4 Möglichkeiten und Perspektiven «It’s only rare when it happens in someone else’s family!» Prof. Dr. med. Hansjakob Müller, Abt. Medizinische Genetik, Universität Basel Es ist das erklärte Ziel der Schulmedizin, der Ursache einer Krankheit oder Behinderung möglichst präzise auf die Spur zu kommen, um aufgrund dieses Wissens dem Patienten eine möglichst gezielte Behandlung anbieten zu können. Genetische Untersuchungen dienen demselben Ziel. Ihre Ergebnisse können zudem für das Treffen von wirkungsvollen Präventionsmassnahmen sowie für die Lebens- und Familienplanung von beachtlicher Relevanz sein. Erbkrankheiten werden durch Veränderungen (Mutationen) im Erbgut ausgelöst. Letztere können von einem oder beiden Eltern geerbt, respektive während der Bildung der Ei- oder der Samenzelle neu (de novo-Mutationen) entstanden sein. Man unterteilt die Erbkrankheiten, je nach der Ebene in der Hierarchie der genetischen Elemente, auf der sich die Mutation ereignete, und berücksichtigt ferner, ob auch Umweltfaktoren obligat zu ihrer Manifestation beitragen. So unterscheidet man die eigentlichen Chromosomenstörungen, die sich mit dem Lichtmikroskop erkennen lassen, ferner die sogenannten «Mikroaneuploidien», ebenfalls Chromosomenaberrationen, die aber so klein sind, dass sie sich nur mit molekularzytogeneti- schen Verfahren zuverlässig nachweisen lassen, und diejenigen Mutationen, bei denen unmittelbar die Schlüsselsubstanz der Vererbung, die DNA, betroffen ist). Innerhalb der DNA (Schlüsselsubstanz der Vererbung) tritt eine Vielzahl verschiedenster Mutationen auf. Ist ein einzelnes Gen betroffen, führt dies zu einer monogenen Erbkrankheit. Unter einem Gen im klassischen Sinne versteht man denjenigen umschriebenen Abschnitt der DNA, der das Rezept enthält, dank dem die Zellen ein bestimmtes Protein oder seine Derivate synthetisieren können. Es ist das Hauptziel des menschlichen Genomprojektes, alle menschlichen Gene zu erfassen (identifizieren), auf den Chromosomen zu lokalisieren (kartieren) und dann ihre Nukleotidsequenz zu entziffern (sequenzieren). Gene kommen in der DNA im Zellkern und in der DNA der Mitochondrien vor. Mutationen der letzteren führen zu den Mitochondriopathien, die durch Defekte der Energiegewinnung charakterisiert sind und neben einer vielseitigen Symptomatik geistige und psychomotorische Retardierung aufweisen. Die Abschnitte der Gene, welche die Zusammensetzung der Eiweisse (Genprodukt) kodieren, be- 5 anspruchen nur einen sehr kleinen Anteil der gesamten DNA im Zellkern. Auf die Bedeutung der übrigen DNA wird später eingegangen. Die häufigen multifaktoriell verursachten Krankheiten und Fehlbildungen resultieren aus einem ungünstigen Wechselspiel von Erb- und Umweltfaktoren. Mutationen lassen sich in Zellen der Keimbahn und als Folge in allen daraus hervorgehenden Körperzellen finden. Sie ereignen sich aber auch in einzelnen Körperzellen und liegen dann nur in deren Tochterzellen vor. Praktisch alle Tumorzellen weisen somatische Mutationen auf, die mit dem Tod des Individuums wieder aussterben. Mutationen in Zellen der Keimbahn können im Prinzip auf spätere Generationen weitervererbt werden. Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit medizinischer Genetik und genetischen Untersuchungen werden im neuen Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) definiert (Artikel 3, ab Seite 20). Die Gentests im eigentlichen Sinne gehören zu den molekulargenetischen Analysen, die zur Abklärung der molekularen Struktur der Nukleinsäuren (DNA, RNA, Protein) eines einzelnen Gens dienen. Auf sie wird in diesem Beitrag vorzugsweise eingegangen. Indikationen für Gentests 1 Verifizieren und Präzisieren einer klinisch gestellten Diagnose Es ist ein Gebot unserer Zeit, die einer Erbkrankheit zugrunde liegende Veranlagung/Mutation möglichst präzise zu ermitteln, sobald der