Neurodermitis Neurodermitis (atopische Dermatitis) ist eine chronisch-entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung, die zusammen mit Heuschnupfen, allergischem Asthma und Nahrungsmittelallergien zum atopischen Formenkreis gehört. Sobald eine dieser Erkrankungen in der Familie vorliegt (Vater, Mutter, Geschwister), kann die allergische Veranlagung vererbt werden. Daher ist oft eine familiäre Häufung von allergischen Erkrankungen zu beobachten. Neurodermitis tritt meist im Säuglings- oder Kleinkindalter auf und zeigt sich typischerweise in Form von Ekzemen, die mit starkem Juckreiz einhergehen. In Deutschland leiden ca. zehn Prozent der Kinder an Neurodermitis. Damit ist Neurodermitis die häufigste Hauterkrankung im Kindesalter und manifestiert sich in der Regel bis zum ersten Lebensjahr. Die Kinder, die vor dem dritten Lebensmonat erkranken, erleiden meist einen schwereren Krankheitsverlauf und entwickeln häufiger auch andere allergische Erkrankungen wie z. B. eine Nahrungsmittelallergie oder ein allergisches Asthma. Erscheinungsformen Neurodermitiker haben generell eine trockene, zu Juckreiz neigende Haut. Im akuten Entzündungsschub ist die Haut stark gerötet, ggf. treten leichte Hautschwellungen, seltener Bläschenbildung auf. Bei zunehmender Intensität nässen die Ekzeme und es kann zu eitriger Krustenbildung kommen. Bei einem chronischen Ekzem steht die entzündete, aber sehr trockene Haut im Vordergrund. Durch den Entzündungsprozess wird die Haut dicker und gröber. Sowohl beim akuten als auch beim chronischen Ekzem leiden die Betroffenen unter starkem Juckreiz, der auch noch anhält, wenn das Ekzem längst abgeheilt ist. Die Erkrankung verläuft schubweise und ihr Erscheinungsbild variiert je nach Alter und Person. Im Kindesalter treten die Ekzeme bevorzugt an den Extremitätenbeugen, in Körperfalten (z. B. Nacken) und an Handrücken/ -gelenken auf. Symptome im Gesicht/Halsbereich treten typischerweise im Kleinkindalter auf, bei Jugendlichen hingegen eher selten. Ursache/Diagnose/Prognose Die Ursache ist bisher nicht eindeutig geklärt. Er wird diskutiert, dass immunologische Faktoren, genetische Veranlagung, Neigung zu Allergien und eine gestörte Hautbarriere die Erkrankung fördern. Zudem gibt es viele Triggerfaktoren, die den Ausbruch begünstigen können. Neurodermitis gehört zwar zum atopischen Formenkreis, muss aber nicht zwingend mit einer Allergie vergesellschaftet sein. Im Kleinkindalter können aber Reaktionen auf Grundnahrungsmittel (ca. ein Drittel der Kinder, die eine mittlere bis schwere Neurodermitis haben, haben eine Nahrungsmittelallergie), später auch auf Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare den Zustand der Haut verschlechtern. Hinzu kommen zahlreiche Einflussfaktoren, die einen Neurodermitisschub unterhalten oder begünstigen können: · Schweiß, Wärme ·mechanische Reize auf der Haut, z. B. durch Wolle, Kratzen ·irritierende Stoffe in kosmetischen Produkten ·Psyche ·Infekte, Impfung ·Klima (z. B. Kälte) ·Hormone (Pubertät) ·Schadstoffe, insbesondere Zigarettenrauch (auch passiv) Da es sich um eine chronische, in Schüben verlaufende Erkrankung handelt, kann man sie zwar abmildern oder die Dauer durch entsprechende Therapien verkürzen, aber man kann die neu aufflammenden Ekzeme nicht gänzlich verhindern. Das ist für die Betroffenen teilweise sehr frustrierend und kann sogar dazu führen, dass die Kinder (insbesondere Teenager) die Auslöser nicht mehr konsequent meiden oder die Hautpflege vernachlässigen, da ihre Bemühungen scheinbar nicht erfolgreich waren. 107 16-04-18_WirinderSchule.indd 107 18.04.16 14:17 Neurodermitis Die Diagnose Neurodermitis wird primär aufgrund des typischen Erscheinungsbilds, des Juckreizes und des chronischen Verlaufs gestellt. Es gibt keine Blutwerte, die für die Diagnostik herangezogen werden können. Bei Verdacht auf einen allergischen Auslöser können entsprechende Allergietests Hinweise geben. Neurodermitis ist zwar nicht heilbar, aber häufig selbstlimitierend. Ungefähr 80 Prozent der Kinder verlieren die Symptome bis zum Schuleintrittsalter. Häufig bleibt aber eine trockene, zu Juckreiz neigende und empfindliche Haut zurück. Bei sehr vielen Kindern entwickelt sich im Lauf der Kindheit ein Heuschnupfen und/oder ein allergisches Asthma. Behandlung Neurodermitis kann durch den quälenden Juckreiz die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigten, ist aber bei entsprechender Hautpflege und Meidung der individuellen Auslöser gut behandelbar. Bei der Therapie geht es primär um die Behandlung der gestörten Hautbarriere durch entsprechende Cremes und die äußerliche Anwendung von entzündungshemmenden Wirkstoffen (z. B. Glukokortikoide) bei einem Schub. Mit einer dem Hautbild angepassten Hautpflege lassen sich die schubfreien Intervalle verlängern sowie die Schübe in ihrer Intensität und Dauer abschwächen. Da der Einsatz von unterschiedlichen Präparaten aber nicht immer einfach zu überblicken ist, sollten die Eltern bzw. die Kinder selbst an einer Schulung teilgenommen haben. Schulungsprogramm: Sowohl für Eltern betroffener Kinder als auch für die Kinder und Jugendlichen selbst gibt es ein evaluiertes Schulungsprogramm, das ambulant durchgeführt werden kann. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten. Adressen finden Interessierte unter: www.neurodermitisschulung.de Hinweise für Lehrkräfte Unterricht/Pausensituation: Der Juckreiz, der sowohl den Schlaf als auch die Konzentration am Tag negativ beeinflussen kann, ist das vorherrschende Symptom. Dementsprechend sinkt die Leistungsfähigkeit. Stresssituationen, die im Schulalltag vorkommen, wie z. B. Prüfungen oder Streit mit Klassenkameradinnen und Klassenkameraden, können einen neuen Krankheitsschub begünstigen oder unterhalten. Bei schweren ekzematösen Entzündungen, die auch mit einer Infektion der Haut einhergehen, ist mit entsprechenden Fehlzeiten aufgrund von Krankenhaus- und Reha-Aufenthalten zu rechnen. Auch eine stationäre Rehabilitation kann die Betroffenen kurzfristig vom Unterricht fernhalten. In diesen Fällen sollten die Lehrinhalte im Vorfeld besprochen werden, damit sie während der Fehlzeiten erarbeitet werden können. Weiterhin sollte man über einen Nachteilsausgleich bei den Leistungsbewertungen nachdenken. Da die Ekzeme teilweise äußerlich sichtbar sind, leiden Betroffene mitunter an einem verminderten Selbstwertgefühl, das sich auf das Emotionale auswirkt (Ängste, Aggressionen etc.). Auch Ärger/Probleme mit Gleichaltrigen, insbesondere Stigmatisierungen, können das betroffene Kind zusätzlich benachteiligen. Vor allem in der Pubertät kann dies problematisch sein. Manche Betroffenen schämen sich für ihre Haut und möchten sich nicht berühren lassen, manchmal möchten aber auch Mitschülerinnen und Mitschüler das betroffene Kind nicht anfassen. Im Sportunterricht (verstärktes Schwitzen) sollte darauf geachtet werden, den Erkrankten Hautpflegemaßnahmen (Abspülen, Duschen, Eincremen) zu ermöglichen. Schwimmen ist in der Regel kein Problem, wenn das Chlorwasser im Anschluss sorgfältig abgespült und die Haut eingecremt wird. Auf Klassenfahrten/Ausflügen: Grundsätzlich können Betroffene an Schulausflügen oder mehrtägigen Klassenfahrten teilnehmen. Sofern Allergien vorliegen, können dadurch jedoch Probleme entstehen, wie bspw. bei Tierhaarallergien und dem Besuch eines Bauernhofs, bei Lebensmittelallergien und der Verpflegung in einer Jugendherberge oder bei Hausstaubmilbenallergie und der Übernachtung in einer Jugendherberge. Berufswahl: Insbesondere Jugendliche, die bereits eine Neurodermitis oder eine andere atopische Erkrankung wie etwa Asthma, entwickelt haben, müssen bei ihrer Berufswahl besonders gut beraten werden. Dazu sollten auch Gespräche mit einer bzw. einem allergologisch geschulten Kinderärztin bzw. Kinderarzt geführt werden, die bzw. der gefährdende Berufe von solchen abgrenzen kann, die für Allergiker besser geeignet sind. 108 16-04-18_WirinderSchule.indd 108 18.04.16 14:17 Materialien für Lehrkräfte Selbsthilfe/Patientenorganisation Der Deutsche Allergie- und Asthmabund e. V. (DAAB) bietet kostenlose Informationen und eine Beratungshotline an: 02166 64788 88 (Mo–Do von 9:00 bis 12:00) www.daab.de Deutscher Allergie- und Asthmabund e. V. (DAAB) www.daab.de · Ratgeber „Bewusster leben mit Neurodermitis“ vom DAAB · Flyer „Hautpflege bei Neurodermitis“ vom DAAB · Neurodermitis-Tagebuch zur Auslösersuche vom DAAB · Broschüre „Chronische Erkrankungen im Kindesalter. Ein gemeinsames Thema von Elternhaus, Kindertagesstätte und Schule“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), erhältlich unter: www.bzga.de/infomaterialien/kinder-undjugendgesundheit/chronische-erkrankungen-imkindesalter Weitere Internetadressen ·www.daab.de/haut · PINA e. V. (Präventions- und Informationsnetzwerk Allergie/Asthma): www.pina-infoline.de · Handreichung „Chronische Erkrankungen als Problem und Thema in Schule und Unterricht. Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer der Klassen 1 bis 10“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), erhältlich unter: www.bzga.de/infomaterialien/ unterrichtsmaterialien/ nach-themen/?idx=625 109 16-04-18_WirinderSchule.indd 109 18.04.16 14:17