeln ϕ ∈ AL(P) ordnet jeder Aussagenvariable einen Wahrheitswert zu Funktion W : P −→ {0, 1} (eine Zeile in der WW-Tabelle für ϕ) Beispiel: P = {p, q} und W mit W (p) = 1 und W (q) = 0 37 Wahrheitswerte für Formeln Erweiterung der Belegung W : P −→ {0, 1} zu einer Funktion W : AL(P) −→ {0, 1} Der Wert W (ϕ) der Formel ϕ in der Interpretation W wird induktiv mit den Wahrheitswertfunktionen der Junktoren aus den Werten der Teilformeln von ϕ bestimmt: IA: falls ϕ = p (Atom), dann W (ϕ) = W (p) IS: I I I nullstellige Junktoren t, f: W (t) = 1 , W (f) = 0 einstelliger Junktor ¬: für ϕ = ¬ψ gilt W (¬ψ) = [¬]W (ψ) = 1 − W (ψ) zweistellige Junktoren ∗ ∈ {∨, ∧: W (ψ1 ∧ ψ2 ) = W (ψ1 ∨ ψ2 ) = W (ψ1 → ψ2 ) = W (ψ1 ↔ ψ2 ) = W (ψ1 )[∧]W (ψ2 ) = min (W (ψ1 ), W (ψ2 )) W (ψ1 )[∨]W (ψ2 ) = max (W (ψ1 ), W (ψ2 )) W (ψ1 )[→]W (ψ2 ) = 1 gdw. W (ψ1 ) ≤ W (ψ2 ) W (ψ1 )[↔]W (ψ2 ) = 1 gdw. W (ψ1 ) = W (ψ2 ) Beispiel: ϕ = ((p ∧ ¬q) → (¬r ∨ (p ↔ q))) W (p) = 0, W (q) = 1, W (r ) = 0, W (ϕ) = . . . 38 Wahrheitswerttabellen Untersuchung der Werte einer Formel ϕ ∈ AL(P) in allen möglichen Interpretationen W ∈ (P) Darstellung in einer Tabelle mit Zeilen – Interpretationen W : var(ϕ) :→ {0, 1} Spalten – Teilformeln von ϕ W W (p1 ) · · · 0 ··· .. . 1 ··· W (pn ) W (ψ) für Teilformeln ψ von ϕ W (ϕ) 0 ··· .. . 1 ··· Beispiel (Tafel): ϕ = p → ((q ↔ t) ∨ (r → q)) Wertetabelle einer n-stelligen Booleschen Funktion fϕ : {0, 1}n −→ {0, 1}. Die Semantik jeder aussagenlogischen Formel mit n Aussagenvariablen ist eine n-stellige Boolesche Funktion. 39 Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit Eine Formel ϕ ∈ AL(P) heißt erfüllbar , wenn eine Belegung W : P → {0, 1} mit W (ϕ) = 1 existiert. Beispiel: ¬p → p unerfüllbar (Widerspruch), wenn keine Belegung W : P → {0, 1} mit W (ϕ) = 1 existiert. (wenn also für jede Belegung W gilt W (ϕ) = 0), Beispiel: p ∧ ¬p allgemeingültig (Tautologie), wenn für jede Belegung W : P → {0, 1} gilt W (ϕ) = 1 (wenn also keine Belegung W mit W (ϕ) = 0 existiert). Beispiel: p ∨ ¬p Fakt Eine Formel ϕ ∈ AL(P) ist genau dann allgemeingültig, wenn die Formel ¬ϕ unerfüllbar ist. 40 Semantische Äquivalenz aussagenlogischer Formeln Definition Zwei Formeln ϕ, ψ ∈ AL(P) heißen genau dann (semantisch) äquivalent (ϕ ≡ ψ), wenn für jede Belegung W : P → {0, 1} gilt W (ϕ) = W (ψ). Äquivalente Formeln haben dieselbe Semantik (Wahrheitswertfunktion). Nachweis der Äquivalenz von Formeln z.B. durch Wahrheitswerttabellen Beispiele: p→q ≡ ¬p ∨ q p∨q ≡ ¬p → q p∧q ≡ ¬(p → ¬q) p↔q ≡ (p → q) ∧ (q → p) Achtung: Das Symbol ≡ ist kein Junktor (Syntax), sondern ein Symbol für eine Beziehung zwischen Formeln (Semantik). 41 Wichtige Äquivalenzen Für alle aussagenlogischen Formeln ϕ, ψ, η gilt: I ϕ ∨ ϕ ≡ ϕ, ϕ ∧ ϕ ≡ ϕ, ϕ ∨ f ≡ ϕ, ϕ∧t≡ϕ I ϕ ∨ ψ ≡ ψ ∨ ϕ, ϕ ∧ ψ ≡ ψ ∧ ϕ (Kommutativität von ∧ und ∨) I ϕ ∨ (ψ ∨ η) ≡ (ϕ ∨ ψ) ∨ η ϕ ∧ (ψ ∧ η) ≡ (ϕ ∧ ψ) ∧ η (Assoziativität von ∧ und ∨) I ϕ ∧ (ψ ∨ η) ≡ (ϕ ∧ ψ) ∨ (ϕ ∧ η) ϕ ∨ (ψ ∧ η) ≡ (ϕ ∨ ψ) ∧ (ϕ ∨ η) (Distributivgesetze) I ¬¬ϕ ≡ ϕ (Doppelnegation) I ¬(ϕ ∨ ψ) ≡ ¬ϕ ∧ ¬ψ, ¬(ϕ ∧ ψ) ≡ ¬ϕ ∨ ¬ψ (DeMorgansche Regeln) I ϕ ∨ ψ ≡ ¬(¬ϕ ∧ ¬ψ), ϕ ∧ ψ ≡ ¬(¬ϕ ∨ ¬ψ) (Dualität von ∧ und ∨) I ϕ → ψ ≡ ¬ψ → ¬ϕ (Kontraposition) I (ϕ ∧ ψ) ∨ (¬ϕ ∧ ψ) ≡ ψ (Fallunterscheidung) 42 Was bisher geschah: klassische Aussagenlogik Syntax Symbole und Struktur I Junktoren: t, f (nullstellig), ¬ (einstellig), ∨, ∧, →, ↔ (zweistellig) I aussagenlogische Formeln AL(P) induktive Definition: IA Atome : Aussagenvariablen (p, q, r , . . .) IS zusammengesetzte Formeln (ϕ, ψ, η, . . .): Verknüpfung von Formeln durch Junktoren Prinzip der strukturellen Induktion über Baumstruktur von Formeln Semantik (Bedeutung der Syntaxelemente) I eines Junktors: Wahrheitswertfunktion I einer Aussagenvariablen: Wahrheitswert I aller Aussagenvariablen einer Menge P: Belegung (Interpretation) W : P → {0, 1} I einer Formel aus AL(P): Funktion W : AL(P) → {0, 1} Boolesche Funktion I Erfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit von Formeln I Äquivalenz von Formeln, z.B. p → q ≡ ¬p ∨ q 43 Formelmengen Formelmenge Φ ⊆ AL(P) (Menge von Bedingungen) Beispiele: I {p, p → q} ⊆ AL(P) I {p, p → q, ¬q} ⊆ AL(P) I {p → q} ⊆ AL(P) I ∅ ⊆ AL(P) 44 Semantik von Formelmengen Eine Belegung W : P −→ {0, 1} erfüllt eine Menge Φ ⊆ AL(P) von Formeln genau dann, wenn W jede Formel ϕ ∈ Φ erfüllt. Bestimmung der erfüllenden Belegungen z.B. durch Wahrheitswerttabellen Beispiele: I einzige erfüllende Belegung für {p, p → q}: [p 7→ 1, q 7→ 1], I {p, p → q, ¬q} hat keine erfüllende Belegung. I erfüllende Belegungen für {p → q}: [p 7→ 0, q 7→ 0], [p 7→ 0, q 7→ 1], [p 7→ 1, q 7→ 1] I Jede Belegung ist ein Modell für die Formelmenge ∅. Fakt Eine Belegung W : P → {0, 1} erfüllt eine endliche Formelmenge Φ = {ϕ1 , . . . , ϕn } genau dann, wenn sie die Formel ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn erfüllt. 45 Modellierung durch aussagenlogische Formelmengen Aussagen: 1. Es wird nicht mehr viel Eis gekauft, wenn es kalt ist. 2. Der Eisverkäufer ist traurig, wenn nicht viel Eis gekauft wird. 3. Es ist kalt. Darstellung als Formelmenge Φ ⊆ AL({k, t, v }): Φ = {k → ¬v , ¬v → t, k} erfüllende Belegungen für Φ: [k 7→ 1, t 7→ 1, v 7→ 0] neue zusätzliche Aussage: 4. Der Eisverkäufer ist nicht traurig. Erweiterung der Formelmenge Φ zu Φ0 = Φ ∩ {¬t} = {k → ¬v , ¬v → t, k, ¬t} erfüllende Belegungen für Φ0 : keine 46 Modellierungsbeispiel Zuordnungen In einem Eisenbahnabteil sitzen die Herren Lehmann und Müller. Einer ist Sachse und einer Thüringer. Jeder der beiden kommt aus genau 1. Jede Person Personen kommt aus wenigstens einemeinem Land.Land, also LS ∨ LT , MS ∨ MT 2. Aus jedem Land kommt wenigstens eine Person. LS ∨ MS, LT ∨ MT 3. Jede Person kommt aus höchstens einem Land. LS → ¬LT , LT → ¬LS, MS → ¬MT , MT → ¬MS oder (äquivalent) ¬LS ∨ ¬LT , ¬MS ∨ ¬MT 4. Aus jedem Land kommt höchstens eine Person. (ÜA) Zuordnungen kommen (mit viel mehr beteiligten Individuen) in vielen praktischen Anwendungen vor, z.B. Ressourcen-Planung I Stundenplan I Aufgabenverteilung I Job-Scheduling (Betriebssystem) 47 Beschränkte Ausdrucksstärke der Aussagenlogik I Aussagen immer zweiwertig (nur wahr oder falsch, keine Zwischenwerte), z.B.: Die Rose ist rot. Das Bier ist kalt. Der Student ist fleißig. (Erweiterung zu mehrwertigen Logiken, fuzzy logic) I Aussagen immer absolut (keine Abhängigkeit vom Kontext, z.B. Ort, Zeitpunkt), z.B.: Es regnet. x > 3 (Erweiterung zur Modal- und Temporallogiken) I Aussagen über alle Elemente großer“ Mengen aufwendig ” (Erstellung, Platzbedarf), z.B. Zuordnungen I keine Aussagen über Elemente einer unendlichen Mengen oder Mengen unbestimmter Mächtigkeit möglich, z.B. I Jede durch 4 teilbare Zahl ist gerade. I In jedem zusammenhängenden Graphen mit ≥ 2 Knoten hat jeder Knoten einen Nachbarn. I Es ist nicht alles Gold was glänzt. (Erweiterung zur Prädikatenlogik) 48 Modellierungsbeispiel 1. Max ist ein Fisch. 2. Alle Fische schwimmen. 3. Also schwimmt Max. Individuenbereich (Objekte): Lebewesen Individuen (Konstanten) Max Eigenschaften: istFisch, schwimmt prädikatenlogische Formeln: 1. istFisch(Max) 2. ∀x(istFisch(x) → schwimmt(x)) 3. schwimmt(Max) 49 Modellierung in Prädikatenlogik Grundannahme: Die zu modellierende Welt besteht aus Individuen, die Eigenschaften haben und zueinander in Beziehungen (Relationen, Funktionen) stehen. Aussagen beschreiben Eigenschaften von und und Beziehungen zwischen Individuen. Formalisierung solcher Aussagen durch prädikatenlogische Formeln. 50 Prädikatenlogische Aussagen – Beispiele Personen sind genau dann Geschwister, wenn sie dieselbe Mutter oder denselben Vater haben. I A ist genau dann Nachfahre von B, wenn B A’s Vater oder A’s Mutter ist oder ein Elternteil von A Nachfahre von B ist. I Nachfahren derselben Person sind verwandt. Individuenbereich: Menge von Personen Beziehungen: Nachfahre, verwandt, Geschwister Funktionen: Mutter, Vater I Primzahlen sind genau diejenigen natürlichen Zahlen, die genau zwei verschiedene Teiler haben. I Gerade Zahlen sind genau diejenigen natürlichen Zahlen, die durch 2 teilbar sind. I Es existieren gerade Primzahlen. I Nachfolger ungerader Primzahlen sind nicht prim. I Das Quadrat jeder geraden Zahl ist gerade. Individuenbereich: Menge aller natürlichen Zahlen Eigenschaft: prim, gerade Beziehung: teilt Funktion: Nachfolger, Quadrat I N 51 Atome (elementare Aussagen) Aussagenlogik : Aussagenvariable, bekommt festen Wahrheitswert durch Belegung Prädikatenlogik : (parametrisierte) Aussage über Eigenschaften von oder Beziehungen zwischen Individuen Wahrheitswert abhängig von beteiligten Individuen z.B. nebeneinander(x, y ),gerade(n) , x < 3, x < y , geschwister(x, mutter(y )) 52 Prädikatenlogik (der ersten Stufe) – Syntax bekannt: aussagenlogische Junktoren t, f, ¬, ∨, ∧, →, ↔ neu: prädikatenlogische Atome, Quantoren ∀, ∃ Definition (induktiv) Die Menge aller Formeln der Prädikatenlogik ist definiert durch: IA: Alle Atome sind Formeln. IS: I I I t und f sind Formeln. Ist ϕ eine Formel und x eine Individuenvariable, dann sind auch ¬ϕ, ∀xϕ, ∃xϕ Formeln. Sind ϕ und ψ Formeln, dann sind auch ϕ ∨ ψ, ϕ ∧ ψ, ϕ → ψ und ϕ ↔ ψ Formeln. Baumstruktur der Formeln 53 Modellierung in Prädikatenlogik – Beispiel Auf jeden Topf passt ein Deckel. I Individuenbereich: Kochgeschirr I Eigenschaften: ist-Topf T ( ), ist-Deckel D( ) I Beziehung: passt-auf P( ) Schrittweise Entwicklung einer Formel: 1. Atome: P(x, y ) (x passt auf y ), D(x) (x ist ein Deckel), T (y ) (y ist ein Topf) 2. Formel D(x) ∧ T (y ) ∧ P(x, y ) Der Deckel x passt auf den Topf y . 3. Formel ∃x (D(x) ∧ T (y ) ∧ P(x, y )) Es gibt einen Deckel, welcher auf den Topf y passt. 4. Formel ∀y ∃x (D(x) ∧ T (y ) ∧ P(x, y )) Zu jedem Topf gibt es einen Deckel, der auf diesen Topf passt. bedeutet dasselbe wie: Auf jeden Topf passt ein Deckel. 54 Modellierung in Prädikatenlogik – Beispiele Personen sind genau dann Geschwister, wenn sie dieselbe Mutter oder denselben Vater haben. I I Individuenbereich: Personen Beziehungen: sind-Geschwister G ( , ), ist-Mutter-von M( , ) , ist-Vater-von V ( , ) Zwischenschritte: Atome: G (x, y ), M(z, x), M(z, y ), V (u, x), V (u, y ) M(z, x) ∧ M(z, y ) z ist Mutter von x und y . I ∃z (M(z, x) ∧ M(z, y )) x und y haben dieselbe Mutter (z). I ∃z (M(z, x) ∧ M(z, y )) ∨ ∃u (V (u, x) ∧ V (u, y )) x und y haben dieselbe Mutter (z) oder denselben Vater (u). I G (x, y ) ↔ (∃z (M(z, x) ∧ M(z, y )) ∨ ∃u (V (u, x) ∧ V (u, y ))) x und y sind genau dann Geschwister, wenn Sie dieselbe Mutter oder denselben Vater haben. I I (Zwei beliebige) Personen sind genau dann Geschwister, wenn Sie dieselbe Mutter oder denselben Vater haben. ∀x∀y (G (x, y ) ↔ (∃z (M(z, x) ∧ M(z, y )) ∨ ∃u (V (u, x) ∧ V (u, y )))) 55 Was bisher geschah Modellierung von Aussagen I (klassische) Aussagenlogik I I Syntax: Atome sind Aussagenvariablen Junktoren ¬, ∨, ∧, →, ↔ induktive Definition: Baumstruktur der Formeln Semantik: Belegungen, WW-Tabellen I strukturelle Induktion I erfüllbare, allgemeingültige Formeln I Äquivalenz von Formeln (klassische) Prädikatenlogik I I I Syntax: zusammengesetzte Atome (Eigenschaften und Beziehungen zwischen Individuen) Quantoren ∀, ∃ Modellierungsbeispiele 56 Modellierungsbeispiel Skat Modellierung: (wichtig) I Jede Karte hat Farbe und Wert I deutsches oder französisches Blatt? I Ordnung zwischen Karten derselben Farbe (wichtig) z.B. 7 < 8 < 9 < 10 < B < D < K < A bei Null-Spiel I Bedienregeln I Trumpfregeln (egal) Formale Darstellung der Karten: Jede Karte ist eindeutig repräsentiert durch Paar von Farbe aus der Menge {♦, ♥, ♠, ♣} und Wert I I Zahl aus der Menge {7, 8, 9, 10} oder Bild aus der Menge {B, D, K , A} 57 Modellierungsbeispiel Primzahlen Primzahlen sind genau die natürlichen Zahlen, die genau zwei verschiedene Teiler haben. Zahl a ∈ ist genau dann Teiler von b ∈ (a|b), wenn eine Zahl c ∈ mit a · c = b existiert. N N N ∀a∀b ((a|b) ↔ ∃c (a · c = b)) Zahl n ∈ N hat genau zwei Teiler: 1. n hat (wenigstens) zwei Teiler: ∃x∃y ((x|n) ∧ (y |n) ∧ (x 6= y )) 2. x und y sind die einzigen Teiler von n: ∀z ((z|n) → ((z = x) ∨ (z = y ))) Zahl n ∈ N hat genau zwei Teiler: ∃x∃y ((x|n) ∧ (y |n) ∧ (x 6= y ) ∧ ∀z ((z|n) → ((z = x) ∨ (z = y )))) Menge aller Primzahlen: {n ∈ N | ∃x∃y ((x|n) ∧ (y |n) ∧ (x 6= y ) ∧ ∀z ((z|n) → ((z = x) ∨ (z = y ))))} 58 Naiver Mengenbegriff Georg Cantor (1845-1918): Eine Menge ist eine Zusammenfassung bestimmter, wohlunterschiedener Dinge unserer Anschauung oder unseres Denkens, welche Elemente der Menge genannt werden, zu einem Ganzen. Mengen werden dargestellt: extensional durch Angabe aller Elemente (nur für endliche Mengen) Beispiel: {0, 1, 2, 3}, {{a}, {a, b}} intensional durch Angabe der charakterisierenden Eigenschaft aller Elemente (oft als prädikatenlogische Formeln) Beispiele: {x | ∃y ∈ (x = 2y )} = {2n | n ∈ } = 2 {x | x ∈ ∧ x < 4} = {x ∈ | x < 4} N N N N N 59 Endliche Mengen Menge A heißt endlich gdw. eine Zahl n ∈ genau n Elemente enthält. N existiert, so daß A Die leere Menge ∅ ist die (eindeutig bestimmte) Menge, die kein Element enthält. Beispiele: I {x | x ∈ N ∧ x ≤ 10} endlich I {x | x ist Primzahl ∧x < 1000} endlich I {x | x ist Primzahl } nicht endlich (Widerspruchsbeweis) |A| = n heißt Mächtigkeit (Kardinalität) von A. Beispiele: I |{rot, grün, blau, gelb}| = 4 I |{x | x ∈ I |{a, b, {a, b}, {a, a, b}, b}| = 3 I |∅| = 0 N ∧ x ≤ 10}| = 11 60 Beziehungen zwischen Mengen ∈ Element-Relation Notation x ∈ M für: x ist Element der Menge M Negation kurz 6∈: a 6∈ M gdw. ¬(a ∈ M) Beispiele: a ∈ {a, b, 2}, {a} 6∈ {a, b, 2} ⊆ Teilmengen-Relation A ⊆ B gdw. ∀x (x ∈ A → x ∈ B) Beispiele: {a, b} ⊆ {2, a, b, {2}}, {a} ⊆ {a}, {a} 6⊆ {{a}}, aber {a} ∈ {{a}} = Mengengleichheit A = B gdw. ∀x (x ∈ A ↔ x ∈ B) 6 {a, b, {2}} Beispiele: {a, b, 2} = {2, a, b, 2}, {a, b, 2} = ⊂ echte Teilmenge A ⊂ B gdw. (A ⊆ B) ∧ ¬(A = B) Beispiele: {2, a} ⊂ {a, b, 2}, {2, a} 6⊂ {2, a} , {2, a, b} 6⊂ {2, a} 61 Operationen auf Mengen Vereinigung A ∪ B = {x | (x ∈ A) ∨ (x ∈ B)} (x ∈ (A ∪ B)) ↔ (x ∈ A) ∨ (x ∈ B) Beispiel: {a, c, d} ∪ {b, c} = {a, b, c, d} Schnitt A ∩ B = {x | (x ∈ A) ∧ (x ∈ B)} (x ∈ (A ∩ B)) ↔ (x ∈ A) ∧ (x ∈ B) Beispiel: {a, c, d} ∩ {b, c} = {c} Differenz A \ B = {x | (x ∈ A) ∧ ¬(x ∈ B)} (x ∈ (A \ B)) ↔ (x ∈ A) ∧ ¬(x ∈ B) Beispiel: {a, c, d} \ {b, c} = {a, d} symmetrische Differenz A∆B = (A \ B) ∪ (B \ A)= (A ∪ B) \ (A ∩ B) Beispiel: {a, c, d}∆{b, c} = {a, b, d} bei gegebenem Universum U mit A ⊆ U: Komplement A = U \ A = {x ∈ U | ¬(x ∈ A)} (x ∈ A) ↔ ¬(x ∈ A) Beispiel: Für U = {a, b, c, d} gilt {a, c} = {b, d} 62 Wichtige Mengenbeziehungen (analog Aussagenlogik) Für alle Mengen A, B, C gilt I A ∪ A = A, A ∩ A = A I A∪B =B ∪A A∩B =B ∩A (Kommutativität von ∩ und ∪) I A ∪ (B ∪ C ) = (A ∪ B) ∪ C A ∩ (B ∩ C ) = (A ∩ B) ∩ C (Assoziativität von ∩ und ∪) I A ∩ (B ∪ C ) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C ) A ∪ (B ∩ C ) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C ) (Distributivgesetze) I I I A=A A ∪ B = A ∩ B, A ∩ B = A ∪ B (DeMorgansche Regeln) A ∩ B = A ∪ B, A ∪ B = A ∩ B (Dualität von ∩ und ∪) 63 Potenzmengen Die Potenzmenge 2A einer Menge A ist die Menge aller Teilmengen von A 2A = {B | B ⊆ A} Beispiele: I Für A = {0} gilt 2A = 2{0} = {∅, {0}}, I 2{a,b,c} = {∅, {a}, {b}, {c}, {a, b}, {b, c}, {a, c}, {a, b, c}}, A {0} Für A = {0} gilt 22 = 22 = {∅, {∅}, {{0}}, {∅, {0}}}, I Amtssprachen in der Schweiz: S = {Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch} mögliche Sprachkenntnisse der Bewohner: 2S Mächtigkeit der Potenzmengen endlicher Mengen: Für jede endliche Menge A gilt A 2 = 2|A| I 64 (Kartesisches) Produkt von Mengen A × B = {(x, y ) | x ∈ A ∧ y ∈ B} Beispiele: I {a, b} × {1, 2, 3} = {(a, 1), (a, 2), (a, 3), (b, 1), (b, 2), (b, 3)} I {1, . . . , m} × {1, . . . , n} = {(i, j) | i ∈ {1, . . . , m} ∧ j ∈ {1, . . . , n}} häufig als Indexmenge in Matrizen, digitalen Bildern,. . . I Namen = Vornamen × Familiennamen I Telefonbuch = Namen × Vornamen × Nummer I Datum = Tag × Monat × Jahr = {1, . . . , 31} × {1, . . . , 12} × Z Für alle endlichen Mengen A und B gilt |A × B| = |A| · |B| 65 Modellierungsbeispiel Skatkarten Formale Darstellung der Karten: Jede Karte ist eindeutig repräsentiert durch Farbe aus der Menge F = {♦, ♥, ♠, ♣} und Wert Zahl aus der Menge Z = {7, 8, 9, 10} oder Bild aus der Menge B = {B, D, K , A} Menge aller Werte W = Z ∪ B I I Menge aller Karten: K = {(x, y ) | x ∈ F ∧ y ∈ W } = F × (Z ∪ B) Skatblatt eines Spielers nach dem Geben: {k1 , . . . , k10 } ⊆ K 66 Was bisher geschah Modellierung von Aussagen in klassischer Aussagen- und Prädikaten-Logik Modellierung von Daten durch Mengen I Darstellung: extensional, intensional I leere Menge ∅ I Mengenbeziehungen ∈, ⊆, =, ⊂ I Mengenoperationen ∪, ∩, , × I Potenzmenge der Menge M: 2M I Mächtigkeit (Kardinalität) endlicher Mengen 67 Aussonderungsprinzip Zu jeder Menge A und jeder Eigenschaft P existiert eine Menge B = {x | x ∈ A ∧ hat die Eigenschaft x} = {x | x ∈ A ∧ P(x)} Beispiele: I A = Menge aller Studenten und P(x), falls x blond I A = {0, . . . , 100} und P(x), falls x gerade I A = {2n | n ∈ N} und P(x), falls x ≤ 100 68 Russells Paradox (Problem der naiven Mengenlehre) I Menge A, die alle Mengen (als Elemente) enthält I Mengeneigenschaft P: P(x), falls x 6∈ x Wenn die Menge A existiert, dann existiert nach Aussonderungsprinzip auch die Menge B = {x ∈ A | P(x)} = {x ∈ A | x 6∈ x} Gilt B ∈ A ? Nein (Tafel) Also kann keine solche Menge A existieren, die jede Menge (damit insbesondere auch B) als Element enthält. alternative Formulierungen: Barbier, Kreter 69 Zerlegungen Mengen A und B mit A ∩ B = ∅ heißen disjunkt. Beispiele: I I Z und 2Z + 1 sind disjunkt 2Z und 3Z sind nicht disjunkt, denn 2Z ∩ 3Z = 6Z 6= ∅ 2 Eine Familie von Mengen {Ai }i∈I heißt genau dann disjunkte Zerlegung einer Menge B, wenn 1. ∀i∀j ((i = 6 j) → ((Ai ∩ Aj ) = ∅)) (alle Ai paarweise disjunkt) und S 2. i∈I Ai = B (die Mengen Ai überdecken B vollständig) Beispiele: Z Z Z I {2 , 2 + 1} ist eine (endliche) disjunkte Zerlegung von I für Ai = Menge aller Personen, die höchstens i cm groß sind, ist {Ai | i ∈ } keine disjunkte Zerlegung der Menge aller Personen (P) I für Bi = Menge aller Personen, die zwischen i und i + 1 cm groß sind, ist {Bi | i ∈ } eine disjunkte Zerlegung von P I {[n, n + 1) ⊆ N N R|n ∈ Z} ist eine (unendliche) Zerlegung von R 70 Vereinigung disjunkter Mengen Vereinigung A ∪ B = {x | (x ∈ A) ∨ (x ∈ B)} Beispiel: Kunden K = {a, b, d}, Lieferanten L = {b, c, d}, Geschäftspartner G = K ∪ L = {a, b, c, d} in G keine Information darüber, ob b Kunde oder Lieferant ist Idee: Mengen vor Vereinigung durch Hinzufügen einer Kennzeichen-Komponente disjunkt machen“ ” (Verwaltung von Paaren aus Kennzeichen und Element) y (Disjunkte) Vereinigung der Mengen {Ai }i∈I : [ A0i mit A0i = {(i, x) | x ∈ Ai } i∈I Beispiel: I = {K , L}, AK = {a, b, d}, AL = {b, c, d}, A0K = {(K , a), (K , b), (K , d)}, A0L = {(L, b), (L, c), (L, d)} Geschäftspartner {(K , a), (K , b), (L, b), (L, c), (K , d), (L, d)} Mächtigkeit der disjunkten Vereinigung der Mengen {Ai }i∈I : P i∈I |Ai | 71 Wiederholung Kartesisches Produkt von Mengen A × B = {(x, y ) | x ∈ A ∧ y ∈ B} Beispiele: I {Bratwurst,Frikadelle,Knacker}× {Kartoffelsalat, Nudelsalat} I (1, 2) ∈ ({0, 1} × {1, 2}), aber (1, 2) 6∈ ({1, 2} × {0, 1}) ({0, 1} × {1, 2}) ∩ ({1, 2} × {0, 1}) = {(1, 1)} I {a} × N = {(a, 0), (a, 1), (a, 2), . . .} = {a0, a1, a2, . . .