Schwerpunktthema Klimaschutz und Landwirtschaft Ausblick Innerhalb der Landwirtschaft besteht noch ein erhebliches Reduktionspotenzial für Treibhausgasemissionen, indem der Flächenanteil der Ökologischen Landwirtschaft in Deutschland erhöht wird. Zu berücksichtigen ist hierbei aber die Diskussion darum, ob eine flächendeckende Ökologische Landwirtschaft die Ernährung in Deutschland sicherstellen kann, ohne dass Nahrungsmittel importiert werden müssen. In diesem Kontext spielt auch der große landwirtschaftliche Flächenbedarf eine Rolle, der sich aus dem hohen Anteil der Tierhaltung an der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland ergibt. Diese nimmt einen Großteil der pflanzlichen Erzeugnisse in Anspruch, welche damit nicht mehr der menschlichen Ernährung zur Verfügung stehen (u. a. Bechmann 1996, 3 ff., FAL 2000, 165 ff.). Auswirkungen der Klimaänderung c. b. Auswirkungen der Klimaänderungen auf die Landwirtschaft Die Landwirtschaft ist im Zusammenhang mit der vom Menschen verursachten Klimaänderung weniger Täter, als vielmehr Opfer. Sie ist neben der Forstwirtschaft der Wirtschaftsbereich in unserer Gesellschaft, der am deutlichsten vom Klima bzw. vom Wetter abhängt und damit am härtesten von den laufenden und noch drohenden Klimaänderungen betroffen sein wird. Diese Bedrohung haben die Betroffenen selbst aber noch viel zu wenig als Argument für Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft und vor allem außerhalb der Landwirtschaft genutzt. Bisher beobachtete Klimaänderungen und deren Folgen • Die bisher beobachteten Veränderungen des Klimas sind (EK 1994; MPI 1997): • der Anstieg der weltweiten Mitteltemperatur um etwa 0,7 ° C in den vergangenen 150 Jahren, • der stärkste Anstieg erfolgte in den letzten 30 Jahren, • die Häufung besonders warmer Jahre in der jüngsten Vergangenheit, • die 1990er Jahre waren das deutlich wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen (1860), • die deutliche Zunahme der Windgeschwindigkeiten und Sturmhäufigkeit (sowie der Sturmschäden), • der Rückgang der Masse der Alpengletscher seit 1850 um die Hälfte, • der Rückgang der Schneebedeckung im Winter auf der Nordhalbkugel seit 1973, • der Anstieg des Meeresspiegels um ca. 20 cm in den vergangenen 100 Jahren; • die Zunahme extremer Wetterereignisse (Dürreperioden, Starkregen, Hagel, Stürme). • In Europa und Deutschland sind folgende Trends eindeutig belegt (Schönwiese u.a. 1993; Parry u. a., 2000): • der Anstieg der Durchschnittstemperatur um 0,8 ° C in den vergangenen 150 Jahren, wa 2 ° C (UNEP 1997). Für Mitteleuropa wird entsprechend der o. g., bereits beobachteten Trends vorhergesagt (EK 1994): • ein überproportionaler Anstieg der Mitteltemperatur im Winter um etwa 3 ° C, • eine Zunahme der Niederschläge im Winter um 10-20 %, v. a. als Regen, • eine Abnahme der Niederschläge im Sommerhalbjahr. • • • die mittleren Nachttemperaturen sind stärker angestiegen als die Tagestemperaturen, die Abnahme der Niederschläge im Mittelmeergebiet um etwa 20 %, die Zunahme der Niederschläge - mit Ausnahme der Sommermonate - in West- und Nordeuropa um 10-40 %, der Anstieg der Wintertemperaturen in Deutschland allein in den letzten 30 Jahren um etwa 1,5 ° C, die Abnahme der Sommerniederschläge in Deutschland um durchschnittlich 30 mm. Prognosen für künftige Klimaveränderungen Die Veränderungen in der Vergangenheit setzen sich in den Prognosen für die Zukunft fort. Prognostiziert werden derzeit aus Modellrechnungen ein weiterer Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur um 1,0 bis 4,0 ° C im Jahresmittel in den kommenden 100 Jahren und eine Zunahme der extremen Wetterereignisse. Die Erwärmung wird damit größer als jede andere in den vergangenen 10.000 Jahren (IPCC 1995; MPI 1997). Die stärkste Erwärmung wird in den hohen nördlichen Breiten im Winterhalbjahr erwartet. Beispielsweise könnten die durchschnittlichen Wintertemperaturen in Kanada und Sibirien um bis zu 10 ° C ansteigen, die Sommertemperaturen dagegen nur um et- KLIMA-BÜNDNISRUNDBRIEF NR. 28 Vorhersagen zur Klimaänderung können derzeit nur in großräumigen Mittelwerten angegeben werden. Weitaus gravierender