ANNA ROHRER, DIE TIERKREISZEICHEN Astrologie und Aberglaube (Ausschnitt aus der 1. Lektion) „Aus religionswissenschaftlicher Sicht ist Aberglaube eine Mischung von Elementen, die im Rahmen des herrschenden Glaubens keinen organischen Platz haben oder die davon abgesplittert sind.“ 1 Aberglaube ist „in religiöser Scheu und im magischem Denken wurzelnder Glaube, Irrglaube“ 2 Diese Definitionen stellen die Beziehung zwischen dem „wahren Glauben“ und dem „Irrglauben“ her. Astrologie gehört weder zum einen noch zum anderen. Mit Glauben hat die Astrologie überhaupt nichts zu tun. Die Aussagen der Astrologie beruhen auf Beobachtung, wie es bereits die Geschichte der Astrologie zeigt. Schon vor 5000 Jahren sprach man von der „Sprache der Götter“, schon damals sah man in den Sternen, in Sonne und Mond nicht die Götter selbst. Auch heute muss sich die Astrologie in der Praxis beweisen. Aussagen, die nicht der Realität entsprechen, sind wertlos, da hilft auch kein „glauben“. Der Mensch fühlt sich sicherer, wenn er hinter den scheinbaren Zufälligkeiten des Lebens eine innere Ordnung finden kann. Religionen bieten Modelle für die Sinnhaftigkeit des Lebens und Sterbens an. Die Wissenschaften erforschen Gesetzmäßigkeiten, die unser Leben bestimmen. Wissen vermittelt ebenso wie Glauben sicheren Halt. Beide verlangen vom Menschen, dass er seine Fähigkeiten und seinen Willen einsetzt, um sein Leben sinnvoll zu gestalten und dass er Verantwortung für sich übernimmt. Aberglaube macht es dem Menschen vordergründig leichter: Er bietet scheinbare Antworten auf die Fragen des Lebens, indem die Ursache für ein Erlebnis nicht im eigenen Handeln, sondern im Wirken schicksalhafter Kräfte gesucht wird. Damit verzichtet der abergläubische Mensch auf die Möglichkeit einer bewussten Entscheidung und auf den Einsatz des freien Willens. Er fühlt sich für sein Schicksal nicht verantwortlich und weigert sich, etwas zur Bewältigung seiner Probleme beizutragen. Er wartet darauf, dass das Glück zu ihm kommt. Wenn es ihm schlecht geht, beklagt er sich und unternimmt nichts, um seine Lage zu verbessern. Leider gibt es eine falsch verstandene Astrologie, die diese Haltung unterstützt. Diese abergläubische Astrologie ist ein Geschäft mit der Angst und der Bequemlichkeit der Menschen, weil die Ursachen für Glück und Unglück nicht im eigenen Verhalten gesucht werden müssen, sondern bei den Sternen, die das Leben angeblich beeinflussen. Sie wirkt lähmend auf den Ratsuchenden, der wie die Maus vor der Schlange hypnotisiert die Katastrophe erwartet. Richtig verstandene Astrologie schärft das Bewusstsein und macht frei. Sie schafft Klarheit und verringert Angst. Seriöse Astrologie geht nicht von einem „Einfluss“ der Sterne, der Sonne oder des Mondes aus. Die Rhythmen dieser Himmelskörper gleichen den Rhythmen aller Lebewesen und der Seele des Menschen. C. G. Jung prägte den Begriff „Synchronizität“ als Erklärung für den Zusammenhang zwischen kosmischen Kräften und irdischen Geschehnissen. Kosmische Rhythmen laufen nach einem gemeinsamen Gesetz mit menschlichen Entwicklungen gleichzeitig ab, vergleichbar mit einer Uhr, die die Zeit anzeigt, ohne sie zu beeinflussen. 1 Lexikon der Religionen, Herder Verlag 1987, Seite 1 2 DUDEN Band 7, Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache 1963, Seite 8 1 ANNA ROHRER, DIE TIERKREISZEICHEN Gelegentlich wird der Astrologe mit einem Wahrsager verwechselt: „Viel Praktik und Weissagekunst Geht aus jetzt durch der Drucker Kunst; Die drucken alles, was man bringt Was man von Schanden sagt und singt; Gott lässt es ohne Straf und Pein. Die Welt will ja betrogen sein.“ Sebastian Brandt, Das Narrenschiff, 1494 Das „Deutsche Wörterbuch“ von Jakob und Wilhelm Grimm 3 definiert „Wahrsagen“ folgendermaßen: 1. Die Wahrheit sagen 2. Als wahr versichern, bekräftigen 3. Die Wahrheit zu verkündigen konnte leicht als eine besondere Gabe erscheinen, namentlich wenn es sich um Zukünftiges handelt, und so nimmt dann das Wort die Bedeutung „prophezeien, voraussagen“ an. Diese Bedeutung lässt sich seit dem 14. Jahrhundert nachweisen. In der Anwendung des Wortes tritt das Bestreben hervor, es von weissagen zu unterscheiden, indem dies als das edlere Wort gilt, das namentlich von den Sehern der Vorzeit gebraucht wird, während wahrsagen besonders auf abergläubische, zauberische Künste geht, wie sie auch noch in der Gegenwart ausgeübt werden, namentlich das Ausdeuten von Zeichen. Schon im älteren Neuhochdeutsch macht sich der herabsetzende Nebensinn bei wahrsagen bemerklich. Der „Wahrsager“ wird definiert als 1. Einer, der die Wahrheit sagt 2. Einer, der die Zukunft voraussagt oder Verborgenes aufhellt. Noch mehr als bei wahrsagen macht sich hier der ungünstige Nebensinn des Abergläubischen und Betrügerischen geltend. Diese Definitionen machen deutlich, dass „Wahrsagen“ keinen guten Ruf hat, und das nicht erst heute, in unserer modernen, wissenschaftlich orientierten Zeit. Die astrologische Wahrsagerei - die so genannte Vulgärastrologie - gibt es schon fast so lange wie ihre ältere Schwester, die Astrologie der Schamanen, Priester und Eingeweihten. Im alten Rom brachte sie die Astrologie zum Verschwinden und auch in unserer Kultur hat sie die Astrologie von den Universitäten vertrieben. Obwohl die Astrologie im 20. Jahrhundert wieder an Niveau und an Bedeutung gewonnen hat, schleicht sich die abergläubische Astrologie immer wieder auch in moderne Bücher ein. Es ist die Astrologie der Masse, die einfache Lebensregeln sucht, die besonders interessant sind, wenn sie etwas Geheimnisvolles und Magisches an sich haben. Ein Astrologe, der vorgibt, die Einzelheiten der Zukunft zu kennen, wird häufig als „Scharlatan“ bezeichnet: „Als Scharlatan wird eine Person bezeichnet, welche vorgibt, besonderes Wissen, magische Fähigkeiten oder übernatürliche Gaben zu besitzen, ohne dass dies den Tatsachen entspricht. Die Herkunft des Begriffs ist auf eine Verschmelzung des Ortsnamens Cerretano und dem italienischen Wort für "schwätzen" = ciarlare zurückzuführen. Die Cerretani, 3 Deutsche Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm (1854 – 1961), Band 13 (Erscheinungsjahr 1907) 2 ANNA ROHRER, DIE TIERKREISZEICHEN Einwohner des italienischen Städtchens Cerreto, standen im Mittelalter in dem schlechten Ruf, als Stadtstreicher durch die Gegend zu ziehen und arglosen Menschen mit Gaukeleien und Betrügereien das Geld aus der Tasche zu ziehen. Dementsprechend wurde der Begriff "Scharlatan" bald zum Synonym für alles landfahrende Volk wie auch Alchimisten, Quacksalber, und Geisterbeschwörer. Heute wird Scharlatanerie vor allem dem Verkauf von Produkten und Methoden aus der Esoterik und auf Basis von pseudowissenschaftlichen Fundamenten nachgesagt.“ aus Wikipedia 4 Der Scharlatan 5 4 5 http://de.wikipedia.org/wiki/Scharlatan im Jänner 2007 Pietro Longhi 1757, http://commons.wikimedia.org/wiki/index.html?curid=153959 am 1.3.2009 3 ANNA ROHRER, DIE TIERKREISZEICHEN Wodurch unterscheiden sich die Voraussagen in der abergläubischen Astrologie von den Prognosen der psychologischen Astrologie? Abergläubische Wahrsagerei sagt voraus, WAS sein wird, WAS geschehen wird, ohne die Möglichkeiten der Selbstbestimmung zu berücksichtigen. Der angebliche Einfluss der Sterne lenkt das Schicksal, nicht der Mensch selbst. Diese Form der Astrologie macht den Menschen zum Opfer des „Schicksals“, weil er es für unausweichlich hält und infolgedessen keine Anstrengungen unternimmt, um Probleme zu lösen, aus Fehlern zu lernen oder sich weiter zu entwickeln. Psychologische Astrologie beschreibt die seelische Grundstimmung einer bestimmten Lebensphase. Sie hilft, bewusster zu leben, die Zeitqualität für die persönliche Entfaltung zu nutzen, in verfahrenen Situationen Auswege zu finden, Entscheidungen gezielter zu treffen, den inneren Sinn von Lebenskrisen zu verstehen und dadurch zu akzeptieren und zu ertragen, Gefahren zu vermeiden, für wichtige Vorhaben günstige Zeiten zu finden. Stephen Arroyo 6 schreibt in einem seiner Bücher über die Kraft, die astrologische Symbole besitzen. Sie sind mehr als einfache Schriftzeichen. Es sind archetypische Bilder, durch die unendliches, seit Jahrtausenden angesammeltes Wissen der Menschheit fließen kann. Sie öffnen die Tür zum kollektiven Unbewussten und stellen uns seelische Energie zur Verfügung, wenn wir richtig mit ihnen umgehen. Man kann die Symbole der Astrologie nicht nur dazu verwenden, den geistigen Horizont zu erweitern, man kann durch intensive Beschäftigung mit Astrologie spüren, wie man seelisch wächst. Niveauvolle Astrologie kann Therapie sein oder auch ein Selbstfindungsweg. Beim Arbeiten mit Astrologie lernen wir nicht nur, die Kräfte von Planeten intellektuell zu verstehen, ihre Energien beginnen sich in der Seele zu entfalten. Wir werden ausgewogener, harmonischer, vollständiger, stärker, selbstbewusster. Astrologie kann aber nur dann die tiefen Schichten der Seele erreichen, wenn man sich mit dem eigenen Horoskop beschäftigt. Bücherwissen, Theorie und die Beschäftigung mit den Horoskopen anderer Menschen öffnen die Türe zu diesen archetypischen, seelischen Energien nicht. Beim Betrachten und Analysieren der Horoskope anderer bleibe ich auf der intellektuellen Ebene stehen, denn mein Bewusstsein kann nur durch Erfahrungen wachsen, die ich selbst mache! Für Übungszwecke werden wir natürlich auch mit den Horoskopen anderer arbeiten, aber Ihr wichtigstes Horoskop während der Ausbildung ist Ihr eigenes! Warum ist es nicht möglich, Zukünftiges vorauszusagen? • 6 Einen „Einfluss“ der Sterne gibt es nicht. Sonne, Mond und Sterne interessieren sich nicht für das, was wir tun. Aber nach dem Gesetz „Wie oben, so unten“ (Hermes Trismegistos) verraten uns die kosmischen Symbole etwas über uns. Es gibt natürlich Lebensbedingungen, die wir nicht beeinflussen können, mit denen wir zurechtkommen müssen. Aber innerhalb eines bestimmten Rahmens entscheiden wir selbst über unser Schicksal und es ist die Aufgabe der Astrologie, uns die Möglichkeiten, die wir haben, bewusst zu machen. Stephen Arroyo, Astrologie, Psychologie und die vier Elemente, Hugendubel Verlag 1983, Seite 72 4 ANNA ROHRER, DIE TIERKREISZEICHEN • Ein Horoskop sagt nichts über Umwelt, Erziehung, Kultur, Lebenssituation, Alter, Geschlecht, Bildung und Niveau eines Menschen aus. Man kann nicht einmal erkennen, ob man das Horoskop eines Menschen oder eines Pferdes vor sich hat. Diese Faktoren spielen für zukünftige Möglichkeiten natürlich eine wichtige Rolle. Man kann aus diesem Grund auch kein sinnvolles Horoskop von einer unbekannten Person erstellen. • Alle Symbole besitzen eine Vielzahl an