} Für alle endlichen Mengen A und B gilt |A × B| = |A| · |B| Beispiele: I 3 · 2 = 6 Möglichkeiten für Cafeteria-Essen aus {Bratwurst,Frikadelle,Knacker}× {Kartoffelsalat, Nudelsalat} I 12 · 15 mögliche Pärchen aus je einem von 12 Männern und je einer von 15 Frauen 72 Eigenschaften des Produktes von Mengen I × ist nicht kommutativ {a, b} × {1, 2} = {(a, 1), (a, 2), (b, 1), (b, 2)} 6= {1, 2} × {a, b} = {(1, a), (2, a), (1, b), (2, b)} I × ist fast“ assoziativ ” (A × B) × C kann mit A × B × C identifiziert werden. z.B. ({a} × {1, 2}) × {α, β} = {(a, 1), (a, 2)} × {α, β} = {((a, 1), α), ((a, 2), α), ((a, 1), β), ((a, 2), β)} lässt sich eineindeutig zuordnen zu {(a, 1, α), (a, 2, α), (a, 1, β), (a, 2, β)} I Distributivgesetze: Für alle Mengen A, B, C gilt (A ∪ B) × C = (A × C ) ∪ (B × C ) und (A ∩ B) × C = (A × C ) ∩ (B × C ) I Für jede Menge A gilt A × ∅ = ∅. I Für alle Mengen A, B gilt: Aus A ⊆ B folgt A × C ⊆ B × C (ÜA) 73 Kartesisches Produkt mehrerer Mengen n ×A = A i 1 × · · · × An = {(x1 , . . . , xn ) | ∀i ∈ {1, . . . , n} : xi ∈ Ai } i=1 Für endlich viele endliche Mengen Ai gilt n n Y Ai = |Ai | i=1 × i=1 Beispiele: I 5-Gänge-Menü: Auswahl aus 3 Vorspeisen, 2 Suppen, 5 Hauptgerichten, 3 Desserts, 2 Käse 3 · 2 · 5 · 3 · 2 = 180 mögliche Kombinationen I |{0, 1}| = 2n Binärwörter mit n Stellen I 103 höchstens dreistellige Dezimalziffern I 65 verschiedene Ergebnisse beim fünfmal aufeinanderfolgenden Würfeln mit einem Würfel I 65 verschiedene Ergebnisse beim Würfeln mit fünf verschiedenfarbigen Würfeln n 74 Iterierte Produkte einer Menge n An = ×A i=1 A0 = {ε} [ A∗ = An n∈ + A = N[ N mit leerem Wort ε An = A∗ \ {ε} n∈ \{0} (Notation: statt ε mitunter auch (), []) Elemente aus An , A+ , A∗ heißen I Folgen (Vektoren) (a1 , a2 , . . . , an ), I Listen [a1 , a2 , . . . , an ], [a1 , a2 , . . .] oder I Wörter (Strings) a1 a2 . . . an (endlich) 75 Beispiele I {0, 1}∗ Menge aller Binärwörter z.B. 10, 10010, 010, ε I Menge aller Binärwörter der Länge 3 {0, 1}3 = {000, 001, 010, 011, 100, 101, 110, 111} I {0, 1, 2}∗ Menge aller Ternärwörter z.B. 20, 1202010, ε I Menge aller Ternärwörter der Länge 2 {0, 1, 2}2 = {00, 01, 02, 10, 11, 12, 20, 21, 22} I {0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9}+ Menge aller natürlichen Zahlen in Dezimaldarstellung I {a, b}∗ alle Wörter, die höchstens die Buchstaben a und b enthalten (z.B. aba, ababa, aaaa, bbbaaa, ε) I {{a, b}∗ }∗ alle Folgen solcher Wörter (z.B. (a, aa, aaa), (ba), ε, (ε, ε, ε)) 76 Folgen Folgen (Listen, Wörter) werden definiert: extensional durch Angabe der Elemente und ihrer Reihenfolge Beispiele: 3210, (1, 4, 9, 16, 25), abababababa intensional durch Angabe einer Eigenschaft, die für jeden Index i das i-te Element eindeutig bestimmt. Beispiele: (4 − i)1≤i≤4 , (i 2 )i∈{1,...,5} , (wi )0≤i≤10 mit wi = (vi )i∈N mit vi = a falls i ∈ 2 b sonst a falls i ∈ 2 b sonst Z Z (i 2 )i∈N = (0, 1, 4, 9, . . .), (3)k∈N = (3, 3, 3, 3, . . .) Länge der Folge (an )n∈I : Anzahl der Elemente (= Mächtigkeit der Indexmenge I ⊆ N) 77 Was bisher geschah Modellierung von Aussagen durch Aussagenlogik I I Syntax: Junktoren, Aussagenvariablen, Formelbaum Semantik: Belegungen, WW-Tabellen Prädikatenlogik Syntax (Quantoren, Individuenvariablen) Modellierung von Daten durch Mengen I I I I I I extensionale und intensionale Darstellung Mächtigkeiten endlicher Mengen Beziehungen zwischen Mengen ⊆, =, ⊂ leere Menge ∅ Potenzmenge Mengen-Operationen ∪, ∩, , \, ∆, ×, n , ∗ Folgen (Wörter, Listen) über einer Menge A I I extensionale und intensionale Darstellung leeres Wort ε (leere Folge) 78 Modellierung durch Folgen Beispiel Würfeln: I Menge der möglichen Werte (Augenzahlen): {1, 2, . . . , 6}, z.B. 3 ∈ {1, 2, . . . , 6} I Menge aller Folgen von Werten bei viermaligem Würfeln (nacheinander): {1, 2, . . . , 6}4 , z.B. [3, 6, 5, 3] ∈ {1, 2, . . . , 6}4 I Menge aller Folgen von Werten beim Würfeln beliebig oft nacheinander: {1, 2, . . . , 6}∗ , z.B. [3, 2, 2, 5, 1] ∈ {1, 2, . . . , 6}∗ , ε ∈ {1, 2, . . . , 6}∗ 79 Modellierung durch Mengen und Folgen Beispiel lineares Solitaire: I I I I I I Wert einer Spielposition ∈ {0, 1} (frei, belegt) Spielzustand: Folge von Werten, z.B. 01110, 010010, Menge aller Spielzustände ⊆ {0, 1}∗ (verschiedene Längen der Folgen während eines Spieles) Menge der Positionen im Spielzustand: pos = {1, . . . , n} Spielregel: (geordnetes) Paar von Tripeln von Werten. z.B. (011, 100) ∈ {0, 1}3 × {0, 1}3 in Notation 011 → 100 Menge aller möglichen Spielregeln(, die Dreiergruppen 2 ersetzen): {0, 1}3 × {0, 1}3 = {0, 1}3 Spiel als Folge von Spielzuständen, z.B. [001110, 010010], Menge aller Spiele ⊆ ({0, 1}∗ )∗ Spiel als geordnetes Paar aus Anfangszustand und Folge von geordneten Paaren aus Regel und Position, z.B. (011110, [(110 → 001, 4), (011 → 100, 1)]), ∗ 2 ∗ Menge aller Spiele ⊆ {0, 1} × {0, 1}3 × pos 80 Wörter – Beispiele banane ist ein Wort (Zeichenkette) mit Symbolen aus der Menge {a, b, e, n}, neben und abbbeeeab auch, ananas und ab + bea nicht 2009 ist ein Wort mit Symbolen aus der Menge {0, 2, 9}, 90 und 09020090 auch, −2090 nicht (x + y ) · (z − x) ist ein Wort mit Symbolen aus der Menge {x, y , z, (, ), +, −, ·}, ()xz(xy + − auch, x + 3 · z nicht (¬p ∧ p) → q ist ein Wort mit Symbolen aus der Menge {p, q, ∧, ¬, →, (, )}, q → (p → q) und ∧)(¬p∧ auch, p ↔ q nicht otto holt obst . ist ein Wort mit Symbolen aus der Menge {otto, obst, holt, .}, . otto . . otto auch, los otto nicht 81 Alphabet, Wort, Sprache Alphabet (endliche) Menge A von Symbolen Wort endliche Folge von Symbolen w = w1 · · · wn mit ∀i ∈ {1, . . . , n} : wi ∈ A Länge eines Wortes |w | = Anzahl der Symbole in w Anzahl der Vorkommen eines Symboles in einem Wort |w |a = Anzahl der a in w (für a ∈ A) Sprache Menge von Wörtern L ⊆ A∗ 82 Beispiele für Sprachen I Menge aller englischen Wörter L1 ⊂ {a, . . . , z}∗ I Menge aller deutschen Wörter L2 ⊂ {a, . . . , z, ß,ä,ö,ü}∗ I Menge aller möglichen DNA L3 ⊆ {A, T , G , C }∗ I Menge aller natürlichen Zahlen in Dezimaldarstellung L4 ⊆ {0, . . . , 9}∗ (evtl. mit führenden Nullen) I Menge aller natürlichen Zahlen in Binärdarstellung (Bitfolgen beliebiger Länge) L5 ⊆ {0, 1}∗ I Menge aller aussagenlogischen Formeln in AL({p, q, r }) L6 ⊂ {p, q, r , t, f, ¬, ∨, ∧, →, ↔, (, )}, I Menge aller arithmetischen Ausdrücke über L7 ⊂ {0, . . . , 9, +, ·, −, /, (, )}, I Menge aller deutschen Sätze L8 ⊂ (L2 ∪ {., , , !, ?, (, ), −}) Z (ohne Variablen) ∗ Wie lassen sich unendliche Sprachen endlich darstellen? (Voraussetzung für maschinelle Verarbeitung) verschiedene Darstellungen in den LV zur theoretischen Informatik z.B. Automaten und formale Sprachen im 3.Sem. 83 Verkettung von Wörtern (Folgen) Verkettung ◦ von Wörtern: Für alle Wörter u = u1 · · · um ∈ A∗ , v = v1 · · · vn ∈ A∗ gilt u ◦ v = u1 · · · um v1 · · · vn Beispiel: anne ◦ marie = annemarie Eigenschaften der Operation ◦: I ◦ ist assoziativ, d.h. ∀u ∈ A∗ ∀v ∈ A∗ ∀w ∈ A∗ ((u ◦ v ) ◦ w = u ◦ (v ◦ w )) I Das leere Wort ε ist neutrales Element für ◦, d.h. ∀w ∈ A∗ (ε ◦ w = w ◦ ε = w ) I ◦ ist nicht kommutativ. Gegenbeispiel: u = marie, v = anne u ◦ v = marieanne 6= annemarie = v ◦ u 84 Beziehungen zwischen Wörtern (Folgen) Präfix (Anfangswort) v ∀u ∈ A∗ ∀v ∈ A∗ ((u v v ) ↔ (∃w ∈ A∗ (u ◦ w = v ))) (Für zwei Wörter u ∈ A∗ , v ∈ A∗ gilt u v v genau dann, wenn ein Wort w ∈ A∗ existiert, so dass u ◦ w = v gilt.) Beispiele: I an v anna (mit w = na) I n 6v anna I tom v tomate (mit w = ate) I oma 6v tomate I für jedes Wort u ∈ A∗ gilt ε v u (mit w = u) I für jedes Wort u ∈ A∗ gilt u v u (mit w = ε) (analog zur Teiler-Beziehung zwischen natürlichen Zahlen) 85 Postfix- und Infix-Beziehung auf Wörtern (Folgen) Postfix-Beziehung: Für zwei Wörter u = u1 · · · um ∈ A∗ , v = v1 · · · vn ∈ A∗ heißt u genau dann Postfix (Suffix) von v , wenn ein Wort w ∈ A∗ existiert, so dass w ◦ u = v gilt. Beispiel: enten ist Postfix von studenten (mit w = stud) Infix-Beziehung (Teilwort, Faktor): Für zwei Wörter u = u1 · · · um ∈ A∗ , v = v1 · · · vn ∈ A∗ heißt u genau dann Infix von v , wenn zwei Wörter w , w 0 ∈ A∗ existieren, so dass w ◦ u ◦ w 0 = v gilt. Beispiel: uwe ist Infix von sauwetter (mit w = sa, w 0 = tter ) satt ist kein Infix von sauwetter 86 Sprachen als Mengen Sprachen L ⊆ A∗ sind Mengen von Wörtern (endlichen Folgen) Mengenbeziehungen auf Sprachen: L ⊆ L0 gdw. ∀w ∈ A∗ ((w ∈ L) → (w ∈ L0 )) L = L0 gdw. ∀w ∈ A∗ ((w ∈ L) ↔ (w ∈ L0 )) Mengenoperationen auf Sprachen: L ∪ L0 = {w | w ∈ L ∨ w ∈ L0 } L ∩ L0 = {w | w ∈ L ∧ w ∈ L0 } L \ L0 = {w | w ∈ L ∧ w 6∈ L0 } Komplement einer Sprache L ⊆ A∗ : L = A∗ \ L Beispiel: [ [ L= An L= An ∪ N n∈3 N n∈(3 +1) [ N An n∈(3 +2) 87 Verkettung von Sprachen Verkettung ◦ von Sprachen: L1 ◦ L2 = {u ◦ v | (u ∈ L1 ) ∧ (v ∈ L2 )} Beispiel: L1 = {111, 1, 10} L2 = {00, 0} L1 ◦ L2 = {111, 1, 10} ◦ {00, 0} = {1110, 11100, 10, 100, 1000} 88 Iterierte Verkettung I für Sprachen L ⊆ A∗ L0 = {ε} ∀n ∈ N: Ln+1 = Ln ◦ L = L · · ◦ L} | ◦ ·{z n+1−mal ∗ L = [ n∈ I N L n + L = [ N n L n∈ \{0} für Wörter (endliche Folgen) u ∈ A∗ : un u + ∈ A∗ , = u · · u} | ·{z u ∗ = {u}∗ = {u n | n ∈ n−mal ∗ = u \ {ε} = {u}+ = {u n | n ∈ N \ {0}} N} ⊆ A∗ ⊆ A∗ Beispiele: (101)3 a∗ ∗ (ab) = 101101101 und 1013 = 10111 N} = {ε, a, aa, aaa, . . .} | i ∈ N} = {ε, ab, abab, ababab, . . .} = {ai | i ∈ i = {(ab) 89 Mehr Beispiele für Sprachen I {aa, b}∗ = {u1 ◦ · · · ◦ un | n ∈ N ∧ ∀i ∈ {1, . . . , n} (ui ∈ {aa, b})} = {ε, b, aa, bb, aab, baa, bbb, aaaa, aabb, baab, bbaa, bbbb, . . .} I ∅ ◦ {aba, bb} = ∅ I {ε} ◦ {aba, bb} = {aba, bb} I {bb}∗ = {w ∈ {b}∗ | |w | ∈ 2 } = {ε, bb, bbbb, . . .} I ({1} ◦ {0}∗ )∗ = {w ∈ {0, 1}∗ N | w1 = 1} ∪ {ε} 90 Reguläre Ausdrücke – Syntax Die Menge RegExp(A) aller regulären Ausdrücke über einem Alphabet A ist (induktiv) definiert durch: IA: ∅ ∈ RegExp(A), ε ∈ RegExp(A) und für jedes Symbol a ∈ A gilt a ∈ RegExp(A) IS: für alle E ∈ RegExp(A) und F ∈ RegExp(A) gilt (E + F ), EF , (E )∗ ∈ RegExp(A). Beispiele: (∅ + b) ∈ RegExp({a, b}), (a∅)∗ ∈ RegExp({a, b}), (ε + ((ab)∗ a)∗ ) ∈ RegExp({a, b}), für beliebiges A gilt ε ∈ RegExp(A), (ε + ∅) ∈ RegExp(A), (Baumdarstellung) 91 Beispiele (ohne überflüssige Klammern) I Für A = {0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9} gilt 0+(1+2+3+4+5+6+7+8+9)(0+1+2+3+4+5+6+7+8+9)∗ ∈ RegExp(A) I Für A = {0, 1} gilt I I (1 + ε)∗ + (10)∗ ∈ RegExp(A) (0 + 11)∗ + ((0 + (1)∗ )0)∗ ∈ RegExp(A) Mitunter werden A E + = EE ∗ E n = |E ·{z · · E} E n∗ n−mal n ∗ = (E ) = (E · · E})∗ | ·{z n−mal für n ∈ N als Kurzbezeichnungen verwendet. 92 Reguläre Ausdrücke – Semantik Jeder reguläre Ausdruck E ∈ RegExp(A) repräsentiert eine Sprache L(E ) ⊆ A∗ . L(∅) L(ε) ∀a ∈ A : L(a) ∀E , F ∈ RegExp(A) : L(E + F ) ∀E , F ∈ RegExp(A) : L(EF ) ∀E , F ∈ RegExp(A) : L(E ∗ ) = ∅ = {ε} = {a} = L(E ) ∪ L(F ) = L(E ) ◦ L(F ) ∗ = (L(E )) Eine Sprache L ⊆ A∗ heißt genau dann regulär, wenn ein regulärer Ausdruck E ∈ RegExp(A) existiert, so dass L = L(E ). Beispiel: Die Menge L aller Dezimaldarstellungen natürlicher Zahlen ist regulär wegen L = L (0 + (1 + 2 + · · · + 9)(0 + 1 + · · · + 9)∗ ) 93 Beispiele Für A = {a, b} gilt N} | i ∈ N} L(ab ∗ ) = {a, ab, abb, abbb, abbbb, . . .} = {ab i | i ∈ ∗ i L((ab) ) = {ε, ab, abab, ababab, . . .} = {(ab) L((a + b)∗ ) = {a, b}∗ L(a∗ b ∗ ) = {u ◦ v | u ∈ a∗ ∧ v ∈ b ∗ } L((a∗ b ∗ )∗ ) = {a, b}∗ L(A∗ aba) = {u ◦ aba | u ∈ A∗ }∗ Reguläre Ausdrücke ermöglichen eine endliche Darstellung unendlicher Sprachen. Aber: Nicht jede unendliche Sprache ist regulär. ( mehr dazu in den LV zur theoretischen Informatik, z.B. Automaten und Formale Sprachen im 3.Sem. ) 94 Beispiele regulärer Sprachen I I I I I I I L1 = ∅, wegen ∅ ∈ RegExp(A) und L(∅) = ∅ = L1 L2 = {a, bab}, wegen a + bab ∈ RegExp(A) und L(a + bab) = L2 L3 = {w ∈ {a, b, c}∗ | abba v w }, wegen abba(a + b + c)∗ ∈ RegExp({a, b, c}) und L(abba(a + b + c)∗ ) = L3 L4 = {w ∈ {a, b, c}∗ | aa oder bbb sind Infix von w }, wegen (a + b + c)∗ (aa + bbb)(a + b + c)∗ ∈ RegExp({a, b, c}) und L((a + b + c)∗ (aa + bbb)(a + b + c)∗ ) = L4 {w ∈ {a, b}∗ | |w | ∈ 2 } = L((aa + ab + ba + bb)∗ ) {w ∈ {a, b}∗ | |w |a ∈ 2 } = L((b ∗ ab ∗ ab∗)∗ ) alle möglichen HTWK-Email-Adressen ≈ L(A∗ @htwk-leipzig.de) mit A = {A, B, . . . , Z } ∪ {a, b, . . . , z} ∪ {0, 1, . . . , 9} ∪ {.} (ASCII-Symbole) N N 95 Was bisher geschah Modellierung von Aussagen durch Logiken Modellierung von Daten durch Mengen extensionale und intensionale Darstellung Mächtigkeiten endlicher Mengen, ∅ Beziehungen zwischen Mengen ⊆, =, ⊂ I Mengen-Operationen ∪, ∩, , \, ∆, ×, n , ∗ , 2M I I I Folgen über einer Menge A I extensionale und intensionale Darstellung I Länge von Folgen, leeres Wort ε (leere Folge) I unendliche Folgen, endliche Folgen fester Länge (Tupel, Vektoren), endliche Folgen variabler Länge (Wörter, Listen) I Operationen auf Wörtern: (iterierte) Verkett. ◦, ∗ I Beziehungen zwischen Wörtern: Prä-, In-, Postfix Sprachen Mengen von Wörtern (endlichen Folgen) I Beziehungen zwischen Sprachen: ⊆, =, ⊂ I Operationen auf Sprachen: Mengenoperationen, (iterierte) Verkettung ◦, I reguläre Ausdrücke (Syntax, Sematik) ∗ 96 Relationen Relationen repräsentieren Beziehungen zwischen Individuen. Definition Jede Menge R ⊆ A × B ist Relation zwischen den Mengen A und B. Beispiele: I H ⊆ Studenten × Dozenten mit (s, d) ∈ H gdw. s hört (wenigstens) eine Vorlesung bei d. I S ⊆ Skatkarten × Skatkarten mit (h, k) ∈ B gdw. Karte h hat höheren Wert als Karte k I B ⊆ Spieler × Skatkarten mit (s, k) ∈ B gdw. Spieler hat s die Karte k auf der Hand. I R ⊆ {a, b, c} × {1, 2, 3, 4} mit R = {(a, 2), (a, 3), (c, 2), (c, 4)} I I I N2 mit R = {(m, n) ∈ N2 | m = n + 5} R ⊆ R2 mit R = {(x, y ) ∈ R2 | x 2 + y 2 = 1} ≤ ⊆ R2 mit ≤ = {(m, n) ∈ R2 | m ≤ n} R⊆ Zur Definition einer Relation R ⊆ A × B gehören (sind anzugeben): die Mengen A, B (Typ der Relation) und I die Menge R (extensional oder intensional) I 97 Spezielle Relationen ∅ Die leere Relation ∅ ist Relation zwischen beliebigen Mengen A und B. Relation R ⊆ A × B für spezielle B B = A , also A × B = A2 R ⊆ A2 heißt binäre Relation auf A. Beispiele: ≤ ∈ 2 mit ≤ = {(x, y ) ∈| x ≤ y }, Identität auf A: IA ⊆ A2 mit IA = {(x, x) | x ∈ A} R B = An , also A × B = An+1 R ⊆ An+1 heißt n + 1-stellige Relation auf a. B = A0 , also A × B = A × {ε} = {(a, ε) | a ∈ A} Relation entspricht einer Teilmenge R ⊆ A. R ⊆ A heißt dann auch einstellige Relation auf A. (Eigenschaft von Elementen aus A) Beispiel: G ⊆ mit G = {n ∈ | 2 < n} N N 98 Häufige Anwendungen I Datenbanken: jede Tabelle repräsentiert eine Relation T , z.B. Id Vorname Name Studieng. Jg. Gruppe 34567 Lisa Klein AMB 14 1 12345 Erwin Meier INB 14 2 56789 Paula Müller MIB 13 1 .. .. .. .. .. .. . . . . . . mit T ⊆ {0, 1, . . . , 9}5 × Vornamen × Namen ×{AMB, INB, MIB} × {0, 1, . . . , 9}2 × {1, 2} und z.B. ( 12345, Erwin, Meier, INB, 14, 2 ) ∈ T I Ontologien, z.B. Komponenten eines Systems: TeilVon (Hand, Arm), TeilVon (Finger, Hand), IstEin (Daumen, Finger) I Abläufe, z.B. durch Übergangsrelation T zwischen Zuständen Münzspiel: (0230, 1040) ∈ T , (0230, 0311) ∈ T , (0311, 1121) ∈ T , (1040, 1121) ∈ T , (1121, 1202) ∈ T 99 Abgeleitete Relationen Inverse der binären Relation R ⊆ A × B: R −1 = {(b, a) | (a, b) ∈ R} ⊆ B × A Beispiele: {(1, a), (1, b), (2, b)}−1 = {(a, 1), (b, 1), (b, 2)}, istKindVon−1 = istElternteilVon, ≤−1 = ≥ Einschränkung von R ⊆ A × B auf M ⊆ A: R|M = {(a, b) ∈ R | a ∈ M} Beispiele: {(1, a), (1, b), (2, b), (3, a)}|{2,3} = {(2, b), (3, a)}, istElternteilVon|Frauen = istMutterVon, < |{0,1,4} = {(0, 1), (0, 4), (1, 4)} Projektionen von R ⊆ A × B: π1 (R) = {a ∈ A | (a, b) ∈ R} ⊆ A π2 (R) = {b ∈ B | (a, b) ∈ R} ⊆ B Beispiele: π1 ({(1, a), (1, b), (2, b), (3, a)}) = {1, 2, 3}, π2 (istKindVon) = Menge aller Eltern 100 Verkettung von Relationen Verkettung R ◦ S ⊆ A × C der Relationen R ⊆ A × B und S ⊆ B × C : R ◦ S = {(x, y ) ∈ A × C | ∃z ∈ B((x, z) ∈ R ∧ (z, y ) ∈ S)} Beispiele: I für A = {1, 2, 3}, B = {a, b, c}, C = {♦, ♥} und R = {(1, a), (1, c), (2, b), (3, c)}, S = {(a, ♥), (a, ♦), (b, ♦)} R ◦ S= {(1, a), (1, c), (2, b), (3, c)} ◦ {(a, ♥), (a, ♦), (b, ♦)} = {(1, ♥), (1, ♦), (2, ♦)} I istKindVon ◦ istKindVon = istEnkelVon I ≤ ◦ ≤=≤ 101 Eigenschaften der Verkettung Für alle Relationen R ⊆ A × B, S ⊆ B × C , T ⊆ C × D gilt: I (R ◦ S) ◦ T = R ◦ (S ◦ T ) I i.A. R ◦ S 6= S ◦ R (nicht kommutativ) Gegenbeispiel: für R = {(a, b)}, S = {(b, c)} gilt R ◦ S = {(a, c)}, aber S ◦ R = ∅ I R ◦ IB = R = IA ◦ R I (R ◦ S)−1 = S −1 ◦ (assoziativ) (IA , IB sind neutrale Elemente) R −1 102 Modellierungsbeispiel B P O L ={ ={ ={ ={ Blumen, Pferde, Schiffe } Paul, Max, Ilse } Leipzig, Berlin, Genf } D, S } (Bücher) (Personen) (Orte) (Länder) hatAutor ⊆ B × P mit hatAutor = { (Blumen, Max), (Schiffe, Paul), (Schiffe, Ilse), (Pferde, Max), (Pferde, Ilse) } wohntIn ⊆ P × O mit wohntIn = {(Paul, Berlin), (Ilse, Leipzig), (Max, Genf) } liegtIn ⊆ O × L mit liegtIn = {(Leipzig, D), (Berlin, D), (Genf, S) } Verkettungen der Relationen: wohntIn ◦ liegtIn ⊆ P × L mit wohntIn ◦ liegtIn ={(Paul,D), (Ilse,D), (Max, S)} I hatAutor ◦ wohntIn ⊆ B × O mit hatAutor ◦ wohntIn = . . . I hatAutor ◦ wohntIn ◦ liegtIn ⊆ B × L mit . . . I 103 Darstellung binärer Relationen Darstellungsformen für binäre Relation R ⊆ M 2 auf endlicher Menge M: I Menge geordneter Paare (intensional oder extensional) I n × n-Matrix (für M = {a1 , . . . , an }) mit Einträgen aus {0, 1} ( 1 falls (ai , aj ) ∈ R mij = 0 sonst I (gerichteter) Graph G = (M, R) mit Eckenmenge M und Kantenmenge R Darstellung binärer Relationen R ⊆ M 2 auf unendlicher Menge M i.A. nur intensional möglich 104 Eigenschaften binärer Relationen Eine binäre Relation R ⊆ M 2 heißt reflexiv falls für alle a ∈ M gilt (a, a) ∈ R Beispiele: =, ≤, v, ⊆ irreflexiv falls für alle a ∈ M gilt (a, a) 6∈ R Beispiele: <, ⊂, istGeschwisterVon, istKindVon symmetrisch falls für alle a, b ∈ M gilt: Aus (a, b) ∈ R folgt (b, a) ∈ R Beispiele: =, istGeschwisterVon asymmetrisch falls für alle a, b ∈ M gilt: Aus (a, b) ∈ R folgt (b, a) 6∈ R Beispiele: <, istKindVon antisymmetrisch falls für alle a, b ∈ M gilt: Aus (a, b) ∈ R und (b, a) ∈ R folgt a = b Beispiele: ≤, v, ⊆ transitiv falls für alle a, b, c ∈ M gilt: Aus (a, b) ∈ R und (b, c) ∈ R folgt (a, c) ∈ R Beispiele: =, ≤, <, v, ⊆, istVorfahreVon 105 Was bisher geschah Modellierung von I Aussagen durch Logiken I I I Daten durch I I I I klassische Aussagenlogik klassische Prädikatenlogik Mengen Folgen Sprachen Zusammenhängen und Eigenschaften durch Relationen I I I Definition Beispiele Operationen auf Relationen: I I I I inverse Relation Verkettung von Relationen Projektionen, Einschränkung Eigenschaften binärer Relationen auf einer Menge 106 Hüllen binärer Relationen R ∪ IM heißt reflexive Hülle von R ⊆ M 2 (mit Identität IM = {(x, x) | x ∈ M}) R ∪ R −1 heißt symmetrische Hülle von R ⊆ M 2 (mit inverser Relation R −1 = {(y , x) | (x, y ) ∈ R}) Wiederholung: Verkettung ◦ der Relationen R ⊆ M 2 und S ⊆ M 2 R ◦ S = {(x, z) ∈ M 2 | ∃y ∈ M : (x, y ) ∈ R ∧ (y , z) ∈ S} Iterierte Verkettung von R ⊆ M 2 mit sich selbst: R0 R n+1 R+ = IM = Rn ◦ R [ = Rn ⊆ M2 N transitive Hülle n∈ \{0} R∗ = [ N Rn ⊆ M2 reflexiv-transitive Hülle n∈ 107 Beispiel R ⊆ ({a, b, c})2 mit R = {(a, b), (b, c)} R −1 = {(b, a), (c, b)} R ∪ R −1 = {(a, b), (b, c), (b, a), (c, b)} (symmetrische Hülle) R 0 = {(a, a), (b, b), (c, c)} R ∪ R 0 = {(a, b), (b, c), (a, a), (b, b), (c, c)} (reflexive Hülle) R 2 = {(a, c)} R3 = ∅ R + (= R n 2 für beliebige n ≥ 3) 3 = R ∪ R ∪ R ∪ · · · = {(a, b), (b, c), (a, c)} (transitive Hülle) R ∗ 0 = R ∪R + = {(a, a), (b, b), (c, c), (a, b), (b, c), (a, c)} (reflexiv-transitive Hülle) 108 Modellierungsbeispiel Lineares