356 16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma In den Herbst- und Wintermonaten beginnt regelmäßig auch die Saison für Erkältungskrankheiten. Schnupfen, Husten und Heiserkeit haben Hochkonjunktur. In manchen Wintern kommt noch eine Grippewelle hinzu. Die Ursachen für Erkältungen sind vielfältig. Sie treten jedoch vor allem auf, wenn der Körper auskühlt, z. B. beim Warten auf einen Bus in feuchtkalter Witterung oder durch Zugluft nach starkem Schwitzen. Durch den Auskühlungsprozess verengen die Blutgefäße, wodurch die körpereigene Abwehr gebremst wird. Wenn die Durchblutung z. B. im Nasen-Rachen-Raum vermindert wird, stehen weniger Leukozyten und Antikörper zur Verfügung, um eingedrungene Krankheitserreger abzuwehren. Durch Kälte steigt die Infektionsanfälligkeit im Bereich der Atemwege stark an. Aber auch andere Faktoren, z. B. Stress, Schlafmangel oder unausgewogene Ernährung, können das Immunsystem beeinträchtigen, sodass sich Erreger leichter auf Schleimhäuten ansiedeln und von dort aus verbreiten können. 16.1 Atemwege und benachbarte Organe Die Atemmuskulatur des Brustkorbs und des Zwerchfells dehnt den Brustraum, sodass Lu durch die Atemwege, dem sog. Respirationstrakt, in die Lunge nachströmt. Mit der Lu finden Erreger von Erkältungskrankheiten Zutritt zum menschlichen Organismus. Man unterscheidet zwischen oberen und unteren Atemwegen (Tab. 16.1). Abb. 16.1 zeigt die Lage der Bestandteile der oberen Atemwege, zu denen Nase mit Nasennebenhöhle, Mund, Rachen und Mandeln zählen. Den unteren Teil der Atemwege bilden Kehlkopf, Luröhre, Bronchien, Bronchiolen und Lungenbläschen. Die Atemwege gewährleisten die Atmung. Durch ein Röhrensystem, die Bronchien, Tab. 16.1 Einteilung der Atemwege Obere Atemwege Nasenhöhle, Nasennebenhöhlen (Sinus), Mund, Mundhöhle, Rachen (Pharynx), Mandeln (Tonsillae) Untere Atemwege Kehlkopf (Larynx), Luftröhre (Trachea), Lunge (Pulmo), Bronchien, Bronchiolen, Lungenbläschen (Alveolen) das sich wie Äste eines Baumes immer weiter und feiner verzweigt, wird Lu zur Lunge transportiert. In den Lungenbläschen (Alveolen), die von filigranen Blutgefäßen umgeben sind, findet der Gasaustausch statt. Sauerstoff (O2) aus der Einatemlu gelangt ins Blut und zu den Zellen, das im Körper entstandene Kohlendioxid (CO2) wandert vom Blut in die Alveolen und wird im Austausch gegen O2 wieder abgeatmet (Ausatemlu). Es ist leicht zu verstehen, dass gestörte Atemwegsfunktionen weit reichende Folgen für den Organismus haben können. Bei Erkältungskrankheiten werden häufig unmittelbar benachbarte Organe der Atemwege, die Ohren und Augen (siehe Kap. 17), in Mitleidenscha gezogen. 16.2 Erkrankungen der Atemwege Erkrankungen der Atemwege machen in den Industrieländern 25 % bis 50 % aller ärztlichen Konsultationen und ca. 33 % aller Arbeitsunfähigkeitstage aus. Damit kommt ihnen eine beachtliche ökonomische Bedeutung zu. Die folgenden Erkrankungen der oberen Atemwege und benachbarter Organe lassen sich im weitesten Sinne als Erkältungskrankheiten auffassen, es handelt sich um Entzündungen: n der Nasenschleimhaut (Rhinitis), n der Nasennebenhöhlen (Sinusitis), n des Rachens (Pharyngitis), n der Mandeln (Tonsillitis oder Angina tonsillaris), n der Mundschleimhaut (Stomatitis). 