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16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma
In den Herbst- und Wintermonaten beginnt regelmäßig auch die Saison für Erkältungskrankheiten. Schnupfen,
Husten und Heiserkeit haben Hochkonjunktur. In manchen Wintern kommt noch eine Grippewelle hinzu. Die
Ursachen für Erkältungen sind vielfältig. Sie treten jedoch vor allem auf, wenn der Körper auskühlt, z. B. beim
Warten auf einen Bus in feuchtkalter Witterung oder durch Zugluft nach starkem Schwitzen. Durch den Auskühlungsprozess verengen die Blutgefäße, wodurch die körpereigene Abwehr gebremst wird. Wenn die Durchblutung z. B. im
Nasen-Rachen-Raum vermindert wird, stehen weniger Leukozyten und Antikörper zur Verfügung, um eingedrungene
Krankheitserreger abzuwehren. Durch Kälte steigt die Infektionsanfälligkeit im Bereich der Atemwege stark an. Aber
auch andere Faktoren, z. B. Stress, Schlafmangel oder unausgewogene Ernährung, können das Immunsystem beeinträchtigen, sodass sich Erreger leichter auf Schleimhäuten ansiedeln und von dort aus verbreiten können.
16.1 Atemwege und benachbarte
Organe
Die Atemmuskulatur des Brustkorbs und des
Zwerchfells dehnt den Brustraum, sodass Lu
durch die Atemwege, dem sog. Respirationstrakt,
in die Lunge nachströmt. Mit der Lu finden
Erreger von Erkältungskrankheiten Zutritt zum
menschlichen Organismus. Man unterscheidet
zwischen oberen und unteren Atemwegen (Tab.
16.1).
Abb. 16.1 zeigt die Lage der Bestandteile der
oberen Atemwege, zu denen Nase mit Nasennebenhöhle, Mund, Rachen und Mandeln zählen.
Den unteren Teil der Atemwege bilden Kehlkopf, Luröhre, Bronchien, Bronchiolen und Lungenbläschen. Die Atemwege gewährleisten die Atmung. Durch ein Röhrensystem, die Bronchien,
Tab. 16.1 Einteilung der Atemwege
Obere Atemwege
Nasenhöhle,
Nasennebenhöhlen (Sinus),
Mund,
Mundhöhle,
Rachen (Pharynx),
Mandeln (Tonsillae)
Untere Atemwege
Kehlkopf (Larynx),
Luftröhre (Trachea),
Lunge (Pulmo),
Bronchien,
Bronchiolen,
Lungenbläschen (Alveolen)
das sich wie Äste eines Baumes immer weiter und
feiner verzweigt, wird Lu zur Lunge transportiert. In den Lungenbläschen (Alveolen), die von
filigranen Blutgefäßen umgeben sind, findet der
Gasaustausch statt. Sauerstoff (O2) aus der Einatemlu gelangt ins Blut und zu den Zellen, das im
Körper entstandene Kohlendioxid (CO2) wandert
vom Blut in die Alveolen und wird im Austausch
gegen O2 wieder abgeatmet (Ausatemlu).
Es ist leicht zu verstehen, dass gestörte Atemwegsfunktionen weit reichende Folgen für den
Organismus haben können. Bei Erkältungskrankheiten werden häufig unmittelbar benachbarte Organe der Atemwege, die Ohren und Augen (siehe
Kap. 17), in Mitleidenscha gezogen.
16.2 Erkrankungen der Atemwege
Erkrankungen der Atemwege machen in den Industrieländern 25 % bis 50 % aller ärztlichen Konsultationen und ca. 33 % aller Arbeitsunfähigkeitstage aus. Damit kommt ihnen eine beachtliche
ökonomische Bedeutung zu.
Die folgenden Erkrankungen der oberen
Atemwege und benachbarter Organe lassen sich
im weitesten Sinne als Erkältungskrankheiten
auffassen, es handelt sich um Entzündungen:
n der Nasenschleimhaut (Rhinitis),
n der Nasennebenhöhlen (Sinusitis),
n des Rachens (Pharyngitis),
n der Mandeln (Tonsillitis oder Angina
tonsillaris),
n der Mundschleimhaut (Stomatitis).
357
16.2 Erkrankungen der Atemwege
Abb. 16.1 Mittelschnitt durch den Kopf eines erwachsenen Mannes. Atemwege hell- und dunkelgrau. Nach Faller
2004
Durch die unmittelbare Nähe benachbarter Organe können sich eingedrungene Erreger leicht
von einem Organ zum anderen ausbreiten.
Wenn die unteren Atemwege betroffen sind, entstehen folgende Entzündungen:
n des Kehlkopfes (Laryngitis),
n der Bronchien (Bronchitis oder Bronchialkatarrh),
n der Lunge (Pneumonie).