Verdacht auf das Vorliegen einer solchen wegen klinischer Symptome und/oder wegen ähnlicher Erkrankungen in der Verwandtschaft aufkommt. Häufig werden dank des Gentests weitere, evtl. aufwändige und für die Betroffenen oft auch unangenehme histopathologische oder pathophysiologische Abklärungen überflüssig. Für einen Gentest genügen in der Regel 5 – 10 ml EDTABlut. Verschiedene Mutationen innerhalb desselben Gens (multiple Allelie, allelische Diversität) können zu überlappenden Krankheitsbildern führen, deren klinische Zuteilung oft nur begrenzt möglich ist. So führen Mutationen des CFTR-Gens nicht nur zur zystischen Fibrose (Pankreasfibrose), sondern zu Krankheitsformen 6 wie chronische Pankreatitis, chronische bronchiale Hypersekretion, disseminierte Bronchiektasie oder obstruktive Azoospermie. Der exakte Nachweis der beim Patienten vorliegenden Mutation(en) hilft in der Differentialdiagnose weiter. Kombinationsmöglichkeiten verschiedener mutierter Allele (Varianten desselben Gens) bei einer einzelnen Person (Compound-Heterozygotie) führen zu einem breiten Symptomen-Spektrum. Klinisch sehr ähnliche Erbkrankheiten können durch Mutationen verschiedener Gene (genetische Heterogenität), die verschiedenen Erbgängen folgen, ausgelöst werden. Dieses Phänomen ist z. B. für die Muskeldystrophien, die hereditären motor-sensorischen Neuropathien (Charcot-Marie-Tooth), die Retinopathia pigmentosa oder die Osteogenesis imperfecta gut dokumentiert. Die molekulargenetische Sicherstellung einer klinischen Diagnose, wie zum Beispiel derjenigen des X-gonosomal vererbten FraX-Syndroms (Entwicklungsverzögerung, verzögerte Sprachentwicklung, abnormes Temperament, schwere geistige Retardierung sowie langes Gesicht mit prominenter Stirne, grossen, schlecht strukturierten Ohren und prominenten Backenknochen, grosse Hoden nach der Pubertät) mittels Gentest ist von entscheidender Bedeutung für die Familienplanung der Eltern und der Geschwister. Es ist für die genetische Beratung immer sehr problematisch, wenn Geschwister ihre Risikosituation abklären lassen wollen und sich nicht mehr genau eruieren lässt, welches die Ursache der Behinderung war, an der ein Geschwister verstarb. 2 Anpassen der medikamentösen Behandlung oder einer Diät an die Veranlagung des Patienten («personalized medicine») Die maligne Hyperthermie als genetisch determinierte, lebensbedrohliche Reaktion auf eine Halothan-Narkose oder die Isoniazid-Überempfindlichkeit bei Personen mit einer verminderten Aktivität der IsoniazidAzetylase in der Leber sind altbekannte Beispiele der Pharmakogenetik. Die Liste abnormer genetischer Reaktionen auf Pharmaka hat sich z. B. auch auf die 5-Fluorouracil (5-FU)-Unverträglichkeit bei Vorliegen bestimmter Polymorphismen im Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Gen erweitert. Es ist das Ziel der moder- 7 nen phama-kogenetischen Forschung, für den einzelnen Patienten massgeschneiderte Medikamente zu entwickeln, um deren Wirkung zu verbessern und um unerwünschte, gar fatale Nebenwirkungen zu vermeiden. Man sucht nach DNA-Polymorphismen («single nucleotide polymorphisms» = «Snips»), die für die individuell unterschiedlichen Reaktionsweisen auf Arzneimittel verantwortlich sind. Auch die Diät bei der Phenylketonurie wird der Mutationsart im PHA-Gen angepasst. 3 Ovarialkarzinom-Syndrom sind häufige Veranlagungen, deren TrägerInnen vor fortgeschrittenen, schwer therapierbaren Krebskrankheitsfolgen geschützt werden können. Bei Konduktorinnen des durch Mutationen des OTC-Gens ausgelösten Xgonosomal verebten Ornithintranscarbamylase-Mangels geht es darum, die Hyperammonämie und deren neurologische Folgen dank Diät zu unterdrücken, wie sie besonders bei Schwangerschaften oder der Einnahme von Medikamenten wie Corticosteroiden oder Valproinsäure auftreten. Präsymptomatische Diagnostik von Krankheitsveranlagungen 4 Erbkrankrankheiten brauchen sich nicht bereits bei der Geburt klinisch zu manifestieren, obwohl die ihr zugrunde liegende Veranlagung ab Zeugung vorliegt. Wenn man aber die Veranlagung mittels Gentest identifiziert, lassen sich dank medizinischer Überwachung rechtzeitig erfolgreiche medizinische Interventionen treffen. Die hereditären Krebssyndrome, wie das hereditäre Kolorektalkarzinom ohne vorausgehende Polypose (HNPCC = «hereditary nonpolyposis colorectal cancer») oder das hereditäre Mamma-/ Überprüfen einer möglichen Überträgerschaft eines mutierten Gens Gentests ermöglichen es, asymptomatische ÜberträgerInnen von in gewissen Ethnien häufigen autosomalrezessiv vererbten (Thalassämien, Morbus Tay-Sachs) oder Konduktorinnen von X-gonosomal-rezessiv vererbten Krankheiten (Muskeldystrophie Duchenne oder schwere Hämophilien) zu erfassen, bevor sie eine Partnerschaft eingegangen sind. Die pränatale Diagnostik kann dann von der Frau/dem Paar schon 8 bei der ersten Schwangerschaft erwogen werden, um die Geburt eines schwer kranken Kindes zu verhindern. Gentests bedürfen einer klaren Indikation. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Überführung, der aus ihnen hervorgehenden Resultate in für den Ratsuchenden sinnvolle genetische Information möglich. Leider wird dieser Anforderung häufig zu wenig nachgekommen, wenn z. B. für Gentests zum Nachweis von genetischen Eigenschaften veranlasst werden, die bei Personen mit gewissen multifaktoriell verursachten Krankheiten (z. B. ApoE-Allel und Morbus Alzheimer) generell etwas häufiger vorkommen oder die nur aufgrund einer einzelnen Assoziationsstudie als Risikofaktor deklariert wurden. Solche genetische Daten haben wenig Aussagekraft im Hinblick auf das Erkrankungsrisiko der untersuchten Person und ihrer Angehörigen. Sobald die krankheitsverursachende Mutation bei einem Patienten einmal erfasst ist, lässt sich leicht und kostengünstig überprüfen, ob diese auch bei Angehörigen vorliegt oder nicht. Künftige Perspektiven der genetischen Diagnostik Wegen der diagnostischen Möglichkeiten der Gentechnologie hat die Medizin in unserer Zeit die Schwelle in ein neues Zeitalter, nämlich in dasjenige der molekularen Medizin überschritten. Wir lernen die Anatomie unseres Erbgutes immer besser kennen, sind aber diesbezüglich noch lange nicht am Ziele. Der Mensch soll gegen 25 000 verschiedene Gene aufweisen. Davon sind heute erst etwa 17 000 erfasst (siehe OMIM-Statistik). Von nur etwa 400 Genen kennen wir den Zusammenhang zwischen den in ihnen vorkommenden Mutationen und deren klinischen Konsequenzen etwas näher. Die meisten Gene werden nur im Rahmen von Forschungsprojekten analysiert. Daher kann es sehr viel Überzeugungskunst und Zeit beanspruchen, damit ein Gentest von rein diagnostischer Bedeutung realisiert wird, was für die Betroffenen, ihre Angehörigen, aber auch für die sie betreuende Ärzteschaft verständlicherweise sehr frustrierend ist. Letztlich wird es viel wichtiger sein, statt der Rezepte (Gene/Genom) deren Produkte, also die Proteine (Proteom), respektive 9 alle Moleküle (Metabolom) unseres Körpers zu kennen und zu analysieren, die für unsere Gesundheit und Krankheit verantwortlich sind. Der stetige Fortschritt in der Analysetechnologie (z. B. Chip-Technologie) eröffnet diesbezüglich neue Möglichkeiten. Unser genetisches Denken wurde über lange Jahre durch das 1958 vom Nobelpreisträger Francis Crick formulierte molekularbiologische Dogma «DNA macht RNA; RNA macht Proteine» bestimmt. Heute wissen wir, dass nur wenige Prozente unserer DNA kodierend sind, also als Matrize für den Einbau der Aminosäuren ins Protein benötigt werden. Es wird immer deutlicher, dass der Rest keineswegs nur Abfälle der Evolution oder «junk» repräsentiert. Gene müssen sorgfältig gesteuert werden, damit ihre Information zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Anzahl verfügbar wird. So gewinnen z. B. die «cis-acting regulatory sequences» an Interesse, da deren Fehlfunktion gerade die Entstehung multifaktoriell verursachter Krankheiten zu begünstigen scheint. Gleiches gilt für die so genannten «RNA-only-genes» «nonprotein-coding-RNAs (ncRNAs)». Sie machen etwa 97 – 98% aller beim Menschen produzierten RNAs aus und sind bei verschiedenen Säugern praktisch identisch, was auf ihre funktionelle Bedeutung hinweist. Dazu gehört die anti-sense RNA, die sich an mRNA bindet und deren Übersetzung in die Sprache der Eiweisse blockiert, oder die micro RNA, die andere RNA zerstören kann. Der vertiefte Einblick in den Abbau der mRNA (RNA decay) eröffnet neue Einblicke in die Steuerung/Fehlsteuerung von Genen bei Krankheit oder unerwünschten Reaktionen auf Arzneimittel. Neben eigentlichen Mutationen gewinnen auch epigenetische Einflüsse auf die Genfunktion an Interesse, bei denen die Nukleotidsequenz nicht verändert wird und die, mindestens teilweise, reversibel sind. Dabei geht es um die Methylierung des Cytosins oder Modifikationen der Nucleosomenhistone. Eine eigentliche «black box» ist immer noch unser Wissen über die Organisation des Erbgutes im Zellkern, über die dortigen Koordinationsstellen, Kommunikationswege und Ausgänge zum Zytoplasma. Die Daten, die in der biomedizinischen Forschung anfallen, erreichen eine solche Fülle, dass eine enge Zusammenarbeit der Molekularbiologie mit Computer-Wissenschaften 10 und der Informationstechnologie notwendig wurde, um diese zu sammeln, zu analysieren und zu interpretieren. So ist das neue Fach der «Computional Biology» entstanden. Die Erforschung unseres Genoms und dessen Beeinflussung durch die Umwelt und das Altern mit der Unterstützung der Bioinformatik wird einen gewaltigen Impakt auf die Zukunft der Medizin haben. Umsetzung der genetischen Erkenntnisse in die medizinisch-genetische Diagnostik in der Schweiz Der Einfluss der Genetik auf die ärztliche Diagnostik nimmt stetig zu. Am 1.1.2007 wird das neue Bundesgesetz (GUMG) in Kraft treten, das genetische Untersuchungen beim Menschen regeln soll. Auch ein solches Gesetz kann erst dann richtig greifen, wenn die dazu notwendigen Voraussetzungen erfüllt sein werden. Dies ist in der Schweiz noch nicht der Fall, wie in der Folge kurz aufgezeigt wird: 1. Der Wissenstand des gesamten Medizinalpersonals (Ärzteschaft und Pflegende) über moderne Genetik ist sehr begrenzt, da dieses Fach während der letzten Jahrzehnte in der Aus-, Weiterund Fortbildung ungenügend berücksichtigt wurde. Die Grundversorger sollten in der Lage sein, diejenigen Personen, Familien zu erkennen, die einer kompetenten genetischen Beratung durch Fachspezialistinnen/-spezialisten bedürfen. Dank ausgewogener Weiter- und Fortbildungsprogramme, müssen die Fachärztinnen und -ärzte derjenigen medizinischen Disziplinen wie Neurologie, Frauenheilkunde oder Pädiatrie, in denen man genetischen Fragestellungen besonders häufig begegnet, über den aktuellen Wissenstand in ihrem Fachbereich verfügen! Auch Pflegende werden noch ungenügend über die besonderen Bedürfnisse von Patienten mit Erbkrankheiten informiert. Die bisherige Qualitätssicherung im Bereich der Medizinischen Genetik beschränkte sich zu einseitig auf die Labortätigkeit und kaum auf eine systematische Überwachung der Aufklärung/ Information/Beratung, wie sie durch Ärztinnen und Ärzte angeboten wird, respektive auf die Pflege der Personen mit Erbkrankheiten. 11 Die ungenügenden Kenntnisse über Indikationen für, respektive über die klinische Aussagekraft von genetischen Untersuchungen führen nicht nur zu einer Verunsicherung der Probanden, sondern gelegentlich auch zu einer unnötigen Verteuerung des Gesundheitswesens. So sind die Vorbeugemassnahmen für HNPCC-Anlageträger viel günstiger als die Behandlung eines fortgeschrittenen Dickdarmkarzinoms. 