X.4 Energie von elektrisierter bzw. magnetisierter Materie V V

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N.BORGHINI
Elektrodynamik in Materie
Theoretische Physik IV
X.4 Energie von elektrisierter bzw. magnetisierter Materie
X.4.1 Elektrostatische Energie
Ein makroskopischer Körper sei in einem elektrostatischen Feld, das durch äußere Ladungen bzw.
geladene Leiter mit gegebenen Potentialen erzeugt. Diesen Quellen entspricht eine makroskopische
Ladungsdichte %ext. (~r).
Eine Variation δ%ext. (~r) der Letzteren führt zu einer Verschiebung der elektrostatischen Energie
Z
Ee des Feldes
δEe = Φ(~r)δ%ext. (~r) d3~r.
Dies stellt die nötige Arbeit dar, um im jeden Punkt die Ladung δ%ext. (~r) auf das Potential Φ(~r)
zu bringen. Unter Verwendung der Maxwell–Gauß-Gleichung (X.17d) lässt sich diese Variation umschreiben als
Z
Z n
3
o
~
~
~ · Φ(~r) δ D(~
~ r) − ∇Φ(~
~ r) · δ D(~
~ r) d3~r.
δEe = Φ(~r) δ ∇ · D(~r) d ~r =
∇
Die Divergenz im zweiten Integral gibt nach Anwendung des Integralsatzes von Gauß einen Oberflächenterm, der weggelassen wird, so dass
Z
~ r) · δ D(~
~ r) d3~r.
δEe = E(~
(X.27)
Damit ergibt sich die Variation der inneren Energie U eines elektrisierten Körpers bei endlicher
konstanter Temperatur T
Z
~ r) · δ D(~
~ r) d3~r,
dU = T dS − P dV + µ dN + E(~
(X.28a)
mit S der Entropie, V dem Volumen, P dem (konstanten) Druck, µ dem (konstanten) chemischen
Potential und N der Teilchenzahl des Körpers. Die Variation der freien Energie F = U − T S ist
Z
~ r) · δ D(~
~ r) d3~r.
dF = −S dT − P dV + µ dN + E(~
(X.28b)
~ die „natürBemerkung: Gleichungen (X.28a) bzw. (X.28b) bedeutet, dass S bzw. T , V , N und D
lichen“ Variablen für die innere bzw. freie Energie darstellen. Es gilt dann
1 ∂U
1 ∂F
~
E=
=
.
(X.28c)
~ S,V ,N
~ T,V ,N
V ∂D
V ∂D
X.4.2 Energie magnetisierter Materie
~ r)
Jetzt wird der Fall eines makroskopischen Körpers in einem stationären magnetischen Feld B(~
~
in Anwesenheit einer externen Stromdichte Jext. (~r) untersucht.
~ übt keine Arbeit auf die Ladungen, die sich im Feld bewegen, aus. Andererseits induziert eine
B
Änderung des magnetischen Feldes — genau genommen, des Flusses des magnetischen Feldes —
~ Das Letztere übt dann eine Arbeit auf
laut dem Faraday-Induktionsgesetz ein elektrisches Feld E.
die externe Stromdichte aus, so dass die Felder insgesamt Energie verlieren.
~ geleisteten
Die Variation der Energie Eb der Felder wegen der in der Zeit δt durch das Feld E
Z
Arbeit ist
3
~
~
δEb = −
Jext. (~r) · E(~r) d ~r δt.
Mithilfe der stationären Maxwell–Ampère-Gleichung (X.22d) lässt sich diese Variation schreiben als
X. Elektrostatik und Magnetostatik in Materie
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Theoretische Physik IV
Z
Z n
o
3
3
~
~
~
~
~
~
~
~
~
δEb = −
∇ × H(~r) · E(~r) d ~r δt =
∇ · E(~r) × H(~r) − ∇ × E(~r) · H(~r) d ~r δt.
Für die Divergenz im zweiten Integral kann nochmals der Gauß-Integralsatz benutzt werden; der
resultierende Oberflächenterm ist dann vernachlässigbar. Andererseits gilt wegen der Maxwell–
~ × E(~
~ r) δt = −δ B(~
~ r), mit δ B(~
~ r) der Verschiebung des magnetischen Feldes.
Faraday-Gleichung48 ∇
Damit ergibt sich
Z
~ r) · δ B(~
~ r) d3~r.
δEb = H(~
(X.29)
Dementsprechend ist die Variation der inneren Energie U eines magnetisierten Körpers (Entropie
S, Volumen V , Druck P , Teilchenzahl N ) bei endlicher Temperatur
Z
~ r) · δ B(~
~ r) d3~r,
dU = T dS − P dV + µ dN + H(~
(X.30a)
und die Variation der freien Energie
dF = −S dT − P dV + µ dN +
Z
~ r) · δ B(~
~ r) d3~r.
H(~
Schließlich kann die magnetische Feldstärke hergeleitet werden aus
∂U
1
∂F
1
~ =
=
.
H
~ S,V ,N
~ T,V ,N
V ∂B
V ∂B
(X.30b)
(X.30c)
Bemerkung: Trotz der formalen Analogie der Formel (X.30a) mit Gl. (X.28a) bzw. (X.30b) mit
Gl. (X.28b) soll man berücksichtigen, dass die Felder in den Gleichungen nicht gut miteinander
übereinstimmen.
Literatur
• Landau–Lifschitz [4], Kapitel II § 10–11 & Kapitel IV § 31–32.
48
Hier wird die gemittelte Version der mikroskopischen Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.24c) schon benutzt, obwohl
sie nur im nächsten Kapitel diskutiert wird.
X. Elektrostatik und Magnetostatik in Materie
109
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Elektrodynamik in Materie
Theoretische Physik IV
XI. Maxwell-Gleichungen in Materie
XI.1 Maxwell-Gleichungen
~ ~r), D(t,
~ ~r), B(t,
~ ~r) und H(t,
~ ~r)
Die Bewegungsgleichungen für die makroskopischen Felder E(t,
in Anwesenheit von äußeren Ladungs- und Stromdichte %ext. (t, ~r) und J~ext. (t, ~r) lassen sich durch
Mittelung der Maxwell-Gleichungen (IX.24) erhalten.
Für die Maxwell–Gauß- bzw. Maxwell–Thomson-Gleichung liefert diese Mittelung die makroskopische Gleichung (X.17d) bzw. (X.22a). Da die Maxwell–Faraday-Gleichung nicht von den externen
Quellen abhängt, lässt sie sich mithilfe der Definitionen (IX.25a)–(IX.25b) der makroskopischen
Felder einfach mitteln. Schließlich bleibt die Maxwell–Ampère-Gleichung, deren Mittelung im Fall
einer stationären Stromdichte zur Gl. (X.22d) führt. Wenn die Stromdichte nicht mehr konstant ist,
muss sie der Kontinuitätsgleichung genügen, d.h. deren Divergenz muss gleich minus der Zeitableitung der Ladungsdichte sein. Um diese Bedingung zu erfüllen, muss in der gemittelten Gleichung
~ ~r) ersetzt werden.
~e(t, ~r) durch D(t,
Somit lauten die Maxwell-Gleichungen in Materie49
~ · D(t,
~ ~r) = %ext. (t, ~r),
∇
~ · B(t,
~ ~r) = 0,
∇
(XI.1a)
(XI.1b)
~
~ × E(t,
~ ~r) + ∂ B (t, ~r) = ~0,
∇
∂t
~
∂
~ × H(t,
~ ~r) − D (t, ~r) = J~ext. (t, ~r).
∇
∂t
(XI.1c)
(XI.1d)
Die Summe der Zeitableitung von Gl. (XI.1a) und der Divergenz von Gl. (XI.1d) ist
~
∂%ext.
~ · J~ext. (t, ~r) = ∂ ∇
~ · D(t,
~ ~r) + ∇
~ · ∇
~ × H(t,
~ ~r) − ∂ D (t, ~r) = 0.
(t, ~r) + ∇
∂t
∂t
∂t
(XI.2)
Die elektrische Flussdichte und die magnetische Feldstärke sind gegeben durch
~ ~r) = 0 E(t,
~ ~r) + P~ (t, ~r) + · · ·
D(t,
~
~ ~r) = B(t, ~r) − M
~ (t, ~r) + · · ·
H(t,
µ0
(XI.3a)
(XI.3b)
Bemerkungen:
∗ Unter Berücksichtigung der zwei ersten Terme in den obigen Relationen lässt sich Gl. (XI.1d)
noch schreiben als
~
1 ∂E
∂ P~
~
~
~
~
~
∇ × B(t, ~r) − 2
(t, ~r) = µ0 Jext. (t, ~r) +
(t, ~r) + ∇ × M (t, ~r) .
(XI.4)
c ∂t
∂t
Der zweite bzw. dritte Term in den eckigen Klammern wird manchmal als „Polarisations-“ bzw.
„Magnetisierungsstromdichte“ bezeichnet.
∗ Man prüft einfach, dass die Herleitung des Abschnitts X.2.1, insbesondere die effektive Ladungsdichte (X.16), im zeitabhängigen Fall gültig bleibt. Daher kann P~ (t, ~r) noch als elektrisches Dipolmoment pro Volumeneinheit betrachtet werden.
49
Im Gauß’schen Einheitensystem lauten diese Gleichungen
~
~ ·D
~ = 4π%ext. ,
~ ×H
~ − 1 ∂ D = 4π J~ext. ,
∇
∇
c ∂t
c
XI. Maxwell-Gleichungen in Materie
~ ·B
~ = 0,
∇
~
~ ×E
~ + 1 ∂ B = ~0.
