e.V. zu den im Rahmen der Beratungen zur EU

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Stellungnahme des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. zu den im
Rahmen der Beratungen zur EU-Datenschutzreform aufgeworfenen Fragen betreffend
die Art. 20 und 20a DS-GVO (E) (gemeinsame schriftliche Anhörung von BMI, BMJV
und BMWE)
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. ist die Interessenvertretung für
Unternehmen der Online-Branche. Der BVDW wurde 1995 als erster Verband für die Digitale
Wirtschaft in Deutschland gegründet und vereint heute rund 650 Unternehmen unter seinem
Dach. Der BVDW arbeitet interdisziplinär und bildet als Vollverband alle Segmente der Digitalen
Wirtschaft ab. Im ständigen Dialog mit Politik, Öffentlichkeit und anderen Interessengruppen
unterstützt der BVDW die dynamische Entwicklung der Branche. Wir sind das Netz.
Die im Rahmen der gemeinsamen schriftlichen Anhörung von dem Bundesministerium des
Inneren, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgeworfenen Fragen zur Positionierung der Bundesregierung bei bestimmten Fragen der Datenschutzreform wurden am 12. Dezember an die
Verbände zur Stellungnahme versandt Der BVDW dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme
und nimmt nachfolgend schriftlich Stellung zu den das Profiling betreffenden Fragen.
Von grundsätzlicher Bedeutung für die gesamte Wertschöpfungskette digitaler
Werbung ist es, die zielgruppen- und nutzungsbasierte Planung sowie Auslieferung
von Online-Werbung in dem nach deutschem Datenschutzrecht möglichen Umfang zu
erhalten. Dies gilt in gleicher Weise für adressiertes Opt-Out Direktmarketing sowie
die anbieterübergreifende neutrale Mediadatenforschung. Die vorgenannten
Möglichkeiten sollten hinreichend deutlich durch die Erlaubnistatbestände in Art. 6
Abs. 1 DS-GVO (E) zugelassen werden und zugleich nicht durch ein Verbot von
Profiling ausgeschlossen oder durch daran anknüpfende Vorgaben faktisch unmöglich
gemacht werden. Eine noch zu realisierende rechtssichere und wettbewerbspolitisch
ausgewogene Legalerlaubnis für die Opt-out-Datenverarbeitung zu Zwecken des
adressierten Direktmarketings in Art. 6 Abs. 1f) setzt daher zwingend voraus, dass
die Vorgaben für das Profiling derart auszugestalten werden, dass diese Erlaubnis
hierdurch im Ergebnis nicht kassiert wird.
Zur Frage der vorgeschlagenen Regelungsidee zum Profiling
Das vorliegende Konzept für Profiling stellt im Vergleich zu den von EU-Kommission und
Europäischem Parlament verfolgten Ansätzen einen Rückschritt dar. Wesentlicher Kritikpunkt
ist, dass der unterschiedlichen Relevanz ganz verschiedener Datenverarbeitungsvorgänge nicht
ausreichend Rechnung getragen wird. Zudem bildet die abschließende Liste überaus restriktiver
Erlaubnistatbestände weder das Mindestmaß der heute bereits etablierten und notwendigen
Opt-Out-Datenverarbeitungsmöglichkeiten ab, noch ist die Regelung geeignet, um mit den
künftigen Entwicklungen in einer informationsbasierten Gesellschaft Schritt zu halten.
Erforderlich und von grundsätzlicher Bedeutung wäre hier ein risikobasierter Ansatz, der im
Ergebnis dazu führt, dass personenbezogene Daten „entsprechend ihrem besonderem
Gefährdungspotential“ gesichert werden. Dieser in Artikel 20 Abs. 7 durchaus vorhandene
Ansatz sollte allerdings allgemein und für alle hier relevanten Formen der Datenverarbeitung
gelten. Eine andere, m.a.W. undifferenzierte Lösung wiederspräche nicht nur den Interessen
aller Beteiligten, sondern würde im Ergebnis ein technologieoffenes und innovationsfreundliches Datenschutzrecht verhindern.