357 16.2 Erkrankungen der Atemwege Abb. 16.1 Mittelschnitt durch den Kopf eines erwachsenen Mannes. Atemwege hell- und dunkelgrau. Nach Faller 2004 Durch die unmittelbare Nähe benachbarter Organe können sich eingedrungene Erreger leicht von einem Organ zum anderen ausbreiten. Wenn die unteren Atemwege betroffen sind, entstehen folgende Entzündungen: n des Kehlkopfes (Laryngitis), n der Bronchien (Bronchitis oder Bronchialkatarrh), n der Lunge (Pneumonie). Wenn sich Entzündungen des Nasen-RachenRaums auf die Ohren ausdehnen, können sich Tubenmittelohrkatarrhe oder Mittelohrentzündungen (Otitis media) entwickeln. Sind die Augen betroffen, äußern sich Erkältungskrankheiten häufig in Form einer Bindehautentzündung (Konjunktivitis). Erreger von Erkältungskrankheiten Erkältungskrankheiten (grippale Infekte) und Grippe werden zu 95 % von Viren verursacht. Diese Primärinfektion wird durch verschiedene Viren hervorgerufen: n Respiratorisches Syncytal-Virus (RSV); (syncytal – zusammengewachsene Zellen), n Rhinoviren, n Adenoviren (adeno – drüsenartig), n Parainfluenza-Viren, n Influenza A-, B- und C-Viren (Grippe-Viren). RSV-Infektionen treten vor allem bei Kindern unter einem Jahr auf, Influenza-A-Viren bei Patienten über 60 Jahren, Menschen mit geschwächtem Immunsystem und/oder chronischen Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus). 16 358 16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma Abb. 16.2 Ausbreitungswege von Erregern in den Atemwegen und auf benachbarte Organe n n Die Übertragung erfolgt über: Tröpfcheninfektion, Inhalation infektiöser Tröpfchen, die beim Niesen oder Husten abgesondert werden (siehe Kap. 15.2). Schmierinfektion, d. h. direkten Kontakt mit infektiösen Absonderungen, z. B. Schleim auf der Haut oder auf anderen Oberflächen. Häufig entstehen Infektionen durch Kombination beider Übertragungswege. Die Inkubationszeit beträgt 48 bis 72 Stunden. Da die Viren den Organismus schwächen, können sich Bakterien, die normalerweise vom Immunsystem (siehe Kap. 15.14.1) in Schach gehalten werden, ausbreiten. Erreger dieser Sekundärinfektionen sind: n Streptokokken, n Staphylokokken, n Pneumokokken, n Haemophilus influenzae Typ b (HIB), n Fusobakterien. Abb. 16.2 gibt einen Überblick über die möglichen Ausbreitungswege der Erreger in den Atemwegen. Wenn Infekte auf benachbarte Organe übergreifen, spricht man von absteigender Infektion oder auch „Etagenwechsel“. Die gesamte Oberfläche der Atemwege, von der Nase bis zu den Bronchien, ist mit Schleimhaut ausgekleidet. In der Schleimhaut gelegene kleine Drüsen produzieren ständig Schleim, damit diese feucht und geschmeidig bleibt. Dieses Sekret transportiert zusammen mit feinsten Flimmerhärchen des Schleimhautepithels Fremdstoffe, z. B. Staubpartikel oder Rußteilchen in Richtung Rachen und Mundhöhle. Durch ständige Reizung, etwa durch trockene Raumlu, Zigarettenrauch oder Mikroorganismen, entzündet sich die Schleimhaut und schwillt an. Sie wird durchlässiger und produziert mehr Schleim. 16.3 Nase und Rhinologika Die wichtigsten Hohlräume der Nase (Abb. 16.3) sind die Nasenhöhle und die Nasennebenhöhlen (Sinus). Der Nasenrachenraum ist Sitz des Geruchsorgans und dient zur Reinigung, Befeuchtung und Anwärmung der Atemlu. Die Lu wird durch feine Härchen am Naseneingang gefiltert, von der Schleimhaut angefeuchtet und durch 359 16.3 Nase und Rhinologika Abb. 16.3 Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen Wärmeaustausch mit dem Blut angewärmt. Lymphatisches Gewebe sorgt für eine Abwehr- und Schutzfunktion. Außerdem bestehen über den Tränennasenkanal (Ductus nasolacrimalis) Verbindungen von der Nasenhöhle zum Auge. Die eng nebeneinander liegenden Nasennebenhöhlen bilden die Verbindung zum Schädelinnern und sind ebenfalls mit Schleimhaut ausgekleidet. Das Atmen durch die Nase ist ausgesprochen wichtig. Wenn der Luweg durch die Nase wegen angeschwollener Schleimhäute oder anderer Hindernisse blockiert ist, muss die Nasenatmung durch Mundatmung ersetzt werden. Bei Mundatmung wird die Atemlu nicht gefiltert, nicht ausreichend befeuchtet und nicht angewärmt. Dadurch werden