Mobile Arbeit in der CH, Management

Werbung
Prof. Dr. rer. pol. Thomas M. Schwarb
Diplompsychologe Albert Vollmer
Prof. Dr. phil. II Ruedi Niederer
TA-STUDIE
"MOBILE ARBEITSFORMEN: VERBREITUNG UND
POTENZIAL VON TELEARBEIT UND
DESKSHARING"
MANAGEMENT-SUMMARY
ZUM SCHLUSSBERICHT
DER PROJEKTGRUPPE FACHHOCHSCHULE SOLOTHURN NORDWESTSCHWEIZ
ZU HANDEN
DES SCHWEIZERISCHEN WISSENSCHAFTSRATES UND
DER KOMMISSION FÜR TECHNOLOGIE UND INNOVATION
JANUAR 2000
Management Summary
Management Summary
Einleitung
Neue Informationstechnologien und Organisationsformen revolutionieren gegenwärtig
die Arbeitswelt. Dezentrale Arbeitsformen wie Telearbeit und Desksharing nehmen
Einzug in den Arbeitsalltag und verheissen Marktvorteile. Über die Verbreitung dieser
Arbeitsformen in der Schweiz lagen bisher nur Schätzungen und regionale Erhebungen
vor.
Untersuchungsgegenstand
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind die Arbeitsformen Telearbeit und
Desksharing. Von Telearbeit sprechen wir, wenn Mitarbeitende eines Unternehmens
Tätigkeiten ausserhalb des Betriebs mit Hilfe von Computerverbindungen erledigen,
beispielsweise zu Hause oder unterwegs. Desksharing ist das Teilen eines Arbeitsplatzes
durch mehrere Mitarbeitende, weil diese teilweise ausserhalb des Betriebs arbeiten.
Methodisch wurden in dieser Arbeit zwei entscheidende Fortschritte erreicht: Es wurde
den Befragten nicht wie üblich eine Definition von Telearbeit und Desksharing
vorgegeben. Sondern sie wurden befragt, ob bei ihnen die einzelnen Elemente (z.B.
dezentrale Arbeit) vorkommen. So konnte verhindert werden, dass die Befragten nicht
nach ihren persönlichen Definitionen antworteten oder an der Befragung nicht
teilnahmen, da sie diese für ihre Verhältnisse als unzutreffend betrachteten. Ein weiterer
Fortschritt konnte dadurch gemacht werden, dass bei der Telearbeit unterschieden
wurde, ob diese Arbeitsleistung zwingend ausserhalb des Betriebs erfolgen muss oder
auch intern erfolgen könnte. Damit kann gezeigt werden, ob der Technologieeinsatz zur
Erleichterung der dezentralen Arbeit eingesetzt oder ob dank der Technologie die
dezentrale Arbeit ermöglicht wird.
Ergebnisse
Verbreitung und Potenzial
Bei rund der Hälfte aller Schweizer Betriebe, 46.6%, finden wir dezentrale Arbeit.
16.9% der Betriebe haben dezentrale Arbeitsplätze mit Computerverbindung zur
zentralen Betriebsstätte. Dabei ist zu unterscheiden, ob mit der Computertechnik
Tätigkeiten, die sowieso dezentral erbracht werden müssen, unterstützt werden oder ob
damit Arbeitsplätze dezentralisiert werden. Telearbeit in dem Sinn, dass man durch die
Möglichkeiten der modernen Informationstechnologien Arbeitsplätze dezentralisiert,
beispielsweise in Form von Teleheimarbeit, gibt es in nur 2.9% aller Schweizer Betriebe.
In 14% der Betriebe wird die Kommunikationstechnik eingesetzt, um Tätigkeiten, die
sowieso schon dezentral erbracht werden, zu unterstützen. Typisches Beispiel ist der
Streifenpolizist mit Online-Zugriff auf die Polizeidatenbank.
Folgende Abbildung zeigt die Verbreitung der Arbeitsformen in den Betrieben:
Fachhochschule Solothurn-Nordwestschweiz 1/2000
i
Schlussbericht
Abbildung: Verbreitung der Telearbeit in den Betrieben
Der Trichter zeigt, dass wir von den wirtschaftlichen Kooperationsformen (unselbständige Arbeitsverhältnisse, Aufträge, Joint Ventures etc.) nur die unselbständigen Arbeitsverhältnisse betrachten.
Da in den Betrieben mit Telearbeit nicht alle Mitarbeitenden Telearbeit praktizieren, ist
der Anteil der Telearbeitenden an den Arbeitnehmenden nochmals deutlich kleiner. Eine
Schätzung anhand dieser Daten ergibt einen Anteil von Telearbeitenden im engeren
Sinn von weniger als 1%. Diese Schätzung stimmt mit einer sekundäranalytischen
Auswertung von Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) überein.
Die Telearbeit wird sich vermutlich weiter ausbreiten, jedoch langsamer als bisher
prognostiziert wurde. Betriebe, die mit Telearbeit schon Erfahrung haben, schätzen
einen Zuwachs von ca. 25%, Betriebe ohne Telearbeitserfahrung sind zurückhaltender.
Desksharing findet sich in 26.4% der Betriebe, die dezentrale Arbeit haben. In über
einem Viertel der Betriebe werden also Arbeitsplätze von mehreren Mitarbeitenden
geteilt, weil diese teilweise ausser Haus arbeiten und den Arbeitsplatz im Betrieb in
dieser Zeit nicht beanspruchen.
Was spricht gegen Telearbeit?