Solitaire mit I Menge der Spielzustände Q = {0, 1}6 , I Startzustand 011110 ∈ Q, I Übergangsrelation T ∈ Q 2 mit (011110, 100110) , (011110, 011001) (100110, 100001) , (011001, 100001) T = (100110, 101000) , (011001, 000101) Hüllen der Übergangsrelation enthalten zusätzliche Möglichkeiten für Spielzüge: I reflexive Hülle T ∪ IQ Aussetzen −1 I symmetrische Hülle T ∪ T Rückwärts“-Züge ” + I transitive Hülle T mehrere Züge auf einmal (aber wenigstens einen) I reflexiv-transitive Hülle T ∗ beliebig viele Züge auf einmal (Aussetzen erlaubt) 109 Quasiordnungen Jede reflexive und transitive Relation R ⊆ M 2 heißt Quasiordnung. Beispiele: I R ⊆ {a, b, c}2 mit R = {(a, a), (a, b), (b, b), (b, c), (a, c), (c, c)} I T ⊆ (Menge aller Personen)2 mit (p, q) ∈ T gdw. p höchstens so alt ist wie q I S⊆ Z2 mit S = {(a, b) ∈ Z2 | |a| ≥ |b|} 110 Äquivalenzrelationen Jede reflexive, transitive und symmetrische Relation R ⊆ M 2 heißt Äquivalenzrelation. Beispiele: I R ⊆ {a, b, c}2 mit R = {(a, a), (a, b), (b, a), (b, b), (c, c)} I Relation haben dieselbe Farbe“ für Skatkarten ” R ⊆ ({♦, ♥, ♠, ♣} × ({7, 8, 9, 10} ∪ {B, D, K , A}))2 mit R = {((f1 , w1 ), (f2 , w2 )) | f1 = f2 } I I Relation sind im selben Studiengang“ für Studenten ” R ⊆ A∗ mit R = {(u, v ) ∈ (A∗ )2 | |u| = |v |} (gleiche Länge) I Gleichmächtigkeit von Mengen: (A, B) ∈ R gdw. |A| = |B| I Ähnlichkeit von Dreiecken I für jede Menge M: IM ⊆ M 2 mit IM = {(x, x) | x ∈ M} 111 Äquivalenzklassen Zu jeder Äquivalenzrelation R ⊆ M 2 heißen I zwei Elemente a ∈ M und b ∈ M genau dann äquivalent bzgl. R, wenn (a, b) ∈ R I die Menge aller zu a ∈ M äquivalenten Elemente aus M [a]R = {x ∈ M | (a, x) ∈ R} Äquivalenzklasse von a bzgl. R Beispiele: I Äquivalenzklassen bzgl. der Äquivalenzrelation R ⊆ {a, b, c}2 mit R = {(a, a), (a, b), (b, a), (b, b), (c, c)}: [a]R = {a, b} = [b]R und [c]R = {c} I Äquivalenzklassen bzgl. der Äquivalenzrelation haben dieselbe Farbe“ für Skatkarten: ” K♦ , K♥ , K♠ , K♣ (siehe Übungsaufgabe 5.1.a) [(♦, B)]R = K♦ = {(♦, w ) | w ∈ {7, 8, 9, 10, B, D, K , A}} 112 Äquivalenzrelationen und disjunkte Zerlegungen 1. Jede Äquivalenzrelation R ⊆ M 2 definiert eine disjunkte Zerlegung von M in die Menge aller Äquivalenzklassen {[a]R | a ∈ M} 2. Jede (disjunkte) Zerlegung P = {Mi | i ∈ I } einer Menge M definiert eine Äquivalenzrelation RP ⊆ M 2 mit RP = {(a, b) | ∃i ∈ I : {a, b} ⊆ Mi } Beispiele: I Relation R ⊆ {a, b, c}2 mit R = {(a, a), (a, b), (b, a), (b, b), (c, c)} definiert Zerlegung {[a]R , [b]R , [c]R } = {{a, b}, {c}} der Menge {a, b, c} I Zerlegung F = {K♦ , K♥ , K♠ , K♣ } der Menge aller Skatkarten definiert die Relation RF (haben dieselbe Farbe) I Zerlegung P = {3 , 3 + 1, 3 + 2} definiert die Relation RP = {(m, n) ∈ N N N N2 | 3|(m − n)} 113 Halbordnungen Jede reflexive, transitive und antisymmetrische Relation R ⊆ M 2 heißt Halbordnung. a ∈ M und b ∈ M heißen genau dann vergleichbar bzgl. R, wenn (a, b) ∈ R oder (b, a) ∈ R Beispiele: I R ⊆ {a, b, c, d}2 mit R = {(a, a), (a, b), (a, c), (a, d), (b, b), (b, d), (c, c), (d, d)} I ≤⊆ I R ⊆ ( Menge aller AMB-Studenten )2 mit (p, q) ∈ R gdw. (Matrikelnr. von p) ≤ (Matrikelnr. von q) I v ⊆ ({a, b}∗ )2 I Teilerrelation | ⊆ 2 mit a|b gdw. ∃n ∈ (Warum ist | ⊆ 2 keine Halbordnung?) I Teilmengenrelation ⊆ auf 2{a,b,c} N2 (≤ ⊆ Z2, ≤ ⊆ R2) N Z Z | an = b 114 Hasse-Diagramme von Halbordnungen (für Halbordnungen auf endlichen Mengen) graphische Darstellung der Relation mit folgenden Konventionen: I Pfeilspitzen weglassen, stattdessen optische Ausrichtung (nach oben) I reflexive Kanten (Schlingen) weglassen I transitive Kanten weglassen Beispiele (Tafel): I Halbordnung ⊆ auf 2{a,b,c} , I ≤ auf {0, . . . , 6}, I Teiler-Halbordnung | auf {0, . . . , 6} 115 Totale Ordnungen Jede Halbordnung R ⊆ M 2 mit ∀(a, b) ∈ M 2 ((a, b) ∈ R ∨ (b, a) ∈ R) heißt totale (lineare) Halbordnung. (alle Elemente miteinander vergleichbar) Beispiele: I R ⊆ ({a, b, c})2 mit R = {(a, a), (a, b), (a, c), (c, b), (b, b), (c, c)} I ≤⊆ I R ⊆ ( Menge aller AMB-Studenten )2 mit (p, q) ∈ R gdw. (Matrikelnr. von p) ≤ (Matrikelnr. von q) I alphabetische Ordnung der Wörter im Wörterbuch N2 (≤ ⊆ Z2, ≤ ⊆ R2) 116 Was bisher geschah Modellierung von I Aussagen durch Logiken I Daten durch I I I I Mengen Folgen Sprachen Zusammenhängen und Eigenschaften durch Relationen I I I I I Definition, Beispiele Operationen auf Relationen: inverse Relation, Verkettung, Projektionen, Einschränkung Eigenschaften binärer Relationen R ⊆ M 2 reflexive, symmetrische, transitive Hüllen spezielle binäre Relationen auf einer Menge: I I Halbordungen, Hasse-Diagramm Äquivalenzrelation, Zerlegung in Äquivalenzklassen 117 Anzahlen von Relationen Für endliche Mengen A und B, wieviele I einstellige Relationen R ⊆ A? I zweistellige Relationen R ⊆ A × B? I binäre Relationen R ⊆ A2 ? I nullstellige Relationen R ⊆ A0 ? I n-stellige Relationen R ⊆ An ? 2|A| 2(|A|·|B|) 2 2(|A| ) 0 2(|A| ) = 21 = 2 2(|A| n) 118 Funktionen (Wiederholung) Funktion: spezielle Relation mit Richtung Relation f ⊆ A× B heißtgenau dann partielle Funktion, wenn ∀a ∈ A : π2 f |{a} ≤ 1 Relation f ⊆ A× B heißtgenau dann (totale) Funktion, wenn ∀a ∈ A : π2 f |{a} = 1 Beispiele: I Abbildung aller HTWK-Studenten auf ihren Geburtstag ist totale Funktion I Abbildung von Geburtstag auf Studenten ist keine Funktion I I I N2 mit f = {(x, x 2) | x ∈ N} ist (totale) Funktion g ⊆ N2 mit g = {(x 2 , x) | x ∈ N} ist partielle Funktion h ⊆ R2 mit h = {(x, sin x) | x ∈ R} ist (totale) Funktion f ⊆ 119 Definition von Funktionen Funktion f : A → B wird definiert durch Angabe von: Typ (Signatur): Definitionsbereich : Menge A Wertebereich : Menge B Werte Zuordnung f extensional z.B. f = {a 7→ 1, b 7→ 0} (statt f = {(a, 1), (b, 0)}) intensional z.B. ∀x ∈ : f (x) = x 2 Syntax Semantik N Graph von f : Relation f ⊆ A × B = {(x, f (x)) | x ∈ A} 120 Mehrstellige Funktionen auf einer Menge A = B n : Funktion f : B n → B heißt auch n-stellige Funktion auf B Achtung: n-stellige Funktionen auf B sind n + 1-stellige Relationen auf B. Beispiel: f : × → mit ∀(x, y ) ∈ 2 : f (x, y ) = 2x + y N A= B0 N N N = {ε}: Nullstellige Funktionen f : B 0 → B heißen auch Konstanten f ∈ B. Beispiel: c : 0 → mit c = 3 N N 121 Abgeleitete Funktionen Für Funktion f : A → B heißt f (A) = π2 (f ) Bild von f , f (M) = π2 (f |M ) ⊆ B für M ⊆ A Bild von M unter f , f (a) = π2 f |{a} ∈ B für a ∈ A Bild von a unter f , f −1 (N) = π2 f −1 |N ⊆ A für N ⊆ B Urbild von N unter f , f −1 (b) = π2 f −1 |{b} ⊆ A für b ∈ B Urbild von b unter f , Für jede (totale) Funktion f : A → B gilt f −1 (B) = A 122 Eigenschaften von Funktionen (Wiederholung) Funktion f : A → B heißt injektiv , falls für alle b ∈ B gilt f −1 (b) ≤ 1, surjektiv , falls für alle b ∈ B gilt f −1 (b) ≥ 1, bijektiv , falls für alle b ∈ B gilt f −1 (b) = 1, Eine Funktion ist genau dann bijektiv, wenn sie injektiv und surjektiv ist. Beispiele: N → N mit ∀x ∈ N : f (x) = x 2 ist injektiv, nicht surjektiv I f : Z → Z mit ∀x ∈ Z : f (x) = x 2 ist weder injektiv noch I f : surjektiv I R f : ≥0 → surjektiv R≥0 mit ∀x ∈ R≥0 : f (x) = x 2 ist injektiv und 123 Mengen von Funktionen Menge aller (totalen) Funktionen von A nach B: B A = {f : A → B} = {f ⊆ A × B | ∀a ∈ A : π2 f |{a} = 1} Beispiel: {0, 1}{p,q,r } = {W : {p, q, r } → {0, 1}} Für alle endlichen Mengen A, B gilt B A = |B||A| . ( Es existieren |B||A| verschiedene Funktionen von A nach B.) Beispiele: I |{0, 1}||{p,q,r }| = 23 = 8 Funktionen W : {p, q, r } → {0, 1} I 3|A| Funktionen f : A → {rot, grün, blau} I 4|A| Funktionen f : A → {1, 2, 3, 4} I 4|A| Funktionen f : A → {0, 1}2 124 Funktionen auf Anfangsstücken von Funktion f : I → B mit I = {0, . . . , n} ⊂ N N Beispiel: f : {0, . . . , 4} → B, wobei ∀n ∈ {0, 1, . . . , 4} : f (n) = 7n + 2 f (0) = 2, f (1) = 9, f (2) = 16, f (3) = 23, f (4) = 30 alternative Darstellung: f0 = 2, f1 = 9, f2 = 16, f3 = 23, f4 = 30 Folge f = [2, 9, 6, 23, 30] =(7n + 2)i∈{0,...,4} Jede Funktion f : I → B mit I = {0, . . . , n} repräsentiert eine eindeutig definierte Folge (f (i))i∈I ∈ B ∗ Jede Folge (ai )i∈I ∈ B ∗ repräsentiert eine eindeutig definierte Funktion a : I → B mit a(i) = ai 125 Funktionen nach {0, 1} Für endliche Mengen A und B I I (Anzahl) 0 nullstellige Funktionen f : A → {0, 1} f0 = 0, f1 = 1 (Konstanten) 0 2|A | = 21 = 2 2|A| einstellige Funktionen f : A → {0, 1} Beispiel: für A = {a, b} f00 = {a 7→ 0, b 7→ 0} f01 = {a 7→ 0, b 7→ 1} f10 = {a 7→ 1, b 7→ 0} f11 = {a 7→ 1, b 7→ 1} mögliche Urbilder der 1: −1 −1 −1 −1 f00 (1) = ∅, f01 (1) = {b}, f10 (1) = {a}, f11 (1) = {a, b} für beliebige Menge A: −1 f (1) ∈ A | f ∈ 2A = 2A (Potenzmenge von A) I zweistellige Funktionen f : A × B → {0, 1} I zweistellige Funktionen f : A2 → {0, 1} I n-stellige Funktionen f : An → {0, 1} I n-stellige Wahrheitswert-Funktionen f : {0, 1}n → {0, 1} 2(|A||B|) 2 2(|A| ) 2(|A| n ) 2(2 n ) 126 Was bisher geschah Modellierung von I Aussagen durch Logiken I Daten durch Mengen, Folgen, Sprachen I Zusammenhängen und Eigenschaften durch Relationen I I I I I I Definition, Beispiele Operationen auf Relationen: inverse Relation, Verkettung, Projektionen, Einschränkung Eigenschaften binärer Relationen R ⊆ M 2 reflexive, symmetrische, transitive Hüllen spezielle binäre Relationen auf einer Menge: Halbordungen, Äquivalenzrelationen Zusammenhängen durch Funktionen (spezielle Relationen) I I I I Definition partielle / totale Funktion Menge B A aller (totalen) Funktionen f : A → B Folgen als Funktionen f : {0, . . . , n} → B Teilmengen als Funktionen f : A → {0, 1} 127 Verkettung von Funktionen Verkettung ◦ : B A × C B → C A der Funktionen f : A → B und g : B → C g ◦f :A→C ∀a ∈ A : (g ◦ f )(a) = g (f (a)) Achtung: (unterschiedliche Notationen üblich) entspricht so nicht der Verkettung der entsprechenden Relationen Beispiel: f : → g: → (g ◦ f ) : R Z mit f (x) = x3 Z N mit g (x) = x 2 R → N mit (g ◦ f )(x) = g (f (x)) = x 2 3 Verkettung ◦ von Funktionen ist nicht kommutativ. 128 Inverse Funktion Urbild f −1 : B → 2A (existiert für jede Funktion) inverse Funktion für f (bijektiv): f −1 : B → A Funktionen f , für die f −1 eine Funktion ist, heißen invertierbar. Beispiele: N N I n f :−1 → , f (n) = 2 f (0) = |{0, 1}| > 1 also f −1 keine Funktion und damit f nicht invertierbar I f : → mit f (x) = x 2 nicht invertierbar, weil f (x) = f (−x) R R R≥0 → R≥0 mit f (x) = x 2 invertierbar I f : N+ → N \ {0} mit f (i1 , i2 , . . . , in ) = 2i 3i I f : · · · pnln ist invertierbar (eindeutige Primfaktorzerlegung) 1 2 129 Identität für jede Menge A: Identität 1A : A → A mit ∀a ∈ A : f (a) = a ( Graph der Identität 1A ist {(x, x) | x ∈ A} = IA ) Für jede Funktion f : A → B gilt 1B ◦ f = f ◦ 1A = f . Für jede invertierbare Funktion f : A → B gilt f −1 ◦ f = 1A und f ◦ f −1 = 1B . 130 Charakteristische Funktion einer Menge Menge A definiert für jede Teilmenge B ⊆ A die charakteristische Funktion χB : A → {0, 1} mit ( 1 falls x ∈ B ∀x ∈ A : χB (x) = 0 sonst Beispiel: für A = {a, b, c, d} und B = {a, d} ⊆ A gilt χB : A → {0, 1} mit χB = {a 7→ 1, b 7→ 0, c 7→ 0, d 7→ 1} (χB ordnet jedem x ∈ A den Wahrheitswert der Aussage x ∈ B zu.) Umgekehrt definiert jede Funktion f : A → {0, 1} eine Teilmenge f −1 (1) ⊆ A Für endliche Mengen A = {a1 , . . . , an } und beliebige feste Anordnung [a1 , . . . , an ] lässt sich jede Teilmenge B ⊆ A durch das eindeutige Binärwort b1 . . . bn ∈ {0, 1}n mit bi = χB (ai ) repräsentieren. 131 Multimengen (Vielfachmengen, Bags) zur Beschreibung von Elementen mit Vielfachheit Beispiele: I Bibliothek mit mehreren Exemplaren von Büchern I Vorrat an Münzen I Rommé-Blatt Teilmenge A einer Menge U (charakteristische Funktion): χA : U → {0, 1} mit ∀x ∈ U : χA (x) = |A ∩ {x}| Multimenge A über Menge U: Funktion A:U→ N alternative Darstellungen von Multimengen: z.B. für U = {a, b, c, d} und A : U → mit A(a) = 3, A(b) = 3, A(c) = 0, A(d) = 1 durch I {a, b, a, b, d, b, a} (Reihenfolge egal) I Relation A ⊆ U × ( \ 0) mit {(a, 3), (b, 3), (d, 1)} N N 132 Beziehungen zwischen Multimengen N Zwei Multimengen A : U → und B : U → gleich, wenn ∀x ∈ U : A(x) = B(x) Multimenge A : U → Multimenge B : U → N sind genau dann N ist genau dann Teil(multi)menge der N, wenn ∀x ∈ U : A(x) ≤ B(x) (Charakteristische Funktionen von) Mengen A ⊆ U sind spezielle Multimengen mit der Eigenschaft ∀x ∈ U : A(x) ≤ 1 133 Operationen auf Multimengen Für Multimengen A : U → N und B : U → N Vereinigung ∀x ∈ U : (A ∪ B)(x) = max(A(x), B(x)) Schnitt ∀x ∈ U : (A ∩ B)(x) = min(A(x), B(x)) Differenz ∀x ∈ U : (A \ B)(x) = max(0, A(x) − B(x)) (mehr dazu und weitere Operationen in den LV zu Datenbanken) Für den Spezialfall Mengen ergibt das genau die Mengenoperationen Mächtigkeit der Multimenge A : U → N: |A| = P x∈U A(x) 134 Modellierungsbeispiel EU-Arbeitskreise (nach Kastens, Kleine Büning: Modellierung ) Ziel: Modellierung der Situation I drei Arbeitskreise I Nationen D,F,A,S senden je 3 Delegierte I Jedem Arbeitskreis soll aus jeder Nation (wenigstens) ein Delegierter angehören. I In jedem Arbeitskreis gibt es (wenigstens) einen gemeinsame Sprache. Wertebereiche: Arbeitskreise Länder Sprachen Delegierten-Nr. Delegierte : : : : : A = {A1, A2, A3} = {A} × {1, 2, 3} N = {D, F , A, S} S = {d, f , s} D = {1, 2, 3} D0 = N × D Was repräsentieren π1 (D 0 ), D 0 |{A,F } ? 135 Modellierungsbeispiel EU-Arbeitskreise I Zuordnung der (momentanen) Sprachkenntnisse zu Delegierten 0 I als Relation s D ⊆ D × S, z.B. sD = {(D1, d), (D1, f ), (D2, d), (D2, s), (D3, d), (F 1, f ), (F 2, f ), (F 3, f ), (F 3, s), (A1, d), (A2, d), (A2, f ), (A3, s), . . .} I als Funktion s 0 : D 0 → 2S , z.B. mit D sD0 (D1) = {d, f }, sD0 (D2) = {d, s}, sD0 (D2) = {d}, sD0 (F 1) = {f } = sD0 (F 2), sD0 (F 3) = {f , s},. . . I Sprachkenntnisse der Delegation einer Nation I als Relation s N ⊆ N × S, z.B. sN = {(D, d), (D, f ), (D, s), (F , f ), (F , s), . . .} I als Funktion s 0 : N → 2S (Mengen von Sprachen), N z.B. sN0 (D) = {d, f , s}, sN0 (F ) = {f , s}, . . . s I als Funktion s 00 : N → (Multimengen von Sprachen), z.B. N 00 sN (D) = {d 7→ 3, f 7→ 1, s 7→ 1}, sN00 (F ) = {f 7→ 3, s 7→ 1}, sN00 (A) = {d 7→ 2, s 7→ 1},. . . N Was repräsentieren π2 (sD |{D1,A2,F 1} ), sD0 (D 0 |{A,D} ), sN0 (D) ∩ sN0 (F ), sN00 (D) ∩ sN00 (F ), π2 (sD−1 |{d,f } ), π2 (sN−1 |{d} ) ∩ π2 (sN−1 |{f } ), (sN0 )−1 ({f , s}) ? 136 Was bisher geschah Modellierung von I Aussagen durch Logiken I Daten durch I Mengen, Folgen, Sprachen I Multimengen A : U → Darstellungsformen, Anwendungen, Beziehungen, Operationen N I Zusammenhängen und Eigenschaften durch Relationen Darstellungsformen, Anwendungen, Beziehungen, Operationen I Eigenschaften binärer Relationen R ⊆ M 2 I reflexive, symmetrische, transitive Hüllen I spezielle binäre Relationen auf einer Menge: Äquivalenzrelationen, Halbordungen, totale Ordnungen I Zuordnungen durch Funktionen (spezielle Relationen) Darstellungsformen, Anwendungen, Beziehungen, Operationen I Menge B A aller (totalen) Funktionen f : A → B I Folgen als Funktionen f : {0, . . . , n} → B I charakteristische Funktionen χA : U → {0, 1} von (Teil-)Mengen A ⊆ U 137 Totale Ordnungen häufige Aufgabe: Sortieren von Elementen z.B. Menge von Wörtern aus A∗ : {ab, ε, a, ac, abc, c} Präfix-Relation v A∗ × A∗ mit ∀(u, v ) ∈ A∗ × A∗ ((u v v ) ↔ ∃v 0 ∈ A∗ (u ◦ v 0 = v )) ist reflexiv,transitiv, antisymmetrisch, also eine Halbordnung Gilt ∀(u, v ) ∈ (A∗ × A∗ ) : ((u v v ) ∨ (v v u)) ? nein, z.B. für A = {a, b, c}, u = ab, v = ac gilt ab 6v ac und ac 6v ab v ist also keine totale Ordnung auf A∗ Sortieren lassen sich nur Elemente aus totalen Ordnungen aus der java.util- Dokumentation: public interface Comparator<T> A comparison function, which imposes a total ordering on some collection of objects. Comparators can be passed to a sort method (such as Collections.sort) to allow precise control over the sort order. ... totale Ordnungen auf A∗ ? 138 Ordnungen auf A∗ ohne Ordnung auf dem Alphabet A: Präfix-, Postfix-, Infix-Relation auf A∗ sind Halbordnungen, nicht total (linear) bei gegebener totaler Ordnung < auf dem Alphabet A: lexikographische Ordnung auf A∗ : ∀u, v ∈ A∗ : u ≤lex v gdw. 1. u v v oder 2. ∃w ∈ A∗ ∃a, b ∈ A : a < b ∧ wa v u ∧ wb v v quasi-lexikographische Ordnung auf A∗ : ∀u, v ∈ A∗ : u ≤qlex v gdw. 1. |u| < |v | oder 2. |u| = |v | ∧ u ≤lex v Beispiele: für A = {a, b} mit a < b I ab v aba, ab ≤lex aba, ab ≤qlex aba I abab 6v abba, aber abab ≤lex abba und abab ≤qlex abba, I aaa ≤lex ab, aber aaa 6≤qlex ab I ab 6≤lex aaba, aber ab ≤qlex aaba 139 Gleichmächtigkeit von Mengen Zwei Mengen A und B heißen gleichmächtig, wenn eine Bijektion von A auf B existiert. Beispiele: I I |{0, 1, 2}| = |{a, b, c}| 2 {i | i ∈ } = | | durch Bijektion f : → {i 2 | i ∈ N N N N} mit f (i) = i 2 Gleichmächtigkeit von Mengen hat die Eigenschaften: I reflexiv: ∀M(|M| = |M|) I transitiv: ∀M, N, K (((|M| = |N|) ∧ (|N| = |K |)) → (|M| = |K |)) I symmetrisch: ∀M, N((|M| = |N|) → (|N| = |M|)) ist also eine Äquivalenzrelation 140 Abzählbare und überabzählbare Mengen N Jede Menge, die zu einer Teilmenge von gleichmächtig ist, heißt abzählbar. (Unendliche) Mengen, die nicht abzählbar sind, heißen überabzählbar. Beispiele: I alle endlichen Mengen sind abzählbar, I alle M ⊆ sind abzählbar, (z.B. 2 , Menge aller Primzahlen) 2 ist abzählbar, I (Tafel: 1. Diagonalverfahren von Cantor) I , sind abzählbar, I Für jedes endliche Alphabet A ist die Menge A∗ abzählbar, n, ∗ sind abzählbar, I I Menge aller unendlichen Binärwörter {0, 1}N = {ξ : → {0, 1}} ist überabzählbar (Tafel: 2. Diagonalverfahren von Cantor) I [0, 1) ⊆ , sind überabzählbar N ZQ N N N N N RR 141 Was bisher geschah Modellierung von I Aussagen durch Logiken I Daten durch Mengen (endliche und unendliche Mächtigkeiten) Multimengen, Folgen, Sprachen I Zusammenhängen und Eigenschaften durch Relationen Spezielle binäre Relationen: Äquivalenzrelationen, Halbordnungen, totale Ordnungen I Zuordnungen durch Funktionen (spezielle Relationen) 142 Wiederholung: Darstellung binärer Relationen Darstellungsformen für binäre Relation R ⊆ M 2 auf endlicher Menge M: I Menge geordneter Paare (intensional oder extensional) I n × n-Matrix (für M = {a1 , . . . , an }) mit Einträgen aus {0, 1} ( 1 falls (ai , aj ) ∈ R mij = 0 sonst (Charakteristische Funktion der Relation) I (gerichteter) Graph G = (M, R) mit Eckenmenge M und Kantenmenge R (Diagramm) wichtige Eigenschaften binärer Relationen: (ir)reflexiv, transitiv, (a)symmetrisch, antisymmetrisch 143 Gerichtete Graphen gerichteter Graph G = (V , E ) (Digraph) I Menge V von Ecken oder Knoten (vertex) I Menge E ⊆ V 2 von Kanten (edge) häufige Notation: ab statt (a, b) Endpunkte von (a, b) ∈ E sind a, b ∈ V Schlinge Kante (a, a) ∈ E mit a ∈ V Beispiele: I G = (V , E ) mit V = {0, 1, . . . , 4} E = {(i, j) | j = i + 1 oder j = i + 3} Abläufe (z.B. lineares Solitaire) gerichteter Graph: (endliche) Menge mit einer zweistelligen Relation I 144 Ungerichtete Graphen ungerichteter schlingenfreier Graph (V , E ): Menge V von Ecken I Menge E ⊆ V von Kanten 2 häufige Notation: ab statt {a, b} V = {M ⊆ V | |M| = k} = {M ⊆ V | M enthält genau k Elemente} k I ungerichteter Graph mit Schlingen: (V , E ) mit V V E⊆ ∪ = {M ⊆ V | |M| = 2 ∨ |M = 1|} 2 1 Beispiele: I G = (V , E ) mit V = {0, 1, . . . , 4} und E = {{i, j} ⊆ V | 2|(i − j)} I Liniennetz Nahverkehr Graph (ohne Zusatz) bedeutet im Folgenden immer endlich, ungerichtet und schlingenfrei (Darstellung einer symmetrischen irreflexiven Relation) 145 Repräsentationen endlicher Graphen Graph G = (V , E ) als Relation (extensionale oder intensionale) Angabe aller Elemente von V und E Diagramm des Graphen Adjazenzmatrix von G = (V , E ) mit V = {v1 , . . . , vn }: |V | × |V |-Matrix E = (eij )1≤i≤n mit 1≤j≤n eij = 1 wenn vi vj ∈ E 0 sonst (charakteristische Funktion der Relation E ⊆ V 2 ) Adjazenzliste von G = (V , E ): LG : V → 2V mit u ∈ LG (v ) gdw. (v , u) ∈ E 146 Spezielle Graphen Ordnung des Graphen (V , E ): Anzahl |V | der Ecken leerer Graph (V , E ) mit V = ∅ und E = ∅ Der Graph (V , E ) mit V = {v1 , . . . , vn } heißt isoliert: In = ({v1 , . . . , vn }, ∅) (n isolierte Ecken) vollständig: Kn = ({v1 , .. . , vn }, E ) mit E = V2 ) (n paarweise verbundene Ecken) Pfad: Pn = ({v1 , . . . , vn }, E ) mit E = {{vi , vi+1 } | i ∈ {1, . . . n − 1}} Kreis: Cn = ({v1 , . . . , vn }, E ) mit E = {{vi , vi+1 } | i ∈ {1, . . . n − 1}} ∪ {{vn , v1 }} 147 Graph-Isomorphie Für Graphen G = (VG , EG ) und H = (VH , EH ) heißt eine Bijektion f : VG −→ VH Isomorphismus gdw. ∀a, b ∈ VG ((f (a), f (b)) ∈ EH ↔ (a, b) ∈ EG ) Graphen G und H, zwischen denen ein Isomorphismus existiert, heißen isomorph (G ' H). Isomorphie ist Äquivalenzrelation auf Menge aller Graphen. Kn , In , . . . bezeichnen Äquivalenzklassen von Graphen bzgl. ' 148 Was bisher geschah Graph G = (V , E ) gerichtet E ⊆ V 2 ungerichtet ohne Schlingen: E ⊆ mit Schlingen: E ⊆ V 2 V 2 ∪ V 1 Graph (ohne Zusatz): ungerichtet ohne Schlingen Repräsentation eines Graphen G = (V , E ) durch I extensionale Beschreibung (der Relation E auf V ) I intensionale Beschreibung (der Relation E auf V ) I Diagramm I Adjazenzmatrix (charakteristische Funktion von E ⊆ V 2 ) I Adjazenzliste (Zuordnung Knoten 7→ Menge aller Nachbarn) Spezielle Graphen: In , Kn , Pn , Cn Isomorphie von Graphen (Äquivalenzrelation) 149 Teilgraph-Relationen Für Graphen G = (VG , EG ) und H = (VH , EH ) heißt H Teilgraph von G , gdw. VH ⊆ VG und EH ⊆ EG echter Teilgraph von G , gdw. H Teilgraph von G und H 6= G induzierter Teilgraph von G , gdw. VH ⊆ VG und EH = {{a, b} ∈ EG | {a, b} ⊆ VH } (Autotool: Beschränkung von G auf VH ) aufspannender Teilgraph von G , gdw. H Teilgraph von G und VH = VG Teilgraph-Relationen sind Halbordnungen 150 Operationen auf Graphen Für zwei Graphen G = (VG , EG ) und H = (VH , EH ): G ∪ H = (VG ∪ VH , EG ∪ EH ) G ∩ H = (VG ∩ VH , EG ∩ EH ) G ∗ H = (VG ∪ VH , EG ∪ EH ∪ (VG × VH )) für VG und VH disjunkt (ggf. Knoten umbenennen) spezielle Graphen: Km,n = Im ∗ In (vollständige bipartite Graphen) K1,n = I1 ∗ In (Sterne) Kn1 ,...,nm = In1 ∗ · · · ∗ Inm für m > 1 151 Komplementärgraph für G = (V , E ) und Eckenmenge U ⊆ V G − U = (V \ U, E \ {{u, v } | {u, v } ∩ U 6= ∅}) Für G = (V , E ) und Kantenmenge F ⊆ V 2 G − F = (V , E \ F ) Komplementärgraph zu G = (V , E ): V G = V, \ E = K|V | − E 2 G heißt selbstkomplementär gdw. G ' G Beispiele: P4 , C5 152 Nachbarschaft Ecken u, v ∈ V heißen im Graphen (V , E ) benachbart (adjazent) gdw. uv ∈ E unabhängig gdw. uv 6∈ E Nachbarschaft (Menge aller Nachbarn) einer Ecke v in G : NG (v ) = {u ∈ V | uv ∈ E } Ecke v ∈ V mit NG (v ) = ∅ heißt isoliert. Graph G = (V , E ) definiert Funktion gradG : V → N mit ∀a ∈ V : gradG (a) = |NG (a)| gradG (a) heißt Grad der Ecke a. (V , E ) heißt n-regulär (regulär) gdw. ∀a ∈ V : gradG (a) = n 153 Eckengrad in gerichteten Graphen Nachbarn in gerichteten Graphen G = (V , E ): I ∀v ∈ V : Ni,G (v ) = {u ∈ V | uv ∈ E } (in v eingehende Kanten) I ∀v ∈ V : No,G (v ) = {u ∈ V | vu ∈ E } (von v ausgehende Kanten) gerichteter Graph G = (V , E ) definiert Funktionen I gradi,G : V −→ N mit ∀a ∈ V : gradi,G (a) = |Ni,G (a)| gradi,G (a) heißt Eingangs-Grad der Ecke a. I grado,G : V −→ N mit ∀a ∈ V : grado,G (a) = |No,G (a)| grado,G (a) heißt Ausgangs-Grad der Ecke a. 154 Was bisher geschah Repräsentation eines Graphen G = (V , E ) durch I extensionale Beschreibung (der Relation E auf V ) I intensionale Beschreibung (der Relation E auf V ) I Diagramm I Adjazenzmatrix (charakteristische Funktion von E ) I Adjazenzliste (Zuordnung Knoten 7→ Menge aller Nachbarn) Spezielle Graphen: In , Kn , Pn , Cn , Km,n , K1,n , Kn1 ,...,nm Beziehungen zwischen Graphen: I Isomorphie (Äquivalenzrelation) I (induzierter, aufspannender) Teilgraph Operationen auf Graphen: ∪, ∩, ∗, Nachbarschaften und Eckengrade in (un)gerichteten Graphen n-reguläre Graphen 155 Pfade in Graphen Pfad im Graphen G : Teilgraph P von G , der für ein n ∈ N isomorph zu Pn ist. Pfad P = (V 0 , E 0 ) in G = (V , E ) ist eindeutig bestimmt durch I Menge E 0 ⊆ E der Kanten oder I Folge [v1 , . . . , vn ] der Ecken in V 0 ⊆ V Länge des Pfades = Anzahl der Kanten im Pfad z.B. Länge von P5 ist 4 Pfad von a nach b im Graphen G : Pfad p = [v1 , . . . , vn ] in G mit v1 = a und vn = b Maximaler Pfad in G bzgl. Teilgraph-Relation: Pfad P = (V 0 , E 0 ) ist maximaler Pfad in G = (V , E ) gdw. für alle Kanten ab ∈ E gilt: (V 0 ∪ {a, b}, E 0 ∪ {ab}) ist kein Pfad in G 156 Kreise in Graphen Kreis im Graphen G : Teilgraph C von G , der für ein n ∈ N isomorph zu Cn ist. echte Kreise: Cn mit n ≥ 3 Kreis C = (V 0 , E 0 ) in G = (V , E ) ist eindeutig bestimmt durch I Menge E 0 ⊆ E der Kanten oder I Folge [v1 , . . . , vn ] der Ecken in V 0 ⊆ V Länge des Kreises = Anzahl der Kanten im Kreis z.B. Länge von C5 ist 5 157 Wege in Graphen Weg w im Graphen G = (V , E ): Folge von Kanten w = [v1 v2 , . . . , vn vn+1 ] ∈ E ∗ (Kanten können mehrfach vorkommen) durch Folge der Ecken [v1 , . . . , vn+1 ] eindeutig bestimmt Weg von a nach b in G : Weg [v1 , . . . , vn ] in G mit v1 = a und vn = b Für jede Ecke v ∈ V ist [v ] ein Weg von v nach v Wege [v1 , . . . , vn ] mit v1 = vn heißen geschlossen 158 Zusammenhang in ungerichteten Graphen Transitive Hülle E ∗ ⊆ V 2 der Kanten-Relation E ⊆ V 2 heißt Zusammenhangsrelation im Graphen G = (V , E ) also: (u, v ) ∈ E ∗ (u und v sind in G zusammenhängend) gdw. ein Weg von u nach v in G existiert Für jeden ungerichteten Graphen G = (V , E ) ist E ∗ eine Äquivalenzrelation auf V . (Äquivalenzklassen [u]E ∗ sind Mengen von Knoten) Von den Äquivalenzklassen [u]E ∗ induzierte Teilgraphen von G heißen Zusammenhangskomponenten von G Graph G = (V , E ) heißt zusammenhängend gdw. G aus genau einer Zusammenhangskomponente besteht. 159 Zusammenhang in gerichteten Graphen Transitive Hülle E ∗ ⊆ V 2 der Kanten-Relation E ⊆ V 2 heißt Zusammenhangsrelation im Graphen G = (V , E ) also: (u, v ) ∈ E ∗ (u und v sind in G zusammenhängend) gdw. ein (gerichteter) Weg von u nach v in G existiert gerichteter Graph G = (V , E ) heißt stark zusammenhängend gdw. ∀(u, v ) ∈ V 2 : (u, v ) ∈ E ∗ schwach zusammenhängend gdw. der ungerichtete Graph G 0 = (V , E ∪ E −1 ) zusammenhängend ist starke Zusammenhangskomponenten von G : maximale stark zusammenhängende induzierte Teilgraphen von G schwache Zusammenhangskomponenten von G : Zusammenhangskomponenten von G 0 = (V , E ∪ E −1 ) 160 Eulerwege und -kreise Eulerweg in G = (V , E ): Weg w = [v1 v2 , . . . , vn vn+1 ] ∈ E ∗ in G , der jede Kante in E genau einmal enthält, d.h. I E = {e1 , . . . , en }, S I V = i∈{1,...,n} ei und I ∀i 6= j ∈ {1, . . . , n} : ei 6= ej Eulerkreis (geschlossener Eulerweg) in G = (V , E ): Eulerweg w = [e1 , . . . , en , e1 ] in G Satz 1. Ein Graph G = (V , E ) enthält genau dann einen geschlossenen Eulerweg, wenn er zusammenhängend ist und grad(v ) für jeden Knoten v ∈ V gerade ist. 2. Ein zusammenhängender Graph G = (V , E ) enthält genau dann einen Eulerweg, wenn er genau zwei oder keine Ecke ungeraden Grades enthält. 161 Multigraphen Wiederholung: ungerichteter Graph G = (V , E ) mit E ⊆ V2 z.B. G = ({a, b, c, d}, E ) mit der charakteristischen Funktion V 1 falls xy ∈ {ab, ac, bd, dc} χE : → {0, 1} mit χE (xy ) = 0 sonst 2 Multigraph G = (V , E ) mit Multimenge E : V2 → (statt Teilmenge χE : V2 → {0, 1} ) z.B. G 0 = ({a, b, c, d}, E 0 ) mit 1 falls xy = ab 2 falls xy ∈ {bd, dc} 0 E (xy ) = 4 falls xy = ac 0 sonst N (analog für gerichtete Graphen mit E : V 2 → Modellierungsbeispiele: N statt E : V 2 → {0, 1}) I Königsberger-Brücken-Problem (Eulerweg im Multigraphen) I Domino, z.B. für Steinmenge [1, 3], [2, 2], [1, 2], [2, 4], [1, 3], [1, 4] I Prozessketten 162 Hamiltonpfade und -kreise Hamiltonpfad in G = (V , E ): Pfad w = (v1 , . . . , vn ) in G mit V = {v1 , . . . , vn } Hamiltonkreis in G = (V , E ): Kreis w = (v1 , . . . , vn ) in G mit V = {v1 , . . . , vn } Beispiele: Cn , Kn für alle n ≥ 3 Anwendungen I Problem des Handlungsreisenden (TSP: Travelling Salesman Problem) I Logistik I Robotik I Hardware-Entwurf 163 Was bisher geschah I gerichtete / ungerichtete Graphen G = (V , E ) I Multigraphen I Darstellungen von Graphen I Spezielle Graphen: In , Kn , Pn , Cn , Km,n , K1,n , Kn1 ,...,nm I Beziehungen zwischen Graphen: Isomorphie, Teilgraph-Relationen I Operationen auf Graphen: ∪, ∩, ∗, I Nachbarschaften und Eckengrade in Graphen, n-reguläre Graphen I Zusammenhangs-Relation E ∗ auf G = (V , E ) (Erreichbarkeit) Zusammenhangskomponenten: Äquivalenzklassen bzgl. E ∗ I Pfade, Kreise, Wege in Graphen I Eulerwege, Eulerkreise (geschlossene Euler-Wege) I Hamiltonpfade, Hamiltonkreise 164 Gefärbte (markierte) Graphen Graph G = (V , E ) Menge CV von Eckenmarkierungen, Menge CE von Kantenmarkierungen Eckenfärbung von G : f : V → CV Kantenfärbung von G : f : E → CE zur Modellierung z.B.: I Linennetzplan mit CE = Fahrzeiten zwischen Stationen I Straßennetz mit CE = Entfernung (Kosten) (TSP: Hamilton-Kreis mit geringsten Kosten gesucht) I Straßennetz mit CE = Höchstgeschwindigkeit I Spielplan mit CV = Ereignisfeld-Beschreibung I Spielplan mit CE = Straßen-Bebauungszustand I Ablauf-Graphen mit CE = Options-Auswahl (z.B. Spielzug) I Formelbaum mit CV = Junktoren und Aussagevariablen I Multigraphen mit CE = \ {0} N 165 Eckenfärbung Graph G = (V , E ), Farben {1, . . . , n} f : V → {1, . . . , k} heißt (konfliktfreie) k-Färbung für G gdw. ∀u ∈ V ∀v ∈ V (f (u) = f (v ) → uv 6∈ E ) (für keine Kante {u, v } ∈ E gilt f (u) = f (v )) Jede Eckenfärbung f : V → {1, . . . , n} definiert eine Zerlegung der Eckenmenge V {f −1 (i) | i ∈ {1, . . . , n}} G = (V , E ) heißt k-färbbar gdw. k-Färbung für G existiert. Beispiele: I C5 ist 5- ,4- und 3-färbbar, aber nicht 2-färbbar I K3,3 ist 2-färbbar, I I2 ∗ I2 ∗ I1 ist 3-färbbar, aber nicht 2-färbbar Anwendungen z.B. bei I Register-Zuteilung (Übersetzerbau) I Sudoku 166 Chromatische Zahl chromatische Zahl des Graphen G : χ(G ) = min{k | G ist k-färbbar } Beispiele: I χ(C5 ) = 3 I für alle n ∈ I für alle n > 1 gilt χ(Pn ) = 2 I für alle n > 2 gilt N gilt χ(Kn ) = n I für alle n ∈ N gilt χ(In ) = 1 χ(Cn ) = I 2 falls n ≡ 0 3 falls n ≡ 1 mod 2 mod 2 für min(m, n) ≥ 1 gilt χ(Km,n ) = 2 167 Bipartite Graphen Ein Graph G = (V , E ) heißt bipartit gdw. eine Zerlegung {V0 , V1 } von V (d.h. V0 ∩V1 = ∅ und V0 ∪ V1 = V ) mit V20 ∪ V21 ∩ E = ∅ existiert. Beispiele: N I Pn für alle n ∈ I Km,n für alle m, n ∈ I kein Kn für n > 2 I Cn für alle n ≥ 1 mit n ≡2 0 N Ein Graph ist genau dann bipartit, wenn er 2-färbbar ist. Ein Graph G = (V , E ) ist genau dann bipartit, wenn ein Km,n = (V , E 0 ) existiert, so dass E ⊆ E 0 ist. 168 Anwendung bipartiter Graphen Modellierung von Zuordnungen, z.B. I Sprachkenntnisse zu Personen I Personen zu Arbeitskreisen I Getränke-Angebot zu Restaurants I Aufgaben zu Mitarbeitern mit unterschiedlichen Qualifikationen I Flugzeuge zu Piloten mit Ausbildung auf verschiedenen Flugzeugtypen 169 Baum-Strukturen I Hierarchien I Komponenten-Strukturen I Familien-Stammbäume I Enscheidungsbäume I Formeln, arithmetische Ausdrücke sind spezielle Graphen I zusammenhängend I enthalten keine Kreise 170 Ungerichtete Bäume G = (V , E ) heißt Baum, wenn I G zusammenhängend ist und I kein Teilgraph von G ein echter Kreis ist. G = (V , E ) heißt Wald, wenn kein Teilgraph von G ein echter Kreis ist. v ∈ V mit grad(v ) ≤ 1 heißt Blatt Jeder Baum mit mindestens 2 Ecken hat mindestens 2 Blätter. In jedem Baum G = (V , E ) gilt |V | = |E | + 1 171 Charakterisierung der Bäume Für jeden Graphen G = (V , E ) sind folgenden Aussagen äquivalent: 1. G ist ein Baum. 2. Zwischen je zwei Ecken u, v ∈ V existiert genau ein Pfad in G . 3. G ist minimal zusammenhängend. (G ist zusammenhängend und für jede Kante uv ∈ E ist (V , E \ {uv }) nicht zusammenhängend) 4. G ist maximal kreisfrei. (G enthält keinen echten Kreis und für jede Kante uv ∈ V2 \ E enthält (V , E ∪ {uv }) einen echten Kreis) 172 Gerichtete Bäume Gerichteter Baum: gerichteter Graph G = (V , E ) mit 1. G enthält keinen Kreis als Teilgraphen 2. Es existiert genau ein v ∈ V mit gradi,G (v ) = 0 3. ∀u ∈ V u 6= v → gradi,G (u) = 1 (Wurzel) Modellierung durch gerichtete Bäume, z.B. I Hierarchien, Klassifikationen I Verzeichnis-Strukturen I Abstammung I Entscheidungsbäume I Wege in Graphen I Ableitungsbäume für Sprachen 173 Gerüste Teilgraph H von G heißt Gerüst (Spannbaum) von G , falls I H ein Baum und I H ein aufspannender Teilgraph von G ist. Beispiele: I P5 in K5 I K1,4 in K5 I G für jeden Baum G I I3 hat kein Gerüst I P2 ∪ K4 hat kein Gerüst Ein Graph G ist genau dann zusammenhängend, wenn G ein Gerüst besitzt. (mehr dazu in LV Algorithmen und Datenstrukturen im 2. Semester) 174 Was bisher geschah Modellierung von Aussagen durch logische Formeln Daten durch Mengen, Multimengen, Folgen, Sprachen Zusammenhängen und Eigenschaften von Elementen von Mengen durch Relationen (Eigenschaften von Relationen) Spezielle binäre Relationen (QO, ÄR, HO, LO) Darstellung binärer Relationen durch Graphen Zuordnungen zwischen Elementen von Mengen durch Funktionen (Eigenschaften von Funktionen) 175 Wiederholung: Modellierung in Prädikatenlogik Grundannahme: Die zu modellierende Welt besteht aus Individuen, die Eigenschaften haben und zueinander in Beziehungen (Relationen, Funktionen) stehen. Prädikatenlogik zur Formalisierung von Aussagen über Eigenschaften oder Beziehungen von Individuen aus algebraischen Strukturen 175 Wiederholung: Prädikatenlogische Aussagen Personen sind Geschwister, wenn sie dieselbe Mutter oder denselben Vater haben. I A ist genau dann Nachfahre von B, wenn B A’s Vater oder A’s Mutter ist oder ein Elternteil von A Nachfahre von B ist. I Nachfahren derselben Person sind verwandt. I Individuenbereich: Menge von Personen Beziehungen: ist-Nachfahre-von, sind-verwandt, sind-Geschwister Funktionen: Mutter-von, Vater-von Primzahlen sind genau diejenigen natürlichen Zahlen, die genau zwei verschiedene Teiler haben. I Gerade Zahlen sind genau diejenigen natürlichen Zahlen, die durch zwei teilbar sind. I Es existieren gerade Primzahlen. I Nachfolger ungerader Primzahlen sind nicht prim. I Das Quadrat jeder geraden Zahl ist gerade. Individuenbereich: Menge aller natürlichen Zahlen Eigenschaften: prim, gerade Beziehung: teilt | Funktionen: Nachfolger, Quadrat I N 175 Algebraische Strukturen – Beispiele (Träger-)Mengen (Individuenbereiche) mit Relationen (Eigenschaften, Beziehungen) und Funktionen (Operationen) auf den Elementen, z.B. I Menge aller Personen Relationen: ist-älter-als, sind-Geschwister (zweistellig) einstellige Relationen (Eigenschaften): blond Funktion (einstellig): Mutter-von I Menge aller natürlichen Zahlen Relationen: ≥ (zweistellig), | (teilt, zweistellig) einstellige Relationen (Eigenschaften): prim, gerade Funktionen: Nachfolger (einstellig), + (zweistellig) I Menge 2 aller Punkte der Ebene Relationen: hat-kleineren-Abstand-von-0 (zweistellig), bilden-gleichseitiges-Dreieck (dreistellig) Funktionen: verschieben (einstellig), Mittelpunkt (zweistellig) I Menge A∗ aller endlichen Wörter über Alphabet A Relation: Anfangswort, lexikographische Ordnung (zweistellig) Funktion: Verkettung (zweistellig) N R 176 Algebraische Strukturen – mehr Beispiele Darstellung algebraischer Strukturen A = (A, f1 , . . . , fm , R1 , . . . , Rn ) mit I (nicht-leerer) Trägermenge A, I (endlicher) Menge von Funktionen f1 , . . . , fm I (endlicher) Menge von Relationen R1 , . . . , Rn algebraische Strukturen (ohne Funktionen) kennen wir schon, z.B. I Äquivalenzrelationen, z.B. ( , =), (AL(P), ≡), (Menge aller Graphen, ') I Halbordnungen, z.B. ( , ≤),( , |), (2X , ⊆), ( , ≡ mod n), (Menge aller Graphen, Teilgraph-Relation) I Graphen. z.B. V = {0, 1, 2, 3, 4}, E = {(0, 1), (1, 2), (1, 3), (2, 0), (2, 4), (3, 2), (3, 4), (4, 1)}, (V , E ) mit V = {a, b, c}, E = ∅ , (V , E ) mit V = {0, 1, 2, 3}, E = V 2 \ {(x, x) | x ∈ V } N Z N Z 177 Relationale Strukturen Eine relationale Struktur A = (A, {Ri | i ∈ I }) besteht aus I einer nichtleeren Menge A und I einer Menge von Relationen Ri ⊆ Ani (je mit Stelligkeit ni ) Beispiele: N I ( , |, ≤) I ({0, 1}, ≤, =) I (2A , ⊆) I (A∗ , v) I Menge aller endlichen Graphen mit ' und Teilgraph-Relationen 178 Beispiel Wortstrukturen (Pfade mit Kantenfärbung) Symbole (Buchstaben) aus Alphabet A Wort w ∈ A∗ : endliche Folge von Symbolen aus A Jedes Wort w ∈ A∗ definiert die Struktur Sw = ({0, . . . , |w |}, {Rx | x ∈ A}) mit I Trägermenge {0, . . . , |w |} I für jedes Symbol x ∈ A die Relation Rx = {(i − 1, i) | i ∈ {1, . . . , |w |} ∧ wi = x} darstellbar als Graph mit I Eckenmenge V = {0, . . . , |w |} I Kantenmenge E = {i − 1, i) | i ∈ {1, . . . , |w |}} I Kantenfärbung w : E → A Beispiel: babaab ∈ {a, b}, definiert die Struktur b a b a a b 0 1 2 3 4 5 6 Anwendung bei endlichen Automaten (LV Theoretische Informatik im 3. Semester) 179 Algebraische Strukturen – noch mehr Beispiele (funktionale) algebraische Strukturen (Algebren) aus den Mathematik-LV: Halbgruppe , z.B. ( , +), (2 , ·), (2X , ∪) Monoid , z.B. ( , ·, 1), ( , +, 0), (2X , ∪, ∅), Gruppe , z.B. ( , +, 0), ( n , +, 0), ( n , ·, 1) für Primzahl n ∗ Halbring , z.B. (2 , +, ·), ({0, 1}, XOR, ·), (2(A ) , ∪, ◦) Ring , z.B. ( , +, ·, 0, 1), ( n , +, ·, 0, 1) für Primzahl n Körper , z.B. ( , +, ·, 0, 1), ( n , +, ·, 0, 1) für Primzahl n Boolesche Algebra z.B. ({0, 1}, min, max, x 7→ 1 − x, 0, 1), (2X , ∩, ∪, , ∅, X ) Vektorraum n : Skalare , Vektoren n Funktionen, z.B. skalare Addition, Multiplikation Vektoraddition, Skalarprodukt Kombinationen (allgemeine algebraische Strukturen) z.B. halbgeordnete Gruppe ( , +, 0, ≤) N N Z Z Z Q R Z N Z Z Z Z R R Z 180 Algebren (Strukturen ohne Relationen) Eine Algebra A = (A, {fi | i ∈ I }) besteht aus I einer Menge A 6= ∅ und I einer Menge von Funktionen fi : Ani → A (je mit Stelligkeit ni ) wobei A unter jeder Funktion fi (algebraisch) abgeschlossen ist. Beispiele: N I ( , +, ·, s, 0) mit einstelliger Nachfolgerfunktion s I ({0, . . . , 7}, +, 0) ist keine Algebra, weil {0, . . . , 7} nicht unter + abgeschlossen (z.B. 4 + 5 6∈ {0, . . . , 7}) I ( , −) ist keine Algebra, weil I ({0, 1}, min, max) I ({0, 1}, XOR, ·) I (2M , ∪, ∩, \, ∅) N N nicht unter − abgeschlossen Menge aller (endlichen) Graphen unter ∪, ∗ I {M ∈ 2N | |M| ∈ }, ∪, ∩ (Menge aller endlichen Teilmengen von ) aber nicht {M ∈ 2N | |M| ∈ }, , weil z.B. |{1, 4}| 6∈ I N N N N 181 Algebraische Strukturen desselben Types A Menge {0, 1} mit I Konstanten 0, 1 I Funktionen min, max (zweistellig) I Eigenschaft gerade I Relation ≤ (zweistellig) B Menge aller Studenten im Raum mit I Konstanten Anton, Berta I Funktionen Älterer, kleinere-Matrikelnummer(zweistellig) I Eigenschaft blond I Relation befreundet (zweistellig) C Menge 2N mit I Konstanten ∅, I Funktionen ∩, ∪ (zweistellig) I Eigenschaft endlich I Relation ⊆ (zweistellig) N 182 Signaturen (syntaktische) Gemeinsamkeiten der Strukturen A, B, C: I eine Trägermenge I zwei Konstanten (nullstellige Funktionen) I zwei zweistellige Funktionen I eine Eigenschaft (einstellige Relation) I eine zweistellige Relation Bezeichnung der Relationen und Funktionen durch Symbole (mit zugeordneter Stelligkeit): Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit Mengen ΣF = {(f , n) | n ∈ } von Funktionssymbolen (mit Stelligkeit) ΣR = {(R, n) | n ∈ } von Relationssymbolen (mit Stelligkeit) (nullstellige Funktionssymbole heißen Konstantensymbole) Signatur definiert einen Typ von Strukturen (Symbol-Syntax) Strukturen mit derselben Signatur unterscheiden sich in der Semantik der Symbole: I Trägermengen I Bedeutung der Funktions- und Relationssymbole N N 183 Beispiele für Signaturen I Signatur für arithmetische Ausdrücke über natürlichen, rationalen, reellen, . . . Zahlen ΣF = {(+, 2), (−, 2), (·, 2), (/, 2)} ∪ {(x, 0) | x ∈ } (je ein nullstelliges Symbol (Konstante) für jede Zahl aus der Trägermenge, hier z.B. ) ΣR = ∅ N N I Signatur für Mengen mit einer zweistelligen Relation (Äquivalenzrelation, Halbordnung, Graph) ΣF = ∅, ΣR = {(R, 2)} I Signatur für aussagenlogische Formeln ΣF = {(∨, 2), (∧, 2), (¬, 1), (f, 0), (t, 0)}, ΣR = {(=, 2), (≡, 2), (erfuellbar, 1)} I Signatur für alle drei Strukturen A, B, C (Folie 182) ΣF = {(apfel, 0), (banane, 0), (kirsche, 2), (pflaume, 2)} ΣR = {(rettich, 1), (tomate, 2)} 184 Σ-Strukturen Für Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) heißt eine algebraische Struktur A = (A, J·KA ) Σ-Struktur gdw. I A 6= ∅ Trägermenge (Individuenbereich, Universum) I ∀(f , n) ∈ ΣF : Jf KA : An → A I ∀(R, n) ∈ ΣR : JRKA ⊆ An (bzw. JRKA : An → {0, 1} ) J·KA ordnet jedem Funktions- und Relationssymbol seine Bedeutung in A (Funktion / Relation passender Stelligkeit) zu. Beispiel: für die Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣR = {(R, 2)} und ΣF = {(f , 2), (c, 0)} sind z.B. I I N A = ( , J·KA ) mit JcKA = 0, ∀(x, y ) ∈ 2 : Jf KA (x, y ) = x + y , JRKA = {(x, y ) ∈ 2 | x|y } Q N N B = ( , J·KB ) mit JcKB = 31/23, ∀(x, y ) ∈ 2 : Jf KB (x, y ) = x · y , JRKB = {(x, y ) ∈ 2 | x ≤ y } Q Q Σ-Strukturen 185 Weitere Beispiele für Σ-Strukturen I I für die Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = ∅ und ΣR = {(Q, 2)} ist der gerichtete Graph G = (V , JQKG ) mit V = {1, 2, 3} und JQKG = {(1, 1), (2, 3), (2, 1)} eine Σ-Struktur für die Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(apfel, 0), (banane, 0), (kirsche, 2), (pflaume, 2)} ΣR = {(rettich, 1), (tomate, 2)} sind z.B. die folgenden Strukturen Σ-Strukturen: I I A = ({0, 1}, J·KA ) mit JapfelKA = 0, JbananeKA = 1 ∀(x, y ) ∈ {0, 1} : JkirscheKA (x, y ) = min(x, y ) ∀(x, y ) ∈ {0, 1} : JpflaumeKA (x, y ) = max(x, y ), JrettichKA = {0}, JtomateKA = {(0, 0), (0, 1), (1, 1)} C = (2N , J·KC ) mit JapfelKC = ∅, JbananeKC = ∀(x, y ) ∈ 2N : JkirscheKC (x, y ) = x ∩ y , ∀(x, y ) ∈ 2N : JpflaumeKC (x, y ) = x ∪ y , JrettichKC = {M ⊂ | M endlich}, ∀(x, y ) ∈ 2N : (x, y ) ∈ JtomateKC ↔ x ⊆ y N N 186 Was bisher geschah Modellierung von Aussagen durch logische Formeln Daten durch Mengen, Multimengen, Folgen, Sprachen Zusammenhängen und Eigenschaften von Elementen von Mengen durch Relationen Zuordnungen zwischen Elementen von Mengen durch Funktionen im Zusammenhang in (algebraischen) Strukturen Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) definiert Symbole und Stelligkeiten (Syntax) Σ-Struktur A = (A, J·KA ) mit (Semantik) I A 6= ∅ Trägermenge (Individuenbereich, Universum) I ∀(f , n) ∈ ΣF : Jf KA : An → A (Bedeutung der Funktionssymbole) I ∀(R, n) ∈ ΣR : JRKA ⊆ An (Bedeutung der Relationssymbole) 187 Wiederholung Signaturen Definition der Symbole für Individuen (Konstanten) sowie deren Eigenschaften und Beziehungen (Relationen, Funktionen) Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit Mengen ΣF = {(f , n) | n ∈ } von Funktionssymbolen (mit Stelligkeit) ΣR = {(R, n) | n ∈ } von Relationssymbolen (mit Stelligkeit) N N Beispiele: I Σ = (ΣF , ΣR ) mit √ ΣF = {(+, 2), ( , 1), (1, 0), (7, 0)} und ΣR = {(≤, 2), (prim, 1)} I Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(Mutter − von, 1)} und ΣR = {(weiblich, 1), (verheiratet, 2), (Kind − von, 2), (=, 2)} I Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(☼, 2), ($, 2)} und ΣR = ∅ 188 Wiederholung Strukturen – Beispiel Halbring klassische Definition (Menschen-lesbar): Eine algebraische Struktur (A, ☼, $) heißt genau dann Halbring, wenn sie die folgenden Bedingungen erfüllt: I I (A, ☼) und (A, $) sind Halbgruppen und $ ist distributiv über ☼ formale Definition (maschinell zu verarbeiten): Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit Axiome (Anforderungen) ( ∧ ( ∀x∀y ∀z ∧ ( ∧ ( prominente Halbringe: A = ( , J·KA ) B = (2 , J·KB ) C = ({0, 1}, J·KC ) D = (2M , J·KD ) ∗ E = (2{a,b} , J·KE ) F = ( ∪ {+∞}, J·KF ) N Z R mit mit mit mit mit mit ΣF = {(☼, 2), ($, 2)}, ΣR = {(=, 2)} x☼(y ☼z) = (x☼y )☼z ) x$(y $z) = (x$y )$z ) x$(y ☼z) = (x$y )☼(x$z) ) (x☼y )$z = (x$z)☼(y $z) ) J☼KA = + J☼KB = + J☼KC = max J☼KD = ∪ J☼KE = ∪ J☼KF = min und und und und und und J$KA = · J$KB = · J$KC = min J$KD = ∩ J$KE = ◦ J$KF = + 189 Mehrsortige Strukturen Modellierung von Strukturen mit verschiedenen Sorten (Trägermengen, Typen) = {Si | i ∈ I } von Elementen Beispiele mehrsortiger Strukturen: S I Sorten: Menschen, Bücher Relation: A ⊆ Menschen × Bücher wobei (m, b) ∈ A gdw. m ist Autor von b I Sorten: Menschen, , Orte Relation: B ⊆ Menschen × × Orte wobei (m, j, o) ∈ B gdw. m wurde im Jahr j in o geboren I Vektorraum mit Sorten: Skalar, Vektor Operationen, z.B. smult: Skalar × Vektor → Vektor Relationen, z.B. gleichlang ⊆ Vektor × Vektor I Stapel (von Elementen, z.B. Bücher, Teller, Zahlen, . . . ) mit Sorten: Bool, Element, StapelhElementi (polymorph) Operationen, z.B. push: StapelhElementi× Element → StapelhElementi Relationen, z.B. ist-leer ⊆ StapelhElementi N N 190 Mehrsortige Signaturen S mehrsortige Signatur Σ = ( , ΣF , ΣR ) besteht aus S ΣF ΣR = {Si | i ∈ I }: Menge der Sorten : Menge der Funktionssymbole mit Argument- und Ergebnistypen (f : : Menge der Relationssymbole mit Argumenttypen (s ⊆ ∗ ) S∗ → S) S Beispiel: Bücher mit Autoren und Erscheinungsjahr Z Sorten B (Bücher), P (Personen), (Jahreszahlen), 2B (Mengen von Büchern), also = {B, P, , 2B } Funktionssymbole (mit Argument-und Ergebnistypen): :B → Erscheinungsjahr erstes − Buch − von :P →B ΣF = gemeinsame − Buecher − von : P 2 → 2B S Z Z Relationen (mit Argumenttypen): ist − Autor − von ⊆ P × B ΣR = sind − Coautoren ⊆ P 2 191 Mehrsortige Σ-Strukturen S gegeben: mehrsortige Signatur Σ = ( , ΣF , ΣR ) S mehrsortige Σ-Struktur A = ({AS | S ∈ }, J·KA ) mit S I für jede Sorte S ∈ eine nichtleere Menge AS (Trägermenge, Universum der Sorte) I für jedes Funktionssymbol f : S1 . . . Sn → S eine Funktion Jf KA : AS1 × . . . × ASn → AS I für jedes Relationssymbol R ⊆ S1 × . . . × Sn eine Relation JRKA ⊆ AS1 × . . . × ASn 192 Mehrsortige Strukturen in der Informatik Programmierung: Datentypen (Sorten) int, float, bool, string mit Operationen (Signatur), z.B.: floor duplicate len > : : : : float string × int string float × float → → → → int string int bool Datenbanken: Tabellen sind extensionale Darstellungen (meist) mehrsortiger Relationen 193 Charakterisierung algebraischer Strukturen Algebraische Strukturen sind eindeutig definiert durch Trägermengen (Typen, Sorten), z.B. {0, 1}, , {a, b}∗ , 2M Funktionen (Operationen), z.B. len : {a, b}∗ → , + : N 2 → , ◦ : ({a, b}∗ )2 → {a, b}∗ , 0 ∈ , ε ∈ {a, b}∗ , ∅ ∈ 2M Relationen , z.B. ≤ ⊆ 2 , prim ⊆ , v ⊆ ({a, b}∗ )2 , Zusammenhänge zwischen Funktionen und Relationen, z.B. N N N3 ∀x ∈ N ∀(x, y ) ∈ N2 ∀(x, y , z) ∈ N N N N : (x + y ) + z = x + (y + z) : x +0=x : x +y =y +x ∀u ∈ {a, b}∗ : (len(u) = 0) ↔ (u = ε) ∀(u, v ) ∈ ({a, b}∗ )2 : len(u ◦ v ) = len(u) + len(v ) ∀(u, v ) ∈ ({a, b}∗ )2 : (u v v ) → (len(u) ≤ len(v )) 194 Formale Darstellung algebraischer Strukturen (abstrakte Algebra, abstrakter Datentyp, ADT) I I I I I S Signatur Σ = ( , ΣF , ΣR ) mit S Menge von Sortensymbolen, Menge ΣF von Funktionssymbolen mit Stelligkeit / Typdeklaration Menge ΣR von Relationssymbolen mit Stelligkeit / Typdeklaration Menge von Axiomen beschreibt Zusammenhänge zwischen den Symbolen (meist prädikatenlogische Formeln, Gleichungen) ADT zur Definition von Software-Schnittstellen: Festlegung der Syntax in Sorten und Signatur (z.B. Java-Interfaces) Semantik (Anforderungen an Implementierung) in Axiomen 195 Terme Beispiele: für Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(3, 0), (5, 0), (+, 2), (·, 2)} und ΣR = {(>, 2)} und Menge = {x, y , z} X I Ausdrücke 3 + x, 5, y , ((y + 5) · (3 · x)) + x sind korrekt aus Symbolen aus ΣF und zusammengesetzt I Ausdrücke 3x+, +5, 3(x + y ), (3x5) + z sind nicht korrekt aus Symbolen aus ΣF und zusammengesetzt X X Definition (induktiv) X Die Menge Term(ΣF , ) aller Terme über der (funktionalen) Signatur ΣF mit Variablen aus der Menge ist definiert durch: IA Jede Variable x ∈ X X ist ein Term. (X ⊆ Term(ΣF , X)) IS Sind (f , n) ∈ ΣF (f ist n-stelliges Funktionssymbol) und t1 , . . . , tn Terme aus Term(ΣF , ), dann ist f (t1 , . . . , tn ) ein Term aus Term(ΣF , ). X X verschiedene Darstellungen von Termen möglich, z.B. Baum, Infix-, Präfix-, Postfixform 196 Grundterme Terme ohne Variablen heißen Grundterme. Term (ΣF , ∅) ist Menge aller Grundterme über Signatur ΣF Beispiele: für ΣF = {(f , 1), (g , 2), (h, 2), (c, 0)} und = {x, y , z} gilt c ∈ Term(ΣF , ∅) ⊆ Term(ΣF , ) (Grundterm) (kein Grundterm) z ∈ Term(ΣF , ), aber z 6∈ Term(ΣF , ∅) f (c) ∈ Term(ΣF , ∅) ⊆ Term(ΣF , ) h(f (x), c) ∈ Term(ΣF , ), aber h(f (x), c) 6∈ Term(ΣF , ∅) f 6∈ Term(ΣF , ), h(c) 6∈ Term(ΣF , ), x(c) 6∈ Term(ΣF , ) X X X X X X X X Warum gilt für alle Signaturen ΣF ohne Konstantensymbole Term (ΣF , ∅) = ∅? (ÜA) 197 Spezialfall: aussagenlogische Formeln Terme über der funktionalen Signatur ΣF = {(t, 0), (f, 0), (¬, 1), (∨, 2), (∧, 2), (→, 2), (↔, 2)} mit Aussagenvariablen aus P sind genau alle aussagenlogischen Formeln ϕ ∈ AL(P) Für diese Signatur ΣF gilt also AL(P) = Term(ΣF , P) Beispiele: für P = {a, b, c, d} I a ∨ (c → b) ∈ AL(P) = Term(ΣF , P) I (b → t) ∧ (b → f) ∈ AL(P) = Term(ΣF , P) I (a¬b) ∧ (b → f) 6∈ AL(P) = Term(ΣF , P) I (f → t) ∈ AL(P) = Term(ΣF , P), sogar (f → t) ∈ AL(∅) = Term(ΣF , ∅) 198 Mehr Beispiele I I Q für ΣF = {(+, 2), (−, 2), (·, 2), (/ 2)} ∪ {(q, 0) | q ∈ } ist Term(ΣF , ∅) die Menge aller arithmetischen Ausdrücke (Terme) mit rationalen Zahlen (z.B. 3/5+1/4), Term(ΣF , {a, b, c}) die Menge aller arithmetischen Ausdrücke (Terme) mit rationalen Zahlen und Variablen aus der Menge {a, b, c} (z.B. (3 · a) + ((2 · b)/c)), ΣF = {(apfel, 0), (banane, 0), (kirsche, 2), (pflaume, 2)} I I I I apfel ∈ Term(ΣF , ∅), Grundterm kirsche (x, pflaume(y , banane)) ∈ Term(ΣF , {x, y , z}) kein Grundterm banane(apfel(pflaume, kirsche(pflaume))) 6∈ Term(ΣF , pflaume(apfel, kirsche(banane, apfel)) ∈ Term(ΣF , ∅) X) 199 Größe von Termen Für jeden Term t ∈ Term(ΣF , definiert durch: IA falls t = x ∈ X) ist seine Größe size(t) (induktiv) X, dann size(t) = 1 IS falls t = f (t1 , . . . , tn ), dann size(t) = 1 + n X size(ti ) i=1 Beispiele für ΣF = {(f , 1), (g , 2), (h, 2), (c, 0)} und I size(c) = 1 I size(z) = 1 I size(f (c)) = 2 I size(h(f (x), c)) = 4 X = {x, y , z}: 200 Menge aller Variablen in einem Term X Für jeden Term t ∈ Term(ΣF , ) ist die Menge var(t) aller in t vorkommenden Variablen (induktiv) definiert durch: IA: falls t = x ∈ X (Variable), dann var(t) = {x} IS: falls t = f (t1 , . . . , tn ) mit (f , n) ∈ ΣF , dann var(t) = var(t1 ) ∪ · · · ∪ var(tn ) Beispiel: Für t = f (g (x, a), g (f (a, y ), x)) gilt var(t) = {x, y } 201 Wert von Grundtermen in Strukturen gegeben: funktionale Signatur ΣF = {(f , n) | n ∈ Σ-Struktur A = (A, J·KA ) N} Definition (induktiv) Der Wert des ΣF -Grundtermes t = f (t1 , . . . , tn ) ∈ Term(ΣF , ∅) in der ΣF -Struktur A = (A, J·KA ) ist JtKA = Jf KA (Jt1 KA , . . . , Jtn KA ) Fehlt hier der Induktionsanfang? nein, ist als Spezialfall enthalten: Für Terme t = c mit (c, 0) ∈ ΣF (Konstante) gilt JtKA = JcKA (Bedeutung der Konstante c in A, gegeben in Definition von A) 202 Beispiel Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(apfel, 0), (banane, 0), (kirsche, 2), (pflaume, 2)} ΣR = {(rettich, 1), (tomate, 2)} s = apfel t = pflaume(apfel, kirsche(banane, apfel)) Σ-Struktur A = (A, J·KA ) mit A = N JapfelKA = 5 für alle (x, y ) ∈ für alle (x, y ) ∈ A2 : A2 : JbananeKA = 3 JkirscheKA (x, y ) = x + y JpflaumeKA (x, y ) = x · y JrettichKA = {0, . . . , 10} JtomateKA = {(2n, n) | n ∈ JsKA = JapfelKA = 5 JtKA = . . . N} 203 Weiteres Beispiel s = apfel t = pflaume(apfel, kirsche(banane, apfel)) Σ-Struktur B = (B, J·KB ) mit B = {0, 1} JapfelKB = 0 für alle (x, y ) ∈ B 2: JbananeKB = 1 JkirscheKB (x, y ) = min(x, y ) für alle (x, y ) ∈ B 2 : JpflaumeKB (x, y ) = max(x, y ) JrettichKB = {0} JtomateKB = {(0, 0), (0, 1), (1, 1)} JsKB = JapfelKB = 0, JtKB = . . . 204 Weiteres Beispiel s = apfel t = pflaume(apfel, kirsche(banane, apfel)) Σ-Struktur C = (C , J·KC ) mit C = Menge aller Studenten hier JapfelKC = Student hinten rechts für alle (x, y ) ∈ C 2: JbananeKC = Student daneben JkirscheKC (x, y ) = x für alle (x, y ) ∈ C 2 : JpflaumeKC (x, y ) = y JrettichKC = {x ∈ C | x ist blond} JtomateKC = {(x, y ) ∈ C 2 | x hilft y } JsKC = JapfelKC = Student hinten rechts JtKC = . . . 205 Noch ein Beispiel s = apfel t = pflaume(apfel, kirsche(banane, apfel)) Σ-Struktur D = (D, J·KD ) mit D = 2N JapfelKD = ∅ JbananeKD = N für alle M, N ∈ D: JkirscheKD (M, N) = M ∩ N für alle M, N ∈ D: JpflaumeKD (M, N) = M ∪ N JrettichKD = {M ⊆ N | |M| ∈ N} JtomateKD = {(M, N) ∈ D 2 | M ⊆ N} JsKD = JapfelKD = ∅, JtKD = . . . 206 Äquivalenz von Grundtermen in einer Struktur ΣF -Grundterme s, t ∈ Term(ΣF , ∅) mit JsKA = JtKA heißen äquivalent in A (s ≡A t). In den Beispielen oben gilt s 6≡A t s ≡B t s 6≡C t s ≡D t schon bekannter Spezialfall: semantische Äquivalenz aussagenlogischer Formeln (ohne Aussagenvariablen) ist Äquivalenz in der Struktur S = ({0, 1}, max, min, x 7→ 1 − x, 0, 1) (Wahrheitswertstruktur) 207 Was bisher geschah zusammenhängende Modellierung von Mengen von Individuen (evtl. verschiedener Typen) Funktionen auf Individuen dieser Mengen Relationen zwischen Individuen dieser Mengen in (algebraischen) Strukturen klare Unterscheidung zwischen Syntax: Symbole zur formalen (maschinell zu verarbeitenden) Darstellung von Sorten (Typen, Mengen), Individuen, Funktionen und Relationen Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) Terme über der Signatur ΣF : Term(ΣF , ) Spezialfall Grundterme (ohne Variablen) strukturelle Induktion über Terme (Definition von Funktionen, Nachweis von Eigenschaften) X Semantik: Σ-Strukturen definieren Bedeutung der Symbole aus Σ Wert von Grundtermen in Σ-Strukturen (induktiv) Äquivalenz von Grundtermen in Σ-Strukturen 208 Interpretation von Terme mit Variablen gegeben: I Signatur Σ = (ΣF , ΣR ), I Variablenmenge I Σ-Struktur A = (A, J·KA ) I t ∈ Term(ΣF , X X) Welchen Wert (Individuum) in A haben Variablen x ∈ X X? Belegung β : → A der Individuenvariablen (ordnet jeder Variablen einen Wert aus dem Träger von A zu) Eine Interpretation für einen Term t ∈ Term(ΣF , (A, β) aus I I X) ist ein Paar einer Σ-Struktur A = (A, J·KA ) und einer Belegung β : X → A. 209 Beispiele Term s = f (g (x, a), g (f (a, y ), x)) über der Signatur Σ = . . . I N Interpretation (A, α) mit Σ-Struktur A = ( , J·KA ), wobei JaKA = 1 Jf KA (x, y ) = x + y Jg KA (x, y ) = x · y N I und Variablenbelegung α : {x, y } → , wobei α(x) = 2 und α(y ) = 1 Interpretation (B, β) mit Σ-Struktur B = (2{a,b,c} , J·KB ): JaKB = {b, c} Jf KB (x, y ) = x \ y Jg KB (x, y ) = x ∪ y und Variablenbelegung β : {x, y } → 2{a,b,c} , wobei β(x) = ∅ und β(y ) = {b} 210 Werte von Termen mit Variablen X Der Wert des Termes t ∈ Term(ΣF , ) in der ΣF -Struktur A = (A, J·KA ) ist (induktiv) definiert durch IA für t = x ∈ X gilt JtKA = β(x) IS für t = f (t1 , . . . , tn ) gilt JtKA = Jf KA (Jt1 KA , . . . , Jtn KA ) Der Wert eines Termes in einer Interpretation ((A, J·KA ), α) ist ein Element aus A. (Man bemerke die Analogie zur Berechnung des Wahrheitswertes einer aussagenlogischen Formel mit Aussagenvariablen.) Der Wert von Grundtermen aus Term(ΣF , ∅) in einer Interpretation (A, α) hängt nicht von der Belegung α ab. 211 Beispiele Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(a, 0), (b, 0), (f , 1), (g , 2), (h, 2)} und ΣR = ∅ Variablenmenge = {x, y } Σ-Struktur S = (S, J·KS ) mit X S JaKS JbKS = N = 5 = 3 Jf KS (a) = 1 + a Jg KS (a, b) = a + b JhKS (a, b) = a · b N N β : {x, y } → mit β(x) = 0, β(y ) = 1 γ : {x, y } → mit γ(x) = 2, γ(y ) = 0 Terme s = g (h(f (a), x), h(x, y )) und t = h(f (x), g (y , a)) JsK(S,β) = . . . , JtK(S,β) = . . . , JsK(S,γ) = . . . , JtK(S,γ) = . . . (Tafel) Variablenbelegungen 212 Atome (elementare Aussagen) Wiederholung: Atome in Aussagenlogik : Aussagenvariable, bekommt festen Wahrheitswert durch Belegung (der Aussagenvariablen) Prädikatenlogik : (parametrisierte) Aussage über Eigenschaften von oder Beziehungen zwischen Individuen Wahrheitswert abhängig von beteiligten Individuen z.B. nebeneinander(x, y ), gerade(n), x < 3, x < y , Geschwister(x, Mutter(y )) 213 Atome – Syntax Atom elementare Formel, repräsentiert Eigenschaft von oder Beziehung zwischen Individuen Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit I Menge ΣF von Funktionssymbolen mit Stelligkeit (f , n) I Menge ΣR von Relationssymbolen mit Stelligkeit (R, n) Definition Menge aller Σ-Atome mit Variablen aus der Menge Atom(Σ, X: X) = {R(t1, . . . , tn ) | (R, n) ∈ ΣR und t1, . . . , tn ∈ Term(ΣF , X)} Atome ohne Individuenvariablen heißen Grundatome. Menge aller Grundatome: Atom(Σ, ∅) 214 Atome – Beispiele I Signatur Σ = (ΣF , ΣR√) mit ΣF = {(1, 0), (2, 0), ( , 1), (+, 2)} ΣR = {(=, 2), (≤, 2)} Variablenmenge = {x, y , z} X I I I I X X √ √ √x = 2 ∈ Atom(Σ, ) ) (aber x + 2 ∈ Term(ΣF , px + 2√ 6∈ Atom(Σ, p√ 1+ 2≤ 2 ∈ Atom(Σ, ∅) X)) Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(a, 0), (b, 0), (k, 2), (d, 2)} ΣR = {(P, 1), (Q, 2)} Variablenmenge = {x, y } X I I I I I X y 6∈ Atom(Σ, ) P(x) ∈ Atom(Σ, ) P(a) ∈ Atom(Σ, ∅) P(Q(P(a), k(x, y ))) 6∈ Atom(Σ, ) Q(k(a, d(y , a)), x) ∈ Atom(Σ, ) X X X 215 Atome – Semantik Signatur Σ = (ΣF , ΣR ), Variablenmenge Σ-Interpretation (A, α) mit I X Σ-Struktur A = (A, J·KA ) X→A Wert des Atomes a = P(t1 , . . . , tn ) ∈ Atom(Σ, X) I Belegung der Individuenvariablen α : in der Interpretation (A, α): JaK(A,α) = JP(t1 , . . . , tn )K(A,α) = JPKA Jt1 K(A,α) , . . . , Jtn K(A,α) 1 falls Jt1 K(A,α) , . . . , Jtn K(A,α) ∈ JPKA = 0 sonst (Spezialfall Atom a mit (a, 0) ∈ ΣR : JaK(A,α) = JaKA ) Der Wert eines Atomes in einer Interpretation (A, α) ist ein Wahrheitswert. Der Wert von Grundatomen aus Atom(Σ, ∅) in einer Interpretation (A, α) hängt nicht von der Belegung α ab. 216 Semantik von Atomen – Beispiele Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(a, 0), (f , 1)} und ΣR = {(P, 1), (R, 2)}, Variablenmenge = {x, y } Σ-Struktur S = (S, J·KS ) mit X S = {0, 1, 2} JaKS = 1 JPKS = {0, 2} ∀d ∈ S : Jf KS (d) = 2 − d JRKS = {(1, 0), (1, 2), (2, 2)} Belegung β : {x, y } → {0, 1, 2}: β(x) = 0, β(y ) = 1 Wert der folgenden Atome aus Atom(Σ, ) in der Interpretation (S, β) (Tafel): JP(x)K(S,β) = . . . , JP(a)K(S,β) = . . ., JP(f (a))K(S,β) = . . . , JP(f (f (x)))K(S,β) = . . ., JR(x, a)K(S,β) = . . ., JR(f (y ), x)K(S,β) = . . . X 217 Prädikatenlogik (der ersten Stufe) – Syntax I I I aussagenlogische Junktoren t, f, ¬, ∨, ∧, →, ↔ Σ-Atome Quantoren ∀, ∃ Wiederholung: Die Menge FOL(Σ, ) aller Formeln der Prädikatenlogik (der ersten Stufe, first order logic) über der Signatur Σ mit (Individuen-)Variablen aus der Menge ist (induktiv) definiert durch: IA: Atom(Σ, ) ⊆ FOL(Σ, ) (alle Atome sind Formeln) IS: I Aus {ϕ1 , . . . , ϕn } ⊆ FOL(Σ, ) folgt für jeden n-stelligen Junktor ∗: ∗(ϕ1 , . . . , ϕn ) ∈ FOL(Σ, ) I Aus ϕ ∈ FOL(Σ, ) und x ∈ folgt {∀xϕ, ∃xϕ} ⊆ FOL(Σ, ) (Baumstruktur, analog zur Definition von Termen) X X X X X X X X X 218 Beispiele I Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = {(a, 0), (f , 1)} und ΣR = {(P, 1), (R, 2)} Variablenmenge = {x, y } Formeln aus FOL(Σ, ): X I X ϕ1 = P(f (x)) ϕ2 ϕ3 = (P(x) ↔ (¬P(f (x)) ∧ (∀x∃y ((P(x) ↔ P(y )) ∧ R(x, y ))))) = ∀x∀y ϕ2 Σ = (∅, ΣR ) mit ΣR = {(p, 0), (q, 0)}, X=∅ Formeln aus FOL(Σ, ∅): ψ1 = p∨q ψ2 = ¬p ∨ ¬(q ∨ p) (Syntax der Aussagenlogik ist Spezialfall der FOL-Syntax) 219 Variablen in Formeln Eine Individuenvariable x ∈ X kommt vor in Term t, falls t = x oder t = f (t1 , . . . , tn ) und x in einem ti vorkommt, Atom a = p(t1 , . . . , tn ), falls x in einem ti vorkommt, Formel ϕ, falls x in einem Atom in ϕ (Teilformel von ϕ, die ein Atom ist) vorkommt. var(ϕ): Menge aller in ϕ vorkommenden Indiviuenvariablen Beispiele (Tafel: Formelbäume): I für ϕ1 = R(x, a) gilt var(ϕ1 ) = {x} I für ϕ2 = ∃xR(x, f (y , x)) gilt var(ϕ2 ) = {x, y } I für ϕ3 = (P(x) ↔ (¬P(f (x)) ∧ (∀x∃y ((P(x) ↔ P(y )) ∧ R(x, y ))))) gilt var(ϕ3 ) = {x, y } 220 Freie und gebundene Vorkommen von Variablen Ein Vorkommen der Indiviuenvariablen x in ϕ heißt gebunden , falls x in einer Teilformel von ϕ der Form ∃xψ oder ∀xψ vorkommt, bvar(ϕ): Menge aller in ϕ gebundenen vorkommenden Variablen frei , sonst fvar(ϕ): Menge aller in ϕ frei vorkommenden Variablen var(ϕ) = fvar(ϕ) ∪ bvar(ϕ) gilt immer. fvar(ϕ) ∩ bvar(ϕ) 6= ∅ ist möglich, aber nicht notwendig. 