Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Chancenpotenziale und Erfolgsfaktoren Dr. Daniel Fischer Sandra Messerli Die verstärkte Konkurrenz unter den Standorten erfordert ein professionelles Marketing für die Städte und Regionen. Dabei sollten die Kräfte in den Bereichen Wohnortsmarketing, Tourismusmarketing, Wirtschaftsförderung und City Management optimalerweise unter dem Dach einer gemeinsamen Strategie gebündelt werden, um nach innen eine gezielte und abgestimmte Entwicklung und nach aussen eine optimale Marktwirkung zu erzielen. Dabei liegen im Bereich der Übernahme von integralen Standortmarketing-Aufgaben interessante Entwicklungspotenziale für die Tourismusorganisationen. 1 Triebkräfte des Standortmarketings Die Globalisierung der Märkte und die Internationalisierung von Angebot und Nachfrage führte in den vergangenen Jahren zu einem laufend verstärkten Wettbewerb der Standorte um Touristen, Unternehmen und Einwohner. Die eindeutige Positionierung mit klarem Wettbewerbsprofil erfordert eine integrale Standortstrategie, konzertierte Aktivitäten der verschiedenen Vermarktungsorganisationen sowie eine konsequente Marktorientierung. Abbildung 1: Triebkräfte des Standortmarketings ____________________________________________________________________________ Wettbewerb der Standorte Begrenzte Schlagkraft der Vermarktungsorganisationen Standortmarketing als Lösungsansatz Synergiepotenziale Herausforderungen im Marketing ____________________________________________________________________________ Quelle: Eigene Darstellung Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Als Ursachen verstärkten Standortwettbewerbs wirken mehrere Einflussfaktoren: • Wirtschaft: Der Abbau von Handelsbeschränkungen, die erhöhte Mobilität der Produktionsfaktoren, die zunehmend hohen Standards an Infrastrukturen und der leichte Zugang zu kostengünstigen Produktionsstandorten heizen den Wettbewerb ebenso an wie die zunehmende Tendenz der Flexibilisierung im Bereich der internationalen Arbeitsteilung. • Tourismus: Das globale Tourismusangebot wird durch den Markteintritt neuer Destinationen ausgeweitet. Insbesondere die preisliche Entwicklung im Transportbereich hat dazu geführt, dass Destinationen global in Tagesfrist erreichbar werden. • Einwohner: Der Trend der Abwanderung aus den Randgebieten und den städtischen Zentren in die Agglomerationen führt dazu, dass die Standorte aktives Marketing um die Steuerzahler betreiben müssen. Im Falle der Städte scheint sich dies bereits auszuzahlen, der Trend hat sich in der letzten Zeit umgekehrt. • Generell besteht durch die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie eine globale Transparenz des Angebots. • Durch die Neue Regionalpolitik des Bundes wird in der Schweiz der Wettbewerb der Regionen zusätzlich verstärkt. Es werden dabei aber auch Kreativität und regionale, kooperative Anstrengungen belohnt. Jeder Vermarktungsbereich eines Standorts (Tourismus/Freizeit, Wirtschaft, Einwohner) hat dieselben generellen Herausforderungen im Marketing zu meistern: Die Welt wird kleiner und das Angebot grösser, währenddem die Nachfrage komplexer und unsteter wird. In vielen traditionellen Tourismusgebieten und Städten stagniert die Nachfrage seit Jahren. "Auffallen" heisst deshalb die Devise. Die Aufmerksamkeit ergibt sich aus "Kreativität x Wiederholung" oder anders ausgedrückt aus "Klotzen statt Kleckern". Dafür sind hohe finanzielle Ressourcen nötig, die bei allen Vermarktungsorganisationen der Standorte (Tourismusorganisationen, Wirtschaftsförderungsstellen und Einwohnermarketing) begrenzt, wenn nicht zu klein sind. Damit fehlt die erforderliche Schlagkraft. Zudem sind in der Vermarktung erhebliche Synergiepotenziale vorhanden. Dies beispielsweise im Bereich Markenmanagement. In den meisten Regionen besteht ein regelrechtes Potpourri unterschiedlicher Logos, mit welchen auf dem Markt mit unterkritischen Budgets nie ein einheitliches Markenprofil aufgebaut wird. Weitere Synergien sind in denjenigen Aktivitäten und Promotionsplattformen