Infektionen des Rachens, aber auch von Kehlkopf und Bronchien begünstigt. Die häufigste Erkrankung, die eine Nasenatmung beeinträchtigt, ist die Rhinitis, banal Schnupfen genannt. Man unterscheidet: n akute Rhinitis, n infektiöse Rhinitis, n Rhinitis medicamentosa, n allergische Rhinitis (Heuschnupfen). Die akute Rhinitis wird meist durch Viren ausgelöst, die in die Nasenschleimhaut eindringen. Zu den typischen Vorboten eines Schnupfens gehören Nasenkribbeln, Niesreiz und Frösteln oder Frieren. Die Hauptsymptome sind: n Anschwellen der Nasenschleimhaut, n Behinderung der Nasenatmung, die Nase scheint verstop (Stockschnupfen), n n n n wässriges, klares Nasensekret (Fließschnupfen), Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinnes, Kopfschmerzen, Augentränen. Da Viren die Nasenschleimhaut schädigen, kommt es leicht zu einer bakteriellen Sekundärinfektion, dem eitrigen Schnupfen (infektiöse Rhinitis). Das Sekret ist dann nicht mehr wässrig klar, sondern dickflüssig gelb oder grün. Durch Ausbreitung der Bakterien können weitere Folgeerkrankungen entstehen. Dies sind Nasennebenhöhlenentzündungen, vor allem Stirnhöhlenentzündung (Sinusitis) oder Mittelohrentzündungen (Otitis media), die aufgrund der anatomischen Verhältnisse häufig bei Kindern aureten, wenn Bakterien über den Rachen durch die Ohrtrompete (Eustachische Röhre) zum Mittelohr gelangen (siehe Kap. 16.5). Eine kausale erapie von Viruserkrankungen ist schwierig. Da Schnupfen in der Regel nach einigen Tagen von allein wieder abklingt, beschränken sich die therapeutischen Maßnahmen auf die Linderung der Symptome. Für diese symptomatische erapie werden meist Rhinologika (Tab. 16.2), Arzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen im Nasenraum, eingesetzt. Mit α-Sympathomimetika, sog. Vasokonstriktoren (siehe Kap. 7.4) bewirkt man eine Gefäßverengung. So lässt sich eine Schleimhautabschwellung bewirken, die Schleimsekretion vermindern und die: 16 360 16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma Tab. 16.2 Rhinologika (72)* Zusammensetzung Fertigarzneimittel® Zusammensetzung Fertigarzneimittel® A Nasentropfen/-spray/-Dosieraerosol B Nasensalben α-Symphathomimetika (Imidazolin-Derivate) Natriumchlorid Nisita Xylometazolin Natürl. Emser Salz Emser sensitiv Olynth, Otriven, NasenSpray/-Tropfen ratiopharm Pfefferminzöl, Thymianöl Nasulind Dexpanthenol Bepanthen Tramazolin Ellatun N Dexamethason Oxymetazolin Nasivin + Dexa-Siozwo mit Dexamethason C Orale Rhinologika, Kombinationspräparate Salzlösungen Meerwasser, isotonisch Rhinomer α-Symphathomimetika und Antihistaminika Natürl. Emser Salz Emser Natriumchlorid Olynth salin Pseudoephedrin und Triprolidin Rhinopront Kombi Tabletten Pseudoephedrin und Acetylsalicylsäure Aspirin Complex Dexpanthenol Dexpanthenol Nasic-cur, Nasenspray ratiopharm Panthenol Hyaluronsäure Natriumhyaluronat Hysan Ätherische Öle (Kombination) Ringelblumenöl, Kamillenöl, Eucalyptusöl (u.a) Nasenöl Weleda Homöopathie Luffa operculata D4 Luffa Nasenspray DHU Glucocorticoide Beclometason RatioAllerg, + Beclorhinol aquosum Flunisolid + Syntaris Phythopharmaka Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten, Gartensauerampferkraut, Holunderblüten, Eisenkraut Homöopathika Cinnabaris D4, Ferrum phos. D3, Mercurius solub. Hahnemanni D6 Sinfrontal Tabletten Cinnabaris D8, Carbo vegetab. D8, Silicea D8, Kalium bichromic. D4, Calcium sulfuric. D4, Hydrastis D4, Thuja D8 Sinuselect Tropfen *Hauptgrupen-Nummer der Roten Liste n Kombinationspräparate Sinupret Dragees n Xylometazolin und Dexpanthenol Nasic (Fixkombination), Otriven Duo 0,1 % Pflege n Luffa opercul. D6, Hepar sulf. D10, Mercurius bijod. D8, Argentum, nitr. D10, Euphorbium D3, Pulsatilla prat. D2 Euphorbium comp. SN n Nasenatmung verbessern, Mundatmung verhindern, Belüung der Nasennebenhöhlen gewährleisten, Ohrtrompete (Eustachische Röhre) freihalten. Außer Vasokonstriktoren werden verwendet: n Mineralsalze, n Dexpanthenol, n ätherische Öle, n Antihistaminika, n Glucocorticoide, n Homöopathika. 