221 Beispiele ϕ1 = R(x, a) ϕ2 = ∃xR(x, f (y , x)) bvar(ϕ1 ) = ∅, fvar(ϕ1 ) = {x} bvar(ϕ2 ) = {x}, fvar(ϕ2 ) = {y } ϕ3 = (P(x) ↔ (¬P(f (x)) ∧ (∀x∃y ((P(x) ↔ P(y )) ∧ R(x, y ))))) bvar(ϕ3 ) = {x, y }, fvar(ϕ3 ) = {x} ϕ4 = ∀x∀y ϕ3 bvar(ϕ4 ) = {x, y }, fvar(ϕ4 ) = ∅ 222 Sätze Jede Formel ϕ ∈ FOL(Σ, X) mit fvar(ϕ) = ∅ heißt Satz. Beispiele: I ∀x∀y (R(x, y ) → R(y , x)) ist ein Satz. I R(x, y ) → R(y , x), ∀x(R(x, y ) → R(y , x)), ∃y (R(x, y ) → R(y , x)), ∀x(R(x, y ) → ∃yR(y , x)) sind keine Sätze. für ϕ ∈ FOL(Σ, X) mit fvar(ϕ) = {x1, . . . , xn }: universeller Abschluß ∀ϕ := ∀x1 · · · ∀xn ϕ existentieller Abschluß ∃ϕ := ∃x1 · · · ∃xn ϕ Für jede Formel ϕ ∈ FOL(Σ, X) sind ∀ϕ und ∃ϕ Sätze. 223 Modifizierte Interpretationen gegeben: I Signatur Σ, I Variablenmenge I Σ-Struktur A = (A, J·KA ), X, X → A der Variablen aus X in A modifizierte Belegung β[x 7→ d] : X → A mit I Belegung β : β[x 7→ d](y ) = d für y = x β(y ) sonst Σ-Interpretation (A, β) mit I I Σ-Struktur A = (A, J·KA ) Variablenbelegung β : X→A modifizierte Interpretation (A, β[x 7→ d]) 224 Wert in Interpretationen Wert in Σ-Interpretation (S, β) mit S = (S, J·KS ) X: JxK(S,β) = β(x) ∈ S I eines Termes t = f (t1 , . . . , tn ) ∈ Term(ΣF , X): I I I einer Individuenvariable x ∈ JtK(S,β) = Jf KS Jt1 K(S,β) , . . . , Jtn K(S,β) ∈ S X eines Atomes a = p(t1 , . . . , tn ) ∈ Atom(Σ, ): JaK(S,β) = JpKS (Jt1 K(S,β) , . . . , Jtn K(S,β) ) ∈ {0, 1} einer Formel ϕ ∈ FOL(Σ, X): JϕK(S,β) ∈ {0, 1} J¬ϕK(S,β) = 1 − JϕK(S,β) Jϕ ∨ ψK(S,β) = max(JϕK(S,β) , JψK(S,β) ) Jϕ ∧ ψK(S,β) = min(JϕK(S,β) , JψK(S,β) ) J∃xϕK(S,β) = max{JϕK(S,β[x7→a]) | a ∈ S} J∀xϕK(S,β) = min{JϕK(S,β[x7→a]) | a ∈ S} http://spikedmath.com/445.html 225 Beispiele Σ = (ΣR , ΣF ) mit ΣF = {(f , 1)},ΣR = {(R, 2)}, ϕ = ¬R(x, y ) ∧ ∃zR(z, z) I I X = {x, y , z} ψ = ∀x∃yR(x, f (y )) Σ-Struktur A = (A, J·KA ) mit A = {a, b, c} Jf KA (a) = Jf KA (b) = c, Jf KA (c) = a JRKA = {(a, a), (b, a), (a, c)} Belegung α(x) = b, α(y ) = a , α(z) = b JϕK(A,α) = . . . JψK(A,α) = . . . Z Σ-Struktur B = (B, J·KB ) mit B = Jf KB (d) = −d, JRKB =≤ Belegung β(x) = 5, β(y ) = 3, β(z) = −1, JϕK(B,β) = . . . JψK(B,β) = . . . 226 Was bisher geschah Klassische Prädikatenlogik der ersten Stufe FOL(Σ, X): X Syntax : Signatur Σ = (ΣF , ΣR ), Individuenvariablen Terme Term(Σ, ) (aus Σ nur ΣF relevant), Grundterme Term(Σ, ∅) Atome Atom(Σ, ), Grundatome Atom(Σ, ∅) Formeln FOL(Σ, ) Variablen in Formeln (frei, gebunden) Sätze (Formeln ohne freie Variblen) X X X Semantik : in Σ-Strukturen A = (A, J·KA ) Wert von Grundtermen t ∈ Term(Σ, ∅): JtKA ∈ A Äquivalenz ≡A in Struktur A Grundatomen a ∈ Atom(Σ, ∅): JaKA ∈ {0, 1} Sätzen ϕ ∈ FOL(Σ, ): JϕKA ∈ {0, 1} in Σ-Interpretationen (A, α) mit Belegung der Individuenvariablen α : → A Wert von Termen t ∈ Term(Σ, ): JtK(A,α) ∈ A Atomen A ∈ Atom(Σ, ): JaK(A,α) ∈ {0, 1} Formeln ϕ ∈ FOL(Σ, ): JϕK(A,α) ∈ {0, 1} X X X X X 227 Beispiele (Wiederholung) Σ = (ΣR , ΣF ) mit ΣF = {(f , 1)},ΣR = {(R, 2)}, ϕ = ¬R(x, y ) ∧ ∃zR(z, z) I I X = {x, y , z} ψ = ∀x∃yR(x, f (y )) Σ-Struktur A = (A, J·KA ) mit A = {a, b, c} Jf KA (a) = Jf KA (b) = c, Jf KA (c) = a JRKA = {(a, a), (b, a), (a, c)} Belegung α(x) = b, α(y ) = a , α(z) = b JϕK(A,α) = . . . JψK(A,α) = . . . Z Σ-Struktur B = (B, J·KB ) mit B = Jf KB (d) = −d, JRKB =≤ Belegung β(x) = 5, β(y ) = 3, β(z) = −1, JϕK(B,β) = . . . JψK(B,β) = . . . 227 Modelle für Formeln Σ-Interpretation (S, β) erfüllt (ist Modell für) die Formel ϕ ∈ FOL(Σ, genau dann, wenn JϕK(S,β) = 1. X Menge aller Modelle der Formel ϕ ∈ FOL(Σ, ) S = (S, J·KS ) ist Σ-Struktur und β : Mod(ϕ) = (S, β) und JϕK(S,β) = 1 Formel ϕ ∈ FOL(Σ, X→S X) X) heißt erfüllbar gdw. Mod(ϕ) 6= ∅ (z.B. ∀x (P(x) ∨ Q(x))) unerfüllbar gdw. Mod(ϕ) = ∅ (z.B. ∀xP(x) ∧ ∃x¬P(x) ) allgemeingültig gdw. Mod(ϕ) = {(S, β) | S = (S, J·KS ) ist Σ-Struktur und β : X → S} (Menge aller Σ-Interpretationen) 228 Beispiele ϕ = R(x) ∧ ∃y ((¬R(y )) ∧ E (y , x)) I Struktur G = ({1, . . . , 4}, J·KG ) mit JRKG = {1, 2, 4}, JE KG = {(1, 2), (3, 2)} und Belegung α : {x, y } → {1, . . . , 4} mit α(x) = 2, α(y ) = 2 (G, α) ∈ Mod(ϕ) I Struktur H = ({a, b}, J·KH ) mit JRKH = {a}, JE KH = {(a, a), (b, b)}, Belegung β : {x, y } → {a, b} mit β(x) = a, β(y ) = a (H, β) 6∈ Mod(ϕ) I Struktur J = ( , J·KJ ) mit JRKJ = 2 (Menge aller geraden Zahlen), JE KJ = {(i, i + 1) | i ∈ } und Belegung γ : {x, y } → mit γ(x) = γ(y ) = 0 (J , γ) ∈ Mod(ϕ) Z Z Z Z 229 Semantische Äquivalenz von Formeln (analog Aussagenlogik) Für ϕ, ψ ∈ FOL(Σ, X ) gilt ϕ≡ψ gdw. Mod(ϕ) = Mod(ψ) Beispiele: I ¬∀xP(x) ≡ ∃x¬P(x) I ∀x∃yR(x, y ) 6≡ ∀x∃yR(y , x) I ∀x∃yR(x, y ) 6≡ ∃x∀yR(x, y ) 230 Wichtige Äquivalenzen mit Quantoren ¬∀xϕ ≡ ∃x¬ϕ ¬∃xϕ ≡ ∀x¬ϕ ∀xϕ ∧ ∀xψ ≡ ∀x(ϕ ∧ ψ) ∃xϕ ∨ ∃xψ ≡ ∃x(ϕ ∨ ψ) ∀x∀y ϕ = ∀y ∀xϕ ∃x∃y ϕ = ∃y ∃xϕ für x 6∈ fvar(ψ) und ∗ ∈ {∨, ∧} gilt außerdem ∀xϕ ∗ ψ ≡ ∀x(ϕ ∗ ψ) ∃xϕ ∗ ψ ≡ ∃x(ϕ ∗ ψ) ∃y ϕ ≡ ∃xϕ[y 7→x] ∀y ϕ ≡ ∀xϕ[y 7→x] (gebundene Umbenennung) 231 Modelle von Formelmengen Menge aller Modelle der Formelmenge Φ ⊆ FOL(Σ, \ Mod(Φ) = Mod(ϕ) X): ϕ∈Φ Beispiel: Signatur Σ = (∅, ΣR ) mit ΣR = {(P, 1), (E , 2)} ∀x (P(x) ∨ P(y )) , Φ= ∀x∀y ((P(x) ∧ E (x, y )) → ¬P(y )) I I (A, α) mit A = ({0, . . . , 5}, J·KA ), wobei JPKA = {0, 2} und JE KA = {(i, i + 1) | i ∈ {0, . . . , 4}} und α(x) = 1, α(y ) = 2 ∈ Mod(Φ) (B, β) mit B = ( , J·KB ), wobei JPKB = 2 und JE KB = {(i, i + 1) | i ∈ } und α(x) = α(y ) = 0 ∈ Mod(Φ) Z Z Z 232 Modelle von Sätzen X Auf den Wert eines Satzes ϕ ∈ FOL(Σ, ) (Formel ohne freie Variablen) in einer Interpretation I = (S, β) hat die Belegung β keinen Einfluß, d.h. für beliebige Belegungen α, β : → S gilt X JϕK(S,α) = JϕK(S,β) Beispiel: ϕ = ∀x∃y (P(x) ∧ E (x, y ) → ¬P(y )) X Für Sätze ϕ ∈ FOL(Σ, ) genügt es also, den Wert in Strukturen (statt in Interpretationen) zu betrachten: JϕKS = JϕK(S,β) für jede beliebige Belegung β : Menge aller Modelle des Satzes ϕ ∈ FOL(Σ, X→S X): Mod(ϕ) = {S | S = (S, J·KS ) ist Σ-Struktur und JϕKS = 1} 233 Modelle prädikatenlogischer Sätze – Beispiel ϕ = ∀x(¬G (x) → G (f (x)) I A = (A, J·KA ) mit A = Menge aller Menschen, Jf KA (x) = Vater von x, JG KA (x) gdw. x männlich A ∈ Mod(ϕ) I B = (B, J·KB ) mit B = Menge aller Orte 51◦ nördlicher Breite Jf KB (x) = Ort 50 km westlich von x, JG KB (x) gdw. x in Sachsen B 6∈ Mod(ϕ) I C = ( , J·KC ) mit Jf KC (x) = x + 1, JG KC (x) gdw. x Primzahl I I N Z D = ( , J·KD ) mit Jf KD (x) = x + 1, JG KD = 2 Z R C 6∈ Mod(ϕ) D ∈ Mod(ϕ) 2 E = (E , J·KE ) mit E = (Menge aller Punkte der Ebene), E 6∈ Mod(ϕ) Jf KE (x, y ) = (−x, −y ), JG KE (x, y ) gdw. x < y 234 Modelle von Satzmengen – Beispiele Signatur Σ = (∅, ΣR ) mit ΣR = {(R, 2)} ∀x R(x, x), ∀x∀y (R(x, y ) → R(y , x)) , Φ= ∀x∀y ∀z ((R(x, y ) ∧ R(y , z)) → R(x, z)) Für Σ-Struktur A = ({a, b, c}, J·KA ) mit JRKA = {(a, a), (a, c), (b, b), (c, a), (c, c)} gilt A ∈ Mod(Φ) I Für Σ-Struktur B = ( , J·KB ) mit JRKB = ≤ gilt B 6∈ Mod(Φ) I Mod(Φ) = Menge aller Σ-Strukturen S = (S, J·KS ), für die JRKS eine Äquivalenzrelation ist I N Signatur Σ0 = (Σ0F , Σ0R ) mit Σ0F = {(f , 2), (e, 0)}, Σ0R {(=, 2)} Φ0 = {∀x∀y (f (f (x, y ), z) = f (x, f (y , z))), ∀x(f (x, e) = x)} N Für Σ0 -Struktur A = ( , J·KA ) mit ∀(m, n) ∈ 2 : Jf KA (m, n) = m · n, JeKA = 1 gilt A ∈ Mod(Φ0 ) I Für Σ0 -Struktur B = ({0, 1}, J·KB ) mit Jf KB = max, JeKB = 1 gilt B 6∈ Mod(Φ0 ) I Mod(Φ0 ) = Menge aller Σ-Strukturen S = (S, J·KS ), für die S mit Jf KS ein Monoid mit neutralem Element JeKS bildet I N 235 Charakterisierung von Strukturen durch Satzmengen Beispiel: Graphen mit Eckenfärbung Signatur Σ = (∅, ΣR ) mit ΣR = {(R, 1), (G , 1), (B, 1), (E , 2)} ∀x¬E (x, x), ∀x∀y (E (x, y ) → E (y , x)), ∀x(R(x) ∨ G (x) ∨ B(x)), Φ= ∀x(R(x) → ¬(G (x) ∨ B(x)), ∀x(G (x) → ¬(R(x) ∨ B(x)), ∀x(B(x) → ¬(G (x) ∨ R(x)) (jede Ecke mit genau einer Farbe aus {R, G , B} gefärbt) Mod(Φ) = Menge aller ungerichteten schlingenfreien Graphen mit Eckenfärbung mit Farben aus {R, G , B} 236 Aussagenlogik als FOL-Spezialfall Syntax (Wiederholung): für Signatur ΣP = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = ∅ und ΣR = {(p, 0) | p ∈ P} gilt AL(P) = FOL(ΣP , ∅) (Formeln aus FOL(ΣP , ) enthalten keine Terme, keine Individuenvariablen und keine Quantoren) X Semantik : Jede ΣP -Interpretation (S, β) mit S = (S, J·KS ) und β : → S definiert für jedes p ∈ P einen Wahrheitswert JpKS ∈ {0, 1} (S und β irrelevant) also eine Funktion WS : P → {0, 1} mit ∀p ∈ P : WS (p) = JpKB (Belegung der Aussagenvariablen in P mit Wahrheitswerten) X Damit gilt auch für alle Formeln ϕ ∈ FOL(ΣP , ∅): WS (ϕ) = JϕK(S,β) Beispiel: Σ{a,b,c} = (∅, ΣR ) mit ΣR = {(a, 0), (b, 0), (c, 0)} ϕ = a ∧ (¬c ∨ b) ∈ FOL(Σ{a,b,c} , ∅) = AL({a, b, c}) Σ{a,b,c} -Struktur S = (S, J·KS ) mit JaKS = JcKS = 1 und JbKS = 0 entspricht der Belegung WS = {a 7→ 1, b 7→ 0, c 7→ 1} Wert von ϕ in S: JϕKS = 0 = WS (ϕ) 237 Modellmengen aussagenlogischer Formeln zur Erinnerung: Menge aller Interpretationen (Belegungen) für Formeln aus AL(P) {0, 1}P = {W : P → {0, 1}} = 2P Modellmenge einer Formel ϕ ∈ AL(P): Mod(ϕ) = {W : P → {0, 1} | W (ϕ) = 1} (Menge aller erfüllenden Belegungen für ϕ) Beispiele: Mod(p ∨ (q ∧ ¬p)) = {{p 7→ 1, q → 7 0}, {p 7→ 0, q 7→ 1}, {p 7→ 1, q 7→ 1}} Mod(p → p) = {{p 7→ 0}, {p 7→ 1}} = {0, 1}{p} Mod(p ∧ ¬p) = ∅ T Modellmenge der Formelmenge Φ ⊆ AL(P): Mod(Φ) = ϕ∈Φ Mod(ϕ) Beispiele: Mod({p, p → q}) = {{p 7→ 1, q 7→ 1}} Mod(∅) = {0, 1}P 238 Erfüllbarkeits-Problem CNF-SAT Problem (Aufgabe) CNF-SAT: gegeben: CNF V (Formel Wkiin konjunktiver Normalform) ϕ= m i=1 j=1 li,j Frage: Ist ϕ erfüllbar? mögliche Antworten: ja und evtl. erfüllende Belegung (Modell) nein Instanz des CNF-SAT-Problems: Formel ϕ ∈ AL(P) in CNF z.B. (¬a ∨ ¬b) ∧ (b ∨ ¬c) ∧ a 239 Lösungsansätze für CNF-SAT Lösungsverfahren: Algorithmus, welcher für jede Instanz ϕ ∈ AL(P) die korrekte Antwort zurückgibt I Test aller möglichen Belegungen (aufwendig) für große Anzahl an Aussagenvariablen ineffizient I Umformung in eine zu ϕ äquivalente DNF ψ (aufwendig) Test von ψ auf Erfüllbarkeit (einfach) für große Anzahl an Aussagenvariablen ineffizient Konstruktion einer Formel ψ mit I 1. ψ und ϕ erfüllbarkeitsäquivalent (also ψ erfüllbar gdw. ϕ erfüllbar) und 2. Erfüllbarkeit für ψ einfach zu testen Problem CNF-SAT ist schwierig (zeitaufwendig) zu lösen. 240 SAT-Solver SAT-Solver: Werkzeug zum Lösen von CNF-SAT-Instanzen Problem CNF-SAT schwierig (in ungünstigen Fällen) SAT-Solver I benutzen heuristische Verfahren, I finden für praktische Probleme oft schnell eine Lösung, I meist Ausgabe einer erfüllenden Belegung möglich (falls eine solche existiert) aktive Forschung auf diesem Gebiet: jährlich Wettbewerbe (www.satcompetition.org) typische Anwendung von SAT-Solvern: 1. Modellierung des ursprünglichen Problems P als CNF-SAT-Instanz P 0 (Darstellung als CNF ϕ) 2. Lösung von P 0 mit SAT-Solver 3. Übersetzung erfüllender Belegung für ϕ in Lösung für P 241 Beispiel Bahnfahrer (Übungsaufgabe 1.3) In einem Eisenbahnabteil sitzen ... LB → MT (¬MB) → RT Φ= LS ∨ LT ∨ LB LS → ¬LT die Herren Lehmann, Müller und Richter , LT → MS , , RS → LT , , MS ∨ MT ∨ MB , . . . , LS → ¬LB , ... Darstellung als CNF ϕ= ∧ ∧ ∧ (¬LB ∨ MT ) (MB ∨ RT ) (LS ∨ LT ∨ LB) (¬LS ∨ ¬LT ) ∧ ∧ ∧ ∧ (¬LT ∨ MS) (¬RS ∨ LT ) (MS ∨ MT ∨ MB) ∧ (¬LS ∨ ¬LB) ∧ ··· ··· Was für ein Landsmann ist jeder? gesucht ist also ein Modell (erfüllende Belegung) für ϕ (repräsentiert Bijektion: {L, M, R} → {S, T , B}) 242 Lösung mit SAT-Solver Eingabe im DIMACS-Format für CNF (ASCII): erste Zeile enthält Typ (cnf), Anzahl der Aussagenvariablen und Disjunktionen (z.B. p cnf 9 25) I Aussagenvariablen {1, . . . , n} I jede Disjunktion (Klausel) eine Zeile, - statt ¬, Literale durch Leerzeichen getrennt, 0 markiert Ende der Klausel I Darstellung der Bahnfahrer-Aufgabe als CNF in DIMACS-Format p cnf 9 25 c 1:LS, 2:LT, 3:LB, 4:MS, 5:MT, 6:MB, 7:RS, 8:RT, 9:RB -3 5 0 -2 4 0 ... Lösung mit SAT-Solver, z.B. MiniSat, Lingeling SATISFIABLE 1 -2 -3 -4 -5 6 -7 8 -9 0 Ausgabe: erfüllende Belegung {1 7→ 1, 6 7→ 1, 8 7→ 1} (sonst 0) wahr sind also 1 : LS, 6 : MB und 8 : RT 243 Einsatz von SAT-Solvern typische Anwendungen für SAT-Solver z.B. I Schaltkreisentwurf und -verifikation I Konfiguration I Model-Checking I Planen I Constraint-Lösen I kombinatorische Suchprobleme, z.B. Graph-Färbungen (Register-Zuordnung, Sudoku) 244 Was bisher geschah Modellierung von Daten durch Mengen (Individuenbereiche), häufig zusammengesetzt durch Mengenoperationen, Folgen (Listen, Vektoren, Wörter) Zusammenhängen zwischen Individuen durch Relationen: Eigenschaften, Operationen, spezielle binäre, Darstellungsformen (Menge, Matrix, Graph) Funktionen: Eigenschaften, Operationen, Multimengen Eigenschaften (Anforderungen) an Individuen und Beziehungen in Logiken (klassische): Prädikatenlogik FOL(Σ, ) mit Spezialfall Aussagenlogik AL(P) X 245 Maschinelle Lösung von Aufgaben (Wiederholung) Modellierung Übertragung aller relevanten Informationen von Realität in einen Modellbereich (geeignet gewählt) durch Analyse und Formalisierung von Aufgabenbereich (Kontext): (strukturierte) Daten, Eigenschaften, Zusammenhänge Modellierung: abstrakter / konkreter DT Eingabedaten: Typ, mögliche Werte, Einschränkungen Modellierung: Sorten, Logik Lösung Typ und Anforderungen (Requirements): Eigenschaften, Einschränkungen, Zusammenhänge mit den Eingabedaten Modellierung: Sorten, Logik Lösung der Aufgabe im Modellbereich mit speziellen (eigens entwickelten) Algorithmen vorhandenen Methoden, z.B. SAT-Solver, SW-Bibliotheken häufig Kombination davon Übertragung der Lösung aus Modellbereich in Realität 246 Modellierungsbeispiel Bahnfahrer (Wiederholung) Kontext: Realität (umgangssprachliche) Beschreibung der Situation: In einem Eisenbahnabteil sitzen die Herren Lehmann, Müller und Richter . . . Modellbereich formale Darstellung als Formelmenge: , LT → MS , LB → MT (¬MB) → RT , RS → LT , Φ= LS ∨ LT ∨ LB , MS ∨ MT ∨ MB , . . . LS → ¬LT , LS → ¬LB , ... Frage (Aufgabe): Realität: Was für ein Landsmann ist jeder? Modellbereich: 1. Finde ein Modell (erfüllende Belegung) für Φ und 2. zeige, dass dieses das Einzige ist. Antwort (Lösung, evtl. mit Begründung): Modellbereich: Modell für Φ (wahre Aussagevariablen) Realität: Zuordnung (Bijektion) Person - Land Lösungs-Verfahren (im Modellbereich): WW-Tabellen, SAT-Solver, . . . 247 Modellierungsbeispiel Party Kontext: Realität (umgangssprachliche Beschreibung): Anna geht zur Party, wenn Max oder Paul hingehen. I Max geht zur Party, wenn Paul nicht hingeht. I Anna geht nirgends ohne ihren Hund hin. I Modellbereich formale Darstellung als Formelmenge: ΦP = {(m ∨ p) → a, ¬p → m, ¬(a ∧ ¬h)} Frage (Aufgabe): Realität: Wird Annas Hund auf der Party sein? genauer: Wird der Hund in jeder Situation, die die Kontext-Bedingungen erfüllt, auf der Party sein? Modellbereich: Gilt h in jeder Situation, die ΦP erfüllt? kurz: Folgt h aus ΦP ? (Gilt ΦP |= h ?) Antwort (Lösung, evtl. mit Begründung): ja / nein Lösungs-Verfahren (im Modellbereich): ? 248 Weitere Modellierungsbeispiele I Lieblingsgetränke: Kontext siehe ÜA 6.5 Fragen: I I I I Haben Anna und Paul (wenigstens) ein gemeinsames Lieblingsgetränk? Welche? Welche Restaurants bieten dieses an? Familienbeziehungen: Kontext I I allgemein: Zwei Personen sind Geschwister gdw. . . . (Großeltern, verwandt,. . . ) Aufgaben-spezifisch: Paul ist Vater von Anna und Tom. . . . Fragen: I I I Sind Paul und Tina verwandt? Wer sind Annas Großeltern, Nichten, . . . ? Erreichbarkeit: Kontext: existierende Straßen, Verbindungen Fragen: (Wie) Ist B von A erreichbar? 249 Weitere praktische Folgerungsprobleme Verifikation (Nachweis der Korrektheit) bzgl. gegebener Spezifikation digitale Schaltungen gegeben: Schaltung (Kontext): Ausgabe-Verhalten als boolesche Funktion, Formel ϕ Spezifikation (logische Formel ψ) Frage: Erfüllt die Schaltung die Spezifikation? (Folgt ψ aus {ϕ} ? Gilt {ϕ} |= ψ ?) evtl. Gegenbeispiel (unkorrekter Zustand) Programme gegeben: Programm (Kontext): Ausgabe-Verhalten als Formelmenge Φ, Spezifikation (logische Formel ψ) Frage: Erfüllt das Programm die Spezifikation? (Folgt ψ aus Φ ? Gilt Φ |= ψ ?) evtl. Gegenbeispiel (Eingabe mit falschem Verlauf) 250 Wiederholung: Modellmengen Semantik (Wert) in der Interpretation I = (S, β) mit S = (S, J·KS ) von X X X Termen t ∈ Term(Σ, ): JtKI ∈ S Atomen A ∈ Atom(Σ, ): JaKI ∈ {0, 1} Formeln ϕ ∈ FOL(Σ, ): JϕKI ∈ {0, 1} Spezialfall Aussagenlogik AL(P) ⊆ FOL(Σ, ∅) mit ΣR = {(p, 0) | p ∈ P}: Interpretation I = (S, β) definiert (nur) Belegung der Relationssymbole (Aussagenvariablen) aus P mit Wahrheitswerten Menge aller Modelle einer Formel ϕ ∈ FOL(Σ, X): Mod(ϕ) = {I | JϕKI = 1} Menge aller Modelle einer Formelmenge Φ ⊆ FOL(Σ, \ Mod(ϕ) Mod(Φ) = X): ϕ∈Φ Beispiel (Party): {a 7→ 1, h 7→ 1, m 7→ 1, p 7→ 0}, {a, h, m}, {a 7→ 1, h 7→ 1, m 7→ 0, p 7→ 1}, {a, h, p}, Mod(ΦP ) = = {a 7→ 1, h 7→ 1, m 7→ 1, p 7→ 1} {a, h, m, p} 251 Semantisches Folgern Für Φ ⊆ FOL(Σ, X) und ψ ∈ FOL(Σ, X) gilt Φ |= ψ gdw. Mod(Φ) ⊆ Mod(ψ) (ψ ist semantische Folgerung aus Φ.) Folgerungsrelation |= ⊆ 2FOL(Σ,X) × FOL(Σ, X) Beispiele: I {p, p → q} |= q I {p, ¬(q ∧ p)} |= ¬q I {p} |= q → p I ∅ |= p ∨ ¬p I {∀x(P(x) ∨ Q(x)), ¬P(y )} |= Q(y ) I {∀x(P(x) ∨ Q(x)), ¬P(x)} |= Q(x) Notation für Spezialfälle für Φ = {ϕ} : ϕ |= für Φ = ∅ : |= ψ ψ (statt (statt {ϕ} ∅ |= |= ψ) ψ) 252 Semantisches Folgern – Beispiele I Party: ΦP |= h, weil ∀I ∈ Mod(ΦP ) : JhKI = 1 und damit Mod(ΦP ) =⊆ Mod({h}), I für Φ = {∀x(P(x) ∨ Q(x)), ¬P(x)} und ψ = Q(y ) gilt Φ 6|= ψ, weil für (S, β) mit S = ({a, b}, J·KS ) mit JPKS = {b}, JQKS = {a} und β = {x 7→ a, y 7→ b} gilt: (S, β) ∈ Mod(Φ), aber (S, β) 6∈ Mod(ψ) I {∀x (P(x) ∨ Q(x)), ∀x ¬P(x)} |= ∀x Q(x) I für Φ = {∀x (P(x) ∨ Q(x)), ∃x ¬P(x)} und ψ = (∀x Q(x)) gilt Φ 6|= ψ, weil für S = ({a, b}, J·KS ) mit JPKS = {b} und JQKS = {a} gilt S ∈ Mod(Φ), aber S 6∈ Mod(ψ) I Für jede Formel ϕ ∈ FOL(Σ, I Aus Φ |= ϕ → ψ und Φ |= ϕ folgt Φ |= ψ X) gilt ∀xϕ |= ϕ 253 Modellierungsbeispiel: Taxi Sachverhalt (Kontext) informal: I Wenn der Zug zu spät kommt und kein Taxi am Bahnhof steht, ist Tom nicht pünktlich. I Der Zug kam zu spät und Tom ist pünktlich. Modellierung als (aussagenlogische) Formelmenge: ΦT = {(z ∧ ¬t) → ¬p, z ∧ p} Frage: Realität: Stand ein Taxi am Bahnhof ? Modellbereich: Gilt ΦT |= t ? Lösung:. . . 