zu finden, wo sich die Zielgruppen und Zielmärkte überschneiden (z. B. im Bereich Kongresstourismus und Wirtschaft). Folgende Darstellung zeigt die Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Dimensionen des Standortmarketings. Abbildung 2: Wechselbeziehungen im Standortmarketing ____________________________________________________________________________ Ne tzw Wirtschaft (Unternehmen) rt we eit eit eiz th Fr nn ka Be er Ge k s to ch ur äf im tsus Tourismus Arbeitsplätze Einwohner Arbeitskräfte ____________________________________________________________________________ Quelle: Nach Bieger, 2003 Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Fazit Eine Region bzw. ein Standort muss sich durch Konzentration auf seine strategischen Erfolgspositionen und deren konsequente Weiterentwicklung ein wettbewerbsfähiges Profil geben. Dabei soll ein "Standortbewusstsein" erreicht werden, das dieses Profil auch nach innen verankert. Auf Ebene der Akteure ist eine optimale Vernetzung anzustreben. Für die Tourismusorganisationen als Marketingkompetenzzentren ergibt sich hier eine Chance, sich von der reinen Tourismusmarketingorganisation zu einem Leader im Standortmarketing weiterzuentwickeln. 2 Die moderne Standortmarketing-Konzeption Die folgende Abbildung zeigt die Bausteine einer modernen Standortmarketing-Konzeption im Überblick: Abbildung 3: Bausteine der Standortmarketing-Konzeption ____________________________________________________________________________ Standortstrategie (Vision, Ziele Werte; Kompetenzfelder) Wirtschaftsförderung Wohnortsmarketing Vernetzung nach aussen (Public Private Partnerships) City-Management Kompetenzfelder mit Potenzial für Spitzenleistungen Standortvermarktung Tourismus-Marketing Standortprofilierung Dienstleistungsorientierte Verwaltung Markenmanagement Basisfaktoren und komplementäre Faktoren Führungsinstrumentarium Strategische Projekte Strukturen Ressourcen (Finanzen, HRM) Realisierungsprogramm ____________________________________________________________________________ Quelle: Eigene Darstellung Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Das Dach einer integrierten Standortmarketing-Konzeption bildet eine gemeinsame Standortstrategie, die mit den verschiedenen Trägern des Standortmarketings erarbeitet wird. Diese bildet die Basis für nachhaltiges Wachstum und für die Erzielung von Vorteilen im Standortwettbewerb. Zu dieser Dachstrategie gehört eine gemeinsam getragene Vision, die als eine Art "Stern von Bethlehem" die allgemeine Richtung der Entwicklung aufzeigt. Weiter sind konkrete und messbare Ziele für die Standortentwicklung und für die Standortvermarktung zu definieren. Die Profilierungspotenziale für den Standort sind durch die Beantwortung der Frage "Wo bestehen im internationalen Kontext die besten Wettbewerbsvorteile (Unique Place Propositions, UPP)?" zu eruieren. Zusätzlich zu den "physischen" Profilierungsmerkmalen gilt es zudem die Werte zu definieren, mit denen ein Standort in Verbindung gebracht werden soll. Standortmarken stehen für ein Leistungsbündel eines Netzwerks von Partnern. Die Führung von Standortmarken ist im Unterschied zu Unternehmensmarken (eigene Produkte und Dienstleistungen; Markenführung als Managementaufgabe) eine Koordinationsaufgabe aller Standortakteure. Die Vermarktungspartner sollten daher gemeinsam eine integrale Standortmarke entwickeln und führen und ein einheitliches Erscheinungsbild (visuell, inhaltlich) gegen aussen sicherstellen. Dabei ist eine geeignete Markenarchitektur zu wählen. Abbildung 4: Markenführung im Vergleich ____________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________ Quelle: MetaDesign Suisse AG, Zürich Zum Standortmarketing-Konzept gehören verschiedene Vermarktungsdimensionen: • Das Tourismusmarketing oder Destinationsmarketing ist verantwortlich für die Vermarktung der Tourismusdestination mit dem Ziel, Ankünfte, Frequenzen und Logiernächte zu steigern und die touristische Wertschöpfung in der Region zu erhöhen. Dabei ist neben der Promotion insbesondere auch die Produktentwicklung – hierzu gehören auch stimmige Dienstleistungsketten für die Gäste – aktiv, professionell und in Zusammenarbeit mit den stärksten Leistungsträgern anzugehen. Dieser Bereich wird in der Regel von den lokalen Tourismusorganisationen abgedeckt. Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing • Die Wirtschaftsförderung befasst sich mit der Ankurbelung der Wirtschaft in der entsprechenden Region. Dabei geht es einerseits um die Neuansiedlung von Unternehmen (exogene Wirtschaftsförderung) durch Anreize wie Steuervergünstigungen oder Zurverfügungstellen von Bauland (Fokus "Kundengewinnung"). Andererseits besteht eine zentrale Aufgabe der (endogenen) Wirtschaftsförderung in der Unterstützung der Entwicklung der ansässigen Unternehmen beispielsweise mit Vorzugskrediten, Beratung und Unterstützung bei Erweiterungen, Beseitigung von Innovationshemmnissen, beschleunigte Bewilligungsverfahren etc (Fokus "Kundenbindung"). Das Ziel sollte dabei sein, themen- bzw. branchenorientierte Cluster zu bilden, um fruchtbare lokale Netzwerke zu fördern. Die Wirtschaftsförderung liegt im Allgemeinen im Verantwortungsbereich der öffentlichen Verwaltung. • Wohnortsmarketing wurde als Disziplin entwickelt, da sich viele Städte, aber auch ländliche Regionen einer zunehmenden Abwanderung der Steuerzahler gegenübersahen. Mittels hochwertigem Immobilienangebot, hoher allgemeiner Lebensqualität, gut ausgebauten Infrastrukturen, attraktiven Arbeitsplätzen, moderaten Steuersätzen etc. und der entsprechenden Kommunikation dieser Standortstärken sollen aktiv Einwohner angezogen bzw. vom Wegzug abgehalten werden. Auch das Wohnortsmarketing ist Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, die Promotion wird sinnvollerweise in Kooperation mit privaten Immobilienfirmen betrieben. Wohnortsmarketing wird zum Teil sehr aktiv und engagiert betrieben (vgl. z. B. die Wohnortsmarketing-Aktion des Kantons Glarus im Zürcher Oberland im Jahr 2005) • City-Management befasst sich mit der Attraktivierung der Zentren als Freizeit- und Shoppingzentren, um diese zu beleben und als Mittel- und Identifikationspunkt der Stadt oder Region zu positionieren. Auslöser der Entwicklung des City-Managements ist hauptsächlich das Gewerbe, das mit zunehmender Konkurrenz von Seiten der GrossEinkaufszentren der Peripherie zu kämpfen hat. Durch Animation (kleinere und grössere Veranstaltungen), eine attraktive Verkehrssituation, aktives Management des Branchenmixes ("Clustering") und Einflussnahme auf die Gestaltung der Innenstadt sollen die Leute zum Verweilen in den Zentren animiert werden. Neben der Vermarktung steht insbesondere die Produktdimension im Vordergrund. Im Rahmen der Standortprofilierung sind Kompetenzfelder mit Potenzial für Spitzenleistungen zu definieren und konsequent zu stärken. Im Zuge der zunehmenden Werteorientierung der Gesellschaft müssen zudem echte Werte geschaffen und kultiviert werden, welche die Region auszeichnen. Dabei braucht es Mut zur Radikalität, zur Konzentration auf wenige, wesentliche Qualitätsmerkmale, z. B. "authentisch", "persönlich", "gesund", etc. Massstab und Messlatte ist immer die angestrebte "Alleinstellung des Standortes". Die konsequente Markt- und Wettbewerbsorientierung erhält deshalb das Primat. Abbildung 5: Produktdimension des Standortmarketings ____________________________________________________________________________ Werte Internes Potenzial Spitzenprodukte Image/ Profilierung Wirkung am Markt ____________________________________________________________________________ Quelle: Eigene Darstellung Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Voraussetzung für ein funktionierendes Standort-Netzwerk ist eine dienstleistungsorientierte öffentliche Verwaltung, die sich als unternehmerisch denkender und unbürokratisch handelnder Partner profiliert. Zur Definition der Spitzenprodukte bzw. der echten Profilierungsmerkmale eines Standortes kann das Dominanz-Standard-Modell (nach Kühn) herangezogen werden: Abbildung 