Darüber hinaus würde das vorliegende Konzept auch die europäischen Unternehmen
gegenüber
marktdominanten
Internetdiensten
aus
dem
außereuropäischen
Raum
benachteiligen. Letztere operieren im Consumer-Internet mit umfänglichen Login-Strukturen
mit der Folge, dass mit jedem Login (zwecks Nutzung, Teilnahme oder Erwerb von Produkten
oder Dienstleitungen) zugleich die erforderlichen Erlaubnisse der Verbraucher und damit unter
anderem Marketing- und Werbeumsätze generiert werden. Die vorgeschlagene ProfilingRegelung ändert hieran nichts. Die deutschen und europäischen Unternehmen mit ihren
überwiegend nicht auf Einwilligung basierenden Geschäftsmodellen würden demgegenüber
massiv benachteiligt: Obwohl sie die rechtlich erforderliche Einwilligung (aus strukturellen
Gründen) nicht im erforderlichen Maß erhalten können, würden Erlaubnisse für eine Opt-OutDatenverarbeitung massiv eingeschränkt.
An dieser Beurteilung vermag aus Sicht des BVDW auch die versuchte Eingrenzung der
Profilingdefinition nichts zu ändern. Soweit danach eine Profilbildung nun vorliegen soll, wenn
über das Zusammenführen von Einzeldaten hinaus zusätzliche Erkenntnisse über „wesentliche
Aspekte der Persönlichkeit“ gewonnen werden, die den Betroffenen in seinen Rechten
berühren, sind diese zusätzlichen Anforderungen denkbar unbestimmt und bergen die Gefahr
einer unverhältnismäßigen Auslegung zu Lasten der Unternehmen. Dass die weiteren
Voraussetzungen für eine Profilbildung praktisch keine relevante Eingrenzung auf der Ebene
des Anwendungsbereichs der Vorschrift zur Folge haben werden, beweist zugleich die
Aufnahme des Ausnahmetatbestands für die Datenverarbeitung zum Zwecke der Werbung und
der Markt- und Meinungsforschung. Hierdurch wird indiziert, dass die Datenverarbeitung zum
Zweck der adressierten bzw. zielgruppenspezifischen Kundenansprache trotz ihrer
kommunikativ und sozial adäquaten Folgen grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Art. 20
unterfallen soll.
Profilbildung selbst als Regelungsgegenstand unsachgemäß
Durch die Anknüpfung der Regelung des Art. 20 bereits an die Bildung von Profilen in
Verbindung mit der Beschränkung auf Listendaten für die Datenverarbeitung zu Werbezwecken
und zu Zwecken der Markt- und Meinungsforschung in Art. 20 Abs. 1c) erfasst die Regelung
nicht nur die Verwendung von Listendaten, sondern bereits den Prozess ihrer Erstellung. Nach
dem eindeutigen Wortlaut dürfen zum Zwecke der Listenerstellung ausschließlich die
aufgeführten Listendaten verarbeitet werden. Damit würde jedoch die für eine interessen- und
sachgerechte Kundenansprache unverzichtbare Bildung von relevanten Datenlisten für die
Bestands- und Neukundenwerbung faktisch unmöglich gemacht. Naturgemäß werden im
Vorfeld der Erstellung einer Liste mehr Daten verarbeitet als die, die in der Liste enthalten sind.
Dies ist u.a. erforderlich, um das eine Gruppe kennzeichnende Listenmerkmal und damit die
relevante Zielgruppe zu definieren.
Für die Ermittlung der Zugehörigkeit eines Betroffenen zu einer durch ein gemeinsames
Merkmal charakterisierten Personengruppe ist es aber regelmäßig nicht ausreichend, die
aufgeführten Listendaten zu verarbeiten. Sie erfordert häufig die Verarbeitung weiterer, für das
Merkmal relevanter Daten, die auf das Vorliegen des fraglichen Kriteriums beim Betroffenen
schließen lassen.
Ebenso wenig einleuchtend ist die Begrenzung im Hinblick auf die Verarbeitung von Daten zu
Zwecken der Markt- und Meinungsforschung, denn auch diese kann nicht mehr sinnvoll
betrieben werden, wenn der Forschungsgegenstand, d.h. der zu untersuchende Datenbestand,
von vorne herein festgelegt bzw. reduziert ist.
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Darüber hinaus führt die in Art. 20 Abs. 1c) vorgesehene pauschale Beschränkung der
Datenverarbeitung auf Listendaten in Zusammenhang mit einer Profilbildung im Ergebnis dazu,
dass ein Hinzuspeichern von weiteren Daten in diesem Prozess unmöglich wird. Dies
widerspricht allerdings § 28 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, S. 3 BDSG, der ebendies gegenüber
Bestandskunden im B2B- und B2C-Bereich ermöglicht. Ohne die Einräumung der Möglichkeit
der Hinzuspeicherung von weiteren Daten jedenfalls für die Bestandskundenwerbung wäre eine
relevante, kundenorientierte Ansprache zu Werbezwecken nicht mehr möglich. Hierbei gilt,
dass die werbliche Ansprache umso gezielter erfolgen muss, je spezieller oder neuartiger das
beworbene Produkt ist. Da die Verbraucher Werbung selektiv hinsichtlich ihrer eigenen
Interessen wahrnehmen, ist eine passgenaue, effiziente Adressierung essentiell. Die Relevanz
der werblichen Botschaft und damit auch die Akzeptanz der Konsumenten gegenüber Werbung
steigen durch eine zielgruppengerechte Ansprache. Die Möglichkeit der Hinzuspeicherung von
weiteren Daten für eine verbesserte Interessenabbildung ist daher unverzichtbar für eine
sachgerechte werbliche Kundenansprache. Die vorgelegte Regelung würde dies allerdings
verhindern.