2. Es fehlt an Fachärztinnen/-ärzten FMH für Medizinische Genetik, die die im GUMG geforderte genetische Beratung wahrnehmen können. Nur durch eine rasche Schaffung entsprechender Weiterbildungsplätze kann dieser offensichtliche Mangel kompensiert werden. Es werden Fachleute benötigt, die auch mit den hiesigen gesellschaftlichen Gegebenheiten vertraut sind, um die psychosozialen Auswirkungen von Erbkrankheiten richtig einschätzen zu können. Obwohl ein FMH-Facharzttitel geschaffen wurde, der international anerkannten Anforderungen genügt, haben die zuständigen Instanzen die diesem Fach zustehende Dignität noch nicht zugesprochen. 3. Es gibt in unserem Lande noch kein bei uns ausgebildetes paramedizinisches Fachpersonal (z. B. «genetic nurses»), dem wichtige Aufgaben wie zum Beispiel das Aufzeichnen eines Stammbaums übertragen werden kann und das in der Lage ist, selbständig zu häufigen medizinisch-genetischen Fragestellungen Antworten zu geben. 4. Letztlich weiss auch die Öffentlichkeit wenig über Genetik, die zudem in den Medien gerne mit Negativem in Zusammenhang gebracht wird. Die dadurch ausgelöste ablehnende Haltung wirkt sich im Hinblick auf eine sinnvolle Nutzung der genetischen Untersuchungs- und Interventionsmöglichkeiten sehr ungünstig aus. 5. Einzelne Erbkrankheiten sind sehr selten («rare or ophan diseases»). So wird die Analyseliste (Anhang 3 der KrankenpflegeLeistungsverodnung [KVL]) geradezu zu einer unethischen Quelle von Ungerechtigkeiten gegenüber Personen, deren Krankheit 12 dort nicht wörtlich aufgeführt ist. Krankenkassen sind dann meist nicht bereit, indizierte Untersuchungen zu übernehmen. Eine solche Liste ist beim raschen Fortschritt des menschlichen Genomprojektes, dank dem immer neue Krankheitsgene entdeckt werden, ein offensichtlicher Unsinn! Wegen der Vielzahl und der Seltenheit von Erbkrankheiten werden viele Gene nicht in der Schweiz analysiert. Krankenkassen lehnen es ab, Kosten für im Ausland durchgeführte Tests zu übernehmen. Dies schafft ebenfalls Ungerechtigkeiten zwischen den Trägern verschiedener Erbkrankheiten. Was kann der Betroffene dafür, dass «sein» Gen nicht in der Schweiz untersucht wird? Dabei verlangt das GUMG (Artikel 3, ab Seite 20), dass niemand wegen seines Erbgutes diskriminiert werden darf. Die internationale Zusammenarbeit bei der Gen-Diagnostik muss gefördert werden. Dies senkt die Kosten für Gentests und trägt zu deren Qualitätssicherung bei. Alle Gentests bedürfen aber einer Indikation nach international anerkannten Kriterien. 6. Die umfassende Betreuung von Personen mit krankheitsverursachenden Veranlagungen wird zu einer grossen Herausforderung der modernen Medizin. Das Fachwissen von Experten verschiedenster Disziplinen, wie Frauenheilkunde, Chirurgie, Onkologie, Radiologie, Pathologie und Medizinische Genetik wird z. B. beim BRCA1-induzierten hereditären Brust- / Ovarialkarzinomsyndrom benötigt. Diese Zusammenarbeit beginnt sich allmählich unter den Fachleuten einzuspielen. Jedoch fehlt es häufig noch an einem «einfühlsamen» Lotsendienst für die Betroffenen und ihre Angehörigen zwischen den verschiedenen Anlaufstellen der erwähnten Fachleute, dies gerade an einem grösseren Kantons- oder Universitätsspital. 7. Genetische Untersuchungen gewinnen bei häufigen Krankheiten wie Diabetes, Demenz und Tumoren immer mehr an praktischer Bedeutung. In der Schweiz bestehen noch kaum Konzepte, wie die zunehmenden diesbezüglichen Tests ein- und die daraus hervorgehenden Resultate sinnvoll umgesetzt werden sollen. 13 Die Medizinische Genetik bedarf unbestreitbar der Förderung im schweizerischen Medizinalwesen. Die Einführung des neuen Bundesgesetzes für medizinisch-genetische Diagnostik (GUMG) bietet sich geradezu als Chance an, Versäumtes endlich nachzuholen. 쐽 Weiterführende Literatur Beim Autor erhältlich.