6: Dominanz-Standard-Modell im Standortmarketing ____________________________________________________________________________ gering gross Bedeutung für die Nachfrager Standardfaktoren (Basisfaktoren) Dominante Faktoren (Profilierungsfaktoren) Komplementäre Faktoren gering gross Gestaltungsspielraum ____________________________________________________________________________ Quelle: in Anlehnung an Kühn, 1997 In der Standortstrategie werden drei Typen von Standortfaktoren unterschieden: Die "dominanten Faktoren" stellen die echten Profilierungsfaktoren dar und weisen damit das relativ grösste Potenzial zur Differenzierung (Kriterium der Alleinstellung) von der Konkurrenz im internationalen Standortwettbewerb auf. Die "Standard- oder Basisfaktoren" umfassen die grundlegenden, notwendigen Funktionen eines Standorts (= Standards). Ihr Vorhandensein ist zwingend, damit ein Standort wettbewerbsfähig ist, sie enthalten jedoch nur geringes Potenzial für eine Abhebung von der Konkurrenz. Die "komplementären Faktoren“ schärfen in ergänzender Funktion die Einzigartigkeit des Standorts. Aufgrund ihrer begrenzten Bedeutung für die Nachfrager können sie eine echte Profilierung (aus Marktsicht) nicht alleine erreichen. Die Prioritäten in Entwicklung und Vermarktung des Standorts sind klar bei den dominanten Faktoren zu setzen. Zur Umsetzung der definierten Standortstrategie sind konkrete strategische Projekte zu definieren. Dabei ist es wichtig, neben Einzelprojekten auch bereichs- und partnerübergreifende Projekte, die den Standort als Ganzes stärken, zu realisieren. Betreffend Strukturen gibt es kein Patentrezept. In der Praxis entwickeln sie sich pragmatisch. Oft muss man sich zumindest in einer ersten Phase an den bestehenden Organisationen orientieren. Nicht selten übernimmt zu Beginn die öffentliche Verwaltung den Lead im Standortmarketing, indem innerhalb der Administration eine Abteilung "Standortmarketing" geschaffen wird. Wichtig ist aber in einer zweiten Phase die Entkopplung von der Politik, es sollte also eine eigenständige, flexible Standortmarketing-Organisation geschaffen werden. Funktionierende Koordinationsgremien (Phase 1) könnten zu wirksamen integralen Standortvermarktungsgesellschaften weiterentwickelt werden (Phase 2). Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Die Finanzierung des Standortmarketings erfolgt idealerweise in Form eines Public-PrivatePartnerships, also gemeinsam von öffentlicher Hand und privaten Partnern. Dabei übernimmt die öffentliche Hand in der Regel die "Betriebskosten", die privaten Partner beteiligen sich projektbezogen. Wichtig ist es, als konkreten Handlungsleitfaden ein mehrjähriges Realisierungsprogramm mit Schwerpunktprojekten für jedes Jahr zu definieren. Dabei sollte man sich auf wenige, Kernprojekte konzentrieren, die den jeweils grössten Hebel für die Positionierung des Standorts aufweisen. Die Projekte sollten gleichermassen Akzente nach innen und nach aussen setzen. 3 Nutzen des Standortmarketings Nur wenn „Präsentationsbild“ und tatsächliches „Erscheinungsbild“ eines Standortes übereinstimmen, können mittels Standortmarketing mittel- bis langfristig Vorteile im Standortwettbewerb erzielt werden. Diese Tatsache erfordert – wie oben bereits erwähnt – eine enge Vernetzung von Standortvermarktung und Standortprofilierung. Dabei nimmt das Standortmarketing jeweils unterschiedliche Rollen ein. Abbildung 7: Nutzen und Rollen des Standortmarketings ____________________________________________________________________________ Kompetenzfelder Legislaturprogramm Weitere Strategien Werte Image des Standortes Wirkung nach aussen Standortstrategie Impulse Basisaktivitäten des Standortmarketings Standort Lead Impulse Märkte Spezifische Projekte Standortprofilierung Standortvermarktung ___________ ___________ ___________ ___________ ___________ ___________ ___________ ___________ Externe (private) Partner Wirkung nach innen ____________________________________________________________________________ Quelle: eigene Darstellung Währenddem das Standortmarketing im Bereich der Standortvermarktung (Fokus "Märkte") die Führungsfunktion ("Lead") inne hat, nimmt es im Bereich der Standortprofilierung ("Fokus Standort") die Rolle des Impulsgebers zur Weiterentwicklung ein. Dabei soll es als MarketingKompetenzzentrum die Marktsicht einbringen, damit das "Produkt Standort" konsequent gemäss den Anforderungen der Nachfrager entwickelt wird. Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Der Nutzen des Standortmarketings kann wie folgt beschrieben werden: • Nach aussen führt das Standortmarketing zu einem einheitlichen, klaren Auftritt, womit ein eindeutiges Image und eine klare Positionierung des Standortes erreicht werden kann. Durch die Bündelung der Kräfte im gemeinsamen strategischen Rahmen kann die Wirkungsschwelle auf dem Markt überschritten werden. Die Wirkung der gemeinsamen Aktivitäten ist dabei grösser als die Summe der Einzelaktivitäten der Partner (1+1=3). • Nach innen führt das Standortmarketing zu einer positiven Wahrnehmung bei der Bevölkerung und bei den privaten Partnern (professionelle Netzwerke). Zudem wird der Standort dank der "Aussensicht", welche das Standortmarketing einbringt, marktorientiert weiterentwickelt, die Kompetenzfelder entsprechend gepflegt und gestärkt. 4 Erfahrungen in der Umsetzung Critical Issues in Standortmarketing-Prozessen Die Erfahrung im Rahmen der Entwicklung bzw. der Einführung von StandortmarketingKonzepten dokumentiert folgende kritische Punkte: Abbildung 8: Critical Issues in Standortmarketing-Prozessen ____________________________________________________________________________ Markensystem Entwicklungsprozess Organisation Critical Critical Issues Issues in in StandortmarketingStandortmarketingProzessen Prozessen Marktfokus Finanzierung Strategische Projekte ____________________________________________________________________________ Quelle: eigene Darstellung Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Das Markensystem ist immer wieder Gegenstand teils emotional geführter Diskussionen. Die Bedenken, optisch "von der Bildfläche" zu verschwinden, sind bei den beteiligten Partnern jeweils gross. Die Verteidigung der Interessen der eigenen Organisation wird über die "Gemeininteressen" des Standortes bzw. die Marktsicht gestellt. Hier ist es wichtig, den beteiligten Partnern den Nutzen des gemeinsamen Auftritts sowie die aus Marketingsicht finanziell und wirkungsmässig unsinnige Flut von Marken und entsprechenden visuellen Auftritten klar vor Augen zu führen. Zudem gilt es, ein sinnvolles Markensystem zu definieren, das allen Beteiligten einen maximalen Nutzen stiftet und gleichzeitig mehrheitsfähig ist. Die Organisationsform sollte individuell auf die Verhältnisse des jeweiligen Standorts angepasst werden. In jedem Falle sind private Partner organisatorisch einzubinden, sei es ad hoc projektbezogen oder permanent im Rahmen von übergeordneten Koordinationsgremien oder Markenräten. Der Hauptpunkt, den es im Rahmen der Organisation des Standortmarketings zu beachten gilt, ist die Institutionalisierung desselben. Es braucht zwingend eine Stelle, welche die klare Leadership in der Realisierung des Standortmarketings im Allgemeinen und der strategischen Projekte im Speziellen übernimmt und als "Kristallisationspunkt" wirkt. Die Verantwortung für das Standortmarketing soll dabei bei jener Person/Institution liegen, welche die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Standortmarketing mitbringt. Die Finanzierung bildet oft ebenfalls eine der höheren Hürden im Rahmen der Entwicklung des Standortmarketings. Der Entwicklungsprozess des Standortmarketings sollte von der öffentlichen Hand übernommen werden. Damit soll ein Zeichen des Aufbruchs gesetzt werden. Auch während des Betriebs sind oft öffentliche Gelder nötig, da die Vermarktungsorganisationen über zu geringe finanzielle Ressourcen verfügen. Bei einer selbständigen (ausserhalb der öffentlichen Verwaltung angesiedelten) StandortmarketingOrganisation ist eine klare Leistungsvereinbarung zu