254 Eigenschaften der Folgerungsrelation Für jede endliche Formelmenge Φ = {ϕ1 , . . . , ϕn } gilt Φ |= ψ genau dann, wenn n ^ ϕi |= ψ i=1 Für jede Formelmenge Φ ⊆ FOL(Σ, gilt (ψ ∈ Φ) → Φ |= ψ gdw. X) und jede Formel ψ ∈ FOL(Σ, X) (Φ |= ψ) Mod(Φ) = Mod(Φ ∪ {ψ}) gdw. Mod(Φ ∪ {¬ψ}) = ∅ gdw. Φ ∪ {¬ψ} unerfüllbar gdw. Φ ∪ {¬ψ} |= f Für alle Formeln ϕ, ψ ∈ FOL(Σ, X) gilt |= ψ gdw. ψ allgemeingültig ϕ≡ψ gdw. (ϕ |= ψ) ∧ (ψ |= ϕ) ϕ |= ψ gdw. |= (ϕ → ψ) ϕ≡ψ gdw. |= (ϕ ↔ ψ) 255 Modellierungsbeispiel: Winterbekleidung I Wenn es kalt ist, trägt Paul immer eine Mütze, einen Schal oder Handschuhe. I Ohne Handschuhe oder Schal trägt er keine Mütze. I Mütze und Handschuhe trägt er nie zusammen. I Handschuhe und Schal trägt er immer zugleich. Modellierung als (aussagenlogische) Formelmenge Φ = {m ∨ s ∨ h, ¬(h ∨ s) → ¬m, ¬(m ∧ h), h ↔ s} Welche der Aussagen sind semantische Folgerungen daraus: I Bei Kälte trägt er immer seinen Schal. I Bei Kälte trägt er immer Handschuhe oder Mütze. I Er trägt nie Handschuhe. ψ1 = s ψ2 = h ∨ m ψ3 = ¬h 256 Was bisher geschah Modellierung von Daten durch Mengen (Individuenbereiche), häufig zusammengesetzt durch Mengenoperationen, Zusammenhängen zwischen Individuen durch Relationen (auch Eigenschaften) Funktionen (Operationen) gemeinsam in algebraischen Strukturen Modellierung von Bedingungen (Anforderungen) an Individuen und Beziehungen durch Formel(mengen)n in (klassischen) Logiken: FOL(Σ, ) Prädikatenlogik mit AL(P) Aussagenlogik als Spezialfall (Fragment) X Charakterisierung algebraischer Strukturen durch Formeln 257 Beispiel: Formale Beschreibung und Folgern Beispiel: Jeder (ungerichtete, schlingenfreie) Graph mit (wenigstens) einer Kante hat (wenigstens) zwei Knoten. Kontext informal: (ungerichteter, schlingenfreier) Graph (V , E ) (Menge V mit zweistelliger Kantenrelation E ) mit (wenigstens) einer Kante Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = ∅ und ΣR = {(E , 2), (=, 2)} Axiome (Formelmenge, die genau alle Graphen mit wenigstens einer Kante erfüllen): Φ = {∀x∀y (E (x, y ) → E (y , x)∀x¬E (x, x), ∃x∃yE (x, y )} Behauptung informal : Der Graph hat (wenigstens) zwei Knoten. Formel ψ = ∃x∃y ¬(x = y ) ? Frage: Φ |= ψ (Folgt ψ aus Φ ?) (wird oft gezeigt durch die äquivalente Aussage: Φ ∪ {¬ψ} unerfüllbar) keine allgemeine (maschinelle) Lösung in FOL möglich Idee: syntaktisches Schließen in Kalkülen (in späteren LV) 258 Kombination von Strukturen einfache (einsortige) Datentypen, z.B. int, bool, float, ... zusammengesetzte Datentypen Konstruktion durch Operationen auf den Trägermengen: Vereinigung ∪ von Datentypen Beispiel Skat: W = Z ∪ B Produkt (kartesisches) × von Datentypen: Beispiel Skat: K = F × W mehrfaches Produkt desselben Typs, z.B. Tupel Beispiel Skat: Blatt in der Hand nach dem Geben ∈ K 10 Rekursion : rekursive Datentypen, z.B. Listen, Bäume Abbildung zwischen Datentypen (Funktionen) z.B. Multimengen, Maps 259 Relationen als mehrsortige Funktionen (Beispiel) Idee: Ersetzen der Relation R ⊆ S 2 durch ihre charakteristische Funktion χR : S 2 → {0, 1} (und entsprechende Änderung der Signatur) Vorgehen: 1. Einführung der Sorten S (für Trägermenge) und B (für Wahrheitswerte {0, 1}) 2. Ersetzung des Relationssymbols (R, 2) durch (zweisortiges) Funktionssymbol (f : S 2 → B) (repräsentiert χR ) Ersetzung der Signatur Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣF = ∅, ΣR = {(R, 2)} durch Σ0 = (Σ0F , Σ0R ) mit mit Σ0F = {f : S 2 → B}, Σ0R = ∅ 3. Jede Σ-Struktur A = (A, J·KA ) entspricht einer Σ0 -Struktur C = (A, J·KC ) mit derselben Trägermenge A und Jf KC = χJRKA dasselbe ausführlicher: 1 falls(x, y ) ∈ JRKA 2 ∀(x, y ) ∈ (C ) : Jf KC (x, y ) = 0 sonst 260 Relationen als mehrsortige Funktionen (allgemein) 1. Erweiterung der Menge S S der Sorten zu S0 = S ∪ {B} 2. Übersetzung -sortiger Signaturen Σ = (ΣF , ΣR ) mit ΣR 6= ∅ in 0 -sortige Signaturen Σ0 = (Σ0F , ∅) ohne Relationssymbole S durch Ersetzung jedes Relationssymbols (P ⊆ S1 × S2 × · · · × Sn ) ∈ ΣR durch ein Funktionssymbol (fP : S1 × S2 × · · · × Sn → B) ∈ Σ0F 3. entsprechende Übersetzung jeder ( -sortigen) Σ-Struktur A = (A, J·KA ) in eine ( 0 -sortige) Σ0 -Struktur C = (A, J·KC ) mit JfR KC = χJRKA , d.h. 1 falls(x1 , . . . , xn ) ∈ JRKA n ∀(x1 , . . . , xn ) ∈ : JfR KC (x, y ) = 0 sonst S S S Es genügt also, mehrsortige Strukturen ohne Relationen (Algebren) zu betrachten. 261 Wiederholung: Abstrakte und konkrete Datentypen abstrakter Datentyp (ADT, Spezifikation, Interface) aus Signatur definiert Syntax: Symbole für Sorten (Typen) von Individuen Funktionen, Relationen je mit Typdeklaration Axiome (Anforderungen) beschreiben Semantik: Eigenschaften von und Zusammenhänge zwischen Individuen, Funktionen und Relationen in (klassischen) Logiken: Prädikatenlogik FOL(Σ, ) mit Spezialfall Aussagenlogik AL(P) X konkreter Datentyp (algebraische Struktur) definiert Trägermengen zur Realisierung der Sorten des ADT, Funktionen, Relationen passenden Typs zur Realisierung der Funktionsund Relationssymbole des ADT realisiert ADT gdw. erfüllt alle Axiome des ADT ADT = Menge aller konkreten Datentypen (Implementierungen), die ihn realisieren, d.h. seine Spezifikation (Signatur, Axiome) erfüllen 262 Modellierungsbeispiel ID-Nummern Aufgabe: Verwaltung einer Menge ganzer Zahlen (z.B. ID-Nummern), so dass festgestellt werden kann, ob eine Zahl darin enthalten ist und Zahlen zur Menge hinzugefügt und daraus entfernt werden können. Sorten (Wertebereiche): , 2N , {t, f } (Wahrheitswerte) Signatur: Funktionen zum Finden, Hinzufügen, Entfernen, . . . contains : 2N × → {t, f } add, remove : 2N × → 2N ΣF = isempty : 2N → {t, f } ∅: 2N N N N Axiome (definieren die Semantik der Operationen): ∀n ∈ ∀s ∈ 2N ∀n ∈ Φ= ∀s ∈ 2N ∀n ∈ ∀s ∈ 2N ∀m, n ∈ ∀s ∈ 2N ∀n ∈ N N N N N : : : : : isempty((∅) = t, contains(∅, n) = f , contains(add(s, n), n) = t, contains(remove(s, n), n) = f , add(add(s, n), m) = add(add(s, m), n), add(add(s, n), n) = add(s, n), . . . 263 Konkrete Datentypen (Implementierung) – Beispiele verschiedene Möglichkeiten zur Repräsentation der Sorten: I Wahrheitswerte z.B. als {0, 1} oder {−1, 1} I Zahlen in verschiedenen Zahlendarstellungen, z.B. dezimal, binär, zu anderer Basis, Maschinenzahlen (eingeschränkter Bereich) I Mengen als (sortierte) Folgen (mit / ohne Wiederholungen) von Zahlen I Mengen als Zuordnung Zahl → {0, 1} mit 1, falls Zahl in der Menge, 0 sonst (charakteristische Funktion der Menge) I Mengen als {0, 1}-Folgen variabler Länge (z.B. nur relevanter Teil der charakteristischen Funktion) abstrakter Datentyp: Signatur Σ und Axiome Φ, exakte Formulierung der Aufgabe, Spezifikation konkreter Datentyp: Σ-Struktur, welche Φ erfüllt (Modell für Φ) Umsetzung, Implementierung 264 Modellierungsbeispiel Navigation ADT für (Blickrichtung in) Himmelsrichtungen Norden, Osten, Süden, Westen mit Operationen für Rechts- und Linksabbiegen und Umlenken ADT Himmelsrichtungen (Spezifikation): Sorten: eine Sorte (Himmelsrichtung) HR = {N, O, S, W} Signatur: N, O, S, W : HR rechts, links, um : HR → HR Axiome: rechts(N) = O, links(N) = W, . . . um(N) = S, um(O) = W, . . . ∀h ∈ HR : rechts(links(h)) = h, ∀h ∈ HR : links(rechts(h)) = h, ∀h ∈ HR : rechts(rechts(h)) = um(h), . . . 265 Konkreter Datentyp (Beispiele) Implementierung des ADT Himmelsrichtungen, z.B.: cos ϕ − sin ϕ I als Punkte im 2 mit Drehmatrizen sin ϕ cos ϕ 0 1 0 −1 ϕ = −π/2 : R = ϕ = π/2 : L = −1 0 1 0 R A = ({(0, 1), (1, 0), (0, −1), (−1, 0)}, J·KA ) mit JNKA = (0, 1), JOKA = (1, 0), JSKA = (0, −1), JWKA = (−1, 0), x x ∀(x, y ) : JrechtsKA (x, y ) = R ∧ JlinksKA (x, y ) = L y y ∀(x, y ) : JumKA (x, y ) = (−x, −y ) Ist diese Implementierung korrekt (d.h. Modell aller Axiome)? I B = ({0, 1, 2, 3}, J·KB ) mit JNKB = 0, JOKB = 1, JSKB = 2, JWKB = 3, ∀x : JrechtsKB (x) = (x + 1) mod 4 ∀x : JlinksKB (x) = (x − 1) mod 4, ∀x : JumKB (x) = (x + 2) mod 4 Ist diese Implementierung korrekt? 266 Modellierungsbeispiel Papierstapel I Individuenmengen: I I I I Blätter (oben einseitig bedruckt) Stapel (von Blättern) Eigenschaft: (Stapel) ist leer“ ” Funktionen: top : Stapel → Blatt oberes Blatt auf dem Stapel pop : Stapel → Stapel oberes Blatt vom Stapel entfernen push : Blatt × Stapel → Stapel Blatt oben auf den Stapel legen 267 Eigenschaften der Stapel-Operationen Operationen: top : Stapel → Blatt pop : Stapel → Stapel push : Blatt × Stapel → Stapel einige Zusammenhänge zwischen den Stapel-Operationen: für alle Blätter (Stapelelemente) e und alle Stapel s gilt: I Wird zuerst ein Blatt e auf einen Stapel s gelegt und dann von diesem Stapel das obere Blatt weggenommen, enthält man den ursprünglichen Stapel s pop(push(e, s)) = s I top(push(e, s)) = e I push(top(s), pop(s)) = s Beobachtung: Dieselben Eigenschaften gelten auch für Bücher-, Teller- und andere Stapel, sind also unabhängig vom Typ der Stapelelemente 268 ADT Stack (Stapel, Keller) Abstraktion von der Realisierung (Trägermengen, Implementierung der Operationen) Sorten E : Elementtyp, S: Stapel von Elementen vom Typ E , B = {t, f } (Wahrheitswerte) Signatur Σ: top pop push new isEmpty : : : : : S S E ×S S →E →S →S S →B Axiome , z.B. ∀s ∀s ∀s ∀s ∈S ∈S ∈S ∈S ∀e ∀e ∀e ∀e ∈E ∈E ∈E ∈E : : : : isEmpty(new) = isEmpty(push(e, s)) = top(push(e, s)) = pop(push(e, s)) = push(top(s), pop(s)) = t f e s s konkrete Datentypen (Implementierungen) dazu in LV Algorithmen und Datenstrukturen 269 Spezifikation und Verifikation Jeder ADT spezifiziert eine Menge konkreter Datentypen: genau alle Implementierungen (Σ-Strukturen), die alle Axiome des ADT erfüllen Menge aller korrekten Implementierungen des ADT = Modellmenge der Menge Φ der Axiome des ADT Verifikation: formaler Nachweis der Korrektheit von Implementierungen bzgl. der Spezifikation (ADT) oft durch Ableitungen in geeigneten Kalkülen maschinelle Unterstützung durch Werkzeuge wie z.B. Coq, pvs, Isabelle, KIV, KeY (mehr dazu in LV im Master-Studium) 270 Maschinelle Lösung von Aufgaben (Wiederholung) Modellierung Übertragung aller relevanten Informationen von der Realität in einen Modellbereich (geeignet gewählt) durch Analyse und Formalisierung der Eigenschaften von Aufgabenbereich (Kontext): (strukturierte) Daten, Eigenschaften, Zusammenhänge Eingabedaten: Typ, mögliche Werte, Einschränkungen Ausgabedaten (Lösung): Typ und Anforderungen: Einschränkungen Zusammenhänge mit den Eingabedaten Formalisierung in ADT Lösung der Aufgabe im Modellbereich mit vorhandenen Methoden, z.B. SAT-Solver, SW-Bibliotheken speziellen (eigens entwickelte) Algorithmen (Realisierung in konkreten Datentypen, Implementierung) Übertragung der Lösung aus Modellbereich in Realität 271 Wiederholung: ADT Stack (Stapel, Keller) Sorten E : Elementtyp, S: Stapel von Elementen vom Typ E , B = {t, f } (Wahrheitswerte) Signatur Σ: top pop push new isEmpty : : : : : S S E ×S S →E →S →S S →B Axiome , z.B. ∀s ∀s ∀s ∀s ∈S ∈S ∈S ∈S ∀e ∀e ∀e ∀e ∈E ∈E ∈E ∈E : : : : isEmpty(new) = isEmpty(push(e, s)) = top(push(e, s)) = pop(push(e, s)) = push(top(s), pop(s)) = t f e s s Aus den Axiomen lassen sich durch syntaktische Umformungen (ohne Wissen über die Realisierung, konkreten Datentyp) weitere Eigenschaften ableiten, welche in jeder Realisierung gelten, z.B. top(pop(push(a, push(b, s)))) = top(push(b, new)) 272 Algorithmen (Wiederholung aus LV zu Programmierung) Algorithmus: in Schritte geordnete Arbeitsvorschrift I in einer formalen Beschreibungssprache I endlich beschriebene I schrittweise ausgeführte Arbeitsvorschrift zur Lösung einer (Berechnungs-)Aufgabe, d.h. zur Transformation einer Eingabe in eine Ausgabe zur Ausführung eines Algorithmus ist nötig: Akteur / Maschine, welche die Beschreibungssprache interpretieren kann 273 Beispiel: Summe der ersten n natürlichen Zahlen informale Aufgabenstellung: Addiere alle natürlichen Zahlen von 1 bis n. Spezifikation (formale Aufgabenbeschreibung, Anforderungen): N P Nachbedingung: Ausgabe s ∈ N mit s = ni=1 i Vorbedingung: Eingabe n ∈ verschiedene Algorithmen, welche diese Spezifikation erfüllen: Algorithmus : Summe1 Eingabe : n ∈ Ausgabe : s ∈ N N s←0 für jedes i ← 1, . . . , n : s ←s +i Algorithmus : Summe2 Eingabe : n ∈ Ausgabe : s ∈ s← N N n(n+1) 2 274 Beispiel: größter gemeinsamer Teiler Aufgabe: Zu zwei natürlichen Zahlen soll ihr größter gemeinsamer Teiler (ggT) berechnet werden. Kontextwissen (Definitionen): N:t ·k =x Menge aller gemeinsamen Teiler von x ∈ N und y ∈ N: T (x, y ) = {t ∈ N | (t|x) ∧ (t|y )} I größter gemeinsamer Teiler von x ∈ N und y ∈ N I t ist Teiler von x: t | x gdw. ∃k ∈ I ggT(x, y ) = t gdw. ((t ∈ T (x, y )) ∧ (∀s ∈ T (x, y )(s|t))) Spezifikation (Anforderungen): N, y ∈ N Nachbedingungen (an Ausgaben): z ∈ N mit z = ggT(x, y ) Vorbedingungen (an Eingaben): x ∈ 275 Beispiel: Algorithmus für ggT (bekannte) Eigenschaften des ggT: N: N22 : N : ∀x ∈ ∀(x, y ) ∈ ∀(x, y ) ∈ ((x > y ) → ggT(x, x) = x ggT(x, y ) = ggT(y , x) (ggT(x − y , y ) = ggT(y , x))) führen zur Idee des ( einfachen ) Euklidischen Algorithmus: Algorithmus : Größter gemeinsamer Teiler N Eingabe : x ∈ , y ∈ Ausgabe : ggT(x, x) N solange x 6= y : wenn x > y dann x ←x −y sonst y ←y −x Rückgabe x 276 Struktur von Algorithmen Konstruktion komplexer Berechnungsvorschriften aus Grundbausteinen: elementare Algorithmen (Schritte), z.B. I Zuweisung, I Aufruf eines Unterprogrammes, I Ein- oder Ausgabe (Interaktion) Verknüpfungen von Algorithmen durch sequentielle Ausführung (nacheinander) parallelle Ausführung (gleichzeitig, benötigt mehrere Ausführende, z.B. Prozessoren) bedingte Ausführung, Alternative (Verzweigung) wiederholte Ausführung (Schleifen) rekursive Ausführung Blöcke , Unterprogramme (Notation in Struktogramm, Pseudocode, . . . ) 277 Algorithmen-Entwicklung 1. Analyse der informalen Aufgabenstellung 2. (formale) Spezifikation: Was (welche Berechnungsaufgabe) soll gelöst werden? exakte (formale) Beschreibung der Aufgabe: I Anforderungen an Eingaben des Algorithmus I Anforderungen an Ausgaben des Algorithmus I Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgabe 3. Entwurf des Algorithmus: Wie soll es gelöst werden? I formale Darstellung der Arbeitsschritte I zu jedem Schritt: I I I Was wird getan? (Aktionen, Anweisungen) Womit wird es getan? (Daten) Wie geht es weiter? (nächster Schritt) 4. Verifikation: Nachweis der Korrektheit des Algorithmenentwurfes bzgl. der Spezifikation 5. Realisierung (Implementierung) 278 Algorithmen – Analyse der Aufgabe Was soll gelöst werden? I ist zu Beginn des Software-Entwicklungsprozesses oft noch nicht klar, I zunächst grober Ansatz, I wird schrittweise verfeinert, formale Darstellung fördert I I I I I Problemverständnis, Abstraktion (Auswahl relevanter Eigenschaften), Dokumentation während des Entwicklungsprozesses, Ideen für Lösungsansätze 279 Algorithmen – Spezifikation Ausgangspunkt: Ergebnis: umgangssprachlich formulierte und oft ungenaue Aufgabenbeschreibung exakte und vollständige Definition des Problemes Spezifikation einer Berechnungaufgabe: korrekte formale Beschreibung des Zusammenhanges zwischen Eingaben und Ausgaben Spezifikation einer Berechnungsaufgabe enthält Vorbedingung: Forderung an die Eingaben Nachbedingung: Forderung an die Ausgaben 280 Beispiel: Minimum-Suche informale Aufgabenstellung: Entwurf eines Verfahrens, welches in jeder Folge natürlicher Zahlen das Minimum findet formale Spezifikation: Vorbedingung: Eingabe (x1 , x2 , . . . , xn ) ∈ Nachbedingung: Ausgabe m ∈ I I N mit N∗ ∀i ∈ {1, . . . , n} : m ≤ xi und ∃i ∈ {1, . . . , n} : m = xi aus Spezifikation lässt sich folgender Algorithmus ablesen“: ” Algorithmus : Minimum Eingabe : x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Ausgabe : m ∈ N N∗ m ← x1 für jedes i ← 2, . . . , n : wenn xi < m dann m ← xi 281 Beispiel: Sortieren informale Aufgabenstellung: Gesucht ist ein Verfahren, welches jede (endliche) Folge sortiert Kontext (wird mitunter erst auf Nachfrage klar): (z.B. N) I Trägermenge (Elemente der Folge) I totale Ordnung auf der Trägermenge, bzgl. welcher sortiert werden soll, (z.B. ≤ auf ) I auf- oder absteigend sortiert? N (z.B. aufsteigend) formale Spezifikation dieser Sortier-Aufgabe: N∗ Ausgabe (y1 , y2 , . . . , yn ) ∈ N∗ mit Vorbedingung: Eingabe (x1 , x2 , . . . , xn ) ∈ Nachbedingung: 1. y1 ≤ y2 ≤ · · · ≤ yn+1 (aufsteigend geordnet) und 2. (y1 , y2 , . . . , yn ) ist Permutation (Umordnung) der Eingabe (x1 , x2 , . . . , xn ), d.h. ∃ Bijektion auf Indices der Folge p : {1, . . . , n} → {1, . . . , n}, so dass ∀i ∈ {1, . . . , n} : xi = yp(i) ( verschiedene Algorithmen dazu in LV Algorithmen und Datenstrukturen im 2. Semester) 282 Algorithmen – Korrektheit “ . . . there are two ways of constructing a software design: One way is to make it so simple that there are obviously no deficiencies and the other way is to make it so complicated that there are no obvious deficiencies. The first method is far more difficult.” Tony Hoare, 1980 ACM Turing Award Lecture Ist der entworfene Algorithmus korrekt? Erfüllt der entworfene Algorithmus die Spezifikation? Verifikation: Nachweis, dass Entwurf die Spezifikation erfüllt sicherer (aber mitunter aufwendiger) als Testen Es gibt Verfahren / Werkzeuge, die Verifikation automatisch ausführen oder unterstützen. ( mehr dazu in LV Verifikation im Master-Studium ) 283 Korrektheitsnachweise im Entwicklungsprozess Anforderungen analysieren Spezifikation (formale): Vor- und Nachbedingungen (Voraussetzung für Korrektheitsnachweise und Tests) Entwurf eines Algorithmus (Lösungsverfahrens) zur Abbildung von Eingabe- auf Ausgabedaten als Struktogramm, Pseudocode, . . . Korrektheitsnachweis (Verifikation) des Entwurfs (Algorithmus): Nachweis, dass der Entwurf die Spezifikation (Vorbedingungen, Nachbedingungen) erfüllt Realisierung (Implementierung) des Algorithmus Korrektheitsnachweis (Verifikation) der Implementierung: formaler Nachweis, dass die Implementierung (Programm) die Spezifikation für jede korrekte Eingabe (Vorbedingung) erfüllt Ausführung der Implementierung des Algorithmus (Programmes) Tests: Überprüfung, ob die Implementierung (Programm) die Spezifikation für einige spezielle Eingaben erfüllt 284 Was bisher geschah Modellierung von Daten durch Mengen Beziehungen (Zusammenhänge und Eigenschaften) durch Relationen, Graphen und Funktionen Anforderungen durch Logiken Modellierung als algebraische Strukturen (konkrete Datentypen) zur Modellierung zusammenhängender Datenbereiche Trägermengen, Funktionen (, Relationen) abstrakte Datentypen (ADT) zur Modellierung zusammenhängender Datenbereiche und derer Eigenschaften: Sorten, Signatur, Axiome Algorithmen zur Modellierung von Anleitungen (Folgen von Anweisungen) zu schrittweisen Abläufen: Spezifikation (Anforderungen) Aufbau aus Grundbausteinen und Verknüpfungen (Baumstruktur) 285 Himmelsrichtungen (Wiederholung) (Blickrichtung in) Himmelsrichtungen Norden, Osten, Süden, Westen mit Operationen für Rechts- und Linksabbiegen und Umlenken Himmelsrichtungen (Zustände) {N, O, S, W } Norden, Osten, Süden, Westen Operationen (Aktionen) {R, L, U} rechts drehen, links drehen, umdrehen Ausführung einer Aktion bewirkt Übergang (Relation) zwischen zwei Zuständen d.h. jede Aktion a ∈ A definiert eine zweistellige Relation δ(a) auf der Menge der Zustände, im Beispiel: δ(R) ⊆ {N, O, S, W }2 δ(R) = {(N, W ), (O, N), (S, O), (W , S)} δ(L) ⊆ {N, O, S, W } 2 δ(L) = {(N, O), (O, S), (S, W ), (W , N)} δ(U) ⊆ {N, O, S, W } 2 δ(U) = {(N, S), (O, W ), (S, N), (W , O)} 286 Übergänge zwischen Himmelsrichtungen gemeinsame Darstellung dieser Relationen als Graph (V , E ) mit Kantenfärbung V = {N, O, S, W } Menge der Zustände E = δ(R) ∪ δ(L) ∪ δ(U) Kantenrelation A = {R, L, U} Menge der Aktionen als Kantenfarben N R R L L U W O U U U L L R R S 287 Zustandsübergangssysteme Zustandsübergangssystem (Q, X , δ) Q (endliche) Menge von Zuständen X endliche Menge von Aktionen δ : X → (Q × Q) Übergangsrelationen δ ordnet jeder Aktion a ∈ X eine Relation δ(a) ⊆ Q × Q zu (Graph mit Kantenfärbung, Farben: Aktionen) Spezifikation (formale Beschreibung von Anforderungen) von Zustandsübergangssystemen Darstellung der Eigenschaften von I Zuständen I (zulässigen) Aktionen I Wirkung der Aktionen (Zustandsübergänge) als (prädikatenlogische) Formelmengen. 