Brauchen alle ein «Hollywood»? Es ist nicht von der Hand zu weisen: Die Kleinstädte und Gemeinden haben das Standortmarketing schon länger entdeckt. Stadt- und Gemeinderäte mutieren zu Managern und erklären das Schlagwort «Standortmarketing» zur Chefsache. Mit einem kräftigen Schub an Ideen und Aktionen werden neue Wege eingeschlagen. www.predicatori.ch MARKETING Brauchen alle ein «Hollywood»? Es ist nicht von der Hand zu weisen: Die Kleinstädte und Gemeinden haben das Standort­ marketing schon länger entdeckt. Stadt- und Gemeinderäte mutieren zu Managern und erklären das Schlagwort «Standortmarketing» zur Chefsache. Mit einem kräftigen Schub an Ideen und Aktionen werden neue Wege eingeschlagen. VON MARCO PREDICATORI* Oft fehlt es den kleineren Gemeinden an finanziellen Mitteln und kongruenten Marketingkonzepten und somit auch an der Umsetzung, während wirtschaftliche und finanzstarke Gemeinden und Städte zum richtigen Zeitpunkt auf die rich­ tige Karte gesetzt haben. Integrales Standortmarketing soll Städte, Gemeinden und externe Spezialisten zu einer pro­ zessorientierten Zusammenarbeit bewegen, damit das Vor­ haben «Standortmarketing» nicht zum Etikettenschwindel verkommt. Eine Revitalisierung braucht Zeit.Immer häufiger verspre­ chen sich Politikerinnen und Politiker von einem gezielten Standortmarketing die Lösung wirtschaftlicher, sozialer und politischer Probleme. Das Zauberwort «Standortmar­ keting» hat in den Verwaltungen längst Einzug gehalten. Theoretisch wird Standortmarketing als Antwort auf Pro­ bleme wie Finanzknappheit, wirtschaftliche Umstruk­tu­ rierungen, Betriebsschliessungen und veränderte Konsumund Freizeitgewohnheiten verstanden. Entsprechend sollen die Massnahmen mit einem gezielten Marketing die In­te­ressen der betroffenen Zielgruppen (Einwohner/innen, Arbeitnehmer, Verwaltung, Grossunternehmen, Gewerbe, Tourismus, Vereine) wahrnehmen. Ziel ist es, klare Wett­ bewerbsvorteile gegenüber anderen Kleinstädten oder Ge­ meinden zu erreichen. In der ganzen Euphorie werden Massnahmen formu­ liert, ein Budget erstellt und die Umsetzung vorangetrieben. Die Realität sieht meistens anders aus, vor allem dann, wenn eine Gemeinde bezüglich Budget, Standort und Image massiv an Boden verloren hat. Dieser Umstand zwingt die «Urheber», das Wort «Standortmarketing» neu zu definieren. Eine Amts­ periode von vier Jahren reicht unter Umständen nicht, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Umso wichtiger ist es, dass ein/e amtierende/r Gemeinde- oder Stadtpräsident/in sein/ ihr Konzept, zwingend an den neuen weitergibt und dieser die Aufgabe «Standortmarketing» weiterentwickelt und zum Erfolg führt. In vielen Fällen wird das Konzept auch nicht wei­ tergeführt oder «umgebaut», was wiederum neue Kostentrei­ ber hervorruft. Nachhaltigkeit ist eines der obersten Gebote, wenn es um Standortmarketing geht. Die Vision unter das Volk bringen.Ohne Vision keine Zu­ kunft, ohne klare Ziele kein langfristiger Erfolg. Eine Gemein­ de oder Stadt tut gut daran, für die Menschen, die in ihr leben, arbeiten oder Urlaub machen, eine Identität, ein Gesicht zu haben und damit Beständigkeit, Zuverlässigkeit und letztlich einen Mehrwert zu vermitteln. Wer sind wir? Wofür stehen wir? Welche Benefits haben unsere Anspruchsgruppen durch unser Handeln? Das können Fragen sein, die sich eine Ge­ meinde oder Stadt stellen sollte. Standortmarketing als Allheilmittel?Integrales Standort­ marketing kann nicht nur, es soll mehr als ein effizientes Instrument für die Aufwertung gesehen werden. Deshalb müssen z. B. die Stadtverwaltung und die Politik an dem Pro­ zess teilnehmen. In diesem Zusammenhang wird auf ver­ schiedenen Ebenen zwischen externen Spezialisten und der Stadtverwaltung (Taskforce) zusammengearbeitet. Das Ziel ist es, eine sogenannte Win-win-Situation zu schaffen, welche die Zusammenarbeit vertieft, damit längerfristig, die Erfolgs­ potenziale nutzenbringend eingesetzt werden können. Integrales Standortmarketing – interdisziplinär und modular. Das integrale Standortmarketing umfasst interdiszipli­ näre Aufgaben, welche durch eine Taskforce geplant, reali­ siert und kontrolliert werden. Dabei können auch externe Spezialisten mit einbezogen sein. Die Aufgaben sollten modu­ lar aufgebaut werden, damit eine sinnvolle und tragfähige Entwicklung des Standortes gewährleistet werden kann. Ein Beispiel einer Konzeptlandkarte mit möglichen Inhalten zum integralen Standortmarketing zeigt Abb. 1. Dieser