definieren. Darin werden die zu erfüllenden Aufgaben und vor allem die zu erreichenden Ziele festgelegt, die an den finanziellen Beitrag der öffentlichen Hand geknüpft sind. Zusätzlich sind private Mittel zu generieren. Hierzu sind konkrete, innovative Projekte gefragt, von deren Nutzenstiftung auch private Unternehmen überzeugt sind. Die Umsetzung der Aktivitäten ist durch ein wirksames Controlling zu begleiten, damit der Erfolg permanent nachgewiesen werden kann. Damit ein Standortmarketing Erfolg hat, müssen die richtigen strategischen Projekte ausgewählt werden. Dabei gilt es, diejenigen Projekte prioritär zu behandeln, welche die potenziell grösste Wirkung in den Bereichen Standortprofilierung oder Standortvermarktung erzielen können. Die Individualinteressen der einzelnen Standortakteure sind der Aussensicht unterzuordnen. Auch hier ist oft Überzeugungsarbeit nötig. Ein Hauptproblem im Rahmen von Standortmarketing-Prozessen ist generell die fehlende Marktsicht. Insbesondere die öffentlichen Verwaltungen sind von einer starken Innensicht und damit von einem Selbstbild geprägt, das sich nicht unbedingt mit dem für den Erfolg des Standorts relevanten Fremdbild deckt. Die Mechanismen des Marktes sind hier ausführlich zu erklären, die Bedürfnisse der Nachfrager klar darzulegen. Eine Fokussierung auf die grössten Positionierungshebel ist unerlässlich. Während des Entwicklungsprozesses sind die relevanten lokalen Partner in sinnvoller Weise einzubinden. Die Vermarktungsorganisationen (Tourismusorganisation, City-Management, öffentliche Verwaltung, evtl. Wirtschaftsförderung) sind permanent im Rahmen der Projektorgane zu integrieren. Weitere Partner, insbesondere grosse private Firmen und touristische Leistungsträger, sind im Rahmen von Workshops oder von bilateralen Interviews einzubeziehen. Durch Kombination der Top-down- und Bottom-up-Ansätze und mit einem professionellen Projektmanagement kann ein optimales Ergebnis erzielt werden. Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Abbildung 9: Entwicklungsprozess der Standortstrategie ____________________________________________________________________________ Top down Standortstrategie Professionelles Projektmanagement Bottom up Leadership Workshops mit lokalen Methodik Partnern Analyse ____________________________________________________________________________ Quelle: eigene Darstellung 5 Entwicklungspotenziale für Tourismusorganisationen Die Erfahrungen der Praxis zeigen, dass die Entwicklung der Destinationen mit der Bildung von Destinationsmarketing-Organisationen (DMO) nicht abgeschlossen ist, sondern – im Gegenteil – damit erst beginnt. Im Zuge des härteren Wettbewerbs und der höheren erforderlichen Budgets und gleichzeitig knapper werdender Ressourcen sind weitere Entwicklungs- und Kooperationspotenziale auszuschöpfen. Genau hier erweisen sich die historisch gewachsenen Strukturen und Abläufe aber als zäh, unternehmerisches Denken und Handeln kommt noch zu wenig zur Entfaltung. Hier ist insbesondere auch eine Professionalisierung des strategischen Managements der Tourismusorganisationen (Vorstände, Stiftungs- und Verwaltungsräte) notwendig, damit die Organisationen in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden können. Dazu gehört auch die Prüfung von stärker marktund wettbewerbsorientierten Unternehmensmodellen der DMO (z. B. Aktiengesellschaften). Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Die nachfolgende Abbildung Tourismusorganisationen: zeigt mögliche Entwicklungsrichtungen der Abbildung 10: Entwicklungspotenziale für Tourismusorganisationen ____________________________________________________________________________ Destinationsmanagement Strategische Kooperationen d Dienstleistungen für Dritte e c Standortmarketing f Basis: Klassische Rolle der DMO im Tourismusmarketing ____________________________________________________________________________ Quelle: eigene Darstellung Es zeigt sich, dass die einzelnen Destinationen in manchen Bereichen eine unterkritische Grösse aufweisen