III.BUCH PYRAMIDEN 5. Die RAUMWINKELSUMME 1 Die Raumwinkelsumme einer Dreieckspyramide ist nicht π Der Raumwinkel ist die natürliche Verallgemeinerung eines zweidimensionalen Winkels auf höhere Dimensionen. Während in der Ebene ein ausgehenden Winkel durch Strahlen zwei oder von einem Halbgeraden Punkt (dem eingegrenzt ist, Scheitel) wird im Dreidimensionalen ein Raumwinkel (sphärischer- oder Festkörperwinkel) durch drei sich in einem Punkt schneidenden Halbebenen bzw. durch den rotationsymmterischen Kegelöffnungswinkel definiert. Hat man im Zweidimensionalen die aus dem Einheitskreis ausgeschnittene Bogenlänge als Winkelmaß verwendet1, ist nun analog das von der Einheitskugel ausgeschnittene Kugelsegment ein Maß für den sphärischen Raumwinkel. Allerdings gibt es nun eine unendliche Vielfalt an räumlichen Winkeln derselben Größe, da es ja ebenso viele Möglichkeiten gibt, gleichgroße Flächen auf der Einheitskugel zu erzeugen. Darunter ist im symmetrischsten aller Fälle ein rotationssymmetrischer, kegelförmiger Winkel, dessen Schnitte mit der Einheitskugel eine Kreisfläche bildet. Ist beispielsweise der Öffnungswinkel φ eines Kegels 120° (Drehwinkel 60°), dann ist der Raumwinkel gerade π: Ω = 4π sin² (¼φ). War die Einheit zuvor Radiant (rad), so nennt man sie nun Steradiant (sr2). Schlossen zuvor die Koordinatenachsen einen Winkel von ½π ein, nämlich den vierten Teil des Umfangs 2π des Vollkreises mit Radius 1, so schließen nun die die Koordinatenebenen wiederum einen Winkel von ½π 1 Beim sog. Bogenmaß gegenüber dem willkürlich in 360 Teile eingeteilten Gradmaß. Insbesondere die Astronomie benützt als Raumwinkelmaßeinheiten sog. Quadratgrade (bzw. Gradminutenquadrate und Gradsekundenquadrate), wobei ein Quadratgrad = (π/180°)² ≈ 0,0003046 sr entspricht. Die Himmelskugel hat dann etwa 41 252,96 Quadratgrade -> http://home.att.net/~numericana/answer/angles.htm/solid http://mathworld.wolfram.com/Steradian.html 2 Von griechischen Stereo [man denke an Raum(klang)] und Radiand, abgekürzt sr. Der volle Raumwinkel 4π entspricht somit etwa 12,75 sr. www.Udo-Rehle.de 2 25.03.2014 ein: Der Oktand ist nun der achte Teil der Oberfläche 4π der Kugel mit dem Einheits-Radius. „Rechte Winkel“ haben also im Dreidimensionalen weiterhin die Größe ½π.3 Abb. 1: Raumwinkel Ω = sphärische Fläche = ∫φ∫θ sin θ dθ dφ bzw. die durch r² geteilte Fläche4 Oberen Abbildung mittig und rechts: Der über einer der 4 Dreiecksseiten liegende und vom Zentrum der regelmäßigen Dreieckspyramide aus betrachtete Raumwinkel ist genau 4 π:4=π. Der Winkel „über einer Quadratseite“ ist5 4π/6 = ⅔π 3 Dass dies aber nicht für alle Dimensionen gilt, zeigt schon das Vierdimensionale: Vierdimensionale rechte Winkel (von vier Halbräumen begrenzt bzw. von den vier senkrecht aufeinander stehenden Koordinatenräumen aufgespannt, die nun den gesamten Raum in 16 gleichgroße Teile zerlegen) sind nun ⅛π² groß! 4 Zur Raumwinkelberechnung über A/r² kann man die Integralrechnung zur Berechnung des Kugeloberflächeteils A verwenden, wobei man dann noch auf die Einheitskugel „normieren“ muss http://www.math.cornell.edu/~hatcher/Other/hopf-samelson.pdf. Für nähere Einzelheiten siehe >>Sphärische Trigonometrie<< oder suche in einer Suchmaschine z.B. nach „steradian angles“ oder „solid angles“. 