361 16.3 Nase und Rhinologika Rhinologika werden in oralen und lokalen Darreichungsformen angeboten. Die lokale Anwendung als Nasenspray, -tropfen, -salbe, -sti und -gel ist die erapie der Wahl. Am häufigsten werden in lokalen Rhinologika Imidazolin-Derivate, vor allem Xylometazolin, Oxymetazolin und Tramazolin eingesetzt. Diese Arzneistoffe wirken ausreichend lange, sodass eine zweimalige Anwendung je Tag ausreicht. Generell sollen Rhinologika, die α-Sympathomimetika enthalten, nicht öer als 2- bis 3-mal täglich und in der Regel nicht länger als 5 bis 7 Tage angewandt werden. Wirken die Arzneistoffe zu kurz oder erfolgt eine zu häufige Anwendung so besteht die Gefahr eines Rebound-Effektes: Nach 4 bis 6 Stunden tritt eine verstärkte Schleimhautschwellung auf, die eine erneute Arzneimittelanwendung notwendig macht. Dadurch kann ein chronischer Schnupfen (Rhinitis medicamentosa) entstehen, der zu Schleimhautnekrosen und völligem Verlust des Flimmerepithels führen kann. Durch die erhebliche Minderdurchblutung der Schleimhaut wird deren Hauptfunktion, die Schleimbildung, beeinträchtigt, was die Nase austrocknen und Borken entstehen lässt. Zur schrittweisen Reduzierung Sympathomimetikahaltiger Zubereitungen können alternierend immer niedriger dosierte Nasensprays („Herunterdosieren“) und mineralsalzhaltige Nasensprays oder -salben eingesetzt werden, bis völlig auf Präparate mit Vasokonstriktoren verzichtet werden kann. Eventuell müssen intranasal Glucocorticoide angewandt werden. Wie die Vasokonstriktoren kann auch das häufig zugesetzte Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid die Bewegung der Flimmerhärchen behindern oder bis zu einem irreversiblen Stillstand schädigen, bei längerer Anwendung auch eine Schwellung der Nasenschleimhaut hervorrufen. Daher werden mittlerweile viele konservierungsmittelfreie Zubereitungen angeboten. Dosiersprays haben Vorteile gegenüber anderen Darreichungsformen: n bessere Benetzung der Nasenschleimhäute, n genauere Dosierbarkeit und n hygienischere Handhabung. Bei der lokalen Anwendung von Vasokonstriktoren ist zu beachten, dass als Nebenwirkung gele- gentlich eine gesteigerte Durchblutung nach Abklingen der Wirkung (reaktive Hyperämie) sowie lokal brennender Schmerz aureten kann. Systemische Nebenwirkungen wie Atemstörungen, Tachykardie und Hypertonie sind durch Resorption der Wirkstoffe möglich. Daher muss besonders bei Säuglingen und Kleinkindern auf die richtige Dosierung geachtet werden, Vasokonstriktoren sind gut lipidlöslich und können bei Resorption das ZNS erreichen. Dann besteht die Gefahr einer Atemlähmung. Kontraindikationen für Rhinologika mit Vasokonstriktoren sind Ekzem- und Borkenbildung am Naseneingang und an den Innenflächen der Nasenflügel (Rhinitis sicca) sowie Glaukom (siehe Kap. 17.2). Beratungshinweise Selbstmedikation bei Schnupfen Dosiersprays haben weniger Nebenwirkungen als Tabletten, Kapseln oder Pulver. n Dosiersprays lassen sich einfacher handhaben und sind hygienischer als Tropfen. Allerdings nicht bei Säuglingen und Kleinkindern – sie atmen nicht „auf Kommando“, also synchron zur Applikation ein! n Bevorzugen Sie Zubereitungen ohne Konservierungsmittel. n Verwenden Sie Dosiersprays nicht häufiger als 2- bis 3-mal täglich und nicht länger als 5 bis 7 Tage, da sonst ein Gewöhnungseffekt eintritt. n Für Säuglinge