288 Modellierung mit Zustandsübergangssystemen Anwendungsbeispiele: I reale Automaten, z.B. Getränke-, Fahrschein, Bankautomaten I Verkehrssysteme, z.B. Stellwerk, Ampelschaltungen I Steuerung von Industrieanlagen I Bedien-Oberflächen, z.B. Folgen von Bedienoperationen I Digitaltechnik, Schaltwerke I Zeit- und Ablaufplanung I Geschäftsprozesse I Spiel-Abläufe 289 Beispiel: Münzschließfach Aktionen: A aufschließen Eigenschaften: g bezahlt Z zuschließen o offen O Tür öffnen b belegt S Tür schließen G Geld einwerfen Anforderungen (Spezifikation), z.B. Am Münzschließfach sollen nur Abläufe (Wort w ∈ {A, Z , O, S, G }∗ ) möglich sein, die folgende Anforderungen (Eigenschaften) erfüllen: I Offene Fächer können nicht zugeschlossen werden. ∀x(o(x) → ¬∃yZ (x, y )) I In belegte Fächer kann kein Geld eingeworfen werden. ∀x(b(x) → ¬∃yG (x, y )) I Kein nicht bezahltes Fach kann zugeschlossen werden. ¬∃x(¬g (x) ∧ ∃yZ (x, y )) Dazu werden auch häufig nichtklassische Logiken verwendet, z.B. Temporallogiken: (entscheidbare) FOL-Fragmente (mehr dazu in späteren LV zu Verifikation) 290 Beispiel Münzschließfach Entwurf des Systems: {b} ∅ S A O {o} G S {g , o} Z {g } O Beispiele für mögliche Abläufe (während eines Tages) w ∈ {A, Z , O, S, G }∗ : OGSZAGSZA: zwei vollständige Belegungszyklen OSOSOS: Tür wiederholt öffnen und schließen I ε I OSOGSOSZASOSOGSZASO I I Jeder mögliche Ablauf erfüllt die Spezifikation (Anforderungen): ∀x(o(x) → ¬∃yZ (x, y )), ∀x(b(x) → ¬∃yG (x, y )), Φ= ¬∃x(¬g (x) ∧ ∃yZ (x, y )) Menge aller möglichen Abläufe ist reguläre Sprache (Alphabet: Aktionen) mehr dazu in den LV zur Theoretischen Informatik 291 Endliche Automaten – Definition NFA (nondeterministic finite automaton) A = (X , Q, δ, I , F ) mit X endliches Alphabet, Q endliche Menge von Zuständen, δ Übergangsrelationen δ : X → (Q × Q), I ⊆ Q Startzustände, F ⊆ Q akzeptierende Zustände. Beispiel: A = (X , Q, δ, {0, 3}, {2, 3, 4}) mit X = {a, b, c} Q = {0, 1, 2, 3, 4} δ(a) = {(0, 0), (0, 1), (1, 3)} δ(b) = {(0, 0), (1, 2)} δ(c) = {(0, 3), (3, 3), (4, 1)} a,b a 0 c 3 b 1 a 2 c c 4 292 Anwendung endlicher Automaten Endliche Automaten können z.B. I reguläre Sprachen akzeptieren, d.h. bei Eingabe mit ja / nein antworten Anwendungen z.B. I Zulässigkeit von Email-Adressen I Suchen von (auch mehreren) Zeichenketten in Texten I Programmtransformation (z.B. im Compiler): Syntax-Überprüfungen: Bezeichner, Zahl-Darstellungen, korrekte Schlüsselwörter Endliche Automaten können z.B. nicht I Werte ausgeben I Zeichenvorkommen zählen I beliebig lange Zeichenketten speichern I korrekte Klammerung erkennen I rechnen, z.B. addieren 293 Beispiel Kaffee-Automat (einfacher) Kaffee-Automat: I liefert nach Einwurf von 2 e und Bedienung der Kaffee-Taste einen Becher Kaffee I erlaubt Einwurf von Münzen zu 1 e und 2 e I Rückgabe der gezahlten Münzen nach Bedienung der Rückgabetaste formale Beschreibung als Mealy-Automat (Ausgabe bei Übergängen): Zustände Q = {0, 1, 2} (Anzahl der bisher gezahlten e) Aktionen A = {1E, 2E, KT, RT} Ausgaben O = {K , 1 e, 2 e} 2E 1E 0 1 1E 2 RT / 1 e KT / K , RT / 2 e 294 Beispiel Schieberegister Pseudozufallszahlen (als Bitfolgen, z.B. für Verschlüsselung) lassen sich durch Schieberegister erzeugen Beispiel: 3 Register mit Inhalten r1 , r2 , r3 , in jedem Schritt: I Ausgabe r3 und I Übergang r1 r2 r3 → (r1 XOR r3 )r1 r2 formale Beschreibung als Moore-Automat (Ausgabe bei Zuständen): Zustände Q = {001, 010, 011, 100, 101, 110, 111} Aktionen A = {w } (nur eine Aktion, wird nicht markiert) Ausgaben O = {0, 1} 100/0 110/0 111/1 011/1 101/1 010/0 001/1 erzeugte (pseudo-zufällige) Ausgabefolge: 0011101 . . . 295 Palindrome Palindrom: Wort w mit w = w R Beispiele: anna, neben, ε, jedes Wort der Länge 1 Die Menge aller Palindrome über dem Alphabet A ist Lpal = {w ∈ A∗ | w = w R } = {w ◦ w R | w ∈ A∗ } ∪ {w ◦ a ◦ w R | w ∈ A∗ ∧ a ∈ A} | {z } | {z } Lpal0 Lpal1 Beispiele für Wörter aus Lpal : I otto = ot ◦ to = ot ◦ (ot)R für w = ot ∈ A∗ = {a, . . . , z}∗ I reliefpfeiler = relief ◦ p ◦ feiler = relief ◦ p ◦ (relief )R für w = relief ∈ A∗ = {a, . . . , z}∗ I 1 = ε ◦ 1 ◦ ε = ε ◦ 1 ◦ εR I ε=ε◦ε=ε◦ für A = {0, 1} εR 296 Kellerautomaten Es gibt keinen endliche Automaten (NFA), welcher genau alle Palindrome akzeptiert. Ziel: (möglichst einfache) Erweiterung endlicher Automaten, womit die Sprache aller Palindrome akzeptiert werden kann benötigt Speicher für Folge von Symbolen, um auf diese in umgekehrter Reihenfolge zugreifen zu können passender ADT für den internen Speicher mit dieser Eigenschaft: Stack (Keller) mit seinen Operationen push Hinzufügen eines Symbols oben“ ” top Lesen des oberen “ Symbols ” pop Entfernen des oberen “ Symbols ” 297 Kellerautomaten – Definition Erweiterung endlicher Automaten um einen Stack (Keller) als internem Speicher: nichtdeterministischer Kellerautomat (PDA) A = (X , Q, Γ, δ, q0 , F , ⊥) mit X Alphabet (endlich, nichtleer) Q Menge von Zuständen (endlich, nichtleer) Γ Kelleralphabet (endlich, nichtleer) q0 ∈ Q Startzustand F ⊆ Q Menge der akzeptierenden Zustände δ : (X ∪ {ε}) → (Q × Q × Γ × Γ∗ ) Übergangsrelationen mit Änderung des Kellerinhaltes ⊥ ∈ Γ Kellerboden-Symbol Operationen auf dem Stack sind Nebenwirkungen der Zustandsübergänge 298 PDA – Beispiel PDA A = ({a, b, c}, {q0 , p, q}, {⊥, A, B}, δ, q0 , {q}, ⊥) mit δ(a) = {(q0 , q0 , K , AK ), (p, p, A, ε)} mit K ∈ {⊥, A, B} δ(b) = {(q0 , q0 , K , BK ), (p, p, B, ε)} mit K ∈ {⊥, A, B} δ(c) = {(q0 , p, K , K )} mit K ∈ {⊥, A, B} δ(ε) = {(p, q, ⊥, ⊥)} a: b: K | AK K | BK q0 a: b: c :K |K A|ε B|ε p ε:⊥|⊥ q mit K ∈ {⊥, A, B} A akzeptiert genau die Menge (Sprache) aller Palindrome über {a, b}. 299 Kellerautomaten – Anwendungen Kellerautomaten können z.B. I neben regulären weitere Sprachen akzeptieren, d.h. bei Eingabe mit ja / nein antworten I Zeichenvorkommen zählen I beliebig lange Zeichenketten speichern I korrekte Klammerung erkennen Anwendungen z.B. I Programmtransformation (z.B. im Compiler): Erkennen korrekter Schachtelung, Klammerung in Programmstrukturen, arithmetischen, logischen, regulären, . . . Ausdrücken I Parsen und Auswerten von Baumstrukturen, z.B. arithmetischer, logischer, regulärer, . . . Ausdrücke Kellerautomaten können z.B. nicht I rechnen, z.B. addieren I z.B. die Sprache {ww | w ∈ {a, b}∗ } akzeptieren 300 Turing-Maschinen Idee: interner Speicher mit weiteren Zugriffsmöglichkeiten Speicher (Arbeitsband): I beidseitig unendliches Band aus Zellen, I I jede Zelle enthält genau ein Zeichen aus Alphabet oder das leere-Zelle-Symbol 2, I (ist häufig zugleich auch Ein- und Ausgabeband) nur endlicher zusammenhängender Bandabschnitt enthält Zeichen aus dem Alphabet Zugriff auf den Speicher durch Lese-/Schreibkopf I Lesen und Schreiben des Symbols der Zelle, auf der sich der Kopf befindet I Bewegung auf rechte oder linke Nachbarzelle Änderungen des Bandinhaltes und Bewegungen des Lese-/Schreibkopfes sind Nebenwirkungen der Zustandsübergänge 301 Turing-Maschine – Definition Turing-Maschine (TM) M = (X , Q, Γ, δ, q0 , F , 2) mit X endliches Eingabealphabet Q endliche Menge von Zuständen Γ ⊃ X endliches Arbeitsalphabet δ ⊆ (Γ × Q × Γ × Q × {L, R, N}) Übergangsrelation q0 Startzustand F akzeptierende Zustände 2 ∈ Γ \ X Leere-Zelle-Symbol Turing-Maschinen können I Sprachen akzeptieren I Eingaben in Ausgaben transformieren (auf dem Arbeitsband) I Funktionen berechnen I Algorithmen ausführen 302 Turing-Maschine – Beispiel M = ({0, 1}, {q0 , q1 , q2 , q3 , f }, {0, 1, 2}, δ, q0 , {f }, 2) mit δ = {(0, q0 , 0, q0 , R), (1, q0 , 1, q0 , R), (2, q0 , 2, q1 , L)} ∪{(0, q1 , 1, q3 , L), (1, q1 , 0, q2 , L), (2, q1 , 1, f , N)} ∪{(0, q2 , 1, q3 , L), (1, q2 , 0, q2 , L), (2, q2 , 1, f , R)} ∪{(0, q3 , 0, q3 , L), (1, q3 , 1, q3 , L), (2, q3 , 2, f , R)} 21N 00R, 11R q0 10L 22L q1 10L 01L q2 01L q3 21R f 22R 11L, 00L berechnet die Funktion fM (x) = x + 1 in Binärcodierung (ohne führende 0) 303 Lineares Solitaire (Wiederholung) informale Beschreibung des Spieles: Spielbeginn: n Spielsteine, je einer auf n benachbarten Spielfeldern in einer Reihe. Spielzüge: L Springe mit einem Stein über den linken Nachbarn auf das dahinterliegende freie Feld und entferne den übersprungenen Stein. R Springe mit einem Stein über den rechten Nachbarn auf das dahinterliegende freie Feld und entferne den übersprungenen Stein. Spielende: Das Spiel endet, wenn kein Spielzug möglich ist. 304 Lineares Solitaire als Zustandsübergangssystem Q = (21) ◦ v ◦ (12) ∈ {0, 1, 2}2 | v ∈ {0, 1}∗ (unendliche) Menge der Spielzustände s = 21n 2 ∈ Q Startzustand T : A → Q 2 Übergangsrelation zu jeder Aktion aus der Menge A der korrekten Spielzüge (Aktionen): nach rechts (R) bzw. links (L) springen, jeweils mit Spezialfällen am Rand T (R) = u110v → u001v | u|u| 6= 2 ∪ {2112 → 212} ∪ v 112 → v 0012 | v|v | 6= 2 ∪ {2110v → 21v | v1 6= 2} T (L) = {u011v → u100v | v1 6= 2} ∪ {2112 → 212} ∪ {211v → 2100v | v1 6= 2} ∪ v 0112 → v 12 | v|v | 6= 2 Das Spiel (Zustandsübergangssystem) lässt sich durch eine (geeignet definierte) Turing-Maschine simulieren (jeder Spielzug durch mehrere Übergänge der Turing-Maschine). 305 Berechnungen als Zustandsübergangssysteme imperative Programmierung (von-Neumann-Modell): Programm (imperativ): Folge von Anweisungen Ausführungsmodell: abstrakte Maschine Zustand der abstrakten Maschine besteht aus I Belegung der Variablen im Speicher und I nächste Anweisung (Programmzähler) Startzustand für Programm p und Eingabe i: I Variablen im Speicher mit Werten aus i belegt, I erste Anweisung von p (Programmzähler) Berechnung (Ausführung) des Programmes p: sequentielle Ausführung der Anweisungen in p Modellierung durch (endliche oder unendliche) Folge von Zustandsübergängen (Rechenschritten) Ausgabe: Speicherbelegung nach Ende der Berechnung Semantik (Wirkung) eines imperativen Programmes p: Abbildung (partielle Funktion) von Eingaben auf Ausgaben und Nebenwirkungen (z.B. Änderung der Speicherbelegung) 306 Beispiel: Vertauschen mit Hilfsvariable Aufgabe (informal): Vertauschen der Werte zweier Variablen Spezifikation: Vorbedingung: Eingabe a = A ∈ , b = B ∈ Nachbedingung: Ausgabe a = B ∈ , b = A ∈ Zustände (A, B, C ) ∈ 3 (unendlich viele), wobei A Wert der Variable (Speicherplatz) a (B, C analog) Übergänge definiert durch Anweisungen des Programmes N N N N N Beispiel: Zustandsübergangssystem der Berechnung für Eingabe a = 3, b = 5: Programm z.B. c ← a a ← b b ← c (3, 5, ?) (c ← a) (3, 5, 3) (a ← b) (5, 5, 3) (b ← c) (5, 3, 3) Verifikation des Programmes (Nachweis der Korrektheit bzgl. Spezifikation) durch Ausführung mit symbolischen Werten (A, B, C ) manuell oder maschinell möglich (mehr dazu in Master-LV zu SW-Verifikation) 307 Was bisher geschah Modellierung von Daten durch Mengen (einfach, zusammengesetzt) Beziehungen (Zusammenhänge und Eigenschaften) durch Relationen, Graphen und Funktionen Abläufen durch Zustandsübergangssysteme sequentiell (ein Akteur): endliche Automaten mit Erweiterungen Anleitungen durch Algorithmen (strukturierte Anweisungsfolgen, Programme) Anforderungen (Spezifikation) an Daten, Eigenschaften, Zusammenhänge, Abläufe, Algorithmen, . . . durch Logiken 308 Modellierung von Abläufen bisher: Modellierung von Systemen mit I sequentielle Ausführung I durch einen Akteur Modellierung des Verhaltens I nebenläufiger Systeme I mit mehreren Akteuren / Komponenten I abhängig von mehreren Ressourcen I reagiert auf Ereignisse (Vorliegen von Ressourcen) Beispiele (Tafel): I Kerze anzünden (mehrere Ressourcen) I PC – Drucker (lose Kopplung von Komponenten) 309 Petri-Netz: Definition nebenläufiges Automaten-Modell eingeführt von Carl Adam Petri, 1962 Stellen/Transitions-Petri-Netz N = (S, T , F ) mit S Menge von Stellen (Bedigungen, Ressourcen) T Menge von Transitionen (Aktionen) wobei S ∩ T = ∅ F ⊆ (S × T ) ∪ (T × S) Menge von Kanten (Relation) gerichteter bipartiter Graph (S ∪ T , F ) Beispiel (Tafel): N = (S, T , F ) mit S = {A, B, C , D, E , F , G } T = {a, b, c, d} F = (A, a), (a, B), (B, b), (b, C ), (a, D), (E , c), (c, F ), (F , d), (d, G ), (D, d) 310 Petri-Netz: Zustände jede Transition t ∈ T im Netz N = (S, T , F ) hat Vorbereich (Eingänge): VBN (t) = {s ∈ S | (s, t) ∈ F } Nachbereich (Ausgänge): NBN (t) = {s ∈ S | (t, s) ∈ F } Zustand eines Petri-Netzes N = (S, T , F ): Abbildung z : S → (ordnet jeder Stelle s ∈ S eine Anzahl von Marken zu) Marken repräsentieren z.B. I erfüllte Bedingungen I vorhandene Ressourcen Transition t ∈ T ist im Zustand z aktiviert gdw. N ∀s ∈ VBN (t) : z(s) ≥ 1 Beispiel (Tafel): N = (S, T , F ) mit S = {1, 2, 3} T = {a, b, c} F = {(1, a), (1, b), (a, 1), (a, 2), (2, c), (c, 3), (b, 3), (3, c)} und Anfangszustand z = {1 7→ 1, 2 7→ 0, 3 7→ 0} 311 Zustandsübergänge Schalten einer aktivierten Transition t ∈ T I verbraucht je eine Marke an jeder Stelle im Vorbereich I erzeugt je eine Marke an jeder Stelle im Nachbereich t Jede Transition t definiert eine Relation → auf z2 (s) − 1 t z2 (s) + 1 z1 → z2 gdw. ∀s ∈ S : z2 (s) = z2 (s) Zuständen mit falls s ∈ VBN (t) falls s ∈ NBN (t) sonst I In jedem Schritt schaltet genau eine aktive Transition I Falls mehrere Aktionen aktiv sind, wird eine davon beliebig ausgewählt (nichtdeterministisch) Darstellung als Diagramm (Zustandsübergangssystem) meist für gegebenen Anfangszustand z0 312 Petri-Netze: Konflikte I I I Schalten einer aktiven Transition verbraucht Marken Transitionen mit gemeinsamen Stellen im Vorbereich konkurrieren um Marken ermöglicht Synchronisation nebenläufiger Abläufe (Transitionsfolgen) Transitionen t1 ∈ T und t2 ∈ T stehen zueinander im Konflikt gdw. VB(t1 ) ∩ VB(t2 ) 6= ∅ Beispiel (Tafel): N = (S, T , F ) mit S = {1, 2, 3, 4, 5}, T = {a, b, c, d} und (1, a), (a, 2), (2, b), (b, 1), (b, 3), (3, a), F = (5, c), (c, 4), (4, d), (d, 5), (d, 3), (3, c) enthält Konflikt zwischen den Transitionen a und c, weil Stelle 3 ∈ VBN (a) ∩ VBN (c) 313 Kapazitäten und -Schranken Erweiterung: I jede Kante bekommt eine Gewicht (eine positive Zahl), beschreibt die Anzahl der Marken, die bei jedem Schalten durch die Kante fließen sollen. Einschränkung: I Stellen können einer Kapazität bekommen (eine positive Zahl), beschreibt die maximal erlaubte Anzahl von Marken in dieser Stelle falls alle Kapazitäten beschränkt ⇒ Zustandsmenge endlich (aber evtl. groß) ⇒ vollständige Analyse des Zustandsübergangsgraphen (prinzipiell) möglich Spezialfall Bedingung/Ereignis-Netze: I jede Kante hat Gewicht 1 I jede Kapazität ist 1 314 Beispiel Ampelschaltung eine Ampel I schaltet zwischen rot und grün Fußgänger-Überweg I Ampel (Paar) für Fahrzeuge I Ampel (Paar) für Fußgänger I nicht beide gleichzeitig grün I schaltet streng abwechselnd für Fahrzeuge und Fußgänger grün Fußgänger-Überweg mit Bedarfsschaltung (Sensoren für Fußgänger und Fahrzeuge) I Ampel (Paar) für Fahrzeuge I Ampel (Paar) für Fußgänger I nicht beide gleichzeitig grün I schaltet bei Bedarf 315 Modellierung mit Petri-Netzen I sequentielle Ausführung I Auswahl (ein Zweig von mehreren) I nebenläufige Verzweigung (mehrere Zweige) I Synchronisation I Konflikte (gegenseitiger Ausschluss) I Verbindung von Erzeuger-Verbraucher-Kreisläufen Anwendungen zur Modellierung z.B. von I realen oder abstrakten Automaten und Maschinen, I kommunizierenden Prozessen (z.B. in Rechnern), I Verhalten von Software- oder Hardware-Komponenten, I verteilten Systemen I Geschäftsabläufen in einer Firma, I Spielen (bzw. Spielregeln), I biologischen Prozessen (Bioinformatik). 316 Beispiel Autowerkstatt (nach Kastens, Kleine Büning: Modellierung) Repräsentation der Informationen zur Auftragsabwicklung in einer Autowerkstatt Modellierung I der (Mengen der) beteiligten Individuen (Objekte, Entities) I derer Eigenschaften I der Beziehungen zwischen Individuen I der Abläufe bei der Auftragsabwicklung 317 Individuen(-Mengen), Eigenschaften, Beziehungen Kunde hat Namen, besitzt KFZ, erteilt Aufträge Auftrag hat Eingangsdatum, betrifft KFZ, wird von Mechanikern bearbeitet, benötigt Ersatzteile Fahrzeug ist PKW (mit einer Farbe) oder Motorrad (mit / ohnen Tuning) hat Typ, Baujahr und Fahrgestellnummer KFZ-Typ hat Typ-Namen Ersatzteil ist geeignet für KFZ-Typ Mechaniker hat Namen, ist ausgebildet für KFZ-Typ bearbeitet Aufträge 318 Ausprägungen I Kunde Meier (Kunden-Nr. 12) bringt am 27.7.2004 seinen blauen Golf (Bj. 2001, Fahrgestell-Nr. 435793) . . . I Kunde Schmidt (Kunden-Nr. 17) bringt am 28.7.2004 seinen roten Audi (Bj. 2002, Fahrgestell-Nr. 578349) . . . 319 Semantisches Netz Modellierung in zwei Abstraktionsebenen: I obere Ebene (Terminologie): Begriffe (Klassen, Entity-Mengen) z.B. Kunde, Auftrag, Fahrzeug, Mechaniker und deren Attribute (Eigenschafts-Namen), z.B. Name, Nummer, Farbe Rollen (Relations-Namen) z.B. ist-ein, besitzt, bearbeitet I untere Ebene (Ausprägungen): Individuen (Objekte, Entities, Instanzen) Werte der Attribute Beziehungen (Relationen) zwischen Individuen 320 Übliche Darstellungformen Entity-Relationship-Diagramme (ERD): Knoten: I entities (Typ-Namen) als Rechteck I relationships (Relations-Namen) als Raute I Attribute als Ellipse Kanten (beschriftet mit Rolle) zwischen I zwei entities I entity und Attribut I entity und relationship evtl. Kardinalitäten an Kanten (mehr dazu in LV zu Datenbanken) Klassendiagramme in Unified Modeling Language (UML): Knoten (Klassen): Typ-Namen mit Attributen Kanten (Assoziationen): Relations-Namen evtl. Kardinalitäten, verschiedenen Pfeilarten an Kanten (mehr dazu in LV zu Softwaretechnik) 321 Modellierung von Bedingungen I Jeder Auftrag soll (von wenigstens einem Mechaniker) bearbeitet werden: ∀a ∈ A∃m ∈ M : bearbeitet(m, a) I Jeder Auftrag soll von höchstens drei Mechanikern bearbeitet werden: ∀a ∈ A : |{m ∈ M | bearbeitet(m, a)}| ≤ 3 I Aufträge für Fahrzeuge werden nur dann angenommen, wenn es in der Werkstatt für deren Typ ausgebildete Mechaniker gibt: (betrifft(a, f ) ∧ hatTyp(f , t)) ∀a ∈ A ∀f ∈ F ∀t ∈ T : → (∃m ∈ M : kann(m, t)) 322 Modellierung von Abläufen Bearbeitung eines einzelnen Auftrages 1. Erteilung des Auftrags 2. Bestellung und Entgegennahme der fehlenden Ersatzteile 3. Bereitstellung der vorhandenen Ersatzteile 4. Bearbeitung des Auftrages 5. Auslieferung Modellierung (Tafel) sequentiell als Zustandsübergangssystem nebenläufig als Petri-Netz 323