2 Meinung Nummer 312 | Freitag, 9. November 2012 Leitartikel Durchwursteln und Zähne fletschen Wenn sie könnten, würden Tirols Parteien lieber heute als morgen wählen. VP und SP beginnen sich thematisch aufzureiben und sich gegeneinander zu positionieren. Und auch in den Reihen der Opposition weitet sich der Kleinkrieg aus. Von Peter Nindler V ielleicht hat VP-Chef LH Günther Platter tatsächlich geglaubt, dass nach dem Wechsel an der SPÖ-Spitze und in der Regierung alles so harmonisch weitergeht wie mit Hannes Gschwentner. Zwischen ihm und Gschwentner hat die Chemie gestimmt, in der SPÖ hätte man es jedoch lieber gesehen, wenn der Ex-SPÖ-Chef häufiger seine politischen Zähne gegenüber der VP gezeigt hätte. Sein Nachfolger auf der Regierungsbank, Thomas Pupp, tut es, auch Reheis versucht sich als neuer roter Häuptling zu positionieren, und der Landtagsklub muckt ebenfalls immer häufiger auf. Das Beharren auf Tempo 100 ist das Gastkommentar Das Problem der Republikaner Symbol für eine Imagekorrektur der Sozialdemokraten. Man will nicht nur abnicken, sondern mitbestimmen. Reheis und Co. haben lediglich magere sechs Monate Zeit, um die schlechten Umfragewerte bis zur Landtagswahl zu korrigieren. Das kann sich die ÖVP natürlich nicht gefallen lassen. Ihr reicht die seit der Landtagswahl gestärkte Opposition im Allgemeinen und Fritz Dinkhauser im Speziellen. Eine SPÖ, die in der Regierung opponiert, kann LH Günther Platter schon gar nicht gebrauchen. Deshalb würde er lieber heute als morgen die Koalition aufkündigen und wählen lassen. Obwohl dies der Bevölkerung einen langen und längst begonnenen Wahlkampf ersparen würde, ist der Volkspartei das Risiko aber Karikatur doch zu groß. Zum einen müsste im Winter gewählt werden, andererseits kommen vorgezogene Neuwahlen nicht gut an. So gesehen benötigt es einen politischen Spagat und ab jetzt permanentes Krisenmanagement. Überspitzt könnte man es als Durchwursteln bis zu den Wahlen bezeichnen. Doch nicht nur in der Regierung, auch in der Opposition funkt es. Fritz Dinkhauser und Fritz Gurgiser schenken sich nichts. Aus den erfolgreichen Parteifreunden von 2008 wurden erbitterte Gegner. Die beiden Alphatiere, die mit Bürgerpolitik 2013 wieder punkten wollen, liefern sich seit der Scheidung juristische Scharmützel um Parteigründung und Parteiförderung. Der Gerichtssaal ersetzt den Landtag, Politikerfrust die viel beschworene Bürgerpolitik. Vielleicht verbirgt sich ja hinter dem von Gurgiser angezeigten Verdacht der Urkundenfälschung bei Fritz Dinkhauser ein Politskandal ersten Ranges. Die Konsequenz wäre jedenfalls eine verheerende. Gewinnen würde die immer größere Anzahl von Wählern, die sich mit Grausen von der Politik abwendet. Lesen Sie dazu mehr auf Seite 4 [email protected] Kopf des Tages „Im Jahr des Drachen oder Generationswechsel in Peking“ Judoka mit fehlender Strahlkraft Von Heinz Gärnter D [email protected] Der Politikwissenschafter Univ. Prof. Dr. Heinz Gärtner lehrt und forscht an der Universität Wien und arbeitet am Österreichischen Institut für Internationale Politik. Frage des Tages (520 Teilnehmer) Wegen südtirolfeindlicher Zwischenrufe gibt es Überlegungen, den Marsch „Dem Land Tirol die Treue“ seltener oder gar nicht mehr zu spielen. Was halten Sie davon? 35 % Das ist eine Überreaktion. Die Zwischenrufe sind doch nicht ernst zu nehmen. 20 % Die Zwischenrufe sind verletztend und entbehrlich und sollten unterbunden werden. 45 % Eine überflüssige Debatte, weil das gar nicht in den Griff zu bekommen ist. Die Umfrage finden Sie auf www.tt.com Robert Lugar (Klubobmann von Team Stronach) I Karikatur: Rachel Gold; Foto: Mühlanger er Präsident wurde mit der Mehr­ heit der Minderheiten gewählt. Dazu zählen Frauen, Afroamerika­ ner, Hispanics, Jugendliche und Homo­ sexuelle. Damit verbunden sind auch Erwartungen, dass der Präsident eine sozi­ alere und liberalere Politik verfolgt. Gleich­ zeitig wurde eine rechtskonservative Ideologie abgewählt, die sich im Vorwahl­ kampf der Republikaner innerhalb der Partei durchgesetzt hat. Dazu beigetragen haben die christliche Rechte mit ihren ge­ sellschaftlich rückwärtsgewandten Werten (Ablehnung von Abtreibung und Homo­ sexuellenehe), die Tea Party mit ihrer Ablehnung von Staat und Steuern und die Neokonservativen mit ihrer Kriegsrhetorik gegenüber dem Iran und der konfronta­ tiven Haltung gegenüber Russland und China. Zwei Drittel der Amerikaner sind aber für eine Mischung von Ausgabenkür­ zungen und