Konzept zum - DIAKO Nordfriesland

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Das Konzept entstand in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in Teilen des Konzeptes nur die neutrale männliche Form genannt. Es sind jedoch immer beide Geschlechter gemeint.
Verantwortlich für den Inhalt:
Dr. med. Christoph Mai, Chefarzt und Geschäftsführer
Dr. phil. Rainer Petersen, Leiter der Fachklinik für Rehabilitation
Ralf Tönnies, Therapeutische Leitung
Dr. Güde Nickelsen, Oberärztin
Dr. rer. nat. Anke Bauer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Stand:
20.02.2017, nächste Revision: 2020
Kontakt und weitere Informationen:
DIAKO Nordfriesland gGmbH
Fachklinik für Rehabilitation
Gammeltoft 8-15, 25821 Breklum, OT Riddorf
Telefon:
04671 408 0
Email:
[email protected]
Internet:
www.diako-nf.de
Wir sind zertifiziert nach DIN EN 9001:2008
(dies gilt für die Standorte Breklum, Bredstedt, Schleswig (Suchthilfezentrum) und Kiel (Suchthilfezentrum)
Neu:
Die Fachkliniken Nordfriesland heißen jetzt DIAKO Nordfriesland
www.fklnf.de wird zu www.diako-nf.de
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Therapeutisches Konzept für die Rehabilitation und Teilhabe von
Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen
der Fachklinik für Rehabilitation - stationäre Rehabilitation
DIAKO Nordfriesland gGmbH
Inhaltsverzeichnis
1. Wir stellen uns vor ............................................................................................................. 4
2. Die Fachklinik für Rehabilitation......................................................................................... 5
3. Unser Krankheitsmodell .................................................................................................... 5
4. Schwerpunkte.................................................................................................................... 7
5. Theoretischer und wissenschaftlicher Hintergrund der Störungsbilder ............................... 7
5.1 Übersicht der psychosomatischen Störungen .............................................................. 7
5.2 Depressive Störungen (F30-39) ..................................................................................10
5.3 Angststörungen (F40-F41) ..........................................................................................11
5.4 Zwangsstörungen (F42) ..............................................................................................11
5.5 Traumafolgestörungen und Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) ..................12
5.5.1 Exkurs: EMDR als dynamisch-behaviorale Psychotherapiemethode ....................13
5.6 Somatoforme Störungen (F45)....................................................................................14
5.7 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus (F60.31)................15
5.8 Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge Eating) (F50) .....................16
5.9 Psychosomatische Störungen und Pathologisches Glücksspiel (F63.0) ......................17
5.10 Psychosomatische Störungen und der pathologische Gebrauch von Internet und
Computer (Medienabhängigkeit) .......................................................................................20
5.11 Psychosomatische Störungen und umweltmedizinische Erkrankungen ....................22
5.12 Zusammenfassende Beschreibung der therapeutischen Verfahren ..........................30
6. Ziele der Rehabilitation .....................................................................................................32
6.2 Therapieziele bei Rehabilitanden mit pathologischem Gebrauch von Glücksspiel,
Internet und/oder Computer ..............................................................................................35
6.3 Therapieziele bei Rehabilitanden mit umweltmedizinischen Störungen .......................36
7. Dauer der Therapie ..........................................................................................................40
8. Aufnahme, Diagnostik und Ablauf der Therapie................................................................40
9. Behandlungsteam ............................................................................................................40
10. Ausstattung ....................................................................................................................40
11. Qualitätssicherungsmaßnahmen und Dokumentation.....................................................41
12. Vor- und Nachsorge: Vernetzt behandeln - Therapieerfolg sichern.................................41
13. Referenzen .....................................................................................................................43
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1. Wir stellen uns vor
Die DIAKO Nordfriesland gGmbH ist eine konfessionelle Einrichtung für die Behandlung von
Menschen mit Krankheiten, Störungen und Beeinträchtigungen aus den Bereichen der

Allgemeinpsychiatrie

Abhängigkeitserkrankungen

Psychosomatik und Psychotherapie
Unser Angebot umfasst

Therapie und Behandlung in Fachkliniken, Tageskliniken und Ambulanzen

Rehabilitation und Wiedereingliederung

Unterbringungsmöglichkeiten
in
Wohnprojekten,
Übergangseinrichtung
sowie
Betreutem Wohnen

Arbeitsprojekte, Tagesstätten und Beschäftigungsmöglichkeiten

umfassende Aktivitäten auf dem Gebiet der Beratung, Prävention, Information von
Angehörigen sowie Gruppenveranstaltungen runden unser Angebot ab.
Unsere innere Vernetzung erlaubt umfassende und individuell abgestimmte Angebote. Unsere Partner sind niedergelassene Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser der Umgebung,
Beratungsstellen, soziale und kirchliche Einrichtungen, Nachsorgeeinrichtungen, der öffentliche Gesundheitsdienst, die betriebliche Sozial- und Gesundheitsberatung sowie Vereine und
Verbände. Wir sind als mittelständisches Unternehmen mit fast 500 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern tätig als Dienstleister im Gesundheitswesen in Schleswig-Holstein mit vielfältigem und innovativem Angebot an mehreren Standorten. Wir sind in kirchlicher Trägerschaft.
Unsere Gesellschafter sind die Evangelisch-Lutherische Diakonissenanstalt zu Flensburg,
der Verein Fachkrankenhaus Nordfriesland e.V., das Zentrum für Mission und Ökumene, der
Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Nordfriesland und der Verein Brücke e.V.
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2. Die Fachklinik für Rehabilitation
Die Rehabilitationsbehandlung soll die Teilhabe der betroffenen Menschen am Arbeitsleben
und am gesellschaftlichen Leben verbessern und unterstützen. Eine Besonderheit unserer
Einrichtung ist die fachübergreifende rehabilitative Behandlung von gemischten Erkrankungsbildern. Neben stationären und ambulanten Angeboten gehört die Adaption in Husum
zur Fachklinik für Rehabilitation.
Wir bieten die Rehabilitation an von Menschen mit

Abhängigkeitserkrankungen

psychosomatischen Erkrankungen

umweltmedizinischen Erkrankungen mit psychosomatischer Komorbidität

pathologischem Glücksspiel oder pathologischem PC-, Internet-, Mediengebrauch mit
psychosomatischer Komorbidität
Die psychosomatische Rehabilitation ist in modernen, freundlichen Gebäuden in Breklum untergebracht. Für die Patienten stehen Einbettzimmer mit Nasszelle zur Verfügung. Großzügige und helle Zimmer und Therapieräume in freundlichen Farben unterstützen hier den Erfolg
der Rehabilitation.
Das großzügige Multifunktionsgebäude enthält eine Sporthalle, die medizinische Trainingstherapie mit zahlreichen Fitnessgeräten sowie Räume für Physiotherapie, Entspannungstherapie, Ergotherapie und Musiktherapie. Im Außenbereich gibt es umfangreiche Freizeit- und
Grünanlagen sowie Spazierwege. Weiterhin gibt es eine Lehrküche und einen Kiosk mit Cafeteria.
Für die rehabilitative Behandlung ist die Kostenzusage eines Sozialleistungsträgers, wie z. B.
Renten- oder Krankenversicherung notwendig. Wir nehmen Rehabilitanden überregional auf.
Die Fachklinik leistet seit 1986 medizinische Rehabilitation von Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen.
3. Unser Krankheitsmodell
Psychosomatische Störungen sind ein hochkomplexes multifaktorielles Geschehen im seelischen, körperlichen und sozialen Bereich, das sich auf alle Belange der Lebensgestaltung
auswirkt (BAR 2016, AWMF Leitlinien 2010 -2015). Zur Rehabilitation von Menschen mit
psychosomatischen Störungen liegt unserem therapeutischen Konzept daher ein bio-psychosoziales Modell der Erkrankungen zugrunde, denn Risikofaktoren für die Entwicklung von
psychosomatischen Störungen sind aus den Bereichen der Neurobiologie und Genetik
(Bio-), der psychischen Belastung mit Stressoren (Psycho-) und aus der sozialen Entwick5
lung bzw. dem sozialen Umfeld der Betroffenen bekannt (Sozial-) (BAR 2016, Förstl et al
2006, Friboes et al. 2005, Herpertz 2011, Villanueva 2013).
Psychosomatische Störungen treten häufig komorbid mit anderen Erkrankungen auf, die
ebenfalls in der Therapie berücksichtigt werden müssen, wie bspw. Abhängigkeitserkrankungen oder Traumafolgestörungen (Brieger 2011, Wittchen 2003). Aus diesem Grund ist
unser therapeutisches Angebot multimodal und umfasst verhaltensorientierte und psychodynamische Verfahren sowie psychoedukative, sozialtherapeutische, allgemeinmedizinische,
internistische und psychiatrische Maßnahmen neben weiteren reha- oder indikationsspezifischen Angeboten. Im Einzelnen umfasst das Angebot Einzel- und Gruppentherapien, Information und Prävention, Rückfallprophylaxe, Sozialarbeit, Arbeitstherapie, Familientherapie,
Ergotherapie, Angehörigenarbeit sowie die Vermittlung geeigneter Nachsorge und die Förderung der beruflichen Integration (BAR 2016, AWMF Leitlinien 2010-2015). Beispielhaft seien
hier traumaspezifische Behandlungsverfahren wie z.B. EMDR und indikationsbezogene
Gruppen bei Essstörungen genannt.
Bio-Psycho-Soziales Modell
Gesundheitsproblem
Gesundheitsstörung oder Krankheit
Körperfunktionen
und -strukturen
Umweltfaktoren
Aktivitäten
Teilhabe
Personenbezogene Faktoren
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4. Schwerpunkte
Die spezifischen medizinischen Indikationen für eine Rehabilitationsmaßnahme sind:

Depressive Störungen

Angststörungen

Traumafolgestörungen

Essstörungen (Anorexie, Bulimie, Binge Eating Disorder)

Zwangsstörungen

Persönlichkeitsstörungen

psychosomatische Störungen

Wahrnehmungsstörungen

umweltmedizinischen Erkrankungen mit psychosomatischer Komorbidität

pathologisches Glücksspiel oder pathologischer PC-, Internet-, Mediengebrauch mit
psychosomatischer Komorbidität

