Wahlprüfstein DIE LINKE Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. Marktstraße 6 25813 Husum Wahlprüfsteine zum Thema Nordseeschutz Küstenwache Die bisherigen Maßnahmen wie die Schaffung des Havariekommandos (HK), des Maritimen Lage und Sicherheitszentrums und anderer organisatorischer Maßnahmen sind nicht beziehungsweise nur eingeschränkt geeignet, die Effizienz der Kontrolle und Überwachung des Seeverkehrs zu verbessern, die bisherigen Kosten der Überwachung ohne Leistungsverzicht zu reduzieren, Havarien zu verhindern sowie Havarien und terroristische Angriffe schnell und unter Führung eines eingespielten Teams erfolgreich zu beherrschen. Dies kann nur durch die Zusammenfassung aller seegehenden Überwachungskräfte in einer monokratisch geführten Deutschen Küstenwache erreicht werden, in die das HK integriert ist. Auch die Errichtung der Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee erfordert eine zusätzliche Aufgabenbeschreibung für den schifffahrts- und allgemeinen polizeilichen Vollzug einschließlich der Sicherung der „kritischen Anlagen“ auf hoher See für die Versorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass die Deutsche Küstenwache erneut in einem Koalitionsvertrag festgeschrieben wird und werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Festschreibung in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt wird? DIE LINKE. unterstützt die Forderung nach der Reform der Küstenwache, jedoch nicht national, sondern europäisch. Wir wollen die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs unter Einbeziehung des Havariekommandos zu einer gemeinsamen Küstenwache weiterentwickeln. Diese soll sich auf die Verhinderung von Schiffshavarien und entsprechender Notfallkonzepte konzentrieren. Eine Terrorabwehr darf nicht für andere Zwecke missbraucht werden. Die bisherige Verknüpfung mit der „Einrichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems“ (EUROSUR) sowie der Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex) lehnen wir ab, denn die Sammlung von Aufklärungsdaten durch Satelliten, Flugzeugen, Drohnen, Radar und anderen Sensoren darf nicht zu einer hochgerüsteten Überwachung von Migrationsbewegungen führen. Wir wollen die Aufgaben auf Havariekonzepte konzentrieren. Aktuell gibt es keinen Rechtsanspruch eines havarierten Schiffes auf das Einlaufen in den nächsten Notliegeplatz. Die Länder müssen dafür nur die zuständigen Behörden nennen und Notfallpläne haben. Die Zuweisung des Notliegeplatz liegt in deren eigenem Ermessen. Dies muss geändert werden. Es muss endlich ein wirksames Schiffssicherheitskonzept inklusive Nothafenkonzept verbindlich im EU-Recht aufgenommen werden, um den Umgang mit Havarien wie der MSC Flaminia zu verbessern. Diese Forderung haben wir in einem Antrag in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksache 17/11324). Schiffssicherheit Die Nutzung der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone für eine nachhaltige Energiegewinnung ist ein Erfordernis. Folgerichtig hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) für Ost und Nordsee Raumordnungs- und Netzpläne aufgestellt. Deren Realisierung führt zu einer erheblichen Konzentration der Schiffsverkehre in schmalen Vorrangflächen für die Schifffahrt und einer ebenso erheblichen Zunahme von Gefährdungen der Schifffahrt. Dem kann nur begegnet werden durch Ausweitung der Vorrangflächen für die Schifffahrt auf die Flächen mit Schifffahrtsvorbehalt, Vergrößerung des Abstandes von Windkraftanlagen zu den Vorrangflächen für die Schifffahrt, den Erlass eindeutiger Kollisionsverhütungsregeln (KVR) – insbesondere die Anwendung der KVR-Regeln 9 (für enge Fahrwasser) und 10 (Einrichtung eines Verkehrstrennungsgebietes) – sowie die