∇
c ∂t
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Elektrodynamik in Materie
Theoretische Physik IV
Andererseits wird die effektive Stromdichte (X.20) im zeitabhängigen Fall geändert, wie an der
Gl. (XI.4) deutlich ist, wegen des Beitrags der zeitlichen Änderung vom elektrischen Dipolmoment
~ (t, ~r) nicht mehr als das magnetische
zum magnetischen Dipolmoment. Dementsprechend kann M
Dipolmoment pro Volumeneinheit interpretiert werden, sofern die Polarisationsstromdichte gegen
die Magnetisierungsstromdichte nicht vernachlässigbar ist.
Schließlich müssen die schon in Kapitel X hergeleiteten Randbedingungen an der Grenzoberfläche
zwischen Medien A und B gelten (~nAB ist der von A nach B gerichtete Normaleinheitsvektor):
DB,⊥ − DA,⊥ = σ,
(XI.5a)
BB,⊥ − BA,⊥ = 0,
~ B,k − E
~ A,k = ~0,
E
~ B,k − H
~ A,k = J~ × ~nAB ,
H
(XI.5b)
(XI.5c)
(XI.5d)
wobei die Komponente mit dem Index ⊥ bzw. k die Normal- bzw. Tangentialkomponente eines
Feldes bezeichnet und σ bzw. J~ eine Flächenladungsdichte bzw. -stromdichte ist.
~ bzw. D
~ in Gl. (XI.1c)–(XI.1d) spielen keine Rolle für die
Bemerkung: Die Zeitableitungen von B
Randbedingungen.
Der entsprechende Fluss durch die Fläche S in der Herleitung der Bedingung ist tatsächlich
proportional zur Länge δ und damit null im Limes δ → 0.
Literatur
• Feynman [5, 6], Kapitel 32-1–32-2
• Griffiths [7], Kapitel 7.3.5 & 7.3.6
• Jackson [8], Kapitel 6.6
• Landau–Lifschitz [4], Kapitel IX § 75.
XI.2 Poynting-Vektor. Energiebilanz
Die Differenz aus dem Produkt der makroskopischen Maxwell–Faraday-Gleichung (XI.1c) mit
~ ~r) minus dem Produkt von E(t,
~ ~r) mit der Maxwell–Ampère-Gleichung (XI.1d) gibt (der Kürze
H(t,
halber wird die (t, ~r)-Abhängigkeit der Felder nicht geschrieben)
~
~
~ · ∇
~ ×E
~ −E
~· ∇
~ ×H
~ +E
~ · ∂D + H
~ · ∂ B = −J~ext. · E.
~
H
∂t
∂t
~ · E
~ ×H
~ =∇
~ ·S
~ mit
Die zwei ersten Terme der linken Seite sind genau gleich ∇
~≡E
~ × H,
~
S
(XI.6)
(XI.7)
dem Poynting-Vektor , d.h. der Energiestromdichte.
Dann ist der Term auf der rechten Seite gleich minus der Leistung der Lorentz-Kraft auf die
externen Ladungen, entsprechend dem Negativen der Rate ∂eM /∂t der Änderung der kinetischen
Energie dieser Ladungen. Wenn die zwei letzten Terme auf der linken Seite der Gl. (XI.6) sich als
eine Zeitableitung ∂eF /∂t schreiben lassen, dann gilt50
∂eF ∂eM ~ ~
+
+ ∇ · S = 0,
∂t
∂t
entsprechend der Form eines Erhaltungssatzes.
50
(XI.8)
Die Indizes M und F stehen jeweils für Materie — die äußeren Ladungen — und Felder.
XI. Maxwell-Gleichungen in Materie
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Elektrodynamik in Materie
Theoretische Physik IV
~ · δD
~ +H
~ · δB
~ im stationären Limes die Änderung der
Laut Gl. (X.27) und (X.29) stellt deF = E
Energiedichte der Felder dar. Damit könnte Gl. (XI.8) als eine Energiebilanz interpretiert werden.
Diese Deutung gilt aber nur für nichtdispersive lineare Medien, d.h. lineare Medien, deren Eigenschaften unabhängig von der Frequenz der Felder sind:
~ ~r) = ~
~ ~r),
~(~r) · E(t,
D(t,
~ ~r) = ~~µ(~r) · H(t,
~ ~r).
B(t,
(XI.9)
Mit solchen konstitutiven Gleichungen ist
3
3 X
~
~
∂Ej
∂Hj
∂D
∂B
∂ X 1
~
~
E·
+H ·
=
Ei ij
+ Hi µij
=
Ei ij Ej + Hi µij Hj
∂t
∂t
∂t
∂t
∂t
2
i,j=1
i,j=1
~ ~
~ ·B
~
∂ E
·D+H
=
,
∂t
2
d.h. man kann in diesem Fall eine Energiedichte der Felder
eF (t, ~r) =
1 ~
~ ~r) + H(t,
~ ~r) · B(t,
~ ~r)
E(t, ~r) · D(t,
2
identifizieren, mit der die Relation (XI.8) eine Energiebilanz darstellt.
Literatur
• Landau–Lifschitz [4], Kapitel IX § 75
• Schwinger [10], Kapitel 7.1.
XI. Maxwell-Gleichungen in Materie
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