Steuererhöhungen (vor allem für die Allerreichsten) zur Defizitreduktion und gegen neue Kriege. Damit wurde die Republikanische Partei viel rückschrittlicher als die unter Nixon und Reagan. Damals schätzte die größte Mehrheit der Partei soziale Netz­ werke und lehnte Steuererhöhungen nicht prinzipiell ab. Nixon reiste nach China, Reagan schloss Rüstungskontrollabkom­ men mit der Sowjetunion. Wenn die Re­ publikanische Partei eine Zukunft haben will, dann muss zumindest ein Teil der Republikaner der konservativen Ideologie abschwören und sich auf ihre alten Werte besinnen. Analyse Der Druck steigt, endlich ein Kraftwerk zu bauen Von Anita Heubacher E s ist das größte Projekt, das der Landesenergieversorger Tiwag umsetzen will. 1,3 Milliarden Euro sollen in das Kraftwerksprojekt Kaunertal investiert werden. Ohne das Wasser aus dem Ötztal, aus der Gurgler und Venter Ache, rechnen sich die Kraftwerkspläne im Kaunertal nicht. Seit Jahren müht sich die Tiwag mit dem Ausbau der Wasserkraft quer durch Tirol ab und musste an vielen Standorten die Segel streichen. Die Projekte waren am Widerstand von Kraftwerksgegnern, an der Unmöglichkeit der Umsetzung und an Kommunikationsfehlern der Tiwag gescheitert. Die Tiwag muss alles daran setzen, dieses Projekt umzusetzen. Das hat mehrere Gründe: Der Druck steigt, weil Jahre verstrichen sind. Das erklärte Ziel der Landespolitik ist, Tirol energieautark zu machen. Außerdem Lesen Sie dazu mehr auf Seite 4 [email protected] muss die Tiwag Geld verdienen und das Geschäftsmodell dafür sieht sie im Ausbau eines Pumpspeicherkraftwerks. Das Projekt hat also oberste Priorität. Gestern stemmten sich 50 Grundbesitzer aus dem hinteren Ötztal gegen die Kraftwerkspläne der Tiwag. Das Ötztaler Wasser müsse im Ötztal bleiben. Die Ableitung des Wassers sei eine Gefahr für die Landwirtschaft und den Tourismus. Grundsätzlich spricht sich niemand gegen die Nutzung von Wasserkraft in Tirol aus, aber vor der eigenen Haustür lieber nicht. Allerdings muss man sich die Haustür sehr genau aussuchen. Gegen das Projekt im Kaunertal haben sich bereits Umweltorganisationen und der Landesumweltanwalt ausgesprochen. Im hinteren Ötztal scheint zumal schon wieder ein Kommunikationsfehler passiert zu sein. Die Grundbesitzer sagen, die Tiwag habe sie nicht kontaktiert. Niemand habe mit ihnen gesprochen. Tiwag-Chef Wallnöfer dementiert. Das Unternehmen hat dazugelernt. Fünf bis sechs Jahre habe man Zeit, sich im UVP-Verfahren mit den Gegnern auseinanderzusetzen und sie letztlich zu überzeugen. Das wird schwer. n die Politik gegangen ist der gebürtige Tiroler Robert Lugar (42) wegen Jörg Haider. Er war also bei der FPÖ, bevor er nach der orangen Abspaltung vom Dritten Lager zum BZÖ weiterwanderte. Jetzt ist der in Innsbruck geborene und in Axams aufgewachsene Lugar beim Team Stronach angekommen. Dort übernimmt er seit gestern die Funktion des Klubobmannes. Er sieht sich aber keineswegs als politisches Chamäleon, nennt er sich doch einen „unideologischen Sachpolitiker“, der deshalb nie die Seite hat wechseln müssen. Wenn man Lugar nach seinem Hobby fragt, sagt er Politik als Antwort. Ihn habe Politik schon lange interessiert, aber die Politik, die er meint, hat weniger mit Parteien zu tun. Deshalb träumt er auch von einer parteilosen Gesellschaft. Als Jugendlicher hatte er noch andere Träume. Lugar erlernte nach der Pflichtschule den Beruf des Elektroinstallateurs und absolvierte im Anschluss berufsbegleitend die HTL für Elektrotechnik in Wiener Neustadt. Ende der 80er-Jahre meldete er sich als Zeitsoldat, um seine sportliche Leidenschaft ausleben zu können. Der Judoka schaffte es bis ins Nationalteam. Der Leser von Sachbüchern, weniger von Romanen, hatte zuletzt in Wien eine Firma im Bereich der Abfallaufbereitung. Diese Firma muss er wegen seiner Tätigkeit als Klubobmann nun überschreiben. Firmenchefin wird Lugars Mutter. Lugar gilt als stiller Abgeordneter, der vor seinem Wechsel zum Milliardär Frank Stronach im Parlament kaum Spuren hinterlassen hat. Das weiß der zweifache Familienvater auch. Denn er sei kein Populist. Und er sei auch kein Spitzenkandidat. Denn für diese Funktion fehle dem verheirateten zweifachen Familienvater die Strahlkraft, wie er selbst sagte. Doch sein neuer Chef, der habe diese Strahlkraft, weiß Lugar. Der erfolgreiche Unternehmer Frank Stronach sei ein Charismatiker, wenn auch völlig anders als sein früheres Idol Jörg Haider. (misp) Lesen Sie dazu mehr auf Seite 10