Bedeutungen. Welche Auswirkung eine bestimmte Konstellation in Zukunft haben wird, kann man nicht voraussehen, weil es viele Möglichkeiten gibt. Was kann vorausgesagt werden? Die Grundtendenzen, Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen einer Zeit lassen sich mit Hilfe von Prognosemethoden feststellen. Die Basis dafür ist das Geburtshoroskop, das die Veranlagung zeigt, die man in dieses Leben mitgebracht hat. Verborgene Zusammenhänge zwischen verschiedenen Lebensphasen oder Ereignissen können sichtbar werden. Der innere Sinn des Erlebten wird klar, was besonders in Krisenzeiten eine Hilfe ist. Außerdem kann man bestimmte Entwicklungen zeitlich einordnen. Manchmal ist es ein Trost zu wissen, wann eine mühsame Zeit ihr Ende hat. Die Gegenwart bestimmt, was in meiner Zukunft möglich ist. Meine heutigen Entscheidungen tragen morgen Früchte. 5 ANNA ROHRER, DIE TIERKREISZEICHEN Der Widder: Kindheit und Jugend (Ausschnitt aus der 7. Lektion) Kinder, die ihre Umgebung mit ihrem exzessiven Bewegungsdrang plagen, geraten heute schnell in den Verdacht, eine Hyperaktivitätsstörung zu haben. Die Astrologie ist toleranter als die moderne Gesellschaft und weist darauf hin, dass das Bedürfnis nach Bewegung individuell sehr verschieden ist. Ein Zeichen sticht dabei besonders hervor: Das Widderkind hasst es, still zu sitzen, auf die Erwachsenen zu warten, bis sie fertig gegessen, telefoniert oder geschlafen haben. Wie von einem unsichtbaren Motor angetrieben ist es immer in Bewegung. Selbst der von den Erwachsenen herbeigesehnte Schlaf dauert selten so lange, wie es sich die Eltern wünschen. Beim Vorlesen vor dem Schlafen bleibt das Kind oft länger wach als die Eltern. Vom viel zu frühen Morgen bis zum späten Abend kennt es keine Müdigkeit. Für ein Widderkind ist das ganz normal und kein Anzeichen einer Störung. Es ist die personifizierte Vitalität und Lebensfreude. Die Welt wird täglich neu erobert, furchtlos und unbekümmert. Es ist ein Kinderleben voller Abenteuer. Die Erziehung zum Pazifisten fällt beim WidderJungen auf unfruchtbaren Boden. Die Meinung, dass Spielzeugpistolen, diverse Computerspiele und Streiten unmoralisch seien, beraubt ihn seiner Männlichkeit. Da Frauen für die Welt des Kampfes meistens wenig übrig haben, verhindern fürsorgliche Mütter oft die freie Entfaltung ihres WidderSprösslings. Der kleine Widder muss lernen zu kämpfen, fair zu sein, zu verlieren, etc – das ist nur möglich, wenn er die Gelegenheit dazu hat. Auch Widder-Töchter toben gerne mit den Nachbarsbuben herum und interessieren sich wenig für Barbie & Co. Je mehr Auslauf, Bewegung und Sport Klein-Widder hat, desto pflegeleichter ist er. Wenn er seine Vitalität nicht ausleben kann, wird er störrisch und anstrengend. Umgekehrt braucht so ein Wildfang klare Grenzen und Regeln, die auch konsequent eingehalten werden müssen. Übertretungen dürfen nicht gutmütig und verständnisvoll übersehen werden, sonst fährt Klein-Widder mit seinen Eltern Schlitten, was am ehesten Krebsen und Fischen passiert. Widder entwickeln sich früh zur Selbständigkeit und kommen mit der modernen Berufstätigkeit der Eltern gut zurecht. Während der Pubertät ist eine Mischung aus Strenge, Gelassenheit und Humor für die Eltern sehr hilfreich. In dieser Zeit ist es – wie auch im Kleinkindalter – notwendig, ihn vor sich selbst zu schützen, da er Gefahren nicht erkennt. Gleichzeitig muss man ihm so viel Freiheit wie möglich schenken, damit er sich gut entfalten kann. Abbildung: http://de.wikipedia.org/wiki/Struwwelpeter am 14.10.2009 6