ist jedoch, dass es regional zu sehr unterschiedlich stark ausgeprägten Veränderungen und häufigeren Wetterextremen kommen wird. Gerade Dürreperioden, Früh- und Spätfröste, Hagel, Starkregen und Stürme stellen die größte Gefahr - nicht nur für die Landwirtschaft - dar. Vorhergesagt werden u. a. folgende Auswirkungen (u. a. EK 1994; IPCC 1995; UNEP 1997; Parry u.a. 2000): • weitere Zunahme von Wetterextremen wie Dürren, Überschwemmungen, Stürmen etc., • Abnahme der Bodenfeuchte im Sommerhalbjahr, v. a. in Südeuropa, • Anstieg des Meeresspiegels um 50 (1595) cm in den nächsten 100 Jahren mit dauerhaften Überflutungen und häufigeren Überschwemmungen, • Verschiebung der Klima- und Vegetationszonen in den mittleren Breiten polwärts um 200-300 km je Grad Temperaturanstieg, • Abnahme der Tage mit Schneebedeckung, • weitere Ausdehnung tropischer und subtropischer Trockengebiete in den jetzt schon unterversorgten Entwicklungsländern; Regenwälder werden zu Steppen, Steppen werden zu Wüsten, • Abschmelzen der Inlandsgletscher und möglicherweise auch Rückgang der polaren Gletschermassen, • Gefährdung der Wasserversorgung, • Schädlingskalamitäten, Ertragsverluste und Missernten in der Landwirtschaft, • mit der Erwärmung breiten sich neu Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter polwärts aus, • Nahrungsmittelknappheit, Hungersnöte und Verteilungskonflikte. Genauere Abschätzungen der Auswirkungen sind aufgrund der Unsicherheiten über das Ausmaß der jeweiligen regionalen Klimaveränderungen - und in Mitteleuropa insbesondere aufgrund der Ungewissheit über das Verhalten des Golfstroms - nicht möglich. Infolge der globalen Erwärmung und des Abschmelzens polarer Eismassen könnten sich die Meeresströmungen verändern. Analysen und Computersimulationen prähistorischer abrupter Klimaänderungen 15 Schwerpunktthema Klimaschutz und Landwirtschaft legen den Schluss nahe, dass dadurch der Golfstrom beeinträchtigt würde. Mit dem Ausbleiben des Golfstromes könnte es in Mitteleuropa - trotz einer globalen Erwärmung - in weniger als einem Jahrzehnt sehr deutlich um mehrere Grad kälter werden (Rahmstorf 1997). Folgen der Klimaänderung für die Landwirtschaft Durch die steigenden Temperaturen verschieben sich die heutigen Vegetationszonen mehrere 100 km polwärts - oft jedoch in Regionen, wo die Böden nicht tragfähig genug sind oder andere Faktoren (z. B. Licht; Tageslänge, Nährstoffverfügbarkeit) das Wachstum begrenzen. Auch die Hoffnung, dass der CO2-Anstieg das Pflanzenwachstum beschleunigt, konnte bisher nur unter Laborbedingungen eindeutig bestätigt werden. Unter Freilandbedingungen steht diese positive Wirkung in Frage, insbesondere wegen der begrenzenden Faktoren durch die künftigen Klimaänderungen (EK 1994; Burdick 1994). In den gemäßigten Breiten wird es voraussichtlich mehr Niederschläge im Winter geben, während sie im Sommer abnehmen. Damit sinkt die Bodenfeuchte während der Vegetationsperiode. Wasserknappheit könnte damit in weiten Teilen Mitteleuropas die landwirtschaftliche Produktion begrenzen oder beenden. Sommerliche Dürreperioden könnten zu einem alljährlich wiederkehrenden Ereignis werden. Wärmeliebende Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter würden sich weiter ausbreiten. Vielleicht kommt aber gerade in Mitteleuropa alles ganz anders. Wenn die europäische „Zentralheizung“ - der Golfstrom - ausbleibt, würde es abrupt empfindlich kälter werden und die Landwirtschaft in ihrer heutigen Form wäre in Mitteleuropa kaum mehr möglich. Zusätzlich zu Temperaturanstieg und Wassermangel ist die Landwirtschaft bereits heute durch die Zunahme der UV-B-Strahlung aufgrund des Ozonabbaus in der Stratosphäre sowie durch die Zunahme verschiedener Luftschadstoffe (z. B. bodennahes Ozon) beeinträchtigt. Während sich die Industrieländer den Klimaänderungen aufgrund ihrer Kapitalkraft vermutlich noch mehr oder weniger gut anpassen könnten, werden die ohnehin unterversorgten Entwicklungsländer voraussichtlich wesentlich härter von den kommenden Klimaänderungen betroffen sein. Die jetzt schon relativ trockenen und häufig von Dürren heimgesuchten Gebiete im westlichen und südlichen