Wenn sich Entzündungen des Nasen-RachenRaums auf die Ohren ausdehnen, können sich
Tubenmittelohrkatarrhe oder Mittelohrentzündungen (Otitis media) entwickeln. Sind die Augen betroffen, äußern sich Erkältungskrankheiten
häufig in Form einer Bindehautentzündung (Konjunktivitis).
Erreger von Erkältungskrankheiten
Erkältungskrankheiten (grippale Infekte) und
Grippe werden zu 95 % von Viren verursacht.
Diese Primärinfektion wird durch verschiedene
Viren hervorgerufen:
n Respiratorisches Syncytal-Virus (RSV); (syncytal – zusammengewachsene Zellen),
n Rhinoviren,
n Adenoviren (adeno – drüsenartig),
n Parainfluenza-Viren,
n Influenza A-, B- und C-Viren (Grippe-Viren).
RSV-Infektionen treten vor allem bei Kindern
unter einem Jahr auf, Influenza-A-Viren bei Patienten über 60 Jahren, Menschen mit geschwächtem Immunsystem und/oder chronischen Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus).
16
358
16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma
Abb. 16.2 Ausbreitungswege
von Erregern in den Atemwegen und auf benachbarte Organe
n
n
Die Übertragung erfolgt über:
Tröpfcheninfektion, Inhalation infektiöser
Tröpfchen, die beim Niesen oder Husten abgesondert werden (siehe Kap. 15.2).
Schmierinfektion, d. h. direkten Kontakt mit
infektiösen Absonderungen, z. B. Schleim auf
der Haut oder auf anderen Oberflächen.
Häufig entstehen Infektionen durch Kombination
beider Übertragungswege. Die Inkubationszeit
beträgt 48 bis 72 Stunden. Da die Viren den Organismus schwächen, können sich Bakterien, die
normalerweise vom Immunsystem (siehe Kap.
15.14.1) in Schach gehalten werden, ausbreiten.
Erreger dieser Sekundärinfektionen sind:
n Streptokokken,
n Staphylokokken,
n Pneumokokken,
n Haemophilus influenzae Typ b (HIB),
n Fusobakterien.
Abb. 16.2 gibt einen Überblick über die möglichen
Ausbreitungswege der Erreger in den Atemwegen.
Wenn Infekte auf benachbarte Organe übergreifen, spricht man von absteigender Infektion oder
auch „Etagenwechsel“.
Die gesamte Oberfläche der Atemwege, von
der Nase bis zu den Bronchien, ist mit Schleimhaut ausgekleidet. In der Schleimhaut gelegene
kleine Drüsen produzieren ständig Schleim, damit
diese feucht und geschmeidig bleibt. Dieses Sekret
transportiert zusammen mit feinsten Flimmerhärchen des Schleimhautepithels Fremdstoffe, z. B.
Staubpartikel oder Rußteilchen in Richtung Rachen und Mundhöhle. Durch ständige Reizung,
etwa durch trockene Raumlu, Zigarettenrauch
oder Mikroorganismen, entzündet sich die
Schleimhaut und schwillt an. Sie wird durchlässiger und produziert mehr Schleim.
16.3 Nase und Rhinologika
Die wichtigsten Hohlräume der Nase (Abb. 16.3)
sind die Nasenhöhle und die Nasennebenhöhlen
(Sinus).
Der Nasenrachenraum ist Sitz des Geruchsorgans und dient zur Reinigung, Befeuchtung
und Anwärmung der Atemlu. Die Lu wird
durch feine Härchen am Naseneingang gefiltert,
von der Schleimhaut angefeuchtet und durch
359
16.3 Nase und Rhinologika
Abb. 16.3 Nasenhöhle und
Nasennebenhöhlen
Wärmeaustausch mit dem Blut angewärmt. Lymphatisches Gewebe sorgt für eine Abwehr- und
Schutzfunktion.
Außerdem bestehen über den Tränennasenkanal (Ductus nasolacrimalis) Verbindungen von
der Nasenhöhle zum Auge. Die eng nebeneinander liegenden Nasennebenhöhlen bilden die Verbindung zum Schädelinnern und sind ebenfalls
mit Schleimhaut ausgekleidet.
Das Atmen durch die Nase ist ausgesprochen
wichtig. Wenn der Luweg durch die Nase wegen
angeschwollener Schleimhäute oder anderer Hindernisse blockiert ist, muss die Nasenatmung
durch Mundatmung ersetzt werden. Bei Mundatmung wird die Atemlu nicht gefiltert, nicht
ausreichend befeuchtet und nicht angewärmt. Dadurch werden Infektionen des Rachens, aber auch
von Kehlkopf und Bronchien begünstigt.