Die grosse Mehrheit der Betriebe, welche keine Telearbeit haben, beantworten diese
Frage damit, dass Telearbeit nicht mit den Tätigkeiten vereinbar sei. In vielen Fällen
wurden zu hohe Einführungskosten angeführt. Deutlich wurde auch, dass in vielen
Betrieben kein Veränderungsdruck besteht und dass man bezweifelt, dass mit Telearbeit
positive Auswirkungen verbunden sind. Vergleicht man die technischen Möglichkeiten
mit diesen Aussagen, so stellen wir fest, dass die pauschale Aussage im Sinn von „das
geht nicht“ sehr undifferenziert ist. So finden heute bereits komplexe, chirurgische
Operation mit Telearbeit statt. Das heisst, Telearbeit wäre bei den in der Regel
einfacheren betrieblichen Prozesse wahrscheinlich auch einsetzbar. Analysieren wir die
ii
Fachhochschule Solothurn-Nordwestschweiz 1/2000
Management Summary
Ablehnungsgründe der Entscheidungsträger in den Unternehmen, so stellen wir fest,
dass diese Arbeitsgestaltungsmassnahmen nicht als strategische Instrumente betrachtet
werden, mit denen auf dem Absatz- oder Arbeitsmarkt eine verbesserte Position
eingenommen werden könnte. Diese Arbeitsformen werden nur eingesetzt, wenn sie
einfach umsetzbar sind und einen direkten ökonomischen Nutzen erbringen oder von
den Kunden resp. Mitarbeitenden verlangt werden. Diese Ergebnisse stützen somit die
Erkenntnisse aus anderen Untersuchungen (vgl. z.B. RISCH 1999), welche belegen, dass
die Entscheidungsträger der Unternehmen eher reaktiv als aktiv strategisch handeln.
Einführungsgründe und Erfahrungen der Betriebe
Im Rahmen dieser Studie wurden die identifizierten Betriebe mit Telearbeit und
Desksharing hinsichtlich ihrer Einführungsgründe und Erfahrungen mit Telearbeit und
Desksharing befragt. Aufgrund der unerwartet kleinen Verbreitung der Telearbeit,
konnten hier keine statistisch repräsentativen Zahlen ermittelt werden.
Telearbeit verspricht nach Angaben der Betriebsleitungen einen flexibleren und bedarfsorientierten Einsatz der Mitarbeitenden, dient der Effizienzsteigerung des Unternehmens
und trägt zur Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden an einem attraktiveren
Arbeitsplatz bei. Auch beim Desksharing stehen die Möglichkeiten, die Mitarbeitenden
flexibel einsetzen zu können, weit vorne. Hier spielen jedoch Kostenersparnisse
(hauptsächlich in Form von Raumeinsparungen) die Hauptrolle.
Die Erwartungen an die Telearbeit und an das Desksharing werden vom mittleren
Management bestätigt. Betriebe, die Telearbeit eingeführt haben, berichten von
positiven wirtschaftlichen Auswirkungen.
Bei der Führung der Mitarbeitenden entstehen durch Telearbeit neue Möglichkeiten im
Hinblick auf die Nutzung der Arbeitszeiten und die flexible Arbeits- und Zeiteinteilung.
Allerdings erfordert dies einen Mehraufwand an Organisation: Informationen müssen
formalisiert werden, da die informelle Kommunikation nur noch beschränkt stattfinden
kann.
Desksharing scheint sich positiv auf die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden und auf
organisatorische Aspekte wie die flexible Nutzung der Arbeitszeiten und die Führung
auszuwirken. Dagegen werden Planung, Koordination und Kontrolle der Mitarbeitenden
aufwendiger.
Mitarbeitende, die Telearbeit oder Desksharing praktizieren, berichten von überaus
positiven Auswirkungen auf die Arbeits- und die Lebensqualität. Sie erleben sich als
zufriedener, sehen sich herausgefordert und finden ihre Tätigkeiten interessanter. Ein
weiterer wichtiger Aspekt ist die bessere Integration von Beruf und Familie. Für sehr viele
stellen diese neuen Arbeitsformen eine Möglichkeit dar, überhaupt berufstätig sein zu
können. Einziger Nachteil scheint die Integration der Mitarbeitenden in das
Unternehmen zu sein.
Schlussbemerkungen
Telearbeit wird in den Schweizerischen Unternehmen nur sehr wenig praktiziert. Die
Möglichkeiten der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien werden
vor allem genutzt, um zwingend dezentrale Arbeit zu unterstützen. Dagegen wird
Telearbeit praktisch nicht zur Überwindung der Zeit- und Ortsgebundenheit und
Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen eingesetzt. Die wenigen Unternehmen, die
Telearbeit zur Flexibilisierung einsetzen, berichten auf allen Hierarchieebenen positiv
darüber. Es scheint, als müssten erst konkrete Erfahrungen mit diesen modernen
Arbeits- und Organisationsformen gemacht werden, damit diese ins Repertoire eines
Fachhochschule Solothurn-Nordwestschweiz 1/2000
iii
Schlussbericht
Unternehmens aufgenommen werden, um damit letztlich auch strategische Ziele zu
erreichen.
Telearbeit wird sich in der Arbeitswelt weiter verbreiten. Das führt auch zu einer
Veränderung der Arbeitsbeziehungen: Arbeitnehmende werden zu Auftragsnehmenden, und zunehmend werden Angestellte zu Selbständigen, welche dann aber
nicht mehr zu den Telearbeitenden zu zählen sind, so dass sich Telearbeit auch immer
wieder selbst abschafft.
Desksharing wird als wenig problematische Arbeitsgestaltungsmassnahme betrachtet.
Hier sind die (Kosten-)Vorteile sofort einsichtig, während die möglichen negativen
Auswirkungen sich nur indirekt auswirken. Das heisst allerdings auch, dass Desksharing
nicht dazu genutzt wird, um neue Formen flexiblerer Zusammenarbeit zu fördern.
iv
Fachhochschule Solothurn-Nordwestschweiz 1/2000
Herunterladen