Afrika, in Südostasien und in Teilen von Mittel- und Südamerika werden Kommunale Agrarpolitik und klimaverträgliche Landwirtschaft Die Kommunen haben sich aufgrund der beschriebenen europäischen und nationalen Rahmenbedingungen und der Internationalisierung der Agrarmärkte bis vor kurzem aus der Agrarpolitik herausgehalten. Die Aufgabe, sich um die Ernährungssicherung der Bevölkerung zu kümmern, wurde von höherer politischer Ebene übernommen. Für die Umsetzung bzw. den Vollzug der rechtlichen Vorgaben wurden in Deutschland Agrarverwaltungen in Form von Landwirtschaftsämtern oder Landwirtschaftskammern eingerichtet. Gleichzeitig hat sich die Versorgungslage durch höhere Erträge in der Landwirtschaft verbessert. Erst seit einigen Jahren engagieren sich einige Kommunen wieder stärker im Bereich der Agrarpolitik, was überwiegend mit wachsenden Umweltproblemen zusammenhängt, die sich insbesondere auf kommunaler Ebene auswirken (Trinkwasserverschmutzung, negative Auswirkungen eines hohen Energieeinsatzes). Des Weiteren versuchen verschiedene Kommunen, den Zer- 16 fall regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungseinrichtungen aufzuhalten bzw. rückgängig zu machen. Da beides durch die europäische und nationale Agrarpolitik mit verursacht worden ist, kann die kommunale Agrarpolitik als Korrektiv gegenüber dieser verstanden werden (vgl. Thomas 1995, 60 ff., Thomas 1998a, 3-1 f.). Die Nähe zum Bürger macht die Kommunen zur idealen Lösungsinstanz regionaler Probleme. Mit gezielten Maßnahmen können sie dazu beitragen, die Nitratwerte im Grund- und Oberflächenwasser zu verringern oder die Zerstörung des Landschaftsbildes zu verhindern. Hinzu kommt, dass die Landwirtschaft in großen Teilen Deutschlands immer noch die größte Flächennutzerin darstellt. Aus diesem Grund sollten Kommunen, die sich mit Klimaschutz beschäftigen oder sogar Mitglied im Klima-Bündnis sind, sich auch mit dem Thema „Klimaschutz und Landwirtschaft“ befassen. KLIMA-BÜNDNISRUNDBRIEF NR. 28 bereits von einem geringen Temperaturanstieg und Rückgang der Bodenfeuchte empfindlich getroffen. Die fruchtbaren und dichtbesiedelten Winterregenzonen um das Mittelmeer, im Süden der USA und in den südlichen GUS-Ländern drohen zu unfruchtbaren Trockengebieten zu werden. In einigen der Regionen (Südostasien, Mittelamerika) kann es auch zu extremen Niederschlägen kommen, die im Zusammenspiel mit dem Meeresspiegelanstieg auch zu häufigeren und anhaltenden Überschwemmungen oder zu Erdrutschen und Bodenerosion führen können. Unter dem Anpassungsdruck der Klimaänderung wird sich die Kluft zwischen Entwicklungs- und Industrieländern weiter vertiefen und die Ernährungssicherung der Weltbevölkerung zusätzlich erschwert. Der weit überproportionale Anteil der Industrieländer als Verursacher der Treibhausgase und damit der Klimaänderung stellt somit eine besondere Form des „Öko-Kolonialismus“ dar. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Bernhard Burdick Döppersberg 19 42 103 Wuppertal Tel.: 02 02 / 24 92-1 10 Die „Rollen“ der Kommune bei der Umsetzung und Unterstützung einer klimaverträglichen Landwirtschaft Obwohl die Kommunen nur in geringem Umfang Möglichkeiten besitzen, direkt auf die Wirtschaftsweise der landwirtschaftlichen Betriebe Einfluss zu nehmen, z. B. mit ordnungsrechtlichen, aber häufig konfliktträchtigen, Maßnahmen, gibt es einige Handlungsspielräume. Ein wesentliches Ziel der kommunalen Maßnahmen sollte daher die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für die im Leitbild vorgestellte klimaverträgliche Landwirtschaft (siehe S. 12 ff.), z. B. durch die Förderung von Verarbeitungseinrichtungen, sein. Darüber hinaus sollten die Kommunen insbesondere in denjenigen Fällen, in denen sie selbst als landwirtschaftliche Betriebseignerinnen aktiv sind, die Aspekte dieses Leitbildes berücksichtigen. Konkrete Handlungsfelder der Kommune ergeben sich in den folgenden Bereichen: 1. Motivation der Landwirte zur Umstellung auf weniger intensive Wirtschaftsweisen durch Vorbildfunktion, 2. Information und Sensibilisierung der Bevölkerung bzw. der Landwirte über bzw. für eine klimaverträgliche Landwirtschaft und