lo­gische und konsequente Aufbau und Prozess ist die Basis für die daraus entstehende «Wirkungskette», die eine nachhaltige Wirkung auf die Umsetzung der Marketing- und Kommunikationsins­ trumente hat. Wirkungskette und deren Effekte.Bekanntlich hat jeder Prozess eine Wirkung auf eines oder mehrere Ziele zur Folge. Die Wirkungskette im Prozess des integralen Standortmar­ ketings kann verschiedene, gewünschte und positive Auswir­ kungen hervorrufen. Zum Beispiel kann durch ein optimales abgestimmtes und realistisches Konzept, die Kundenzu­ friedenheit, durch einen optimalen Service public, als eines der Hauptziele (Marketingfokus) signifikant gesteigert wer­ den. Dabei steht das Unterziel, wie «eine schneller Reaktions­ zeit bei Anfragen der Öffentlichkeit», in Korrelation zum er­ wähnten Hauptziel. Somit werden positive Effekte erzielt und ORGANISATOR Seite 36/37 Ausgabe 11/15–6. November 2015 Ausgangslage und/oder Problemstellung Bedürfnisse und Potenziale Analyse, Diagnose und Szenarienbildung • Kommunikation • Presse • Sponsoring • Publizistik Umsetzung Module Verzahnung und Marketingfokus Entwicklung Strategie, Ziele und Konzept Entscheid Stossrichtung • Leitbild Kompetenzen, Ressourcen, Realisierung Bildung Task Force, Ressourcen • Wirtschaftsförderung Budget und Controlling, Zielerreichung • Betriebsansiedlungen • Infosysteme • Regionalmesse • Aktionen • Markt Operative Planung und Realisierung der Massnahmen Investitionsbedarf Externe Partner • Frequenzen • Kultur • Anlässe Stadt-/Gemeindeorganisation Prozesse und Ergebnisse Input Output Feedback und Weiterentwicklung Konzept Struktur Optimierung, Weiterentwicklung Analyse, Bedürfnis Stadt-/ Gemeinde Quelle: Marco Predicatori / Pulpcom Marketingkonzept, Umsetzung Vision, Workshop, Ziele, STRATEGIE Task Force, Richtlinien, Ressourcen Abb. 1: Integrales Standortmarketing als interdisziplinäre Aufgabe. Prozess Ergebnis Abb. 2: Integrales Standortmarketing, Multiplikationseffekte durch prozessorientierte Wirkungskette. Phase 1 Analyse Phase 2 Phase 3 Ziele Planung Diagnose Strategie Umsetzung Stossrichtung Konzept Fokus 1 Mögliches Hauptziel bzw. Fokus durch Einflussnahme von Standortvorteilen und Marketingthemen: «Attraktive Wohn- und Lebensqualität» Lokale Marketingorganisation und excellenter Service Public Klare Positionierung und aktive Kommunikation Abb. 3: Integrales Standortmarketing mit Fokussierung auf die eigenen Wettbewerbs- und Standortvorteile. können weitere Multiplikationseffekte, wie z. B. eine positive Reputation der Stadtverwaltung, auslösen. Leistungen am Bürger Quelle: Marco Predicatori / Pulpcom Fokus 2 Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitangebot, Schulen Verkaufsförderung und FrequenzbringerAktivitäten Attraktive Bodenpreise, Steuerfuss und gesunde Finanzen Leit- und Infosysteme sowie klare Verkehrswege, Parkplätze Standortvorteile nutzen und Gewinn durch Fokussierung. Um die Wettbewerbs- und Standortvorteile in schlüssige Massnahmen zu formulieren, müssen im Vorfeld Ziele abgestimmt und operationalisiert werden. Diese werden sinnvollerweise priorisiert und über einen zentralen Marketingfokus umgesetzt. Voraussetzung für das integrale Standortmarketing ist die ganzheitliche Betrachtung der Bedürfnisse und die Priorisierung derselben, für die Umsetzung auf Basis des Standortmarketing-Konzepts bzw. Marketingfokus. Wichtig dabei ist, dass man das «Big Picture» im Auge behält. Wie Standortmarketing erfolgreich wird. Fazit: Das «Integrale Standortmarketing» sollte nicht auf die Themen Budget und Aktionen reduziert werden, sondern um die Aspekte erweitert werden, welche Ziele zu erreichen sind und wie diese auf die Anspruchsgruppen anzuwenden sind. Ein kongruentes Standortmarketing-Konzept auf Basis aktueller, soziodemografischen Gegebenheiten, einer schlüssigen Strategie und operationalisierten Zielen, sind ­gute Voraussetzung. Die verantwortliche «Taskforce» sollte den Prozess «integrales Standortmarketing» kontinuierlich begleiten, konstruktiv daran mitarbeiten, Im­ pulse setzen, damit dieses zu einem erfolgreichen Instrument wird. Anspruchsgruppen Einwohner-/ innen Schulen, Verbände, Vereine Gewerbe und Industrie Medien, Opinion, Leaders, Politik Quelle: Marco Predicatori / Pulpcom MARCO PREDICATORI ist Ausbilder mit eidg. FA und Inhaber der auf Marketing und Kommunikation spezialisierten Netzwerk-Agentur pulpcom. Seit 2001 berät er KMU-Unternehmen. T +41 71 422 80 10, [email protected], www.pulpcom.ch