sowie bei psychosomatischer Komorbidität: Substanzgebundene Abhängigkeit
5. Theoretischer und wissenschaftlicher Hintergrund der Störungsbilder
5.1 Übersicht der psychosomatischen Störungen
Etwa ein Viertel der Bevölkerung leidet im Laufe des Lebens an einer psychischen Störung
unterschiedlichen Schweregrades und unterschiedlicher Dauer. Psychische Störungen gehören damit zu den häufigsten Erkrankungen unserer Zeit. Sie gehören auch zu den Störungen, die die Betroffenen in ihrer Lebensqualität sehr einschränken. Viele Menschen mit
chronisch verlaufenden psychischen Erkrankungen benötigen längerfristig eine Therapie je
nach den individuellen Erfordernissen.
Bei Menschen mit psychosomatischen Primärstörungen entstehen oft Abhängigkeitserkrankungen, welche die Behandlung erschweren. Dies erfordert spezifische Behandlungs- und
Therapieangebote. Diese können an der Fachklinik für Rehabilitation aufgrund der engen
Zusammenarbeit zwischen der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen und der Abteilung
für Psychosomatik im besonderen Maße berücksichtigt werden.
Wenn nicht anders angegeben, wurden als Basis für die Ausarbeitung die Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften verwendet. Die jeweils aktuellen Leitlinien finden Sie unter
„Referenzen“ sowie im Internet unter www.leitlinien.net (Störungsspezifische AWMFLeitlinien 2010-2015).
7
Zu vielen Diagnosen gibt es hier auch spezielle Informationen, die leicht verständlich für Patienten und Angehörige aufbereitet sind. Eine Zusammenfassung von Prävalenzen, Komorbidität sowie wissenschaftlich basierte Empfehlungsgrade von therapeutischen Interventionen geben Tabelle 1 und 2 (siehe unten). Anschließend erfolgt eine kurze Beschreibung der
Ausprägung und Epidemiologie der Störungsbilder.
Tabelle 1: Prävalenzen, Therapiemodule und evidenzbasierte Empfehlungsgrade des Einsatzes bei psychosomatischen Störungsbildern (Evidenzbasierung gilt bei mittelschweren
oder schweren Ausprägungen, hier störungsspezifisch)(siehe Referenzen: Störungsspezifische AWMF-Leitlinien 2010-2015).
A= Starke Empfehlung / Soll,
B= Empfehlung / Sollte,
KKP= Klinischer Konsenspunkt = "Gute klinische Praxis",
0= Kann / Empfehlung offen,
k.A.: keine Angabe
Therapie:
Depressive Störungen
Angststörungen
Zwangsstörungen
Essstörungen
12- Monats-Prävalenz in
der deutschen Bevölkerung
10,7 %
15,3 %
0,7 %
bis 3,8 %
1,5%
Prävalenz der Komorbidität
mit >=1 weiteren psychischen Störung
60 %
58 bis 93 %
38 bis 76 %
50-75%
A
A
s. KVT
B
Psychotherapie (PT)
Traumafolgestörungen
BorderlinePersönl.k.
Störung
1,3-3,4%:
1-3%
1- MonatsPrävalenz,
altersabhängig!
80-88%
40-70%
A
A
- gilt für
siehe KVT
traumaspez.
Verfahren:
v.a. EMDR
und KVT
Pharmakotherapie
(substanzabhängige
Empfehlungen: s. Leitlinien)
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
A
A
A
A
A
0-B
B
B
- nur in Kom-
- nur in Kom-
- nur in Kom-
bination mit
KVT
bination mit
PT
bination mit
PT
- nur in
Kombination
mit KVT
A
B
A
A
- gilt für
gilt für: Dialekt. Behav.
Ther. (DBT)
traumaspez.
Verfahren
k.A.
k.A.
Psychodynamische Therapie (PDT)
B
Psychoedukation
B
B
KKP
KKP
KKP
KKP
Einbezug der
Angehörigen
A
KKP
KKP
KKP
KKP
KKP
B
KKP
B
- gilt für
traumaspez.
Verfahren
8
Bewegungstherapie
KKP
KKP
k.A.
KKP
KKP
KKP
Ergo- /Arbeitstherapie
KKP
k.A.
KKP
KKP
KKP
KKP
Musiktherapie
KKP
k.A.
KKP
k.A.
KKP
KKP
Bei saisonalen Depressionen zusätzlich:
Lichttherapie: A
Bei Essstörungen: Spezifische Ansätze
Gewichtsnormalisierung, Wiegen, Körpertherapie, Ernährungsberatung u.a.m.: A, jedoch nur in Kombination mit PT
Tabelle 2: Evidenzbasierte Empfehlungsgrade für psychosoziale oder adjuvante Therapien
bei schweren Ausprägungen psychischer Störungen allgemein (störungsunspezifisch) (siehe
Referenzen: AWMF-Leitlinien 2010-2015).
A= Starke Empfehlung / Soll,
B= Empfehlung / Sollte,
KKP= Klinischer Konsenspunkt = "Gute klinische Praxis",
0= Kann / Empfehlung offen,
k.A.: keine Angabe
Empfehlungsrad
Training sozialer Fertigkeiten
A
KKP
Training sozialer Fertigkeiten
A
Milieutherapie
KKP
Case Management
B
Arbeitstherapie
B
Selbsthilfegruppen
B-KKP
Soziotherapie,
Sozialarbeit
Psychoedukation
KKP
Künstlerische Therapien
B
KKP
Ergotherapie
B
Sport- und Bewegungstherapie
B
Psychosoziale oder adjuvante
Therapien
Therapeutische Beziehung
Psychoedukation für Angehörige
Technologie gestützte psychosoziale Interventionen (niedrigschwellige Intervention9
Computergestützte KVT (cKVT)
(ohne therapeutisches Setting)
B
Evidenz
bei Depressionen
cKVT besser als keine Behandlung (Warteliste oder
Kontrollgruppe)
cKVT mit eMail-Unterstützung besser als ohne Unterstützung.
cKVT weniger gut als klassische KVT im therapeutischen Setting
Empfehlungsgrad
offen
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5.2 Depressive Störungen (F30-39)
Die Hauptsymptome einer depressiven Störung sind: Niedergeschlagene Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit sowie Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit. Häufige zusätzliche Symptome sind verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühl von Schuld / Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken oder -handlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit.
Das somatische Syndrom ist gekennzeichnet durch Interessenverlust, Verlust der Freude an
sonst angenehmen Tätigkeiten, mangelnde emotionale Reagibilität auf sonst freudige Ereignisse, frühmorgendliches Erwachen, morgendliches Stimmungstief, psychische und körperliche Hemmung oder Agitiertheit, Gewichtsverlust und Libidoverlust.
Depressive Störungen zählen neben den Angststörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Die 12-Monatsprävalenz der Diagnose liegt bei 11% der Bevölkerung über 18
Jahren. Die Lebenszeitprävalenz liegt bei 16-20% der Bevölkerung. Depressive Störungen
weisen eine hohe Rate an Komorbidität auf (ca. 60%) mit z.B. Angststörungen, Zwängen,
Posttraumatischen Belastungsstörungen, somatoformen Störungen, Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen sowie Substanzmissbrauch und Abhängigkeitserkrankungen. Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer, die Hälfte der Erkrankten ist bei Beginn unter 31 Jahre alt. Der Gipfel der Prävalenz liegt zwischen einem Alter von 50 bis 60 Jahren. Weitere Risikofaktoren sind Trennung, Scheidung und der Verlust naher Angehöriger sowie körperliche
Erkrankungen und Funktionseinschränkungen.
Im Bereich somatischer Erkrankungen besteht ein erhöhtes Krankheitsrisiko für arteriosklerotische Herzerkrankungen, vaskuläre Läsionen des Zentralnervensystems, Asthma bronchiale, Heuschnupfen (Allergien), Ulcus pepticum, Diabetes mellitus und Infektionserkrankungen.
Belastende Ereignisfolgen in Zeiträumen, in denen keine Erholung von den früheren Belastungen eintreten kann, stellen ein besonderes Risiko dar. Spätere Krankheitsepisoden
scheinen dagegen stärker einer eigenen, von äußeren Auslösern relativ unabhängigen Dynamik zu unterliegen. Angehörige ersten Grades von Patienten mit einer depressiven Erkrankung weisen ein Erkrankungsrisiko für affektive Störungen (alle Formen) von 20% gegenüber 7% bei Angehörigen gesunder Kontrollpersonen auf.
Wenn zusätzlich zu depressiven Phasen auch manische Episoden vorkommen, so wird dies
als bipolare affektive Störung bezeichnet. Das Lebenszeitrisiko hierfür beträgt geschlechtsunabhängig 1 bis 2%. Zu einer depressiven Episode kann es auch im Rahmen eines Burnout-Syndroms kommen (AWMF-Leitlinien 2012 und 2015).
10
5.3 Angststörungen (F40-F41)
Angststörungen sind gekennzeichnet durch einen emotionalen Zustand, der charakterisiert
ist durch das zentrale Motiv der Vermeidung bzw. Abwehr einer Gefahr und stereotypen psychischen und physischen Begleiterscheinungen wie Unsicherheit, Unruhe, Erregung (evtl.
Panik), Bewusstseins-, Denk- oder Wahrnehmungsstörungen, Anstieg von Puls- und Atemfrequenz, verstärkte Darm- und Blasentätigkeit, Übelkeit, Zittern, Schweißausbrüche.
Angststörungen sind häufige psychische Erkrankungen mit einer 12-Monatsprävalenz von
etwa 15% der Bevölkerung (18-65 Jahre). Zu diesen gehören die spezifischen Phobien, die
generalisierte Angststörung, die soziale Phobie, die Agoraphobie und die Panikstörung .
Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Angststörungen beginnen häufig im Lebensalter zwischen 20 und 40 Jahren. Risikofaktoren
für Angststörungen sind insbesondere Überlastung im Berufs- oder Privatleben und Angststörungen bei Angehörigen. Weiterhin als Risikofaktoren gelten kardiale Diagnostik sowie als
hochgradig traumatisierend erlebte (Herz)Todesfälle im engen Familien- oder Freundeskreis.
Etwa 58-93% der Betroffenen haben weitere psychische Störungen. Soziale Phobien treten
häufig in Komorbidität mit Abhängigkeitserkrankungen auf (AWMF-Leitlinie 2014).
5.4 Zwangsstörungen (F42)
Wesentliches Kennzeichen dieser Störung sind wiederkehrende Zwangsgedanken und
Zwangshandlungen. Zwangsgedanken sind Vorstellungen, Ideen und Impulse, die die Patienten immer wieder stereotyp beschäftigen. Zwangsgedanken werden als eigene Gedanken
erlebt, auch wenn sie als unwillkürlich und häufig als abstoßend empfunden werden. Die betroffene Person versucht erfolglos, Widerstand zu leisten,
Zwangshandlungen oder Zwangsrituale sind ständig wiederholte, stereotype Handlungen.
Sie werden als unangenehm empfunden und erfüllen keine nützliche Aufgabe. Betroffene erleben sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches, schadenbringendes Ereignis. Meist wird dieses Verhalten als sinnlos und ineffektiv erlebt. Menschen mit Zwangshandlungen versuchen immer wieder, dagegen anzugehen. Angstsymptome sind häufig,
auch quälende innere Anspannung. Es besteht eine hohe Komorbidität mit depressiven
Symptomen (Aus: ICD-10-GM online, Vs. 2017).
Zwangsstörungen haben eine Prävalenz von etwa 1-3% in der Bevölkerung. Die Geschlechterverteilung ist annähernd symmetrisch. Der Beginn der Erkrankung liegt bei Frauen häufig
zwischen dem 20. und 29. Lebensjahr und bei Männern zwischen dem 6. und 15. Lebensjahr. Bei der Hälfte der Betroffenen beginnt die Erkrankung in der Kindheit.
11
Eine stationäre Therapie ist indiziert bei einer ausgeprägten Zwangssymptomatik, bei besonders ausgeprägten komorbiden Störungen (z.B. Anorexie, Depression, Tic, Hypochondrie), bei mangelnden Ressourcen in der Familie oder besonders ungünstigen psychosozialen
Bedingungen bzw. krankheitsbegünstigenden und -aufrechterhaltenden Einflüssen, bei erheblicher Beeinträchtigung von Alltagsaufgaben und nach nicht erfolgreicher ambulanter
Therapie (AWMF-Leitlinie 2013).
5.5 Traumafolgestörungen und Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)
Traumafolgestörungen sind mögliche Folgereaktionen auf sehr belastende Ereignisse wie
z.B. das Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, von Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, kriegerischen Auseinandersetzungen, Folter oder das Erleben von schwerwiegenden Unfällen.
Die Symptomatik kann unmittelbar oder auch mit (z. T. mehrjähriger) Verzögerung nach dem
traumatischen Geschehen auftreten (Hofmann 2014). Häufig führen solche Erfahrungen zu
Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) oder anderen psychischen Erkrankungen
und sind oft mit einer hohen Rate an Folgeerkrankungen verbunden. Die Häufigkeit von
Traumafolgestörungen ist abhängig von der Art des Traumas;

Ca. 50% Prävalenz nach Vergewaltigung

Ca. 25% Prävalenz nach anderen Gewaltverbrechen

Ca. 50% bei Kriegs-, Vertreibungs- und Folteropfern

Ca. 10% bei Verkehrsunfallopfern

Ca. 10% bei schweren Organerkrankungen (Herzinfarkt, Malignome)
Die Lebenszeitprävalenz für PTBS in der Allgemeinbevölkerung mit länderspezifischen Besonderheiten liegt zwischen 1% und 7% (Deutschland 1,5 - 2 %). Die Prävalenz subsyndromaler Störungsbilder ist wesentlich höher. Es besteht eine hohe Chronifizierungsneigung.
Bei gleicher Art der Belastung sind Frauen doppelt so häufig von der PTBS betroffen wie
Männer.
Eine Komorbidität mit einer weiteren psychiatrischen Störung, vor allem mit depressiven Störungen, weisen über 80% aller Patienten mit Traumafolgestörungen auf. Häufig kommen
auch Angststörungen, Somatisierungsstörungen, somatoforme Schmerzstörung, dissoziative
Störungen, Persönlichkeitsstörungen und Abhängigkeitserkrankungen vor. Die Entwicklung
komorbider Störungen ist oft eine Folge einer nicht diagnostizierten und somit auch nicht behandelten PTBS.
Die Posttraumatische Belastungsstörung ist gekennzeichnet durch:
12

sich aufdrängende, belastende Gedanken und Erinnerungen (Flashbacks, Alpträume)

Übererregungssymptome (Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, vermehrte Reizbarkeit,
Affektintoleranz, Konzentrationsstörungen)

Vermeidungsverhalten (Vermeidung mit dem Trauma verbundener Reize) und

emotionale Taubheit (allgemeiner Rückzug, Interessenverlust, innere
Teilnahmslosigkeit)
(AWMF 2011a, Schäfer und Krausz 2006, Bisson et al. 2013, Hofmann 2014, McGuire et
al. 2014, Lancester et al. 2016).
5.5.1 Exkurs: EMDR als dynamisch-behaviorale Psychotherapiemethode
Im Jahr 1989 erschien die erste Veröffentlichung von Francine Shapiro, in der sie über ihre
Methode der „Augenbewegungs-Desensibilisierung“ zur Behandlung von Posttraumatischen
Belastungsstörungen (PTBS) berichtete. Etwa 1991 nannte sie dieses Verfahren Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR), was auf Deutsch etwa mit Desensibilisierung und Neuorientierung durch Augenbewegungen übersetzt werden könnte. Inzwischen
hat diese Methode der Traumabehandlung breite Anerkennung gefunden, ist Teil der an den
Leitlinien ausgerichteten Therapie und kann als die am besten untersuchte Therapie der
PTBS gelten. Francine Shapiro sah ihren Ansatz als einen methodenübergreifenden Zugang
an, was der heute in Deutschland vertretenen Sichtweise entspricht (Hofmann 2014). Die
psychosomatische Abteilung der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie arbeitet seit
vielen Jahren erfolgreich mit EMDR bei der Behandlung von Traumafolgestörungen.
Die Theorie der EMDR-Methode stützt sich auf das Modell der Adaptiven Informationsverarbeitung (AIP-Modell), das davon ausgeht, dass dysfunktional gespeicherte, pathogene Erinnerungen Auslöser vieler psychischer und psychosomatischer Störungen sein können
(Shapiro 2013).
Demnach gibt es ein adaptives System der Verarbeitung von Informationen im Gehirn, das
z.B. bei der Verarbeitung von Stresserlebnissen oder schmerzhaften Verlusterlebnissen verhindert, dass eine traumatische Stressreaktion eintritt. Dieses System kann aber unter gewissen Umständen überfordert werden, etwa bei belastenden, traumatischen Erlebnissen
(z.B. Folter, Unfälle oder Missbrauchserfahrungen). Hier wird die Information nicht verarbeitet, sondern im Nervensystem unverarbeitet festgehalten, d.h. in ihrer ursprünglichen Gestalt, in Bildern, Gedanken, Geräuschen, also als körpernahe Empfindung. Dies implizite
Gedächtnis kann als emotionales Gedächtnis bezeichnet werden, das in den entwicklungsgeschichtlich alten Strukturen des Gehirns (Amygdala, Hippokampus) angesiedelt und nicht
13
zeitlich geordnet ist. Es funktioniert weitgehend unabhängig vom expliziten, rationalen oder
narrativen Gedächtnis, das im Großhirn (Neokortex) angesiedelt ist. Dies gespeicherte, unverarbeitete Informationspaket führt quasi ein "Eigenleben" und kann von den kleinsten Erinnerungen an das ursprüngliche Trauma reaktiviert werden (Triggerreize).
EMDR wirkt vor diesem Hintergrund vor allem dadurch, dass es zunächst die traumatischen
Erinnerungen mit all ihren verschiedenen Komponenten – visuell, emotional, kognitiv, physisch – aufruft und das adaptive System der Informationsverarbeitung anregt, das bisher keinen Zugriff auf die Informationen hatte (Servan-Schreiber 2004).
EMDR ist ein strukturiertes Verfahren, das in einem acht Phasen umfassenden Behandlungsablauf durchgeführt wird: Anamnese und Behandlungsplanung, Vorbereitung des Patienten, Bewertung des Traumas, Durcharbeitung, Verankerung und Einsetzen eines positiven
Gedankens, Körper-Test, Abschluss und Nachbefragung
Das Grundprinzip der Methode besteht darin, dass sich eine Person auf eine traumatische
Erfahrung und die damit verbundenen Gedanken und Gefühle konzentriert, während gleichzeitig rhythmische Augenbewegungen induziert werden. Es wird also die Aufmerksamkeit
des Patienten zugleich auf einen äußeren Reiz (Augenbewegungen) und auf eine identifizierte Quelle emotionaler Störungen (über Bilder und Körperempfindungen) gelenkt (Hofmann
2006). So wird ein rascher Zugang zu allen Assoziationsketten, die mit den in der Behandlung angesprochenen traumatischen Erinnerungen verbunden sind, ermöglicht. In einem so
unterstützten Prozess der Informationsverarbeitung kann eine beschleunigte Reprozessierung der maladaptiven, fragmentierten traumatischen Erinnerungen stattfinden. Die Erinnerung verliert ihren intrusiven und emotionsgeladenen Charakter und kann zu einer "normalen" Erinnerung an ein schlimmes Ereignis werden. Damit ist häufig eine Reduktion der
Symptomatik verbunden (Hofmann 2006). (weitere Referenzen: Störungsspezifische AWMFLeitlinien 2011, Shapiro 2013, Hofmann 2014).
5.6 Somatoforme Störungen (F45)
Somatoforme Störungen sind charakterisiert durch die Beschreibung körperlicher Symptome
in Verbindung mit häufigen medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht bzw. nicht ausreichend körperlich begründbar sind. Die körperlichen Beschwerden sind sehr unterschiedlich lokalisiert
und werden von Patienten auf alle Organsysteme bezogen. Am häufigsten werden
Schmerzsymptome genannt (Rückenschmerzen 30%, Gelenkschmerzen 25%, Kopfschmerzen 19%) sowie gastrointestinale Beschwerden (Blähungen 13%, Magenbeschwerden 11%)
und Herzbeschwerden 11%).
14
Multiple somatoforme Symptome treten bei 4-5% der Bevölkerung auf, eine "Somatisierungsstörung" im engeren Sinne bei ca. 1%. Frauen erkranken etwa doppelt so häufig wie
Männer. Häufige Komorbidität besteht in depressiven Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen.
Eine stationäre Behandlung ist insbesondere angezeigt,

wenn ein multimodales therapeutisches Vorgehen erforderlich ist, z.B. ein verbales
und ein körperorientiertes Verfahren indiziert sind

wenn durch eine stationäre Therapie eine hinreichende Motivation für eine indizierte
ambulante Psychotherapie erzielt werden kann

wenn die Funktionsstörung die Teilnahme an ambulanter Psychotherapie einschränkt
oder aufhebt

wenn sich nach 6 Monaten ambulanter Psychotherapie keine symptombezogene
Besserung erkennen lässt

wenn eine erhebliche psychische Komorbidität (z.B. Persönlichkeitsstörung) oder
eine die somatoforme Störung komplizierende körperliche Erkrankung vorliegt

wenn es zu Krankschreibungen über 3 Monate hinaus gekommen ist oder bei
anderen Gefährdungen der Berufs- und Erwerbsfähigkeit
(AWMF-Leitlinien 2012).
5.7 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus (F60.31)
Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus ist gekennzeichnet
durch:

ein überdauerndes Muster von emotionaler Instabilität und Impulsivität

inkonstante und krisenhafte Beziehungen

ausgeprägte Angst vor dem Verlassenwerden

impulsive - häufig auch selbstschädigende - Verhaltensweisen

instabile und wechselhafte Stimmung

multiple und wechselnde psychogene Beschwerden

Identitätsunsicherheit
Die Stärke der Störung ist von Person zu Person unterschiedlich, ebenso das damit verbundene Leiden und die individuellen Belastungserscheinungen. Unter einer Persönlichkeitsstörung leidet etwa die Hälfte aller wegen psychischer Störungen behandelter Patienten, das
sind 5-10% der Bevölkerung. Ca. 3% der Bevölkerung sind von der Emotional instabilen
Persönlichkeitsstörung betroffen, dabei sind Frauen etwa dreimal so häufig wie Männer vertreten.
15
Als Risikofaktoren für das Entwickeln einer Emotional instabilen Persönlichkeitsstörung gelten insbesondere "chaotische" Lebenserfahrung in der Primärfamilie, traumatisches Verlassenwerden, Verlust der Hauptbezugsperson, sexuelle Traumatisierung und Gewalterfahrung
sowie schwere Erziehungsdefizite. Komorbidität besteht vorwiegend mit affektiven Störungen
und Essstörungen, weiterhin Abhängigkeitserkrankungen, Angststörungen, dissoziativen
Störungen und posttraumatischen Symptombildern (American Psychiatric Association 2001,
DGPPN-Leitlinie 2009, NICE Guidelines 2009, Stiglmayr et al. 2014, Armbrust et al. 2016).
5.8 Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge Eating) (F50)
Von der Essstörung Anorexia nervosa spricht man bei Patientinnen oder Patienten mit einem
erheblichen Untergewicht (Body-Mass-Index von 17,5 oder weniger), das durch folgende
Maßnahmen selbst herbeigeführt wurde:

Vermeidung von hochkalorischen Speisen; und/oder

selbst induziertes Erbrechen

übertriebene körperliche Aktivität

Gebrauch von Appetitzüglern, Diuretika und/oder Abführmitteln.
Medizinisch-physiologische Begleit- und/oder Folgeerscheinungen sind:

Endokrinologische Störungen (u. a. Zyklusstörungen, Schilddrüsenunterfunktion)

Störungen im Elektrolythaushalt (v. a. Kalium), Herzrhythmusstörungen

Störungen im vegetativen Bereich( Müdigkeit, Schlaf- und Sexualstörungen)

Entzündungen der Speiseröhre, Verletzungen durch „Brechhilfen“

Schwellungen der Speicheldrüsen

Kariöse Schädigungen der Zähne

Gastrointestinale Beschwerden

Neurotransmitterstörungen (Noradrendalin, Serotonin)

Morphologische Veränderungen des Gehirns

Ödeme

Hautveränderungen und Haarausfall
Psychologisch-psychiatrische sowie soziale Begleit- und Folgeerscheinungen:

Unzufriedenheit und übermäßige Beschäftigung mit Gewicht und Figur,
Körperschemastörungen

Herabgesetztes Selbstwertgefühl

Affektive Folgeerscheinungen (Depressivität, emotionale Labilität, Reizbarkeit)
16

Kognitive Folgeerscheinungen (Konzentrationsmangel, Entscheidungsunfähigkeit,
ständige gedankliche Beschäftigung mit Essen, Kalorienzählen)

Psychophysische Folgeerscheinungen

Probleme in der Partnerschaft, Familie, Freundeskreis und Beruf, sozialer
Rückzug u. a. m.
Es liegt mit 5 bis 20% eine hohe Mortalitätsrate vor. Komorbidität besteht mit depressiven
Störungen, Angststörungen, zwanghaft-perfektionistischen Einstellungs- und Verhaltensmustern.
Bei der Essstörung Bulimia nervosa steht im Gegensatz zur Anorexia nervosa die andauernde Beschäftigung mit dem Essen und eine unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln im
Vordergrund. Es kommt zu wiederholtem Auftreten subjektiv nicht kontrollierbarer Heißhungeranfälle (Essattacken), bei denen große Mengen Nahrung in kurzer Zeit konsumiert werden.
Die Patientinnen ergreifen extreme Maßnahmen, um dem dick machenden Effekt der aufgenommen Nahrung entgegenzusteuern (z.B. selbst induziertes Erbrechen, Abführmittelmissbrauch, strenges Einhalten einer Diät zwischen den Essanfällen). Dabei besteht eine extreme Furcht, dick zu werden und die Betroffenen setzen sich strenge Gewichtsgrenzen.
Die medizinischen, psychologischen sowie sozialen Begleit- und/oder Folgeerscheinungen
entsprechen denen der Anorexia nervosa (siehe oben). Komorbidität besteht mit Persönlichkeitsstörungen und Impulskontrollstörungen, seltener mit Alkohol- und/oder Drogenmissbrauch. Häufig liegt schon eine Anorexie in der Vorgeschichte vor.
Eine „Binge-Eating-Störung“ mit unkontrollierbaren Essanfällen geht oft mit Adipositas einher
und birgt daher weitere medizinische Risiken: Es kann zu Krankheiten wie Diabetes mellitus,
Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck kommen, dadurch besteht ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko. Bei Personen mit unkontrollierbaren Essanfällen sollte zunächst die Essstörung psychotherapeutisch behandelt werden. Bei in der Regel gleichzeitig vorliegenden Gewichtsproblemen wird erst zu einem späteren Zeitpunkt die Teilnahme an einem Gewichtsreduktionsprogramm möglichst unter Einbezug psychologischer Elemente empfohlen
(AWMF-Leitlinie 2010).
5.9 Psychosomatische Störungen und Pathologisches Glücksspiel (F63.0)
Nach einer repräsentativen Erhebung der BzGA (2016) über das Glücksspielverhalten in
Deutschland liegt die 12-Monats-Prävalenz des pathologischen Glücksspiels bei 0,37% und
17
des problematischen Glücksspiels bei 0,42%. Andere Untersuchungen und Schätzungen
kommen auf ähnliche Prävalenzwerte des pathologischen Glücksspiels zwischen 0,2 und
0,6%.
Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Unter Berücksichtigung der Bevölkerung zwischen 28 und 65 Jahren ergeben sich rein rechnerisch ca. 215.000 bis 241.000 Betroffene
(BZGA 2016, Mukian 2014). Demgegenüber steht eine Anzahl von etwa 15.800 Patienten,
die mit der Diagnose Pathologisches Glücksspiel in Deutschland jährlich ambulant und stationär behandelt werden (Petry et al. 2013). Demnach liegt die Nachfrage nach Therapieplätzen nur bei 2-4% der pathologischen Spieler in Deutschland.
Im Alltag charakterisieren nach Petersen (2012) zwei Dinge pathologische Spieler besonders
treffend: Zum einen haben sie keine Zeit. Sie spielen immer häufiger und länger, versäumen
wegen des Spiels Verabredungen und Verpflichtungen. Und sie haben kein Geld, so dass
Kredite aufgenommen werden oder Geld im Freundeskreis geliehen oder anderweitig beschafft wird. Beide zentralen Charakteristika werden in der Behandlung mit besonderem Augenmerk fokussiert und stehen neben der Aufarbeitung der die Suchtentstehung begünstigenden Faktoren im Vordergrund. Studien belegen, dass bestimmte Glücksspielformen ein
höheres Gefährdungspotential aufweisen. Die Verfügbarkeit erleichtert und regt zur erstmaligen Spielteilnahme an. Dagegen sind Ereignisfrequenz und Gewinnstruktur konkrete Eigenschaften, die für Verstärkungseffekte und damit die Förderung eines exzessiven Spielverhaltens verantwortlich sind (Mukian 2014).
2010 wurde erstmalig vorgeschlagen in der fünften Ausgabe des Klassifikationssystems „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM) der American Psychiatric
Association (APA) den früheren Oberbegriff „Substanzbezogene Störungen“ durch die neue
Bezeichnung „Sucht und zugehörige Störungen“ zu ersetzen. Subsummiert werden hier sowohl stoffgebundene als auch nicht-stoffgebundene Störungen. Als erste nicht stoffgebundene Störung wurde das pathologische Glücksspielen aufgenommen.
Süchtiges Spielverhalten entwickelt sich vor dem Hintergrund eines multifaktoriellen Geschehens. Ein besonders gefährdeter Personenkreis für die Entwicklung spielsüchtigen Verhaltens lässt sich daher nicht zuverlässig festlegen. Es gibt weder den typischen Spieler
noch das charakteristische soziale Umfeld. Dennoch gibt es Bedingungen, die die Entwicklung süchtigen Spielverhaltens begünstigen. Diese betreffen das Geschlecht (90% sind
Männer), Persönlichkeitsstruktur und soziales Umfeld, vorhandene psychische Störungen
und neurobiologische Parameter (Belohnungssystem) (Petry et al. 2013, Petry 2010).
Nach Petry et al. (2013) ist pathologisches Glücksspiel deutlich (> 70%) mit psychischen und
psychosomatischen Störungen korreliert. Dabei gehen diese Störungen dem pathologischen
18
Glücksspiel oft voraus. Demnach liegt die Prävalenz von depressiven Störungen bei pathologischen Spielern bei 63%, 37% haben Angststörungen und 44% eine Substanzabhängigkeit (ohne Tabak). Weiterhin weisen ein Viertel der pathologischen Spieler manische Störungen auf (Premper und Schulz 2008). Auch psychotische Störungen, die antisoziale Persönlichkeitsstörung sowie das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) stellen Risikofaktoren
für die Entwicklung der pathologischen Formen des Glücksspiels dar (Potenza et al. 2002).
Bei pathologischen Spielern mit psychischer oder psychosomatischer Komorbidität kann nur
ein multimodales Therapiekonzept erfolgreich sein, welches alle individuellen Aspekte der
Erkrankung einbezieht. Bei Nichtberücksichtigung der Komorbidität, ist die Rückfallgefahr
sehr hoch. Neben suchtspezifischen Therapien für pathologisches Glücksspiel müssen daher vor allem psychodynamische, verhaltenstherapeutische, soziotherapeutische und pharmakotherapeutische Verfahren zum Einsatz kommen, welche auf diese Patientengruppe abgestimmt sind (Rasch und Petry 2014). Bei dem Einsatz von Pharmaka müssen zwingend
psychische Komorbidität und komorbide substanzgebundene Abhängigkeiten berücksichtigt
werden.
Tabelle 5.9.1: Therapie des Pathologischen Spielens nach EBM (evidenzbasierte Medizin)
und Effektstärken* (ES) der Therapie (nach Potenza et al. 2002, und Pallesen et al. 2005)
Therapie:
Multimodales Verfahren
Imaginative Verfahren
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)
Motivationale Verfahren
Selbsthilfegruppe
Pharmakotherapie (keine ES)
Evidenzklassen:
Wirkung auf die spielassoziierten Symptome
IIa
ES=1,86 - 2,03
Ia
ES= 1,07 - 3,88
Ia
ES= 1,71- 3,94
IIa
ES= 0,45 - 0,80
ES= 0,01 - 0,53
SSRI (Fluvoxamin): IIa
(insbesondere bei komorbiden affektiven Störungen)
Naltrexon: IIa,
Lithium: IIa (insbesondere bei komorb. bipolaren Störungen)
Antipsychotika: kein Effekt (IIa)
Dopamin-Wiederaufnahmehemmer: IIa
(insbesondere bei komorbiden ADHD)
*Effektstärken (ES) von 0.2 bis 0.3 werden als schwache, ES von 0.3-0.6 als mittlere und ES >0.6 als starke Effekte der Therapie bezeichnet
Ia: Wirksam
Ib: Wirksam
IIa: Wirksam
IIb: Wirksam
hortenstudie
"Evidenz" aufgrund von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien
"Evidenz" aufgrund von mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie
"Evidenz" aufgrund von mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie ohne Randomisierung
"Evidenz" aufgrund von mindestens einer gut angelegten, quasi-experimentellen Studie, retrospektive Ko-
19
III: Wahrscheinlich wirksam
"Evidenz" aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller, deskriptiver Studien (z.B. Beobachtungsstudien (vorher-nachher), Vergleichsstudien, Korrelationsstudien, Fall-Kontrollstudien)
IV: Möglicherweise wirksam
"Evidenz" aufgrund von Fall-Serien, Berichte von Expertengruppen, Konsensuskonferenzen
V: Möglicherweise wirksam
Expertenmeinungen und –aussagen bzw. klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten
Die Rehabilitationsbehandlung pathologischer Spieler und Medienabhängiger kann grundsätzlich in der Abteilung für Abhängigkeitskranke und in der Abteilung für Psychosomatik geschehen, wobei eine enge Zusammenarbeit stattfindet. Die Entscheidung hierüber trifft primär der Kostenträger nach Gesichtspunkten wie z.B. psychiatrischer Komorbidität oder
Suchtverhalten.
5.10 Psychosomatische Störungen und der pathologische Gebrauch von Internet und
Computer (Medienabhängigkeit)
Der pathologische Gebrauch von Internet und Computerspielen nimmt mit der sich ausweitenden Verbreitung dieser Technologien zu. Allein die Bedeutung sozialer Netzwerke wie
Facebook, Twitter, Google Plus oder businessorientiert LinkedIn und XING erleben in den
letzten Jahren eine zunehmende Nachfrage. Facebook wird von über 20 Millionen Deutschen und weit mehr als 750 Millionen Menschen weltweit genutzt (Dinse 2012). Die Definition der Internetabhängigkeit ist derzeit nicht einheitlich und es kursieren allein in Fachkreisen
mehr als 20 Begriffe für das neue Phänomen gebräuchliche Begriffe sind „Mediensucht“,
„Onlinesucht“, „Internet-Sucht“ oder „Internet-Abhängigkeits-Syndrom“ (Willnow et al. 2012).
Petry (2010) schlägt zur Abgrenzung der Pathologie die Begrifflichkeiten „Funktionaler Gebrauch“, „Dysfunktionaler Gebrauch“ und „Pathologischer Gebrauch“ vor. In Anlehnung an
die zweite große stoffungebundene Suchterkrankung, das Pathologische Glücksspiel, eignet
sich der Begriff „Pathologischer PC-Gebrauch“ gut als Arbeitsgrundlage.
In einer Studie zur Prävalenz des Pathologischen PC-Gebrauches (hier untersucht: Internet)
(Rumpf et al. 2011) wurden auf der Basis einer repräsentativen Stichprobe 15.024 Personen
befragt. Es ergab sich eine geschätzte Prävalenz für das Vorliegen eines Pathologischen
PC-Gebrauches von 1,5% (Frauen 1,3%, Männer 1,7%). In der Altersgruppe 14-24 steigt die
Prävalenz auf 2,4% an (Frauen 2,5% Männer 2,5%). Bei alleiniger Betrachtung der 14-16jährigen finden sich 4,0% Internetabhängige (Frauen 4,9%, Männer 3,1%).
Die auffälligen Mädchen und Frauen (14-24 Jahre) nutzen vorwiegend Soziale Netzwerke im
Internet (77,1% der Abhängigen nach LCA) und eher selten Onlinespiele (7,2%). Die jungen
Männer nutzen ebenfalls, aber in geringerer Ausprägung, Soziale Netzwerke, und häufiger
Onlinespiele (33,6%). Neben den vermutlich Abhängigen lässt sich eine weitere Gruppe mit
20
problematischem Internetgebrauch identifizieren, die insgesamt 4,6% der Befragten betrifft
(Frauen 4,4%, Männer 4,9%). Auch hier zeigen sich hohe Raten bei jungen Kohorten und
dort in besonderem Maße bei weiblichen Personen (Rumpf et al. 2011, Kuss et al. 2014).
Betroffen sind insbesondere Jugendliche und Menschen aus niedrigeren sozialen Statusgruppen, zudem häufiger Männer und Personen ohne festen Lebenspartner und/oder feste
Arbeitsstelle. Die betroffenen Personen verbrachten oft > 30 Stunden pro Woche im Internet.
Die Ergebnisse der Studien illustrieren das hohe Abhängigkeitspotenzial von PC und Internet. Die Therapie setzt voraus, dass sich die behandelnden Ärzte und Psychologen für die
virtuellen Lebenswelten ihrer Rehabilitanden interessieren und diese in die Behandlung mit
einbeziehen (Jerusalem und Meixner 2004, Willnow et al. 2012).
Die Betroffenen leiden häufiger unter affektiven Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen (s.o.). Die Betroffenen haben weiterhin häufiger soziale Konflikte und soziale
Angst sowie weniger soziale Unterstützung und weniger Selbstbewusstsein als Personen
ohne pathologischen Mediengebrauch und sie haben hierfür ungünstige Copingstrategien
entwickelt (Jerusalem und Meixner 2004, Kuss et al. 2014).
Für Patienten mit Medienabhängigkeit sind indikationsspezifische therapeutische Maßnahmen angezeigt. Entsprechend werden

medizinische

psychodynamische

verhaltenstherapeutische sowie

suchttherapeutische Maßnahmen bei den Betroffenen eingesetzt.
Diese werden durch

arbeitstherapeutische

sozialtherapeutische

familientherapeutische und

ergotherapeutische Maßnahmen ergänzt.
Hauptziel der Rehabilitationsbehandlung ist die Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben.
Störungsspezifische Maßnahmen beziehen sich auf die Erarbeitung eines individuellen Umgangs mit dem Medium PC auf der Grundlage des jeweils vorliegenden Störungsbildes. In
der Regel erfolgt diese über die Erstellung eines individuellen Stufenplans, der von der Abstinenz zu Beginn der Behandlung über die Klärung der Alltagsbedingungen und Nutzungserfordernissen des PCs mit Risikoanalyse bis hin zu einem krankheitsgerechten Umgang mit
dem Medium und Training in der Therapie reicht. Begleitend wird über die Eigendynamik der
21
Abhängigkeit im Bereich pathologischer PC-Gebrauch und über Hilfsmöglichkeiten, soweit
vorhanden, informiert.
5.11 Psychosomatische Störungen und umweltmedizinische Erkrankungen
Mit Schadstoffen assoziierte Gesundheitsstörungen beginnen oft schleichend mit Symptomen wie Atemwegsproblemen, Müdigkeit und Erschöpfung, Konzentrationsschwäche,
Schmerzen und Schwindel. Oft treten Reizungen an Augen, Nasen, Rachen oder Haut auf.
Wird die Ursache der Symptome nicht erkannt und beendet, sind chronische schwer therapierbare Störungsbilder die Folge (Bartram et al. 2011, Bauer et al., 2008-2010).
Zur Klientel der DIAKO Nordfriesland zählen viele Patienten, die eine ausgeprägte chronische Müdigkeit, chronische Schmerzen und/oder ausgeprägte Unverträglichkeiten gegenüber auch niedrigen Konzentrationen vielfältiger Chemikalien entwickelt haben (z.B. Duftstoffe, Zigarettenrauch, Lösemittel). Dieses letztere Krankheitsbild wird auch als MCS ("Multiple
Chemical Sensitivity") bezeichnet (Ashford und Miller, 1998).
Nach der vom dbu (Dt. Berufsverband der Umweltmediziner) herausgegebenen „Umweltmedizinischen Praxisleitlinie“ (Bartram et al. 2011) ist eine besondere Chemikaliensensitivität
(unter anderem) eine mögliche Folge chronischer umweltmedizinischer Erkrankungen und
eine „chronische Multisystemerkrankungen, deren Entstehung mit Risikofaktoren aus dem
somatischen, psychischen und sozialen Bereich assoziiert ist („bio-psycho-soziales“ Krankheitsmodell)“. Neben einer besonderen Chemikaliensensitivität (Chemical Sensitivity / CS,
Multiple Chemical Sensitivity / MCS) sind auch das chronische Erschöpfungssyndrom / CFS
sowie chronische Schmerzsyndrome als Folgestörungen chronischer umweltmedizinischer
Erkrankungen beschrieben.
Die Prävalenz an umweltmedizinischen Erkrankungsbildern insgesamt wird nach den Ergebnissen der internationalen Konferenz „Environment and Health Action Plan 2004-2010“ (EU
2004) auf ca. 5% der EU-Bürger geschätzt. Nach einem großangelegten populationsbezogenen Telefonsurvey von Kreutzer et al. (1999) leiden in den USA 6,3% der Bevölkerung unter umweltmedizinischen Erkrankungen. Besonders empfindlich gegenüber chemischen Expositionen oder Gerüchen reagieren nach einem deutschen Survey von Hausteiner et al.
(2005) 0,5% der Bevölkerung. Diese Personen hatten tägliche Symptome aufgrund einer besonderen chemischen Empfindlichkeit oder MCS.
Es liegen inzwischen für mehrere Länder Prävalenzraten zu Chemikalien-Intoleranzen (CI)
und zur „Multiple Chemical Sensitivity“ (MCS) aus repräsentativen Umfragen vor (Tabelle
5.11.1). Für Deutschland würde dies, bei einer konservativen Annahme von 0,5% der Bevölkerung, 400.000 Betroffene bedeuten.
22
Tabelle 5.11.1: Prävalenzraten von Chemikalien-Intoleranzen (CI) (leichtere Form) sowie
multiplen Chemikalien-Intoleranzen (MCS=Multiple Chemical Sensitivity) mit täglich bzw.
schweren Symptomen oder einer ärztlichen Diagnose „MCS“
Land
MCS
Quelle
CI
(tägliche o. schwere
Symptome o. Arztdiagnose)
USA
16%
6,3%
Kreutzer et al. (1999)
USA
11-33%
3,9%
Meggs et al. (1996)
9%
0,5%
Hausteiner et al. (2005)
-
3,8%
Hojo et al. (2005)
16%
0,9%
15,6%
3,7%
SA Department of Health
(2004)
Andersson et al. (2008)
Deutschland
Japan
Australien
Schweden: Jugendliche
Im Bereich des „Schwerpunktes Umweltmedizin“ der DIAKO Nordfriesland im Krankenhausbereich und in der Rehabilitation geht es um die Behandlung von umweltmedizinischen Erkrankungen mit ihren psychischen Folgestörungen oder einer psychischen Komorbidität.
Im Bereich der Rehabilitation geht es um die Behandlung der Rehabilitanden, bei denen eine
drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigung der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft vorhanden ist. Der Rehabilitand soll (wieder) befähigt werden, eine
Erwerbstätigkeit und/oder bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens möglichst in der Art
und in dem Ausmaß auszuüben, die für diesen Menschen als „normal“ (für seinen persönlichen Lebenskontext üblich) erachtet werden (BAR 2010).
Um diese „Patienten / Rehabilitanden mit chronischen umweltmedizinischen Erkrankungen und Folgestörungen“ geht es in dem folgenden Text. Der Begriff wird der besseren Lesbarkeit halber mit „cUME“ abgekürzt.
Die Ursachen für die Entwicklung von cUME werden seit langem sehr kontrovers mit verhärteten Fronten diskutiert (Psychologie versus Toxikologie). Im Gegensatz zu dieser Kontroverse, gibt es mittlerweile deutliche Hinweise darauf, dass gerade das Zusammenwirken von
Schadstoffen und körperlichen, sozialen und seelischen „Vulnerabilitätsfaktoren“ bei exponierten Bevölkerungsgruppen als Risikofaktor für die Entstehung und Erhaltung von cUME
zu werten ist (Bartram et al. 2011, Bauer et al. 2008-2010).
23
Für folgende - vorwiegend neurotoxisch wirksame (d.h. giftig für Gehirn und Nerven) Schadstoffe/Schadstoffklassen wurde ein besonders hohes Risikopotential für die Entwicklung von cUME nachgewiesen:

organische Lösemittel

Pestizide (z.B. Holzschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Mottenschutzmittel)

Formaldehyd
Folgende Gruppen sind aufgrund ihrer besonderen Vulnerabilität gegenüber Schadstoffen
als Risikogruppen anzusehen

Kinder

Personen mit Vorerkrankungen, insbesondere:
o
Allergien
o
Asthma, bronchiale Hyperreaktivität
o
Hauterkrankungen
o
Überempfindlichkeiten
gegenüber
anderen
exogenen
Noxen
(z.B.
Medikamenten) bzw. Pseudoallergien
o
andere Erkrankungen oder Expositionen, die mit chronischer Inflammation
einhergehen
Frauen sind insgesamt 1,5 bis 2mal häufiger von etlichen der genannten Risikofaktoren betroffen und stellen aus diesem Grund den größeren Teil der Patienten dar (Evidenzgrad:
EVG=III). Folgende Gruppen stehen unter einem erhöhten Risiko chronische schwer therapierbare Krankheitsbilder zu entwickeln (EVG= II-III) (Bartram et al. 2011):

Personen mit multiplen Allergien oder multiplen Pseudoallergien

Personen mit erhöhtem Level an Stressoren

Personen mit ängstlicher Persönlichkeitsstruktur oder manifesten Angststörungen
24
Schweregrad, Komorbidität und Therapie der umweltmedizinischen Störungen
In allen bekannten Untersuchungen sind umweltmedizinische Patienten im Vergleich mit Bevölkerungsstichproben gesundheitlich-funktionell deutlich beeinträchtigt (vgl. Abbildungen
nächste Seite). Die Schwere der Erkrankung kann jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. Patienten von niedergelassenen Umweltmedizinern sind im Mittel deutlich weniger beeinträchtigt als die Patienten, die umweltmedizinische Ambulanzen an universitären Zentren und
Fachkrankenhäusern aufsuchen (Bartram et al. 2011, Bauer et al. 2010).
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität umweltmedizinischer Patienten liegt im SF36 im
Bereich von Patienten mit chronischen Magen-Darm-Erkrankungen bzw. Herzinsuffizienz/Herzschwäche und in einigen Bereichen sogar darunter (Bartram et al. 2011). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität umweltmedizinischer Patienten der DIAKO Nordfriesland
ist im NHP (Nottingham Health Profile) insbesondere in den Bereichen „Energie“ und
„Schmerzen“ erheblich beeinträchtigt und schlechter als bei stationären Patienten der Psychosomatik oder Diabeteskranken (Bartram et al. 2011, Bauer et al. 2007).
Spezifische Symptome (SL-SUM des Neurotox-Fragebogens) treten bei den umweltmedizinischen Patienten der DIAKO Nordfriesland häufiger und schwerer auf als in der Bevölkerung oder bei psychosomatischen Patienten (Bauer et al. 2007).
Umweltmedizinische Patienten mit einer komorbiden Diagnose aus dem Abschnitt „F“ des
ICD-10 (psychiatrische und psychosomatische Diagnosen) sind in allen Bereichen besonders schwer betroffen (Bartram et al. 2011, Schwarz et al. 2006: vgl. Abbildungen der nächsten Seiten).
25
100
UM (n=129)
MCS ( n=81)
chron. GI (n=180)
Herzinsuffizienz (n=261)
Bevölkerung (n=6820)
90
80
70
60
50
40
SF36
30
körp.
Funktionsfähigkeit
körp. Schmerzen
Vitalität
soz.
Funktionsfähigkeit
emotion.
Rollenfunktion
psych.
Wohlbefinden
Abbildung 5.11.1: Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (SF36) umweltmedizinischer Patienten
(UM) mit und ohne MCS im Vergleich mit kranken Kontrollgruppen und einer Bevölkerungskontrolle
(nach: Eis et al., 2002) (niedrige Werte entsprechen geringer gesundheitsbezogene Lebensqualität)
Diabetiker (n=1804)
80,0
Psychosomatik (n=17)
Gesundheitliche Lebensqualität
UM ohne F-Diagnose (n=95)
UM mit F-Hauptdiagnose (n=51)
60,0
NHP (0-100)
40,0
20,0
0,0
Energie
Schmerzen Emotionalität
Schlaf
Soziale
Isolation
Physische
Mobilität
Abbildung 5.11.2: Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (NHP) umweltmedizinischer Patienten
(UM) mit und ohne komorbide Diagnose aus dem Abschnitt F des ICD-10 im Vergleich mit kranken
Kontrollgruppen (Schwarz et al. 2006) (hohe Werte entsprechen geringer gesundheitsbezogene Lebensqualität)
26
150
142,9
133,4
Spezifische Symptome (SL-SUM)
120
111,7
112,2
UM ohne FDiagnose
(n=95)
UM mit
Angststörungen
(n=13)
128
90
SL-SUM
74,0
60
30
18,3
0
gesunde VG
(n=47)
VG
Psychosomatik
(n=42)
UM mit
Anpass.störungen
(n=72)
UM mit
depressiven
St.(n=33)
UM mit PTSD
(n=11)
Abbildung 5.11.3: Summenscores (SL-SUM) des Neurotox-Fragebogesn bei umweltmedizinischen
Patienten (UM) mit und ohne komorbide Diagnose aus dem Abschnitt F des ICD-10 und bei Vergleichsgruppen (VG) (Schwarz et al. 2006)
3
umweltmedizinische Patienten der RKI-Verbundstudie (n=224)
Lösemittelsyndrom 2A (n=29)
Lösemittelsyndrom 2B (n=29)
2,5
Kontrollgruppe (n=57)
SCL-90-R Score
Somatisierungsstörung (n=72)
2
1,5
1
Psychotizismus
Paranoides
Denken
Phobische
Angst
Aggressivität
Ängstlichkeit
Depressivität
Unsicherheit im
Sozialkontakt
Somatisierung
0
Zwanghaftigkeit
0,5
Abbildung 5.11.4: SCL-90-Scores bei umweltmedizinischen Patienten im Vergleich mit Patienten mit
Somatisierungsstörungen (nach Eis et al. 2002) sowie bei Arbeitern mit Lösemittelsyndrom vom Typ
2a und 2b, sowie einer nicht exponierten gesunden Kontrollgruppe (nach: Karlsson et al. 2000)
27
Die Fachklinik für Rehabilitation legt ein bio-psycho-soziales Krankheitsmodell bei ihren Rehabilitanden zugrunde, welches ein mehrdimensionales therapeutisches Konzept bedingt, in
welchem alle Anteile der Gesundheitsstörung angemessen und ganzheitlich berücksichtigt
werden.
Die Abbildungen auf der nächsten Seite belegen die Wirksamkeit des multidimensionalen
Konzepts der Fachklinik im Vergleich mit externen (eindimensionalen) psychotherapeutischen Maßnahmen ohne Einbezug der Umweltmedizin.
Tabelle 5.11.2: Therapie der umweltmedizinischen Störungen (UM)
Therapie:
Evidenzklasse
Effektstärke* (1)
(12- 24 Monate)
Stationärer multidimensionaler
umweltmedizinischer Ansatz insgesamt
IIIa (1) (2) (5)
Expositionsminderungsstrategien
IIIa (1) (2)
IV (3)
IIIa (1) (2)
IV (3)
IIIa (1) (2)
IV (3)
Ernährungstherapie
Psychoedukation, insbes. Schulung
zum Coping/ Umgang mit der Erkrankung/ Krankheitsbewältigung
Alle UM: 0,8-0,9 (5)
Alle UM: 0,7, MCS: 0,9
UM mit Depressionen: 1,0
UM mit PTBS: 1,2
UM mit Stress: 0,9
Alle UM: 0,9
UM mit NahrungsmittelIntoleranzen: 0,7-1,1
1,6 (2)
0,8
1,1: bei Patienten mit unstimmigem
/ fixiertem Krankheitsmodell
Psychodynamische Therapie
IIIa (nur bei psychosomatischer 1,3
Komorbidität) (1)
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)
Pharmakotherapie
IV (4)
eher schadend: IV (3)
-
Alleinige Psychotherapie
Nicht wirksam: IIIa (1)
Nicht wirksam: IV (3)
-
(1) Schwarz et al. (2006): MCS und andere chronische umweltmedizinische Störungen, psychosomatische
Komorbidität
(2): Bauer et al. (2003): MCS und andere chronische umweltmedizinische Störungen
(3) Gibson et al. (2003): MCS
(4): AWMF 051/001:. nur somatoforme umweltbezogene Störung
(5): Kohlmann et al. (1999)
*Effektstärken (ES) von 0.2 bis 0.3 werden als schwache, ES von 0.3-0.6 als mittlere und ES >0.6 als starke Effekte der Therapie bezeichnet
Ia: Wirksam
"Evidenz" aufgrund von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien
Ib: Wirksam
"Evidenz" aufgrund von mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie
IIa: Wirksam
"Evidenz" aufgrund von mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie ohne Randomisierung
IIb: Wirksam
"Evidenz" aufgrund von mindestens einer gut angelegten, quasi-experimentellen Studie, retrospektive Kohortenstudie
III: Wahrscheinlich wirksam
"Evidenz" aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller, deskriptiver Studien (z.B. Beobachtungsstudien (vorher-nachher), Vergleichsstudien, Korrelationsstudien, Fall-Kontrollstudien)
IV: Möglicherweise wirksam
"Evidenz" aufgrund von Fall-Serien, Berichte von Expertengruppen, Konsensuskonferenzen
V: Möglicherweise wirksam
Expertenmeinungen und –aussagen bzw. klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten
28
60%
% Verbesserung im Bereich "Energie"
50%
40%
Umweltmedizinische
Therapie, keine PT
(n=42/40/30/14)
36%
32%
31%
30%
Umweltmedizinische
Therapie + PT an den
FKL (n=25/20/20/15)
20%
15%
10%
9%
9% 8%
externe PT ohne Bezug
zur Umweltmedizin
(n=18/17/13/9)
6%
PT= psychotherapeutische
Maßnahmen
0%
6 Monate
12 Monate
24 Monate
-6%
-10%
60%
% Verbesserung im Bereich
"Emotionale Reaktion auf die Erkrankung"
53%
50%
42%
40%
Umweltmedizinische
Therapie, keine PT
(n=42/40/30/14)
37%
30%
Umweltmedizinische
Therapie + PT an den
FKL (n=25/20/20/15)
26%
20%
14%
10%
8%
8%
-5%
PT= psychotherapeutische
Maßnahmen
0%
0%
6 Monate
12 Monate
externe PT ohne Bezug
zur Umweltmedizin
(n=18/17/13/9)
24 Monate
-10%
1,6
1,5
1,4
1,2
Umweltmedizinische
Therapie, keine PT
(n=42/40/30/14)
1,1
1,0
Umweltmedizinische
Therapie + PT an den FKL
(n=25/20/20/15)
0,9
Effektstärke (ES)
0,8
0,7
0,6
0,6
0,6
externe PT ohne Bezug
zur Umweltmedizin
(n=18/17/13/9)
0,4
0,4
0,3 0,3
0,2
schwacher Effekt: ES=0,2 bis 0,3
mittlerer Effekt:
ES=0,4 bis 0,6
deutlicher Effekt: ES > 0,6
0,0
6 Monate
12 Monate
24 Monate
29
5.12 Zusammenfassende Beschreibung der therapeutischen Verfahren
Die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen bei psychosomatischen Erkrankungen ist in
vielen Studien nachgewiesen worden. Diese sind in wissenschaftlich begründeten Leitlinien
der Fachgesellschaften zusammengefasst und in vielen Studien untersucht worden (Störungsspezifische AWMF-Leitlinien 2010-2015).
Die psychotherapeutische Behandlung in der Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie ist integrativ ausgerichtet. Verhaltenstherapeutische und psychodynamische Therapieformen werden ergänzt durch Methoden wie systemische Familientherapie, dialektischbehaviorale Therapie, Imaginationsverfahren oder Traumakonfrontationsverfahren.
Bei der Behandlung von Elternteilen, die in Begleitung ihrer Kinder sind, nutzen wir auch unsere kinder- und jugendtherapeutischen Kompetenzen.
Da unabhängig von den eingesetzten Therapiemethoden der Therapieerfolg signifikant durch
allgemeine Merkmale beeinflusst wird, wie die Art des therapeutischen Settings, die Qualität
der therapeutischen Beziehung und die Einbeziehung wichtiger Bezugspersonen, wird auf
die hohe Qualität dieser Merkmale an der Fachklinik für Psychiatrie und Psychosomatik besonders geachtet.
Wir gehen davon aus, dass Lernen ein wichtiges Element der Behandlung ist und sowohl Informationsvermittlung und -sammlung sowie das therapeutische Milieu hierauf abgestimmt
sein muss. Wichtiges Behandlungsinstrument der psychosomatischen Therapie ist daher
auch eine Milieutherapie, in welcher das Leben in der Patientengemeinschaft und die Gestaltung dieser Gemeinschaft ein soziales Lernfeld darstellt. Es kann als Bühne dienen, bewusste und unbewusste Konflikte auszutragen, Bindung und Autonomie neu zu erlernen sowie
Unterstützung zu erfahren. Zur Stärkung der Selbsthilfekräfte dient auch eine partielle
Selbstverwaltung der Patienten als Element eines selbstorganisierten gemeinschaftlichen
Lebens.
Wesentliches Element der Behandlung ist die Gruppenpsychotherapie, die sowohl mit den
Bezugstherapeutinnen und Bezugstherapeuten wie auch themenspezifisch angeboten wird.
Das Erlernen von Lösungskompetenzen sozialer Probleme ist ebenfalls Teil der Psychotherapie. Einzeltherapeutische Gespräche ergänzen das Behandlungsprogramm, deren Umfang
und Inhalt indikationsorientiert festgelegt werden.
Eine Komplexbehandlung in der Psychosomatik erfordert häufig eine somatomedizinische
Intervention. Reduktionistische psychosomatische wie somatische Erklärungsmodelle können gleichermaßen zur Fehlbehandlung führen. Es findet deshalb eine individuelle und bedarfsgerechte Diagnostik statt. Die Fachklinik verfügt über Ärzte und Ärztinnen unterschiedlicher Disziplinen oder wir können weitere Spezialuntersuchungen außerhalb der Klinik veranlassen. Unterstützende pharmakologische Behandlungen setzen wir sorgsam ein.
30
Entspannungsverfahren, Imaginationsverfahren und Musiktherapie unterstützen den Heilungsprozess von Reiz- oder Erschöpfungszuständen und verbessern das Coping.
Im Gesundheitstraining werden den Patienten Informationen zu verschiedenen Krankheitsbildern und möglichen Strategien im Umgang mit ihrer Erkrankung vermittelt.
Die Sport- und Bewegungstherapie ist unabdingbar in der psychosomatischen Behandlung
und kann Depressionen, Angstzustände oder Essstörungen nachhaltig positiv beeinflussen.
Bei bestimmten Krankheitsbildern, z.B. bei Adipositas, erfolgen spezifische Bewegungstherapien.
Ergo- und Arbeitstherapie wird zur Erhaltung oder Erlangung von Arbeits- oder Freizeitgestaltungskompetenz, zur Erhaltung oder Verbesserung von Funktionsfähigkeiten und zur
Verbesserung der Wahrnehmung und Gestaltungskompetenz eingesetzt.
Die Ernährungstherapie ist wesentlicher Bestandteil der Behandlung.
Rauchende Patienten können an einem Nichtrauchertraining teilnehmen.
Um den Behandlungserfolg zu sichern und zu vertiefen, halten wir es für notwendig, dass der
Patient schon während des stationären Aufenthaltes eine adäquate Nachsorge sowie Kontakte zu einer Selbsthilfegruppe, Beratungsstelle, einem niedergelassenen Arzt oder Psychotherapeuten oder einer Übergangseinrichtung organisiert.
Die Einbeziehung des konkreten Lebensumfeldes des Patienten und die Zusammenarbeit
mit den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten, Beratungsstellen, Institutionen,
Kliniken und Selbsthilfegruppen hat an der Fachklinik für Psychiatrie und Psychosomatik einen hohen Stellenwert. Die DIAKO Nordfriesland verfügen über eine entsprechende Vernetzung (AWMF-Leitlinien 2010-2015).
31
6. Ziele der Rehabilitation
Allgemeines Ziel der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist, die drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft zu beseitigen, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu
mildern. Der Rehabilitand soll (wieder) befähigt werden, eine Erwerbstätigkeit und/oder bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens möglichst in der Art und in dem Ausmaß auszuüben, die für diesen Menschen als „normal“ (für seinen persönlichen Lebenskontext üblich)
erachtet werden (BAR 2016, BAR 2010).
Die individuellen Therapieziele werden mit dem Rehabilitanden vereinbart und im Rehabilitationsplan festgehalten.
In Tabelle 6.1 sind die Therapieziele psychosomatischer Rehabilitanden der DIAKO Nordfriesland aus den Bereichen Körperfunktionen, Körperstrukturen und Aktivität und Teilhabe
sowie aufzulösende Barrieren oder zu nutzende Förderfaktoren aus dem Bereich der Kontextfaktoren den Therapiemodulen gegenübergestellt.
Tabelle 6.1: Ziele der Rehabilitation und die therapeutischen Maßnahmen bei den psychosomatischen Rehabilitanden der DIAKO Nordfriesland (nach BAR (2010) und GRV (2002))
Rehabilitationsziele: BAR (2010)
Allgemeine Rehabilitationsziele
Behebung oder Verminderung der Schädigungen (einschließlich
psychischer Funktionen)
Verminderung des Schweregrads der Beeinträchtigung der Aktivitäten oder Wiederherstellung gestörter Fähigkeiten
Kompensation (Ersatzstrategien)
Adaption/Krankheitsverarbeitung
Rehabilitationsziele bezogen auf Köperfunktionen und Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen)
1. psychische Stabilisierung
GRV (2002)
Therapeutische Maßnahmen
A1, A2
B1, B2, B3
A3, A4
B1, B2
D1-D5
A5
Gesamtkonzept
A8, A9, A10, A11
C1
Gesamtkonzept
GRV (2002)
A1
2.
Verminderung von negativen Affekten wie Depression und
Angst
A2
3.
Verbesserung der Selbstwahrnehmung
A8
4.
Verbesserung von Selbstakzeptanz und Selbstwertgefühl
A3, A8
Gesamtkonzept
Gesamtkonzept
Therapeutische Maßnahmen
Psychodynamische Verfahren
Bewegungstherapie
Entspannungsverfahren
Psychodynamische Verfahren
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Schulung
Bewegungstherapie
Ergo- und Arbeitstherapie
Psychodynamische Verfahren
Bewegungstherapie
Ergo- und Arbeitstherapie
Indikative Gruppen
Psychodynamische Verfahren
Bewegungstherapie
Ergo- und Arbeitstherapie
Milieutherapie
32
5.
Korrektur dysfunktionaler Kognitionsmuster
6.
Reduzierung von körperlichen Krankheitssymptomen
7.
Erkennen möglicher funktionaler Aspekte von
Krankheitssymptomen
Verbesserung der eigenen Kompetenz im Management von
Funktionsstörungen.
8.
A3
A2
B1, B2, B3
Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten
9. Erweiterung des Verhaltensrepertoires
Psychodynamische Verfahren
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychoedukation/Schulung
Bewegungstherapie
Entspannungsverfahren
Somatomedizin
A3
Psychodynamische Verfahren
A3, A4
Psychodynamische Verfahren
Psychoedukation
Krisenmanagement
GRV (2002)
A4
Therapeutische Maßnahmen
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychodynamische Verfahren
Lernen in der Gemeinschaft
Bewegungstherapie
Milieutherapie
Ergotherapie
Psychodynamische Verfahren
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Paar-und Familientherapie
Milieutherapie
Bewegungstherapie
Ergotherapie
10. Verbesserung des Kommunikationsverhaltens
A6
11. Aufbau sozialer Kompetenz
A6
Kognitiv-behavioraleVerfahren
Ergotherapie
Bewegungstherapie
Milieutherapie
12. Erwerb von Problemlösefähigkeiten
A7
13. Optimierung der Krankheitsbewältigung (Coping)
A5
14. Verbesserung der Fähigkeit zur Freizeitgestaltung
D4
15. verbesserter Umgang mit Belastungssituationen.
C4
D5
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychodynamische Verfahren
Millieutherapie
Ergotherapie
Milieutherapie
Psychodynamische Verfahren
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychoedukation/Schulung
Freizeitplanung
Ergotherapie
Bewegungstherapie
Milieutherapie
Psychodynamische Verfahren
Paar-und Familientherapie
Entspannungsverfahren
Ergo- und Arbeitstherapie
Bewegungstherapie
Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe
16. Erhalt oder Verbesserung der psychischen Unabhängigkeit
GRV (2002)
D2, D3
17. Erhalt oder Verbesserung der physischen Unabhängigkeit
D2, D3
18. Erhalt oder Verbesserung der Mobilität
D5
19. Erhalt oder Verbesserung der sozialen
Integration/Reintegration
D2
Therapeutische Maßnahmen
Psychodynamische Verfahren
Paar- und Familientherapie
Bewegungstherapie
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Bewegungstherapie
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychodynamische Verfahren
Paar- und Familientherapie
33
Milieutherapie
20. Erhalt oder Verbesserung im Bereich der Arbeit und
Beschäftigung
D1
21. Erhalt oder Verbesserung der wirtschaftlichen
Eigenständigkeit
D1
Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren
Ergo und Arbeitstherapie
Soziotherapie/Sozialberatung
Kognitiv-behaviorale Verahren
Bewegungstherapie
Sozialberatung
Ergo und Arbeitstherapie
Psychotherapie
GRV (2002)
22. Planung und Einleitung von Maßnahmen zur Teilhabe am
Arbeitsleben
D1
23. Anleitung zur gesundheitsbewussten Ernährung und
Motivation zur Lebensstiländerung einschließlich Abbau von
Risikoverhalten
C2, C3
24. Anleitung zu Stressabbau/Stressbewältigung
C4
25. Planung von Veränderungen in der häuslichen Umgebung
D2, D3
26. Einleitung von Anpassung an Freizeitaktivitäten.
D3, D4
27. Verbesserung des Informationsstandes über die Krankheit
C1
28. Umgang mit Notfallsituationen (z.B. bei Panikanfällen)
C4
29. Entwicklung von Strategien zum Abbau von Risikoverhalten
(z.B. Rauchen, Alkohol, Medikamenten, Stress.)
B4, B5
C2, C3
30. Unterweisen in Techniken zur Selbstkontrolle (z.B.
Impulskontrollverlust)
C2, C3
31. Erlernen von Entspannungstechniken
C4
32. bei Essstörungen: Erkennen der Funktionalität der Essstörung
mit dem Ziel eines gesunden Essverhaltens und einer gesunden
Körperwahrnehmung
B4
C3
33. bei Suchtproblemen: Erkennen der Funktionalität des
Suchtmittelkonsums mit dem Ziel eines suchtmittelfreien
Lebens
B4
Therapeutische Maßnahmen
Sozialberatung
Ergo- und Arbeitstherapie
Eingliederungsmanagement
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychodynamische Verfahren
Ernährungsberatung
Indikative Gruppen
Nichtrauchertraining
Psychoedukation
Entspannungsverfahren
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Paar-und Familientherapie
Sozialberatung
Ergotherapie
Paar- und Familientherapie
Ergotherapie
Bewegungstherapie
Freizeitplanung
Psychoedukation/Schulung
Somatomedizin
Krisenmanagement
Entspannungsverfahren
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Schulung/Information
Psychoedukation/Schulung
Indikative Gruppen
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Indikative Gruppen
Imaginationsgruppe
Entspannungsverfahren
Krisenmanagement
Entspannungsverfahren:
Progressive Muskelentspannung
Autogenes Training
Imagination
Indikative Gruppen
Ernährungsberatung
Indiv. Bewegungstheraoie
Psychoedukation
Kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychodynamische Verfahren
Indikative Gruppen
Schulung/Information
34
6.2 Therapieziele bei Rehabilitanden mit pathologischem Gebrauch von Glücksspiel,
Internet und/oder Computer
Die Therapieziele ergeben sich aus den jeweiligen Funktionsbeeinträchtigungen (s.o.) und
sind in Tabelle 6.2 den therapeutischen Maßnahmen gegenübergestellt. Die Rehabilitationsziele für die Rehabilitanden mit pathologischem Gebrauch von Glücksspiel, Internet und/oder
PC wurden von den Leitlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) für
Abhängigkeitserkrankungen abgeleitet (BAR 2006). Ergänzend aufgeführt sind die entsprechenden KTL-konformen Ziele der GRV (2002). Bei psychosomatischer Komorbidität gelten
auch die in Tabelle 6.1 genannten Ziele.
Tabelle 6.2: Ziele der Rehabilitation und die therapeutischen Maßnahmen bei den psychosomatischen Rehabilitanden der DIAKO Nordfriesland (nach BAR (2006) und GRV (2002))
Behandlungsziele (BAR 2006)
1.
2.
3.
Aufbau der Motivation für eine 
Entwöhnungsbehandlung
Krankheitseinsicht und emotionale

Akzeptanz der Abhängigkeitserkrankung

erreichen
Abstinenz erreichen und erhalten,
 Rückfall
vermeiden

Ziele
(GRV 2002)
A 11
Behandlungsmodule
A9
C1
Psychotherapie
Psychoedukation / Schulung / Information
Selbsthilfe
Psychotherapie (Rückfallprävention)
Psychotherapie (Bezugsgruppentherapie / Einzelgespräche)
Psychoedukation / Schulung / Information
Sport- und Bewegungstherapie
Medizinische Beratung und Behandlung
Psychotherapie
Medizinische Beratung und Behandlung
Sport- und Bewegungstherapie
Psychoedukation / Schulung / Information
Ernährungstherapie
Berufliche Wiedereingliederung (Kognitives Training)
Psychotherapie
Psychotherapie: Indikative Gruppen zur psychischen
Komorbidität
Psychoedukation / Schulung / Information
Sport- und Bewegungstherapie
Ergotherapie
Berufliche Stabilisierung
Psychotherapie
Soziales Kompetenztraining
Milieutherapie
Beruflichen Wiedereingliederung
Ergotherapie
Sport- und Bewegungstherapie
Psychotherapie
Ergotherapie
Berufliche Stabilisierung und Wiedereingliederung
Milieutherapie
Psychotherapie
Angehörigenarbeit
Soziale Stabilisierung und Wiedereingliederung
Nachsorge
Psychotherapie: Maßnahmen zur Förderung sozialer
Kompetenz
Psychotherapie
A5
C2
4.
Entwöhnungssymptomatik abmildern

B 2, 5, 6
5.
Behebung oder Ausgleich von körperlichen

Störungen

A4
B 1-7
6.
Behebung oder Ausgleich von seelischen

Störungen

A 1-4,
A 6-10,
12
7.
Arbeitsplatz erhalten
8.
Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit

erreichen

D 2, 3
D 1, 3
Grundarbeitsfähigkeit, d.h.: Ausdauer,

Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Sorgfalt,
Flexibilität, Arbeitstempo, Konzentration
und Merkfähigkeit verbessern
10. Wiedereingliederung in die Gesellschaft

erreichen
D 1, 6
11. Soziale Fähigkeiten, d.h.: Zusammenarbeit,

Kritikfähigkeit, Umgang mit Autoritäten,

Umgang in der Gruppe
A6
D2
9.
D 2-4
Psychotherapie (Motivationsförderung)
35
12. Selbstbild, d.h.: Selbständigkeit, 
Eigenverantwortung, Selbsteinschätzung,
Selbstgewissheit und Selbstwirksamkeit
verbessern
A8
13. beeinträchtigte Fähigkeiten wieder
 oder
kompensatorische Fertigkeiten neu
entwickeln bzw. sich fehlende Fähigkeiten
aneignen
14. Selbst aktiver werden und wieder
 mehr
Verantwortung für sich selbst übernehmen


D4
15. Soziale Benachteiligungen ausgleichen

D 1, 4, 5
16. Umgang mit Stress-Situationen verändern

und verbessern

A5
C 1, 4
17. Umgang mit Angst-Situationen verändern

und verbessern

A5
C 1, 4
18. Erhalt selbständiger Lebensführung
 und
Verhinderung von Pflegebedürftigkeit bei
Menschen, die nicht mehr ins Berufsleben
integriert werden können
19. Nachsorge organisieren

(Übergangseinrichtungen, Wohnung,
Arbeitsplatz, soziale Kontakte,
Anlaufstellen, medizinische Versorgung
etc.)
D 2-4
A9
B4
C 3, 4
A 13
Milieutherapie
Ergotherapie
Berufliche Stabilisierung und Wiedereingliederung
Sport- und Bewegungstherapie
Psychotherapie
Soziale Stabilisierung und Wiedereingliederung
Milieutherapie
Ergotherapie
Berufliche Stabilisierung und Wiedereingliederung
Sport- und Bewegungstherapie
Psychotherapie
Ergotherapie
Soziale Stabilisierung und Wiedereingliederung
Psychotherapie: Motivationsförderung
Psychoedukation / Schulung / Information
Sport- und Bewegungstherapie
Soziale Stabilisierung und Wiedereingliederung
Soziale Stabilisierung und Wiedereingliederung
Psychotherapie: Maßnahmen zur Förderung sozialer
Kompetenz
Krisenmanagement
Entspannungstherapie
Medizinische Beratung und Behandlung
Psychoedukation / Schulung / Information
Psychotherapie
Psychotherapie
Krisenmanagement
Entspannungstherapie
Psychoedukation / Schulung / Information
Angehörigenarbeit
Soziale Stabilisierung und Wiedereingliederung
Nachsorge
Nachsorge
6.3 Therapieziele bei Rehabilitanden mit umweltmedizinischen Störungen
Die Therapieziele ergeben sich aus den jeweiligen Funktionsbeeinträchtigungen (s.o.) und
sind in Tabelle 6.3 den therapeutischen Maßnahmen gegenübergestellt. Die Rehabilitationsziele für die umweltmedizinischen Rehabilitanden wurden von den Leitlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) für allergische (BAR 2013) und für psychosomatische Erkrankungen (BAR 2010) abgeleitet. Spezifische Ausprägungen und Erweiterungen
für umweltmedizinischen Rehabilitanden sind kursiv gedruckt. Ergänzend aufgeführt sind die
entsprechenden Ziele der GRV (2002). Bei psychosomatischer Komorbidität gelten auch die
in Tabelle 6.1 genannten Ziele.
Die wichtigsten Ziele der rehabilitativen Behandlung von umweltmedizinischen Rehabilitanden sind wie folgt:
36

Behebung oder Verminderung von körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen

Lernen den Einfluss von Umweltfaktoren auf Intoleranzreaktionen und andere
Symptome zu erkennen und einzuschätzen

Aufbau von Bewältigungskompetenzen und Kompetenzen zur Krankheitsverarbeitung

Verminderung des Schweregrads der Beeinträchtigung der Aktivitäten oder
Wiederherstellung gestörter Fähigkeiten

Erhaltung oder Wiedererlangung der Teilnahme am sozialen und/oder beruflichen
Leben

Abbau von erkrankungsbedingtem Stress, negativen Gefühlen oder Angst
Tabelle 6.3: Therapieziele bei den umweltmedizinischen Rehabilitanden der DIAKO Nordfriesland (adaptiert aus BAR 2010 und BAR 2013 sowie GRV 2002)
Rehabilitationsziele: BAR (2010, 2013)
Allgemeine Rehabilitationsziele
1. Behebung oder Verminderung der Schädigungen
(einschließlich psychischer Funktionen)
2. Verminderung des Schweregrads der Beeinträchtigung
der Aktivitäten oder Wiederherstellung gestörter
Fähigkeiten
3. Kompensation (Ersatzstrategien)
4.
Adaptation/Krankheitsverarbeitung
5.
Einfluss von Umweltfaktoren auf Intoleranzreaktionen,
Schmerzauslösung, Schmerzverstärkung, Erschöpfung
und kognitive Defizite erkennen und erkennen lernen
Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und
Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen)
6. psychische Stabilisierung
7.
Verminderung von negativen Affekten wie Depression
und Angst
8.
Individuelle Toleranz gegenüber alltäglichen
Chemikalien verbessern
Individuelle Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln
verbessern
10. Korrektur dysfunktionaler Kognitionsmuster
GRV
(2002)
A1, A2
B1, B2, B3
A3, A4
B1, B2
D1-D5
A5
Gesamtkonzept
A8, A9,
A10, A11
C1
Gesamtkonzept
Gesamtkonzept
Gesamtkonzept
Information und Schulung
kognitiv-behaviorale Verfahren
GRV
(2002)
A1
A2
9.
A3
(Differenziertes Krankheitsmodell erarbeiten bzw. nicht
stimmige oder fixierte Krankheitsmodelle verändern)
11. Reduzierung von körperlichen Krankheitssymptomen
Therapeutische
Maßnahmen
A2
B1, B2, B3
Therapeutische
Maßnahmen
kognitiv-behaviorale Verfahren
Bewegungstherapie
Ernährungstherapie
kognitiv-behaviorale Verfahren
Psychopharmako-Therapie
Bewegungstherapie
Hyposensibilisierung
Information und Schulung
kognitiv-behaviorale Verfahren
Ernährungstherapie
Information und Schulung
kognitiv-behaviorale Verfahren
Information und Schulung
Bewegungstherapie
Entspannungsverfahren
37
Ernährungstherapie
12. Erkennen möglicher funktionaler Aspekte von
Krankheitssymptomen
13. Verbesserung der eigenen Kompetenz im Management
von Funktionsstörungen.
Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten
14. Verbesserung der Beziehungsfähigkeit
A3
A3, A4
GRV
(2002)
A6
15. Erwerb von Problemlösefähigkeiten
(Konfliktmanagement)
A7
16. Optimierung der Krankheitsbewältigung
(Copingstrategien, Erlernen und verbessern, ungünstige Copingstrategien verändern)
A5
17. Verbesserung der Fähigkeit zur Freizeitgestaltung
D4
18. Verbesserter Umgang mit Belastungssituationen
(insbesondere Exposition und/oder Stress)
C4
D5
Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe
19. Erhalt oder Verbesserung der Mobilität (auch unter dem
Gesichtspunkt der Exposition)
GRV
(2002)
D5
20. Erhalt oder Verbesserung der sozialen
Integration/Reintegration (auch unter dem
Gesichtspunkt der Exposition)
D2
21. Erhalt oder Verbesserung im Bereich der Arbeit und
Beschäftigung (auch unter dem Gesichtspunkt der
Exposition)
D1
22. Erhalt oder Verbesserung der wirtschaftlichen
Eigenständigkeit
D1
Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren
GRV
(2002)
D1
23. Planung und Einleitung von Maßnahmen zur Teilhabe
am Arbeitsleben
24. Anleitung zur gesundheitsbewussten Ernährung und
Motivation zur Lebensstiländerung einschließlich Abbau
von Risikoverhalten (auch unter dem Gesichtspunkt
selbst herbeigeführter Exposition)
25. Anleitung zu Stressabbau/Stressbewältigung
C2, C3
C4
Psychodynamische Verfahren
kognitiv-behaviorale Verfahren
Information und Schulung
kognitiv-behaviorale Verfahren
Therapeutische
Maßnahmen
Information und Schulung
Psychodynamische Verfahren
Paar-und Familientherapie
Soziotherapie
Information und Schulung
kognitiv-behaviorale Verfahren
Information und Schulung
kognitiv-behaviorale Verfahren
Information und Schulung
Ergotherapie
Information und Schulung
Entspannungsverfahren
kognitiv-behaviorale Verfahren
Therapeutische
Maßnahmen
Information und Schulung
Hyposensibilisierung
Bewegungstherapie
Information und Schulung
Hyposensibilisierung
Paar- und Familientherapie
Soziotherapie
Information und Schulung
Hyposensibilisierung
Ergo- und Arbeitstherapie
Soziotherapie
Ergo- und Arbeitstherapie
Soziotherapie
Therapeutische
Maßnahmen
Information und Schulung
Soziotherapie
Arbeitsplatztraining
Information und Schulung
Ernährungstherapie
Indikative Gruppen
Nichtrauchertraining
Entspannungsverfahren
kognitiv-behaviorale Verfahren
38
26. Planung von Veränderungen in der häuslichen
Umgebung
D2, D3
27. Einleitung von Anpassung an Freizeitaktivitäten
D3, D4
28. Verbesserung des Informationsstandes über die
Krankheit
29. Umgang mit Notfallsituationen (z.B. bei Panikanfällen)
C1
30. Entwicklung von Strategien zum Abbau von
Risikoverhalten (z.B. Rauchen, Alkohol, Medikamenten,
Stress.)
31. Erlernen von Entspannungstechniken
B4, B5
C2, C3
32. bei Essstörungen: Erkennen der Funktionalität der
Essstörung mit dem Ziel eines gesunden Essverhaltens
und einer gesunden Körperwahrnehmung
B4
C3
C4
C4
Information und Schulung
Ergotherapie
Paar- und Familientherapie
Ergotherapie
Bewegungstherapie
Information und Schulung
Krisenmanagement
Entspannungsverfahren
Information und Schulung
Indikative Gruppen
kognitiv-behaviorale Verfahren
Entspannungsverfahren
Indikative Gruppen
Ernährungstherapie
kognitiv-behaviorale Verfahren
psychodynamische Verfahren
39
7. Dauer der Therapie
Die Dauer der Therapie richtet sich nach den Schwerpunkten und liegt zwischen 3 Wochen
und 8 Wochen.
8. Aufnahme, Diagnostik und Ablauf der Therapie
Die Aufnahme erfolgt nach einer Kostenzusage durch den Rehabilitationsträger.
Die Therapie gliedert sich in folgende Schritte:
1. Diagnostische Maßnahmen vor Einleitung der Therapie
 Somatodiagnostik
 Psychodiagnostik
 Soziodiagnostik
 Sonstige Diagnostik (z.B. zu komorbiden Störungen)
2. Erstellung eines Therapieplanes und Definition der Therapieziele
3. Einsatz spezifischer Therapieangebote
4. Überprüfung des Erfolgs der Therapie und falls erforderlich Modifizierung des Therapieplanes oder der therapeutischen Maßnahmen
5. Einleitung von Nachsorgemaßnahmen
9. Behandlungsteam
Fachärztinnen, Psychotherapeutinnen, Sozialpädagoginnen, Sozial-, Ergo, Musik - und Bewegungstherapeutinnen sowie Pflegekräfte engagieren sich gemeinsam für die Gesundung
der Patienten. Ernährungsfachkräfte ergänzen das Team.
10. Ausstattung
Für die Patienten stehen Ein- und Zweibettzimmer mit Nasszelle zur Verfügung.
Es bestehen weiterhin Räumlichkeiten für Therapieveranstaltungen, Multifunktionsräume,
Aufenthaltsräume und Teeküchen.
Es besteht ein separater Wohnbereich für Frauen.
Es gibt Patienten-Telefone und Patienten-PCs. Die Ausstattung ist barrierefrei.
Breklum und das nahe Bredstedt sind touristisch erschlossene Orte mit historischen Ortskernen nur einige Kilometer von der Nordsee entfernt mit entsprechenden Möglichkeiten für
Bewegung und Erholung.
40
In unserem "Raum der Stille" können die Patienten entspannen, nachdenken, meditieren,
beten oder einfach nur zur Ruhe kommen.
11. Qualitätssicherungsmaßnahmen und Dokumentation
Es erfolgt die regelmäßige Teilnahme an dem Qualitätssicherungsprogramm nach DIN EN
ISO 9001:2008.
Für jeden Patienten wird eine Dokumentation angelegt, aus der alle therapierelevanten Diagnosen, Befunde sowie die durchgeführten/geplanten Therapieformen entnommen werden
können.
Die Dokumentation umfasst:

sämtliche erhobene anamnestische Daten, klinische Befunde und deren Interpretation

die Therapieziele

einen
individuellen
Therapieplan
betreffend
Art,
Häufigkeit
und
Intensität
der
Behandlungselemente

die Bewertung des Therapieerfolges durch Zwischenuntersuchungen in bestimmten
Zeitabständen

die Abschlussuntersuchung/-befundung

die Angaben zu den Visiten und Teambesprechungen/Fallkonferenzen

den Entlassungsbericht.
Zusätzlich werden an der DIAKO Nordfriesland Erhebungen zur Patientenzufriedenheit
durchgeführt und quartalsweise ausgewertet und diskutiert. Die Klinik verfügt über ein internes Beschwerdemanagement, das von Patienten wie von Mitarbeitenden genutzt werden
kann.
12. Vor- und Nachsorge: Vernetzt behandeln - Therapieerfolg sichern
Gerade bei komplexen Störungsbildern sind vernetzte Behandlungsangebote notwendig.
Bei fast allen Erkrankungen aus den Fachbereichen der DIAKO Nordfriesland gGmbH handelt es sich um komplexe Störungsbilder. Mehrfacherkrankungen und Überschneidungen mit
anderen Störungen (Komorbidität) sind eher die Regel als die Ausnahme.
So bestehen bei depressiven Störungen häufig gleichzeitig Angststörungen, Zwangsstörungen, Traumafolgestörungen und Abhängigkeitserkrankungen. Das Risiko von Rückschlägen,
Krisen und chronischen Verläufen ist bei diesen komplexen Störungsbildern generell hoch.
Die Behandlungsplanung hat dem Rechnung zu tragen.
Daher kann nur ein multimodales und vernetztes Therapiekonzept unter Einbezug von
Nachsorgeangeboten langfristig erfolgreich sein. Dieses muss alle individuellen Aspekte der
Erkrankung einbeziehen. Die Behandlung in den Einrichtungen der DIAKO Nordfriesland
41
gGmbH bietet dabei den Vorteil einer guten inneren Vernetzung des erforderlichen therapeutischen Angebotes. So sind - falls individuell erforderlich - Verlegungen in andere Abteilungen, sowie die unkomplizierte Vermittlung von Nachsorge- und Übergangsangeboten möglich. Unsere Partner bei der nachhaltigen Betreuung psychisch kranker und abhängigkeitskranker Menschen sind weiterhin externe Einrichtungen und Kooperationspartner (vgl. Abb.
12.1).
Innerhalb der DIAKO Nordfriesland gibt es weiterhin

Behandlungsmöglichkeiten in psychiatrischen Tageskliniken und Institutsambulanzen
als nachsorgende Maßnahmen oder zur Vermeidung stationärer Aufenthalte

Betreutes Wohnen in Wohnheimen und Wohngemeinschaften

Eingliederung, stationäre und ambulante Rehabilitation und Adaption

Tagesstätten, Arbeitsprojekte und Beschäftigungsmöglichkeiten, bspw. in der
Husumer Insel.
Abbildung 12.1: Interne und externe Vernetzung der DIAKO Nordfriesland
42
13. Referenzen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
APA - American Psychiatric Association (2001): Borderline personality disorder - Practice Guidelines, Leitlinie
zur Behandlung von Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung.
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