Reichweite von Plakaten

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Die Welt bis gestern: Politische Plakate: Sauteuer – aber es wirkt
12.09.2008 | 18:52 | (Die Presse)
Nur bewegte Bilder im Fernsehen sind noch eindrucksvoller. Die Affichierung ist ein Luxus – sie dient
hauptsächlich der Motivation der eigenen Funktionäre.
Österreich zählt traditionell zu den plakatreichsten Ländern Europas. Zwar geben bei Umfragen regelmäßig
nur drei Prozent der Befragten an, dass die Wahlplakate ihre Entscheidung „stark beeinflusst“ haben,
gleichzeitig aber beträgt die Reichweite der Affichen 87 Prozent. Übertroffen wird das Plakat nur noch von der
TV-Berichterstattung (89 Prozent). Das geht aus einer Untersuchung der Politikforscher Peter Ulram und Fritz
Plasser hervor.
In der Ersten Republik – aber auch noch in den Anfängen nach 1945 – hatten die Parteien die besten
Plakatzeichner beschäftigt, die wahre Horrorszenen aufs Papier brachten. Die nebenstehenden Beispiele
beweisen das recht drastisch. In den schaurigsten Farben wurde geschildert, was passierte, wenn die
gegnerische Partei ans Ruder gelangt. Noch in den Fünfzigerjahren warnte die SPÖ die Bevölkerung vor dem
„Rentenklau“ namens ÖVP. Und mit der Furcht vor gekürzten Pensionen gewann auch 1995 SPÖ-Chef
Vranitzky die Wahl gegen Wolfgang Schüssel, der den vorverlegten Urnengang provoziert hatte.
Diese Art von negativer „Campaign“ ist heute aus der Mode gekommen – allerdings nur, was die Plakatkunst
betrifft. Heute retuschiert der Computergrafiker alles Negative aus dem Antlitz des Bewerbers – oft bis zur
Unkenntlichkeit.
Und wozu dient dann heute noch das Plakat, dieses sauteure Vehikel der Wahlwerbung? Fachleute haben
zwei Erklärungen: Erstens dient die großflächige Affichierung zunächst der Aktivierungsphase: Also dem Ziel,
den Passanten zuzurufen: Wir sind da, wir sind startbereit, wir haben nicht geschlafen! Und zweitens hebt
das Plakat die Motivation der eigenen Funktionäre und Helfer. Daher verstörte heuer die ÖVP ihr Fußvolk:
„Es reicht!“, rief Parteichef Molterer, hatte also das Heft in der Hand – aber bei der ersten Plakatierungswelle
hatte die SPÖ geschickt die Nase vorn.
Bilder, Bilder, wenig Text: Die knappen Slogans dienen nicht der Informationsvermittlung, sondern der
Meinungsbildung. Sie sind ein Imageverstärker, weil sie so lange im Straßenbild präsent sind. Ein Verzicht
darauf würde in den Köpfen der Wähler dem politischen Mitbewerber den öffentlichen Raum kampflos
überlassen.
Plakate können aber noch viel mehr. Sie sind eine unschätzbare zeitgeschichtliche Quelle. Sie sind ein
kompaktes Spiegelbild der heimischen Innenpolitik, sie markieren wichtige Weggabelungen in der Geschichte
des Landes. Nicht zuletzt dokumentieren sie die prägenden Persönlichkeiten in der Politik, die ohne Plakate
längst aus unserer Erinnerung verschwunden wären.
Nur ganz starke Wahlkämpfer können auf das eigene Porträt verzichten: Kreisky gewann 1970 die
Nationalratswahl, ohne dass man ihn plakatierte. Trotzdem dominierte er aber den Wahlkampf: im TV. Zehn
Jahre nach dem ersten US-Fernseh-Wahlkampf in der Mediengeschichte (John F. Kennedy und Richard M.
Nixon) hatte die Television auch in Österreich entscheidende Bedeutung erlangt. Kreisky, der mit dem neuen
Medium besser umgehen konnte als sein Kontrahent Josef Klaus, der im Fernsehen staatsmännisch-steif und
spröde wirkte, entschied die Wahl aufgrund seines telegenen Auftretens für sich. 1971 wurde der Name
Kreisky von der SPÖ dann in Textform plakatiert, erst 1975 tauchte erstmals auch das Bild von Kreisky auf
den Wahlplakaten der Partei auf.
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07.11.2009 07:19
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