Schließlich wirft die vorgeschlagene Regelung auch erhebliche Zweifel daran auf, ob eine
Neukundenwerbung durch die Verarbeitung von öffentlich zugänglichen personenbezogenen
Daten weiter erlaubt wäre. Während nach bestehender Rechtslage die Verarbeitung von
allgemein zugänglichen personenbezogenen Daten auch zu Zwecken des Direktmarketings auf
Opt-out-Basis möglich ist, erscheint dies angesichts der neuen Systematik des
Regelungsvorschlags nicht mehr gesichert. Hier ist zu berücksichtigen, dass es neben dem
Ausnahmetatbestand für die Werbung in Art. 20 Abs. 1c) eine gesonderte Regelung für die
Verarbeitung öffentlich zugänglicher Daten in Art. 20 Abs. 1f) geben soll. Sofern Art. 20 Abs.
1c) als abschließend für die Datenverarbeitung zu Werbezwecken in Zusammenhang mit so
genannter Profilbildung zu verstehen ist – wofür der Wortlaut und die Systematik klar sprechen
– wäre eine Verarbeitung von öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten für Zwecke
des Opt-out-Direktmarketings nicht mehr möglich.
Unangemessene Beschränkung der Nutzung von personenbezogenen Daten für
Zwecke der Werbung für fremde Angebote auf Listendaten
Die Datenverarbeitung zum Zwecke der so genannten Fremd- und Beipackwerbung – ebenfalls
unverzichtbare Instrumente zur Neukundengewinnung, größtenteils im Wege des Lettershopverfahrens betrieben – kann nach geltender Rechtslage dem Wortlaut nach unabhängig von
den Listendaten durchgeführt werden (§ 28 Abs. 3 S. 5 BDSG). Demgegenüber beschränkt der
Formulierungsvorschlag zum Profiling die Selektion auch für diese Form der Datenverarbeitung
undifferenziert auf die dort aufgeführten Listendaten. Diese zusätzliche Beschneidung der
Möglichkeiten der Neukundenwerbung stellt sich aus Sicht des BVDW als unverhältnismäßig
dar. Die pauschale Beschränkung auf die Verwendung von Listendaten lässt unberücksichtigt,
dass der Werbungtreibende bei der Form der Datenverarbeitung die Daten zunächst nicht
erhält. Er erfährt nur dann vom Betroffenen, wenn dieser auf die Werbung reagiert.
Keine Berücksichtigung der geschäftsmäßigen Datenverarbeitung (§ 29 BDSG)
Die Tätigkeiten geschäftsmäßiger Anbieter (Listbroker, Adresshandel, Auskunfteien), also
Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten zum Zweck der Übermittlung
werblichen Nutzung durch Dritte (Werbungtreibende) sind bislang zulässig unter Wahrung
schützenswerten Interessen der betroffenen Person und nur insoweit, wie der Empfänger
personenbezogene Daten diese legal weiterverwenden darf (§ 29 BDSG).
die
zur
der
der
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Zum Erhalt der vorhandenen Möglichkeiten des adressierten Direktmarketings auf Widerspruchsbasis gehört zwingend auch die Möglichkeit der Einschaltung von spezialisierten Dienstleistern, wie es der heute geltenden Rechtslage entspricht. Der Regelungstatbestand für die
geschäftsmäßigen Datenverarbeitung ist in Zusammenhang mit den Formulierungs-vorschlägen
zu Art. 20, Art. 20a jedoch nicht abgebildet. Die seit langem ausgeübten und nach § 29 BDSG
zulässigen Tätigkeiten der betroffenen Unternehmen würden damit faktisch kassiert.
Berlin, den 5. Januar 2015
Ansprechpartner
Dr. Joachim Jobi
Leiter Medien- und Netzpolitik
Tel.: +49 30 437 484 62
Fax: +49 30 437 468 94
[email protected]
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