5 Detaillierter bei - http://mathworld.wolfram.com/SolidAngle.html www.Udo-Rehle.de 3 25.03.2014 Zur genauen Berechnung von Raumwinkeln muss man also integrieren. In Kugelkoordinaten (mit x = r sin θ cos φ, y = r sin θ sin φ , z = r cos θ) ist dabei über zwei Winkel zu integrieren, wobei eben noch der Sinus des einen Winkels dazu kommt. Abb. 2: Raumwinkel des regelmäßigen Tetraeders Wäre die Raumwinkelsumme auch π wie die Summe der 3 ebnen Winkel des Dreiecks -, dann müsste die schraffierte Fläche die Hälfte der Achtelsphäre (=½π), nämlich ¼π sein! (schraffierte Fläche wäre gleich der gelben Oktandenrestfläche) - www.Udo-Rehle.de 4 25.03.2014 Wenn es sich bei dem „Kugelsegment“ um ein Kugeldreieck handelt (= Eingrenzung durch drei Großkreise), dann ist das Maß des Raumwinkels gerade der sog. sphärische Exzess ε (= die Abweichung der Winkelsumme vom euklidischen Wert Pi; die Winkelsumme ist ja auf der Kugel stets größer als Pi), da wir uns auf der Einheitssphäre befinden. Die Fläche des Dreiecks A = ε R ist direkt proportional zur Abweichung von der Euklidizität, d.h. durch den sog. sphärischen Exzess ε6 bestimmt. Wegen R =1 ist der Raumwinkel also ε (sonst mit Ω bezeichnet). Raumwinkel ε = α+β+γ – π. Eine andere Möglichkeit bietet die Formel von L´Huilier7 tan (¼ε) = √[(tan{¼(α+β+γ)} tan{¼(-α+β+γ)} tan{¼(α-β+γ)} tan{¼(α+β-γ)}] Im Falle des regelmäßigen Tetraeders sind α=β=γ=60°, sprich ⅓π. Damit wird tan ¼π = 1 mal tan³ 1/12 π etwa 0.02 und ein TetraederRaumwinkel ε ≈ 0,55, also deutlich kleiner als ¼π ≈ 0,785. Tatsächlich ist er 3 cos-1 ⅓ 6 7 8 - π ≈ 0.551298. Die Raumwinkelsumme ist etwa 2,205. ε (sprich Epsilon) ist griechischer Buchstabe für e http://mathworld.wolfram.com/SphericalTrigonometry.html - I Buch letztes Kapitel 21 >>STELL DIR VOR, DIE WEHRLE-FORMEL IST FALSCH<< http://mathworld.wolfram.com/Tetrahedron.html www.Udo-Rehle.de 5 25.03.2014 Berechnen wir den Raumwinkel der regelmäßigen Dreieckspyramide näherungsweise durch die Berechnung des gleichseitigen Kugeldreiecks auf der Einheitskugeloberfläche (in der vorigen Abbildung schraffiert; die Würfelkantenlänge ist übrigens a=1/√3 und das Volumen des TETRAEDERS ist ein Drittel des Würfelvolumens): Kugeldreiecksfläche ist etwa ½ Grundlinienbogen mal Höhenbogen. Kugeldreieck-Grundseite ist 2π:6= ⅓π ≈ 1.047 ε = A ≈ ½ (2π/6) Höhenbogen Das Kugeldreieck kann durch ein ebenes Sehnendreieck angenähert werden: Der Bogen ist das Doppelte des zum Sinus gehörenden halben Winkels im Bogenmaß: a=2sin-1 Π:6 = 1.102 (Sehnendreieck von Bogendreieck der Bogenlänge ⅓π) Da die Höhe des zugehörigen regelmäßigen Dreiecks des ebenen Dreiecks ½a√3 ist, ist also der Bogen zu ½√3 x 1.102 auszurechnen: ½a√3= 0.954 ist die geradlinige Höhe des ebenen Dreiecks womit 2sin-1 0,4975 = 0.995 wird also ½x0.995x1.047 ≈ 0.5209 also für einen Tetraederraumwinkel ε ≈ 0,52 (zum Vergleich ¼π ≈ 0,785) ergäbe. Somit wäre die Winkelsumme der vier Raumwinkel9 mit etwa 2.08 etwas über zwei statt der erwarteten 3,1416 9 Schon der Universalgelehrte Abbé Jean-Paul de Gua de Malves (1712-1786) stellte Sätze zur Summe der 4 Raumwinkel auf! Didaktik der Mathematik, 11. Jahrgang 1983 von R Fritsch – 1983 Egger