Ausweitung der behördlichen Radarüberwachung und gegebenenfalls Schiffslenkung in die Tiefe und den Norden der AWZ. Werden Sie sich nachhaltig und beharrlich gegenüber dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dem BSH und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung dafür einsetzen, dass die Schiffssicherheit im oben genannten Sinne verbessert wird? DIE LINKE. fordert, das integrierte Küstenzonenmanagement IKZM mit der Maritimen Raumordnung zu verknüpfen, um EU weit verbindliche Regeln für die Nutzung der Meere zu schaffen. Hier muss eine nachhaltige Entwicklung der Meere Vorrang vor einer wirtschaftlichen Nutzung als Ressource Meer haben, um den Naturschutz zu verbessern. Wie bei anderen Raumordnungsverfahren sollte es hier Anhörungen und Bürgerbeteiligung geben. Die von Ihnen geforderte Ausweitung der Vorrangflächen für die Schifffahrt auf die Flächen mit Schifffahrtsvorbehalt, Vergrößerung des Abstandes von Windkraftanlagen zu den Vorrangflächen für die Schifffahrt und den Erlass eindeutiger Kollisionsverhütungsregeln unterstützen wir. Notschleppkonzept Trotz verbesserter Maßnahmen der Schiffssicherheit sind Havarien nie auszuschließen. Das Notschleppkonzept des Bundes für die Deutsche Bucht berücksichtigt nur den Südwesten und die Mitte. Der Nordbereich ist im Falle einer Havarie ungeschützt. Notwendig ist daher die Stationierung eines vierten Notschleppers nordwestlich von Sylt. Sind Sie bereit, sich in ähnlicher Form, wie dies bei der Beschaffung der „Nordic“ geschehen ist, in den Gremien des Bundestages und beim Bundesverkehrsministerium nachhaltig und beharrlich dafür einzusetzen, dass ein vierter Notschlepper in der Deutschen Bucht stationiert wird? DIE LINKE. unterstützt die Beschaffung eines weiteren Notschleppers, allerdings anders als es bei der „Nordic“ geschehen ist. Die Nordic wurde privat bereedert und anschließend gechartert und nicht im Eigenbetrieb der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes betrieben. in dem einstimmigen Beschluss des Deutschen Bundestages vom 29.06.2006 zur Vorhaltung leistungsfähiger Notschlepper in Nord- und Ostsee war jedoch nicht von einem Chartervertrag die Rede. Der WSV unterstehen ca. 500 Schiffe, die zukünftig zunehmend privat bereedert werden sollen. Dadurch würde weiteres Personal abgebaut und wertvolles Fachwissen verloren gehen, das wiederum extern eingekauft werden müsste. Befristete Charterverträge wie am Beispiel der 2011 in Dienst gestellten Hochseeschlepper „Nordic“ und „Baltic“ zeigen, dass der finanzielle Aufwand der externen Erbringung die Kosten für Schlepper im Eigenbetrieb übersteigt. Das Projekt der „Maritimen Notfallvorsorge“ kostet nun jährlich ca. 19,6 Mio. €, während es 2005 noch 15 Mio. € waren. Eine dauerhafte Bereitstellung ist wegen der Befristung der Verträge – bei den Notschleppern sind es 10 Jahre – nicht gegeben. Dadurch entsteht eine einseitige Abhängigkeit des Bundes von privaten Reedern, die bei Auslaufen der Verträge in den Verhandlungen über Anschlussverträge den Preis maßgeblich bestimmen könnten. Gewässerschutz ist eine hoheitliche Aufgabe und darf nicht an Dritte abgetreten werden. DIE LINKE. setzt sich für einen Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors und deren Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge ein. Die Anschaffung neuer Notschlepper sollte im Eigenbetrieb erfolgen. Abfallentsorgung Trotz einschlägiger Vorschriften wie MARPOL V sowie Vorschriften der EU und der Länder gelangen auch aus der Seefahrt noch immer zu viele Abfälle in die See – mit verheerenden Folgen für die Ökosysteme der Meere. Ein Grund ist die nicht ausreichende Überwachung der Schiffe in den Häfen und die mit wenigen Ausnahmen kostenpflichtige Entsorgung