Die häufigste Erkrankung, die eine Nasenatmung beeinträchtigt, ist die Rhinitis, banal
Schnupfen genannt. Man unterscheidet:
n akute Rhinitis,
n infektiöse Rhinitis,
n Rhinitis medicamentosa,
n allergische Rhinitis (Heuschnupfen).
Die akute Rhinitis wird meist durch Viren ausgelöst, die in die Nasenschleimhaut eindringen.
Zu den typischen Vorboten eines Schnupfens gehören Nasenkribbeln, Niesreiz und Frösteln oder
Frieren. Die Hauptsymptome sind:
n Anschwellen der Nasenschleimhaut,
n Behinderung der Nasenatmung, die Nase
scheint verstop (Stockschnupfen),
n
n
n
n
wässriges, klares Nasensekret (Fließschnupfen),
Beeinträchtigung des Geruchs- und
Geschmackssinnes,
Kopfschmerzen,
Augentränen.
Da Viren die Nasenschleimhaut schädigen,
kommt es leicht zu einer bakteriellen Sekundärinfektion, dem eitrigen Schnupfen (infektiöse
Rhinitis). Das Sekret ist dann nicht mehr wässrig
klar, sondern dickflüssig gelb oder grün. Durch
Ausbreitung der Bakterien können weitere Folgeerkrankungen entstehen.
Dies sind Nasennebenhöhlenentzündungen,
vor allem Stirnhöhlenentzündung (Sinusitis)
oder Mittelohrentzündungen (Otitis media), die
aufgrund der anatomischen Verhältnisse häufig
bei Kindern aureten, wenn Bakterien über den
Rachen durch die Ohrtrompete (Eustachische
Röhre) zum Mittelohr gelangen (siehe Kap. 16.5).
Eine kausale erapie von Viruserkrankungen
ist schwierig. Da Schnupfen in der Regel nach
einigen Tagen von allein wieder abklingt, beschränken sich die therapeutischen Maßnahmen
auf die Linderung der Symptome. Für diese symptomatische erapie werden meist Rhinologika
(Tab. 16.2), Arzneimittel zur Behandlung von
Erkrankungen im Nasenraum, eingesetzt. Mit
α-Sympathomimetika, sog. Vasokonstriktoren
(siehe Kap. 7.4) bewirkt man eine Gefäßverengung. So lässt sich eine Schleimhautabschwellung
bewirken, die Schleimsekretion vermindern und
die:
16
360
16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma
Tab. 16.2 Rhinologika (72)*
Zusammensetzung
Fertigarzneimittel®
Zusammensetzung
Fertigarzneimittel®
A Nasentropfen/-spray/-Dosieraerosol
B Nasensalben
α-Symphathomimetika (Imidazolin-Derivate)
Natriumchlorid
Nisita
Xylometazolin
Natürl. Emser Salz
Emser sensitiv
Olynth,
Otriven,
NasenSpray/-Tropfen
ratiopharm
Pfefferminzöl, Thymianöl
Nasulind
Dexpanthenol
Bepanthen
Tramazolin
Ellatun N
Dexamethason
Oxymetazolin
Nasivin
+ Dexa-Siozwo mit
Dexamethason
C Orale Rhinologika, Kombinationspräparate
Salzlösungen
Meerwasser, isotonisch
Rhinomer
α-Symphathomimetika und Antihistaminika
Natürl. Emser Salz
Emser
Natriumchlorid
Olynth salin
Pseudoephedrin und
Triprolidin
Rhinopront Kombi
Tabletten
Pseudoephedrin und
Acetylsalicylsäure
Aspirin Complex
Dexpanthenol
Dexpanthenol
Nasic-cur, Nasenspray
ratiopharm Panthenol
Hyaluronsäure
Natriumhyaluronat
Hysan
Ätherische Öle (Kombination)
Ringelblumenöl,
Kamillenöl,
Eucalyptusöl (u.a)
Nasenöl Weleda
Homöopathie
Luffa operculata D4
Luffa Nasenspray DHU
Glucocorticoide
Beclometason
RatioAllerg,
+ Beclorhinol aquosum
Flunisolid
+ Syntaris
Phythopharmaka
Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten,
Gartensauerampferkraut,
Holunderblüten, Eisenkraut
Homöopathika
Cinnabaris D4, Ferrum
phos. D3, Mercurius solub.