u.a.: Zum Winkelsummensatz für Tetraeder: http://epub.ub.uni-muenchen.de/4533/1/4533.pdf www.Udo-Rehle.de 6 25.03.2014 Mit der Formel de L´Huilier ist die RW-Summe etwa 2,2 und jedenfalls deutlich kleiner als π! Vorbei wohl also der Traum von einer konstanten Winkelsumme aller Raumwinkel eines Polyeders! Der regelmäßige Oktaeder ist in zwei quadratische Pyramiden zerlegbar oder in acht sich im Zentrum berührender rechtwinklig-gleichschenkliger Eulertetraeder) und hätte demgemäß die Winkelsumme 8π – 4π = 4π, dieselbe Winkelsumme wie beim Quader. Jeder einzelne seiner sechs gleichgroßen Raumwinkel wäre daher ⅔π (Wenn man als seine Raumdiagonalenlänge zwei (und somit R=1) wählt, erhält man gerade die Einheitskugel als Umkugel. Er teilte diese in acht gleiche symmetrischrechtwinklige Pyramiden mit den Winkeln ½π und den vermuteten wobei viermal 1/6π 1/6π; eben ⅔π ergäbe). Der Oktaederwinkel lässt sich halbieren zu einem der drei gleichen Raumwinkel eines Eulerschen mit drei gleichen Katheten: Der (nicht-rechte) Winkel des gleichschenkligen Euler-Tetraeders hat die ebenen Begrenzungswinkel α=β=45° = ¼π und γ = 60°= ⅓π Damit wird tan ¼Winkelsumme zum tan 5/24 π ≈ 0,767 und die Tangenswerte des Viertels der Differenzen sind zweimal tan 1/12 π ≈ 0,268 und einmal tan 1/24 π ≈ 0,132, was einen Raumwinkel von etwa 0,33 ergibt, während π/6 ≈ 0,52 ist! Einer der drei gleichen Raumwinkel ist also eher 1/10 Pi. Damit wäre die Raumwinkelsumme dieses am zweit-regelmäßigsten Tetraeders etwa 3 mal 0,33 + ½π ≈ 2,56, was auch deutlich kleiner als Pi ≈3.1416 Ein Oktaederraumwinkel ist der Raumspitzenwinkel einer quadratischen Pyramide der Seitenlänge a mit der Höhe h= a: √2, für die folgende Formel gilt:10 ε = 4 sin-1 a²/(a²+4h²) 10 http://planetmath.org/encyclopedia/FullSolidAngle.htm www.Udo-Rehle.de 7 25.03.2014 ε = 4 sin-1 1/3 etwa 1,36 (vier mal 0.33) Die Raum-Winkelsumme beim Oktaeder wäre das Sechsfache und somit etwa 8,154. also etwa nur das 2,6-fache von Pi ist ( 12,57 wäre genau 4Pi ) Für den inneren Raumwinkel eines Tetraeders, der von den Kanten OA=a, OB=b und OC=c begrenzt wird, folgt die Formel von A. van Oosterom und J. Strackee11 (1983): tan (½ε) = |Det a b c| / [ abc + ab c + ac b + bc a] a, b und c sind Ortsvektor zum Punkt A, B und C, wobei der zu berechnende Raumwinkel im Ursprung beginnt. Fett geschriebene Buchstaben sind dabei Vektoren, beispielsweise ist ab c das Skalarprodukt der Vektoren a und b multipliziert mit der Länge des Vektors c (c ist nicht fett). Wenden wir das auf das Beispiel des regelmäßigen Tetraeders an, den wir aus jeder zweiten Koordinaten ( Ecke des Einheitswürfels bilden. Dessen Eck- Abb. 2) sind neben dem Ursprung (1, 1, 0), (1, 0 ,1) und (0, 1, 1). Alle Kanten sind Flächenquadrat-Diagonalen der Länge a = b = c =√2. Die Determinante ist 1 Det 1 0 0 1 1 1 0 =2 1 Denn nach Sarrus ist (Summe und Differenz der Diagonalprodukte) 11 http://planetmath.org/encyclopedia/FullSolidAngle.htm http://en.wikipedia.org/wiki/Solid_angle www.Udo-Rehle.de 8 25.03.2014 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 = 1+ 0 +1 -0-0-0 0 1 Oder mit der Entwicklung nach Unterdeterminanten 1 0 Det 1 1 mal 1 - 1 Det 0 0 1 mal 0 + 1 1 Det 0 1 mal 1 = 1+1 =2 Das Skalarprodukt