und damit nicht vollständig wirksam sein können. Um beispielsweise im Back-office-Bereich Kosten zu senken und marktseitig die Wirkungsschwelle überschreiten zu können, sind strategische Kooperationen unabdingbar. Diese können branchenintern (andere Tourismusorganisationen, touristische Leistungsträger), sollten insbesondere aber auch branchenextern (Unternehmen mit gleichen Visionen, Zielgruppen, Werten und Business Systems) gesucht werden. In den Tourismusregionen ist die Konzentration der Kräfte nach wie vor unzureichend. Die internen Strukturreformen (Reduktion der Anzahl Tourismusorganisationen) sind konsequent weiterzuführen. Eine vertikale Integration innerhalb der Destinationen bzw. die Entwicklung von Resortmodellen ermöglicht zudem ein integrales Destinationsmanagement. Die Ausgestaltung des gesamten Marketingmixes (Product, Price, Promotion, Place, Processes, Physical Facilities, People) kann "aus einer Hand" erfolgen. Die Rolle des "leading agents" in Destinationen kann allerdings auch seitens der Bergbahnen (Beispiele in Engelberg und Flims Laax Falera) wahrgenommen werden. Eine Möglichkeit, interne Kapazitäten besser auszulasten und zusätzliche Mittel zu generieren, bilden Dienstleistungen für Dritte, beispielsweise in den Bereichen Finanzen/Administration oder Marketing Services. Eine Weiterentwicklung der Tourismusorganisationen in Richtung Standortmarketing ist in unterschiedlichem Umfang bzw. in unterschiedlicher Tiefe möglich. Dabei kann die Tourismusorganisation verschiedene Rollen in der "Marketingabteilung des Unternehmens Standort" einnehmen: • Verantwortlichkeit für die Standort-Markenführung: Oft ist die Tourismusorganisation derjenige Standort-Partner mit den ausgeprägtesten Kompetenzen im Bereich Markenführung. Zudem ist die Tourismusmarke in der Regel auch die am besten etablierte Marke einer Region. Damit bestehen gute Voraussetzungen, die Tourismusmarke unter der Führung der Tourismusorganisation zur Standortmarke zu erweitern. Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing • Erweiterung des Kerngeschäfts (New Business) um zusätzliche StandortmarketingAufgaben (z. B. City-Management, Dachkommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, evtl. auch Einwohnermarketing) und damit Entwicklung zur integralen Standortmarketing-Organisation. Dieser Entwicklungsschritt beinhaltet selbstverständlich auch die Erweiterung der Ressourcen mit dem entsprechenden Know-how in den neuen Geschäftsfeldern. • Lead im gesamten Entwicklungsprozess des Standortmarketings: Die Tourismusorganisationen als Marketing-Kompetenzzentren sollten die Entwicklung des Standortmarketings aktiv angehen und prägen. Insbesondere die Marktsicht ist konsequent und mit der nötigen Hartnäckigkeit zu vertreten. Welche Rolle die Tourismusorganisation im Entwicklungsprozess und anschliessend in der Umsetzung des Standortmarketings effektiv einnimmt, hängt ab von der lokalen Konstellation der Partner sowie vom Mass an Professionalität in Management und Marketing, welches die Tourismusorganisation einbringen kann. Je nach Ausrichtung und Weiterentwicklung der DMO müssen deren Rechtsform bzw. deren "stakeholder"-Konzept reflektiert und angepasst werden. 6 Fazit: Erfolgsfaktoren einer integrierten Standortmarketing-Konzeption Erfolgsfaktor 1: Gemeinsame integrale Standortstrategie • Standortmarketing ist durch einen gemeinsamen Strategiefindungsprozess zu initiieren. • Es braucht eine gemeinsame Vision ("Stern von Bethlehem"), um eine gemeinsame Identität nach innen und aussen zu schaffen. • Die Strategie muss sich konsequent auf die Stärken (Profilierungspotenziale) eines Standorts fokussieren (Es braucht "Mut zur Konzentration"). • Es muss ein integriertes Konzept geschaffen werden, das transversal über die Organisationsgrenzen hinweg greift und verstanden wird. Erfolgsfaktor 2: Fokus nach innen und nach aussen • Fokus nach aussen: Maximale Marktwirkung durch gemeinsame Projekte und einen einheitlichen visuellen und inhaltlichen Auftritt (Standortvermarktung) • Fokus