und Kleinkinder sind isotonische Kochsalzlösung oder Anis- bzw. Majoranbutter besonders geeignet. n Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. n Dampfbäder und Rotlichtbestrahlungen wirken sich positiv auf den Krankheitsverlauf aus und beugen einem Übergriff des Schnupfens auf die Nebenhöhlen vor. Dann aber keine Vasokonstruktioren verwenden! n Bei anhaltenden Beschwerden, starken Stirnkopfschmerzen, Verstärkung der Symptome beim Bücken oder bei Ohrenschmerzen müssen Sie einen Arzt konsultieren. n Isotonische mineralsalzhaltige Nasensprays oder -salben bewirken keine direkte Verbesserung der Nasenatmung. Sie führen aber durch pH-Verschiebung zur Alkalisierung des Schleims und damit zu einer Schleimverflüssigung. Daher ist ihr 16 362 16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma Einsatz besonders bei Säuglingen und Kleinkindern sowie in der Abklingphase des mit Borkenbildung einhergehenden oder lang anhaltenden Schnupfens indiziert. Selbst hergestellte Salzlösungen oder -salben bzw. mineralsalzhaltige Fertigarzneimittel entfalten eine protektive Wirkung, wenn sie prophylaktisch während der Heizperiode oder in klimatisierten Räumen angewandt werden. Ähnliche Funktionen erfüllt das Feuchthaltemittel Natriumhyaluronat, das eine verbesserte Reinigung der Nasenschleimhaut und damit eine Erleichterung der Nasenatmung bewirken soll. Dexpanthenolhaltige Produkte unterstützen die Heilung und Regeneration einer trockenen und/oder rissigen Nasenschleimhaut. Nasentropfen mit ätherischen Ölen wirken durchblutungsfördernd und/oder entzündungshemmend und verbessern z. T. subjektiv die Nasenatmung. Allerdings sollte ihr allergenes Nebenwirkungspotenzial nicht unterschätzt werden. Die Anwendung entsprechender Nasentropfen ist bei Säuglingen und Kleinkindern kontraindiziert. HV-Empfehlung Lokale Rhinologika Empfehlung: Xylometazolinhaltige Präparate ohne Konservierungsmittel, z. B.: Nasenspray ratiopharm®, Nasentropfen Hexal®, Olynth®, Otriven® Anwendung: Schleimhautschwellung bei akuter Rhinitis; zur Erleichterung des Sekretabflusses bei Nasennebenhöhlenentzündung sowie Tubenmittelohrkatarrh, kurzfristig unterstützend bei allergischer Rhinitis. Dosierung: 2- bis 3-mal täglich in jede Nasenöffnung einbringen. Je nach Alter wird eine 0,025 %ige bis 0,1 %ige Lösung verwendet. Nebenwirkungen: Bei längerfristiger Anwendung besteht die Gefahr der Gewöhnung (Rhinitis medicamentosa). Infolge von Resorption können systemische α-sympathomimetische Effekte (Blutdruckanstieg, Tachykardie, Atemstörung) auftreten. Beratungshinweis: Ein Anwendungszeitraum von 5 bis 7 Tagen soll nicht überschritten werden. Lokal applizierte Glucocorticoide wirken zuverlässig, insbesondere bei allergischer Rhinitis (s. u.). Allerdings können glucocorticoidtypische Nebenwirkungen (siehe Kap. 13.3.2) aureten. Insbeson- dere für Dexamethason ist bekannt, dass systemische Nebenwirkungen aureten können. Dagegen weisen Budesonid und Flunisolid bisher keine klinisch relevanten Corticosteroid-Nebenwirkungen auf. Nasensalben haen länger auf der Schleimhaut, jedoch muss berücksichtigt werden, dass die Wirkstoffe im Vergleich zu Nasensprays nicht so hoch eingebracht werden können. Bei Rhinologika zur oralen Anwendung handelt es sich meist um Kombinationspräparate, die Vasokonstriktoren, Antihistaminika und/oder Analgetika enthalten. Die orale Anwendung birgt aufgrund der systemischen Wirkung ein wesentlich höheres Nebenwirkungsrisiko. Bei der Abgabe muss auf die sedierenden Nebenwirkungen der Antihistaminika unbedingt hingewiesen werden. Eine Entzündung der Nasennebenhöhlen (Sinusitits) entsteht meist aus einer virusbedingten Rhinitis, wenn die Belüung der Nasennebenhöhlen behindert ist. Jeder banale Schnupfen kann grundsätzlich auch die Nasennebenhöhlen in Mitleidenscha ziehen (Begleitsinusitis), allerdings meist ohne klinische Symptomatik. Bei Kindern ist am häufigsten die Siebbeinhöhle, bei Erwachsenen die Kieferhöhle betroffen. Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit Vasokonstriktoren, um die Belüung wieder herzustellen. Wärme (Mikrowellen, Rotlicht) oder Dampäder sowie den Schleim verflüssigende Arzneimittel (Sinupret® und Gelomyrtol®, Soledum®, siehe Expektoranzien, Kap. 16.7) können den Heilungsprozess beschleunigen. Da die akute Sinusitis gute Selbstheilungsraten aufweist, erfolgt eine antibiotische Chemotherapie nur bei Fieber und/oder starken Schmerzen. Teilweise muss eine fachärztliche Punktion der erkrankten Nebenhöhle vorgenommen werden. Eine irreversibel geschädigte Schleimhaut wird operativ entfernt. Eine chronische Sinusitis, bei der auch Schleimhautpolypen auftreten können, kann nur von einem HNO-Arzt behandelt werden. Die allergische Rhinitis wird durch Pilzsporen, andere Allergene wie z. B. Tierhaare oder Milbenkot, vor allem aber auch Pollen ausgelöst, weshalb diese Schnupfenart häufig als Heuschnupfen (Pollinosis) bezeichnet wird. Heuschnupfen ist mit Abstand die häufigste Erkrankung aus dem allergischen Formenkreis. 363 16.3 Nase und Rhinologika Bei einem erneuten Kontakt mit diesen Allergenen binden diese an die IgE-Antikörper auf den Mastzellen (Überbrückung). Dadurch platzen die Mastzellen (Degranulation) und setzen Gewebshormone, z. B. Histamin, frei (Abb. 16.4). Die Gewebshormone wirken stark gefäßerweiternd und verursachen die typischen Symptome, wie z. B. die Hypersekretion der Nasenschleimhaut. Die beste kausale erapie bei allergischen Erkrankungen ist die Allergenkarenz, d. h. weitgehende Meidung der Allergene. Das ist bei Heuschnupfen jedoch kaum möglich. Daher ist die Kenntnis der individuellen Heuschnupfen auslösenden Pollenart wichtig. Beratungshinweise Abb. 16.4 Schematische Darstellung einer allergischen Reaktion. Nach Mutschler 2001 Auslöser sind Pollen verschiedenster Bäume, Sträucher und Gräser. Besonders viele Pollenallergiker leiden unter Frühblühern wie Birke und Haselnuss. Charakteristische Symptome der allergischen Rhinitis sind: n stark geschwollene Nasenschleimhaut und verstope Nasengänge, n Augenbindehautentzündung mit Juckreiz und Tränenfluss, n Niesattacken mit Absonderung eines wässrigen, klaren Sekrets, n trockene Mundschleimhaut infolge Mundatmung, n Abgeschlagenheitsgefühl. Die Sensibilisierung kommt bei entsprechender allergischer Veranlagung wie folgt zustande (vereinfachte Darstellung): n Allergene (z. B. Pollen) kommen nach Durchdringung der Schleimhaut mit den B-Lymphozyten des Immunsystems in Berührung. n Aus B-Lymphozyten bilden sich Plasmazellen, die Immunglobuline, in diesem Fall IgE-Antikörper, synthetisieren (siehe Kap. 15.14). n Diese IgE-Antikörper verteilen sich auf dem Blut- und Lymphweg im Körper und binden sich an Mastzellen. Tipps zur Pollen-Reduzierung n Waschen Sie sich vor dem Schlafengehen die Haare. n Bewahren sie abgelegte Kleidung nicht im Schlafzimmer auf. n Halten Sie nachts und in den Morgenstunden die Schlafzimmerfenster geschlossen. Lüften Sie kurz am Nachmittag (geringerer Pollenflug). n Achten Sie beim Autokauf auf einen Pollenfilter. Pollenfluginformationsdienste und -kalender nennen die Pollenarten, die zu den jeweiligen Jahreszeiten durch die Lu fliegen. In schweren Fällen müssen Patienten zur Hauptflugsaison ihrer Pollenart in pollenarme Regionen, z. B. Küste oder Hochgebirge, ausweichen. Ansonsten können einige Tipps (siehe Kasten) zur Reduzierung der