zweier Vektoren ist jeweils 1; z.B. 1 0 1 mal 1 = 1x0+1x1+0x1 = 0 1 1 Somit wird |Det a b c| / [ abc + ab c + ac b + bc a] = 2 / (√2³ + √2 + √2 + √2) = √2 /5 Damit ist die Hälfte des-Raumwinkles eines reg. Teraeder ½ε = tan-1(√2 /5)≈0,272564 und ein Winkel also ≈ 0,5512856 was eine Raumwinkelsumme von 2,205142394 ergibt, im Vergleich zu π= 3,141592654 Ist die Winkelsumme bei „spitzwinkligen“ Dreieckspyramiden immer kleiner als Pi, und dabei umso größer, je unregelmäßiger der Tetraeder ist? Bei stumpfwinkligen wird sie schnell größer als Pi aber kleiner als der Halbraumwinkel 2 Pi. Jedenfalls ist in einem Tetraeder die Summe der Raumwinkel ∑Rα nicht konstant und kleiner als 2 Pi: ∑Rα < 2π Ich behauptete zuvor, dass die Raumwinkelsumme genauso wie die Winkelsumme beim ebenen Dreieck Pi sei. Beim Dreieck ist das eine www.Udo-Rehle.de 9 25.03.2014 direkte Folge des Parallelenpostulats und ganz einfach zu beweisen. Wenn man durch eine Ecke eine Parallele zur Gegenseite zieht. Aber die Euklidische ist eben nicht die Realität, und ebenso wie die Raumwinkelsumme ist auch die Dreieckswinkelsumme in der Realität nicht konstant, sondern, wie ich behaupte, immer größer als Pi (elliptische Geometrie). Winkel und Seiten sind nämlich Dualitäten und jede Seite ist nur das Bogenmaß eines Winkels (wenn man durch den entsprechenden Kugelradius teilt - I,21 STELL DIR VOR, DIE WEHRLE-FORMEL IST FALSCH). Nun eine weitergehende Betrachtung, die mit den Kantenwinkeln12 zusammenhängt. Die Dreiecksflächen bilden einen jeweils einen Winkel, den man Kantenwinkel13 („der Winkel zwischen den Normalen der sich schneidenden Ebenen“) nennt. Vo denen gibt es in einem Tetraeder sechs, wobei der 6. durch 5 Kantenwinkel eindeutig bestimmt ist. Aber was ist die Kantenwinkelsumme K? Sie liegt zwischen 2π und 3π. 2π < K < 3π 12 Manche nennen diese auch Flächenwinkel. Auch die totale Winkeldefektsumme Descartes T ist 4π, nämlich 2π mal der Eulerzahl Ecken-Kanten+Flächen. Wird bei der Berechnung der relativen Winkel jeder Raumwinkel durch 4π, jeder Flächenwinkel oder Kantenwinkel durch 2π geteilt, spricht man von den relativen Raumwinkeln r, den relativen Flächenwinkeln f und den relativen Kantenwinkeln k Σr – Σf + Σk = 1 Dieser Ausdruck erinnert an die Eulerformel, was kein Zufall ist: T = 2π(Ecken-Kanten+Flächen) EIDGENÖSSISCHE TECHNISCHE HOCHSCHULE ZÜRICH ETH Zwei Fallstudien zur Geometrie von H~R.SChneebeli --- www.educ.ethz.ch/unt/um/mathe/gb/Geometrie.pdf http://mathworld.wolfram.com/AngularDefect.html http://mathworld.wolfram.com/DescartesTotalAngularDefect.html http://mathworld.wolfram.com/SphericalDefect.html und http://www.geom.uiuc.edu/docs/doyle/mpls/handouts/node19.html#SECTION000190000000000000000 13 Lazare Carnot (1753-1823) hat wohl auch als erster 1806 diverse Determinantenbedingungen für die Kantenwinkel eines Tetraeders aufgestellt. www.Udo-Rehle.de 10 25.03.2014 Ferner besteht ein Tetraeder ja aus vier Dreiecken mit jeweils der Winkelsumme Pi. Somit ist die Summe der Ebenenwinkel E also 4π. E = 4π (ebenso wie die Defektsumme T =4 π) In einem Tetraeder ist die Summe der 4 Raumwinkel und der 12 ebenen Winkel gleich der doppelten Summe der 6 Kantenwinkel: R+E = 2K. www.Udo-Rehle.de 11 25.03.2014