Hahnemanni D6
Sinfrontal Tabletten
Cinnabaris D8, Carbo vegetab. D8, Silicea D8, Kalium
bichromic. D4, Calcium
sulfuric. D4, Hydrastis D4,
Thuja D8
Sinuselect Tropfen
*Hauptgrupen-Nummer der Roten Liste
n
Kombinationspräparate
Sinupret Dragees
n
Xylometazolin und
Dexpanthenol
Nasic (Fixkombination),
Otriven Duo 0,1 % Pflege
n
Luffa opercul. D6,
Hepar sulf. D10,
Mercurius bijod. D8,
Argentum,
nitr. D10, Euphorbium D3,
Pulsatilla prat. D2
Euphorbium comp. SN
n
Nasenatmung verbessern,
Mundatmung verhindern,
Belüung der Nasennebenhöhlen gewährleisten,
Ohrtrompete (Eustachische Röhre) freihalten.
Außer Vasokonstriktoren werden verwendet:
n Mineralsalze,
n Dexpanthenol,
n ätherische Öle,
n Antihistaminika,
n Glucocorticoide,
n Homöopathika.
361
16.3 Nase und Rhinologika
Rhinologika werden in oralen und lokalen Darreichungsformen angeboten. Die lokale Anwendung
als Nasenspray, -tropfen, -salbe, -sti und -gel ist
die erapie der Wahl.
Am häufigsten werden in lokalen Rhinologika
Imidazolin-Derivate, vor allem Xylometazolin,
Oxymetazolin und Tramazolin eingesetzt. Diese
Arzneistoffe wirken ausreichend lange, sodass eine
zweimalige Anwendung je Tag ausreicht. Generell
sollen Rhinologika, die α-Sympathomimetika enthalten, nicht öer als 2- bis 3-mal täglich und in
der Regel nicht länger als 5 bis 7 Tage angewandt
werden. Wirken die Arzneistoffe zu kurz oder
erfolgt eine zu häufige Anwendung so besteht
die Gefahr eines Rebound-Effektes: Nach 4 bis 6
Stunden tritt eine verstärkte Schleimhautschwellung auf, die eine erneute Arzneimittelanwendung
notwendig macht.
Dadurch kann ein chronischer Schnupfen
(Rhinitis medicamentosa) entstehen, der zu
Schleimhautnekrosen und völligem Verlust des
Flimmerepithels führen kann. Durch die erhebliche Minderdurchblutung der Schleimhaut wird
deren Hauptfunktion, die Schleimbildung, beeinträchtigt, was die Nase austrocknen und Borken
entstehen lässt. Zur schrittweisen Reduzierung
Sympathomimetikahaltiger Zubereitungen können alternierend immer niedriger dosierte Nasensprays („Herunterdosieren“) und mineralsalzhaltige Nasensprays oder -salben eingesetzt werden,
bis völlig auf Präparate mit Vasokonstriktoren
verzichtet werden kann. Eventuell müssen intranasal Glucocorticoide angewandt werden.
Wie die Vasokonstriktoren kann auch das
häufig zugesetzte Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid die Bewegung der Flimmerhärchen
behindern oder bis zu einem irreversiblen Stillstand schädigen, bei längerer Anwendung auch
eine Schwellung der Nasenschleimhaut hervorrufen. Daher werden mittlerweile viele konservierungsmittelfreie Zubereitungen angeboten.
Dosiersprays haben Vorteile gegenüber anderen Darreichungsformen:
n bessere Benetzung der Nasenschleimhäute,
n genauere Dosierbarkeit und
n hygienischere Handhabung.
Bei der lokalen Anwendung von Vasokonstriktoren ist zu beachten, dass als Nebenwirkung gele-
gentlich eine gesteigerte Durchblutung nach Abklingen der Wirkung (reaktive Hyperämie) sowie
lokal brennender Schmerz aureten kann.
Systemische Nebenwirkungen wie Atemstörungen, Tachykardie und Hypertonie sind durch
Resorption der Wirkstoffe möglich. Daher muss
besonders bei Säuglingen und Kleinkindern auf
die richtige Dosierung geachtet werden, Vasokonstriktoren sind gut lipidlöslich und können
bei Resorption das ZNS erreichen. Dann besteht
die Gefahr einer Atemlähmung.
Kontraindikationen für Rhinologika mit Vasokonstriktoren sind Ekzem- und Borkenbildung
am Naseneingang und an den Innenflächen der
Nasenflügel (Rhinitis sicca) sowie Glaukom (siehe
Kap. 17.2).
Beratungshinweise
Selbstmedikation bei Schnupfen
Dosiersprays haben weniger Nebenwirkungen als Tabletten, Kapseln oder Pulver.
n Dosiersprays lassen sich einfacher handhaben und sind hygienischer als Tropfen. Allerdings nicht bei Säuglingen und Kleinkindern – sie atmen nicht „auf Kommando“,
also synchron zur Applikation ein!
n Bevorzugen Sie Zubereitungen ohne Konservierungsmittel.
n Verwenden Sie Dosiersprays nicht häufiger
als 2- bis 3-mal täglich und nicht länger als
5 bis 7 Tage, da sonst ein Gewöhnungseffekt eintritt.
n Für Säuglinge und Kleinkinder sind isotonische Kochsalzlösung oder Anis- bzw.
Majoranbutter besonders geeignet.
n Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
n Dampfbäder und Rotlichtbestrahlungen
wirken sich positiv auf den Krankheitsverlauf aus und beugen einem Übergriff des
Schnupfens auf die Nebenhöhlen vor. Dann
aber keine Vasokonstruktioren verwenden!
n Bei anhaltenden Beschwerden, starken
Stirnkopfschmerzen, Verstärkung der Symptome beim Bücken oder bei Ohrenschmerzen
müssen Sie einen Arzt konsultieren.
n
Isotonische mineralsalzhaltige Nasensprays oder
-salben bewirken keine direkte Verbesserung der
Nasenatmung. Sie führen aber durch pH-Verschiebung zur Alkalisierung des Schleims und damit zu einer Schleimverflüssigung. Daher ist ihr
16
362
16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma
Einsatz besonders bei Säuglingen und Kleinkindern sowie in der Abklingphase des mit Borkenbildung einhergehenden oder lang anhaltenden
Schnupfens indiziert. Selbst hergestellte Salzlösungen oder -salben bzw. mineralsalzhaltige Fertigarzneimittel entfalten eine protektive Wirkung,
wenn sie prophylaktisch während der Heizperiode
oder in klimatisierten Räumen angewandt werden.
Ähnliche Funktionen erfüllt das Feuchthaltemittel
Natriumhyaluronat, das eine verbesserte Reinigung der Nasenschleimhaut und damit eine Erleichterung der Nasenatmung bewirken soll. Dexpanthenolhaltige Produkte unterstützen die Heilung und Regeneration einer trockenen und/oder
rissigen Nasenschleimhaut.
Nasentropfen mit ätherischen Ölen wirken
durchblutungsfördernd und/oder entzündungshemmend und verbessern z. T. subjektiv die Nasenatmung. Allerdings sollte ihr allergenes Nebenwirkungspotenzial nicht unterschätzt werden. Die
Anwendung entsprechender Nasentropfen ist bei
Säuglingen und Kleinkindern kontraindiziert.
HV-Empfehlung
Lokale Rhinologika
Empfehlung: Xylometazolinhaltige Präparate
ohne Konservierungsmittel, z. B.:
Nasenspray ratiopharm®, Nasentropfen Hexal®,
Olynth®, Otriven®
Anwendung: Schleimhautschwellung bei akuter
Rhinitis; zur Erleichterung des Sekretabflusses
bei
Nasennebenhöhlenentzündung
sowie
Tubenmittelohrkatarrh, kurzfristig unterstützend bei allergischer Rhinitis.
Dosierung: 2- bis 3-mal täglich in jede Nasenöffnung einbringen. Je nach Alter wird eine
0,025 %ige bis 0,1 %ige Lösung verwendet.
Nebenwirkungen: Bei längerfristiger Anwendung besteht die Gefahr der Gewöhnung
(Rhinitis medicamentosa). Infolge von Resorption können systemische α-sympathomimetische Effekte (Blutdruckanstieg, Tachykardie,
Atemstörung) auftreten.
Beratungshinweis: Ein Anwendungszeitraum
von 5 bis 7 Tagen soll nicht überschritten werden.
Lokal applizierte Glucocorticoide wirken zuverlässig, insbesondere bei allergischer Rhinitis (s. u.).
Allerdings können glucocorticoidtypische Nebenwirkungen (siehe Kap. 13.3.2) aureten. Insbeson-
dere für Dexamethason ist bekannt, dass systemische Nebenwirkungen aureten können. Dagegen
weisen Budesonid und Flunisolid bisher keine
klinisch relevanten Corticosteroid-Nebenwirkungen auf.
Nasensalben haen länger auf der Schleimhaut, jedoch muss berücksichtigt werden, dass
die Wirkstoffe im Vergleich zu Nasensprays nicht
so hoch eingebracht werden können.
Bei Rhinologika zur oralen Anwendung
handelt es sich meist um Kombinationspräparate,
die Vasokonstriktoren, Antihistaminika und/oder
Analgetika enthalten. Die orale Anwendung birgt
aufgrund der systemischen Wirkung ein wesentlich höheres Nebenwirkungsrisiko. Bei der Abgabe
muss auf die sedierenden Nebenwirkungen der
Antihistaminika unbedingt hingewiesen werden.
Eine Entzündung der Nasennebenhöhlen
(Sinusitits) entsteht meist aus einer virusbedingten
Rhinitis, wenn die Belüung der Nasennebenhöhlen behindert ist. Jeder banale Schnupfen kann
grundsätzlich auch die Nasennebenhöhlen in Mitleidenscha ziehen (Begleitsinusitis), allerdings
meist ohne klinische Symptomatik. Bei Kindern
ist am häufigsten die Siebbeinhöhle, bei Erwachsenen die Kieferhöhle betroffen. Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit Vasokonstriktoren, um
die Belüung wieder herzustellen. Wärme (Mikrowellen, Rotlicht) oder Dampäder sowie den
Schleim verflüssigende Arzneimittel (Sinupret®
und Gelomyrtol®, Soledum®, siehe Expektoranzien, Kap. 16.7) können den Heilungsprozess beschleunigen. Da die akute Sinusitis gute Selbstheilungsraten aufweist, erfolgt eine antibiotische
Chemotherapie nur bei Fieber und/oder starken
Schmerzen. Teilweise muss eine fachärztliche
Punktion der erkrankten Nebenhöhle vorgenommen werden. Eine irreversibel geschädigte Schleimhaut wird operativ entfernt. Eine chronische
Sinusitis, bei der auch Schleimhautpolypen auftreten können, kann nur von einem HNO-Arzt
behandelt werden.
Die allergische Rhinitis wird durch Pilzsporen, andere Allergene wie z. B. Tierhaare oder Milbenkot, vor allem aber auch Pollen ausgelöst, weshalb diese Schnupfenart häufig als Heuschnupfen
(Pollinosis) bezeichnet wird. Heuschnupfen ist
mit Abstand die häufigste Erkrankung aus dem
allergischen Formenkreis.
363
16.3 Nase und Rhinologika
Bei einem erneuten Kontakt mit diesen Allergenen
binden diese an die IgE-Antikörper auf den Mastzellen (Überbrückung). Dadurch platzen die
Mastzellen (Degranulation) und setzen Gewebshormone, z. B. Histamin, frei (Abb. 16.4).
Die Gewebshormone wirken stark gefäßerweiternd und verursachen die typischen Symptome,
wie z. B. die Hypersekretion der Nasenschleimhaut.
Die beste kausale erapie bei allergischen
Erkrankungen ist die Allergenkarenz, d. h. weitgehende Meidung der Allergene. Das ist bei Heuschnupfen jedoch kaum möglich.
Daher ist die Kenntnis der individuellen Heuschnupfen auslösenden Pollenart wichtig.
Beratungshinweise
Abb. 16.4 Schematische Darstellung einer allergischen
Reaktion. Nach Mutschler 2001
Auslöser sind Pollen verschiedenster Bäume,
Sträucher und Gräser. Besonders viele Pollenallergiker leiden unter Frühblühern wie Birke und
Haselnuss. Charakteristische Symptome der allergischen Rhinitis sind:
n stark geschwollene Nasenschleimhaut und
verstope Nasengänge,
n Augenbindehautentzündung mit Juckreiz und
Tränenfluss,
n Niesattacken mit Absonderung eines wässrigen, klaren Sekrets,
n trockene Mundschleimhaut infolge Mundatmung,
n Abgeschlagenheitsgefühl.
Die Sensibilisierung kommt bei entsprechender
allergischer Veranlagung wie folgt zustande (vereinfachte Darstellung):
n Allergene (z. B. Pollen) kommen nach Durchdringung der Schleimhaut mit den B-Lymphozyten des Immunsystems in Berührung.
n Aus B-Lymphozyten bilden sich Plasmazellen,
die Immunglobuline, in diesem Fall IgE-Antikörper, synthetisieren (siehe Kap. 15.14).
n Diese IgE-Antikörper verteilen sich auf dem
Blut- und Lymphweg im Körper und binden
sich an Mastzellen.
Tipps zur Pollen-Reduzierung
n Waschen Sie sich vor dem Schlafengehen
die Haare.
n Bewahren sie abgelegte Kleidung nicht im
Schlafzimmer auf.
n Halten Sie nachts und in den Morgenstunden die Schlafzimmerfenster geschlossen.
Lüften Sie kurz am Nachmittag (geringerer
Pollenflug).
n Achten Sie beim Autokauf auf einen Pollenfilter.
Pollenfluginformationsdienste und -kalender nennen die Pollenarten, die zu den jeweiligen Jahreszeiten durch die Lu fliegen. In schweren Fällen
müssen Patienten zur Hauptflugsaison ihrer Pollenart in pollenarme Regionen, z. B. Küste oder
Hochgebirge, ausweichen. Ansonsten können einige Tipps (siehe Kasten) zur Reduzierung der
Allergen-Belastung gegeben werden.
Bei Hausstaubmilben-Allergie können milbendichte Matratzenüberzüge (Encasings, z. B. Allergocover®) verwendet werden, in den Schlafräumen sollen keine Teppichböden liegen und täglich
muss feucht gewischt statt gesaugt werden.
Ein weiterer kausaler Behandlungsansatz bei
allergischer Rhinitis ist die spezifische Hyposensibilisierung, indem über mehrere Jahre hinweg sehr geringe Dosen des Antigenextraktes subkutan injiziert werden, oder der Patient diesen in
Form von Tabletten oder Tropfen sublingual appliziert (sublinguale Immuntherapie, SLIT). Ziel
ist, das Immunsystem an das Allergen zu „gewöh-
16
364
16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma
Tab. 16.3 Arzneimittel zur Therapie der allergischen
Rhinitis (07)*
INN
Fertigarzneimittel®
A Degranulationshemmer (Mastzellstabilisatoren):
Cromoglicinsäure
DNCG Stada,
CromoHexal
Nedocromil
Irtan
B H1-Antihistaminika (wenig sedierend)
Lokal
Azelastin
Allergodil
Levocabastin
Livocab
Systemisch
Cetirizin
Fexofenadin
Loratadin
Desloratadin
Cetirizin Stada, Zyrtec
+ Telfast
Lobeta, Lisino
+ Aerius
C Vasokonstriktoren (α-Sympathomimetika)
s. auch Tab. 16.2
Xylometazolin
Olynth
D Glucocorticoide s. auch Tab. 16.2
Beclometason
+ Beclorhinol aquosum,
ratioAllerg
Heuschnupfenspray
E Sonstige
Luffa operculata D4,
Galphimia glauca D3,
Cardiospermum D3
Heuschnupfenmittel®
DHU
* Hauptgruppennummer Rote Liste
nen“. Nach einem Zeitraum von meist 3 bis 5
Jahren wird in regelmäßigen Abständen eine „Erinnerungsdosis“ verabreicht. Der Körper bildet bei
sehr geringer Allergenbelastung vor allem IgGAntikörper. Diese IgG-Immunglobuline schwimmen frei im Blut und können eingedrungene Allergene schon binden, bevor diese die mastzellgebundenen IgE-Antikörper erreichen. Der Körper
wird das Allergen schließlich ohne Mastzellreaktionen tolerieren (allergene Toleranz). In der Regel wird diese Maßnahme in der pollenarmen Zeit
(Herbst und Winter) durchgeführt.
Zur symptomatischen Behandlung stehen
mehrere Arzneistoffgruppen zur Verfügung
(Tab. 16.3):
n Degranulationshemmer (Mastzellstabilisatoren),
n Antihistaminika,
n Vasokonstriktoren (α-Sympathomimetika),
n Glucocorticoide.
Degranulationshemmer
(Mastzellstabilisatoren)
Der Hauptvertreter Cromoglicinsäure (und ihr
Salz Dinatriumcromoglycin, DNCG) und
Nedocromil verhindern das Platzen der Mastzellen und damit die Freisetzung von Gewebshormonen. Die volle Wirkung tritt erst nach 1 bis 2
Wochen ein, d. h. DNCG ist nur prophylaktisch
wirksam und die Behandlung muss vor der Pollenflugsaison begonnen und bis zu deren Ende
durchgeführt werden. Beide Wirkstoffe werden
aufgrund ihrer Polarität und damit geringen Lipophilie nur schlecht resorbiert. Sie wirken daher
überwiegend lokal. Zur Applikation stehen Nasensprays und Augentropfen zur Verfügung.
HV-Empfehlung
Degranulationshemmer (Mastzellstabilisatoren)
Empfehlung: Cromoglicinsäure bzw. DNCG,
z. B.:
Allergocrom®, Cromohexal®, DNCG Stada®,
Vividrin®
Anwendung: Zur Prophylaxe der allergisch bedingten Rhinitis und Konjunktivitis (Bindehautentzündung).
Dosierung: 4-mal täglich als Nasenspray und/
oder Augentropfen.
Nebenwirkungen: Selten lokale Reizungen.
Beratungshinweis: Sehr gute Compliance erforderlich, d. h. konsequente Applikation in regelmäßigen Abständen; Behandlungsbeginn vor
Pollenflugsaison bzw. Allergenkontakten.
Antihistaminika
Antihistaminika sollen die Wirkung bereits freigesetzter Gewebshormone, vor allem Histamin, an
den Erfolgsorganen ausschalten. Diese Antihistaminika werden auch H1-Blocker oder H1-Rezeptorantagonisten genannt. Sie verdrängen His-
365
16.3 Nase und Rhinologika
tamin nach dem Prinzip der kompetitiven Hemmung (siehe Kap. 2.3.2) von den H1-Rezeptoren
und heben so seine rezeptorvermittelten Wirkungen auf. Ältere H1-Antihistaminika, z. B. Dimetinden (Fenistil®) oder Clemastin (Tavegil®) wirken
sedierend.
Die neueren Wirkstoffe dieser Gruppe, die H1Antihistaminika der 2. Generation (Azelastin,
Cetirizin, Fexofenadin, Levocabastin, Loratadin,
Mizolastin, siehe Tab. 16.3) weisen eine höhere
Rezeptorspezifität auf, haben keine oder nur geringe zentrale Nebenwirkungen und werden daher
als wenig sedierende Antihistaminika bezeichnet.
Topische Antihistaminika wirken rasch, innerhalb
von 15 Minuten, und werden zweimal täglich bei
vorhandenen Symptomen oder bei Bedarf sowohl
nasal als auch am Auge angewandt. Sie wirken gut
gegen Symptome der allergischen Rhinokonjunktivitis und sind den H1-Antihistaminika der 1.
Generation vorzuziehen. Konservierungsmittelfreie Präparate werden bevorzugt. (siehe Kap.
16.3).
Bei oraler Anwendung ist die Langzeiteinnahme gegenüber dem bedarfsorientierten, symptombezogenen Einsatz im Vorteil. Wenn die erapie mit oralen H1-Antihistaminika nicht ausreicht, so lassen sich die nasalen Symptome durch
zusätzliche Gabe eines topischen Glucocorticoides
reduzieren, das die Konzentration an Entzündungsmediatoren wie z. B. Histamin in der Nasenschleimhaut verringert. Im Hinblick auf allergische Symptome am Auge sind jedoch orale H1Antihistaminika vorzuziehen. Bei allergischer
Rhinokonjunktivitis kann die Kombination eines
topischen Glucocorticoides und eines oralen H1Antihistaminikums deshalb sinnvoll sein. An Erwachsene sowie Kinder ab zwölf Jahren darf das
Glucocorticoid Beclometason in niedriger Dosierung ohne Rezept abgegeben werden. Generell
müssen Patienten bei der Anwendung topischer
Glucocorticoide unbedingt auf folgende Punkte
hingewiesen werden:
n Die Wirkung setzt erst nach Stunden bis zu
einem Tag ein.
n Der Sprühstoß des Nasensprays muss parallel
zur Nasenscheidewand erfolgen.
n Die Dosierung, mit der die Symptome kontrolliert werden können, soll so niedrig wie
möglich sein.
n
n
n
Bei Symptomkontrolle soll nach drei Monaten
eine Dosisreduzierung erfolgen.
Zum erapieeinstieg oder bei schwerer
Symptomatik ist über zwei Wochen auch die
Gabe einer doppelten Dosierung möglich.
Kinder sollten zunächst immer einem Arzt
vorgestellt werden, da auch bei Einhalten der
Dosierungsempfehlung Wachstumsverzögerungen bei Kindern aufgetreten sind.
Als Reservemittel sind systemische Glucocorticoide anzusehen. Vasokonstriktoren wurden bereits bei der akuten Rhinitis besprochen.
Beratungshinweise
Selbstmedikation bei allergischer Rhinitis
Beachten Sie die Hinweise zur Pollen-Reduzierung (siehe Kasten)!
n Nehmen Sie Degranulationshemmer unbedingt vor Beginn der entsprechenden Pollenflugsaison ein!
n Bevorzugen Sie wenig sedierende orale Antiallergika wie Cetirizin, Loratadin.
n Während der Schwangerschaft sollten Sie
H1-Antihistaminika nur nach Rücksprache
mit dem Arzt anwenden!
n Achten Sie auf die korrekte Anwendung
glucocorticoidhaltiger Nasensprays!
n Erkundigen Sie sich beim Arzt nach Möglichkeiten einer Hyposensibilisierung!
n
HV-Empfehlung
H1-Antihistaminika
Empfehlung: Cetirizin, z. B. Cetirizin Hexal®,
Zyrtec® oder Loratadin, z. B. Lorano®
Anwendung: Allergische Rhinitis, chronische
Urtikaria mit der Symptomatik Juckreiz, Rötung
und Quaddeln der Haut; atopisches Ekzem
(Neurodermitis) und andere allergische Erkrankungen.
Dosierung: 1-mal täglich als Tabletten, Tropfen
oder Saft, vorzugsweise abends einnehmen.
Nebenwirkungen: Selten Mundtrockenheit,
gastrointestinale Störungen, Kopfschmerzen,
Schwindel; Agitiertheit, Müdigkeit, lokale Reizungen.
Beratungshinweis: Während der Therapie sollte
auf Alkohol verzichtet werden.
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