Allergen-Belastung gegeben werden. Bei Hausstaubmilben-Allergie können milbendichte Matratzenüberzüge (Encasings, z. B. Allergocover®) verwendet werden, in den Schlafräumen sollen keine Teppichböden liegen und täglich muss feucht gewischt statt gesaugt werden. Ein weiterer kausaler Behandlungsansatz bei allergischer Rhinitis ist die spezifische Hyposensibilisierung, indem über mehrere Jahre hinweg sehr geringe Dosen des Antigenextraktes subkutan injiziert werden, oder der Patient diesen in Form von Tabletten oder Tropfen sublingual appliziert (sublinguale Immuntherapie, SLIT). Ziel ist, das Immunsystem an das Allergen zu „gewöh- 16 364 16 Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und Bronchialasthma Tab. 16.3 Arzneimittel zur Therapie der allergischen Rhinitis (07)* INN Fertigarzneimittel® A Degranulationshemmer (Mastzellstabilisatoren): Cromoglicinsäure DNCG Stada, CromoHexal Nedocromil Irtan B H1-Antihistaminika (wenig sedierend) Lokal Azelastin Allergodil Levocabastin Livocab Systemisch Cetirizin Fexofenadin Loratadin Desloratadin Cetirizin Stada, Zyrtec + Telfast Lobeta, Lisino + Aerius C Vasokonstriktoren (α-Sympathomimetika) s. auch Tab. 16.2 Xylometazolin Olynth D Glucocorticoide s. auch Tab. 16.2 Beclometason + Beclorhinol aquosum, ratioAllerg Heuschnupfenspray E Sonstige Luffa operculata D4, Galphimia glauca D3, Cardiospermum D3 Heuschnupfenmittel® DHU * Hauptgruppennummer Rote Liste nen“. Nach einem Zeitraum von meist 3 bis 5 Jahren wird in regelmäßigen Abständen eine „Erinnerungsdosis“ verabreicht. Der Körper bildet bei sehr geringer Allergenbelastung vor allem IgGAntikörper. Diese IgG-Immunglobuline schwimmen frei im Blut und können eingedrungene Allergene schon binden, bevor diese die mastzellgebundenen IgE-Antikörper erreichen. Der Körper wird das Allergen schließlich ohne Mastzellreaktionen tolerieren (allergene Toleranz). In der Regel wird diese Maßnahme in der pollenarmen Zeit (Herbst und Winter) durchgeführt. Zur symptomatischen Behandlung stehen mehrere Arzneistoffgruppen zur Verfügung (Tab. 16.3): n Degranulationshemmer (Mastzellstabilisatoren), n Antihistaminika, n Vasokonstriktoren (α-Sympathomimetika), n Glucocorticoide. Degranulationshemmer (Mastzellstabilisatoren) Der Hauptvertreter Cromoglicinsäure (und ihr Salz Dinatriumcromoglycin, DNCG) und Nedocromil verhindern das Platzen der Mastzellen und damit die Freisetzung von Gewebshormonen. Die volle Wirkung tritt erst nach 1 bis 2 Wochen ein, d. h. DNCG ist nur prophylaktisch wirksam und die Behandlung muss vor der Pollenflugsaison begonnen und bis zu deren Ende durchgeführt werden. Beide Wirkstoffe werden aufgrund ihrer Polarität und damit geringen Lipophilie nur schlecht resorbiert. Sie wirken daher überwiegend lokal. Zur Applikation stehen Nasensprays und Augentropfen zur Verfügung. HV-Empfehlung Degranulationshemmer (Mastzellstabilisatoren) Empfehlung: Cromoglicinsäure bzw. DNCG, z. B.: Allergocrom®, Cromohexal®, DNCG Stada®, Vividrin® Anwendung: Zur Prophylaxe der allergisch bedingten Rhinitis und Konjunktivitis (Bindehautentzündung). Dosierung: 4-mal täglich als Nasenspray und/ oder Augentropfen. Nebenwirkungen: Selten lokale Reizungen. Beratungshinweis: Sehr gute Compliance erforderlich, d. h. konsequente Applikation in regelmäßigen Abständen; Behandlungsbeginn vor Pollenflugsaison bzw. Allergenkontakten. Antihistaminika Antihistaminika sollen die Wirkung bereits freigesetzter Gewebshormone, vor allem Histamin, an den Erfolgsorganen ausschalten. Diese Antihistaminika werden auch H1-Blocker oder H1-Rezeptorantagonisten genannt. Sie verdrängen His- 365 16.3 Nase und Rhinologika tamin nach dem Prinzip der kompetitiven Hemmung (siehe Kap. 2.3.2) von den H1-Rezeptoren und heben so seine rezeptorvermittelten Wirkungen auf. Ältere H1-Antihistaminika, z. B. Dimetinden (Fenistil®) oder Clemastin (Tavegil®) wirken sedierend. Die neueren Wirkstoffe dieser Gruppe, die H1Antihistaminika der 2. Generation (Azelastin, Cetirizin, Fexofenadin, Levocabastin, Loratadin, Mizolastin, siehe Tab. 16.3) weisen eine höhere Rezeptorspezifität auf, haben keine oder nur geringe zentrale Nebenwirkungen und werden daher als wenig sedierende Antihistaminika bezeichnet. Topische Antihistaminika wirken rasch, innerhalb von 15 Minuten, und werden zweimal täglich bei vorhandenen Symptomen oder bei Bedarf sowohl nasal als auch am Auge angewandt. Sie wirken gut gegen Symptome der allergischen Rhinokonjunktivitis und sind den H1-Antihistaminika der 1. Generation vorzuziehen. Konservierungsmittelfreie Präparate werden bevorzugt. (siehe Kap. 16.3). Bei oraler Anwendung ist die Langzeiteinnahme gegenüber dem bedarfsorientierten, symptombezogenen Einsatz im Vorteil. Wenn die erapie mit oralen H1-Antihistaminika nicht ausreicht, so lassen sich die nasalen Symptome durch zusätzliche Gabe eines topischen Glucocorticoides reduzieren, das die Konzentration an Entzündungsmediatoren wie z. B. Histamin in der Nasenschleimhaut verringert. Im Hinblick auf allergische Symptome am Auge sind jedoch orale H1Antihistaminika vorzuziehen. Bei allergischer Rhinokonjunktivitis kann die Kombination eines topischen Glucocorticoides und eines oralen H1Antihistaminikums deshalb sinnvoll sein. An Erwachsene sowie Kinder ab zwölf Jahren darf das Glucocorticoid Beclometason in niedriger Dosierung ohne Rezept abgegeben werden. Generell müssen Patienten bei der Anwendung topischer Glucocorticoide unbedingt auf folgende Punkte hingewiesen werden: n Die Wirkung setzt erst nach Stunden bis zu einem Tag ein. n Der Sprühstoß des Nasensprays muss parallel zur Nasenscheidewand erfolgen. n Die Dosierung, mit der die Symptome kontrolliert werden können, soll so niedrig wie möglich sein. n n n Bei Symptomkontrolle soll nach drei Monaten eine Dosisreduzierung erfolgen. Zum erapieeinstieg oder bei schwerer Symptomatik ist über zwei Wochen auch die Gabe einer doppelten Dosierung möglich. Kinder sollten zunächst immer einem Arzt vorgestellt werden, da auch bei Einhalten der Dosierungsempfehlung Wachstumsverzögerungen bei Kindern aufgetreten sind. Als Reservemittel sind systemische Glucocorticoide anzusehen. Vasokonstriktoren wurden bereits bei der akuten Rhinitis besprochen. Beratungshinweise Selbstmedikation bei allergischer Rhinitis Beachten Sie die Hinweise zur Pollen-Reduzierung (siehe Kasten)! n Nehmen Sie Degranulationshemmer unbedingt vor Beginn der entsprechenden Pollenflugsaison ein! n Bevorzugen Sie wenig sedierende orale Antiallergika wie Cetirizin, Loratadin. n Während der Schwangerschaft sollten Sie H1-Antihistaminika nur nach Rücksprache mit dem Arzt anwenden! n Achten Sie auf die korrekte Anwendung glucocorticoidhaltiger Nasensprays! n Erkundigen Sie sich beim Arzt nach Möglichkeiten einer Hyposensibilisierung! n HV-Empfehlung H1-Antihistaminika Empfehlung: Cetirizin, z. B. Cetirizin Hexal®, Zyrtec® oder Loratadin, z. B. Lorano® Anwendung: Allergische Rhinitis, chronische Urtikaria mit der Symptomatik Juckreiz, Rötung und Quaddeln der Haut; atopisches Ekzem (Neurodermitis) und andere allergische Erkrankungen. Dosierung: 1-mal täglich als Tabletten, Tropfen oder Saft, vorzugsweise abends einnehmen. Nebenwirkungen: Selten Mundtrockenheit, gastrointestinale Störungen, Kopfschmerzen, Schwindel; Agitiertheit, Müdigkeit, lokale Reizungen. Beratungshinweis: Während der Therapie sollte auf Alkohol verzichtet werden. 16