in den Häfen. Sind Sie bereit, sich als Initiative des Bundes gegenüber den Küstenländern dafür einzusetzen, das die Müllentsorgungsgebühren zu 100 Prozent in die Liegegebühren integriert werden („no special fee“) und Sorge dafür getragen wird, dass Schiffe nur „clean“ die Häfen verlassen? Ja. Der Zustand unserer Meere ist besorgniserregend und zwar nicht erst seit heute. Die Meere werden als Lebensraum durch Unmengen Müll am Meeresboden und in den Küstenregionen, nicht zuletzt auch durch Überfischung, Ölverschmutzung und andere Schadstoffeinträge zerstört. Daher befürwortet DIE LINKE eine 100prozentige Integration der Müllentsorgungsgebühren in die Liegegebühren. Um Konkurrenz zwischen den Häfen wirksam zu gestalten, müssen Initiativen zur Minderung der Belastungen durch die Seeschifffahrt sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene weiter vorangetrieben werden. Meeresschutz braucht Internationalität. Abfalldumpingverbot Das Einbringen von Plastik in die Meere ist generell verboten. Weil aber andere Abfallstoffe durchaus in die Meere verbracht werden dürfen, ist davon auszugehen, dass wissentlich oder unbedacht weltweit auch Plastik von Schiffen in die Meere entsorgt wird. Grundsätzlich gehören überhaupt keine Abfälle in die Meere. Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung gegenüber der International Maritime Organization (IMO) initiativ wird für ein weltweites Abfalldumpingverbot in den Meeren? Ja. Der Anteil an Plastiktüten und -verpackungen steigt stetig. Gigantische Mengen dieser Abfälle finden sich dann in den Weltmeeren wieder. Das Problem besteht in der Langlebigkeit dieses Zivilisationsmülls. Die Zersetzung kann bis zu 450 Jahre dauern. Die Folgen für Meerestiere sind katastrophal. Die Anreicherung entlang der Nahrungskette ist deutlich nachweisbar. So kann auch unser Blut inzwischen Kunststoffe in der Liste seiner Inhaltsstoffe aufführen. DIE LINKE würde eine Initiative der Bundesregierung für ein weltweites Abfalldumpingverbot begrüßen und wird sich für eine zügige Entwicklung und Umsetzung einsetzen. Daneben wollen wir uns ebenso für die Reduzierung der landseitigen Plastikeinträge in die Meere einsetzen. Notfallvorsorge Sind Sie bereit, sich beim Verkehrsministerium dafür einzusetzen, dass zwischen den betroffenen Arbeitgebern, privaten Einrichtungen der Notfallvorsorge und den Stellen der staatlichen Notfallvorsorge die privaten Pflichten einerseits und die öffentlichen Pflichten der Notfallvorsorge andererseits am Beispiel von Offshore-Windfarmen exakt festgelegt werden? Ja, die Sicherheitskonzepte der Offshore Windparks müssen zwischen den Unternehmen und dem Staat verbindlich abgestimmt werden und auch Ausbildung, Arbeits-, Unfall- und Notfallschutz der Beschäftigten umfassen. Die Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern für das Rettungswesen im Bereich der Offshore-Windparks müssen geklärt werden. Wir sehen dies als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, sind jedoch der Auffassung, dass die Betreiber an den Kosten für die schwierige Versorgung mitten in der Nord- und Ostsee beteiligt werden. Auf Schiffen unter deutscher Flagge – so es denn noch welche gibt – stellt die öffentliche Hand ja auch keine Schiffsärzte und Sicherheitskräfte, obwohl es sich um deutsches Hoheitsgebiet handelt. Wir legen Wert darauf, dass die Windparkbetreiber diese Kosten nicht der Allgemeinheit überlassen, sondern an den Kosten zum Schutz ihrer Beschäftigten und Anlagen beteiligt werden. DIE LINKE. setzt zur Umsetzung der Energiewende jedoch weniger auf kapitalintensive Offshore-Megaprojekte von Großkonzernen, sondern auf alle regenerativen Energieformen und dezentrale, kommunale Strukturen mit Stadtwerken und Genossenschaften.