nach innen: Stetige Weiterentwicklung und Stärkung der Kompetenzfelder (Standortprofilierung) Erfolgsfaktor 3: Leadership und Professionalität ("Best of"-Ansatz) • Leadership in der Entwicklung: Standortmarketing ist Chefsache • Leadership in der Realisierung: Es braucht die richtigen Leute – Performer und Marketer sind gefragt. • Standortmarketing muss genauso professionell geplant und umgesetzt werden wie unternehmensbezogenes Marketing; die Arbeit soll nach modernen ManagementPhilosophien erfolgen ("der Standort als Unternehmen"); es gilt, für jede Aufgabe den "best Performer" zu finden. • Ein konsequentes Controlling, welches laufend die Nutzenstiftung der Aktivitäten des Standortmarketings dokumentiert, sollte eingeführt werden. Erfolgsfaktor 4: Commitment der Standort-Partner • Es braucht ein klares politisches und unternehmerisches Commitment der wichtigsten Beteiligten • Das Engagement und Commitment der beteiligten Standort-Partner entscheidet über den Erfolg der interorganisationalen Vernetzung. Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Erfolgsfaktor 5: Public Private Partnerships (PPP) • Realisierung von gemeinsamen strategischen Projekten, welche durch eine breite Trägerschaft gestärkt werden. • Vernetzung der lokalen Akteure als Erfolgsfaktoren von Standorten: Konzentration jedes Akteurs auf seine Kernkompetenzen bei maximaler Ausnutzung der Synergien • Integration der relevanten Partner in geeigneter Form bereits im Rahmen der Entwicklung des Standortmarketings. Erfolgsfaktor 6: Individuelle, den Gegebenheiten der Standorte angepasste Lösungsmodelle • Die jeweils unterschiedlichen lokalen Strukturen sind bei der Entwicklung des Standortmarketings zu berücksichtigen. • Das Machbare muss allenfalls in einer ersten Phase dem Wünschbaren vorgezogen werden; es ist besser, pragmatisch zu starten und das System in einer zweiten Phase weiterzuentwickeln, als gar nichts zu tun. • Auf "Change Agents" setzen, auf "Bremser" verzichten. Erfolgsfaktor 7: Primat der Marktorientierung • Die Marktsicht als Basis aller Entscheidungen • Entpolitisierung: Entrepreneurship statt politische Hemmnisse Erfolgsfaktor 8: Professionelles Projektmanagement • Die Entwicklung und Umsetzung des Standortmarketings ist ein komplexer (Koordinations-) Prozess. • Methodenund Prozesskompetenz, Leadership und Professionalität sind erfolgsentscheidend. Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing Literaturverzeichnis Balderjahn, I., Standort-Marketing, Stuttgart 2000 Bieger, T., Vom Tourismusmarketing zum Standortmarketing-Umfeld, Handlungsbedarf und strategische Stossrichtungen für die Weiterentwicklung von Tourismusorganisationen, Referat anlässlich des VSTM Managementseminars 2003, Les Diablerets 2003 Bosshart, D., Warum Werteorientierung im Tourismus wichtiger wird, Referat anlässlich des 9. Schweizer Ferientags, St. Gallen 2006 Fischer, D. Dynamisierung im Prozess der Destinationsbildung, in: Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2004/2005, St. Gallen 2005 Fischer, D., Destinationsmanagement – Lehren und Impulse aus der Praxis, in: Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2002/2003, St. Gallen 2003 Internationale Schule für Touristik AG (Hrsg.), Strategisches Management von Destinationen, Zürich, 2006 Kühn, R., Marketing – Analyse und Strategie, 3. Auflage, Bern 1997 Scherer R., Standortmanagement als integrale Aufgabe für Städte und Regionen, Referat anlässlich der Schweizerischen Fachtagung für Stadt- und Regionalmarketing, Olten 2001 Schmid, J., Kleines Dorf. Grosse Welt., Referat anlässlich des 9. Schweizer Ferientags, St. Gallen 2006 Adressen der Autoren Daniel Fischer & Partner Management & Marketing Consulting Daniel Fischer, Dr. oec HSG Geschäftsleitender Partner Brüggbühlstrasse 32h 3172 Niederwangen Daniel Fischer & Partner Management & Marketing Consulting Sandra Messerli, lic. rer. pol. Beraterin Brüggbühlstrasse 32h 3172 Niederwangen Jahrbuch der Schweizerischen Tourismuswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG