Schweizer Jugendherbergen Eine nachhaltige Architekturgeschichte Inhalt Vorwort3 Drei Generationen von Jugendherbergen Jugendherberge Fällanden 4 Jugendherberge Zürich 8 Jugendherberge Grindelwald 12 Sorgfalt im Umgang mit Ort und Geschichte Jugendherberge Davos Youthpalace 16 Jugendherberge Valbella 20 Jugendherberge Basel 24 Konsequentes ökologisches Bauen Jugendherberge Zermatt 28 Jugendherberge St. Moritz 32 Jugendherberge Interlaken 36 Regionale Tradition – neu interpretiert Jugendherberge Scuol 40 Jugendherberge Gstaad Saanenland 44 Gewinnbringende Partnerschaften wellnessHostel4000 Saas-Fee 48 Auf dem Weg zu einem hindernisfreien Tourismus Jugendherberge Avenches 52 Mit Wettbewerben zu herausragenden Projekten Jugendherberge Bern 56 Jugendherbergen in der Schweiz 60 Auszeichnungen für die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus und die Schweizer Jugendherbergen 64 Die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus 65 Impressum66 1 Vorwort Seit über 90 Jahren können Gäste aus dem In- und abläufen. Die dritte, aktuelle Generation geht auf mit der Burgergemeinde Saas-Fee und die Partner- Ausland in Schweizer Jugendherbergen übernach- der Suche nach maximaler Qualität bei minimalem schaft mit der Raiffeisenbank, die das wellness- ten. Man erkennt die Unterkünfte an ihrem Logo, Budget sogar noch einen Schritt weiter. Hostel4000 respektive die Jugendherberge in Inter- das ein kleines Haus neben einer Tanne zeigt. Knapp 50 Jahre nach der Errichtung der ersten Jugendherberge wurde 1973 die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus gegründet. Sie verfolgt das Ziel, auf gemeinnütziger Basis den Sozialtourismus und eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu fördern. Dieses Vorhaben erreicht sie bis heute ausschliesslich durch den Bau von Jugendherbergen. Sie nimmt alle Aufgaben wahr, welche die Immobilien des Vereins Schweizer Jugendherbergen betreffen. Die Fusion der regionalen Jugendherbergsverbände zu einem nationalen Verband 1992 und Die Schweizer Jugendherbergen zeichnen sich seit Beginn durch prägnante Gebäude an hervorragenden Standorten aus. Hohe Ansprüche an die Gestalt, die Funktionalität sowie die Nachhaltigkeit und damit gleichermassen an die ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen der heutigen Zeit sind ihr erklärtes Ziel. Die Auszeichnung der Jugendherberge Scuol mit dem «Award für Marketing + Architektur» belegte 2010 erstmals Dieses Buch eröffnet Ihnen einen Weg durch die Architekturgeschichte der Schweizer Jugendher- schaft aufzubauen. Mit dem «Bauhandbuch 2005» bergen, angefangen bei der 1937 erbauten Unter- entstand 1993 eine Architekturbibel, die bis heute kunft in Fällanden bis zum jüngsten Haus, dem Gültigkeit besitzt. 2014 in Betrieb genommenen wellnessHostel4000 wie die Entwicklung der Schweizer Architektur. Die Häuser der ersten Generation waren von naturna- Stiftung Denk an mich. Stellvertretend stehen diese Beispiele für die Philosophie der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus: gemeinsam mehr erreichen. Unser besonderer Dank gilt deshalb allen Partnerinnen und Partnern, die zum Gelingen der einzelnen Projekte und dieses Buches beigetragen haben. Corporate Architecture. haben es ermöglicht, eine professionelle Bauherr- lung der touristischen Bedürfnisse ebenso ablesen jekt für hindernisfreie Jugendherbergen mit der den Erfolg dieser in der Zwischenzeit entstandenen die Eröffnung einer zentralen Geschäftsstelle 1994 An den Jugendherbergen lässt sich die Entwick- laken ermöglichten, sei dies das gemeinsame Pro- in Saas-Fee. Zudem gewährt es einen Einblick in die Philosophie der Schweizerischen Stiftung für Im Namen der Schweizerischen Stiftung Sozialtourismus sowie einen Ausblick auf ein span- für Sozialtourismus nendes Projekt der Zukunft. hen Unterkünften mit Massenlagern geprägt. In So unterschiedlich die Jugendherbergen auch sind, der zweiten Generation zeigte sich bereits ein hö- die Bauprojekte haben eines gemeinsam: Sie ba- herer Standard mit privateren Zimmern, vielfältigen sieren auf der Zusammenarbeit mit besonderen Pierre Martin Gemeinschaftsräumen und funktionalen Betriebs- Partnern. Seien dies das Public-Private-Partnership PräsidentGeschäftsleiter René Dobler 3 Drei Generationen von Jugendherbergen Jugendherberge Fällanden Jugendherbergen gibt es seit gut 100 Jahren. Die Jugendherberge Fällanden am Greifensee ist ein be- Die Idee dafür entstand 1909 in Deutschland deutendes Beispiel für die Gebäude der klassischen Mo- und fand kurz darauf auch in der Schweiz derne in der Schweiz. 1937 eröffnet, gilt es als eines der Anklang: Am 28. April 1924 gründeten rund Hauptwerke des Architekten Emil Roth, Mitbegründer der 70 Vertreterinnen und Vertreter von Jugend- Avantgarde-Zeitschrift ABC. Roth war an der Planung der verbänden, und zwar von der Abstinenten Zürcher Werkbundsiedlung Neubühl beteiligt, der wohl Jugend, der Pro Juventute bis zu den Wander- wichtigsten Wohnsiedlung der klassischen Moderne in vögeln, die Zürcherische Genossenschaft zur der Schweiz. Die Zürcher Jugendverbände, organisiert im Errichtung von Jugendherbergen. Bereits im Verein für Jugendherbergen Zürich, suchten damals ein Juli desselben Jahres waren zwölf einfache bezahlbares Grundstück für eine Herberge auf dem Land Jugendherbergen in Betrieb. 1932 trat die und fanden es am nahen Greifensee. Organisation der International Youth Hostel Federation bei. Zwischen 1926 und 1936 stieg die Zahl der Herbergen, die bereits unter dem Namen «Schweizer Jugendherbergen» firmierten, von 80 auf 208, die Übernachtungen parallel dazu von 7000 auf 168’000. 1973 wurde die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus gegründet. Sie übernimmt bis heute die Liegenschaftsverwaltung – vom Die Bauaufgabe war für die Umsetzung einer einfachen und auf Funktionalität fokussierten Architektur wie geschaffen: Roth verzichtete auf jegliche dekorative Elemente und entwarf einen schnörkellosen Holzbau, der von aussen auch heute noch erstaunlich zeitgemäss wirkt. Die Wahl des Materials Holz und die Konstruktion in Ständerbauweise schufen gleichzeitig eine thematische Verbindung zur Schweiz und ihrem Handwerk. Bau bis zur Instandhaltung – der vom Verein Schweizer Jugendherbergen geführten Betriebe. Für die Geschichte der Bauten der Schweizer Jugendherbergen sind die drei Häuser in Fällanden, Zürich und Grindelwald exemplarisch, da sie drei Generationen der Jugendherbergen abbilden. 4 5 Drei Generationen von Jugendherbergen Jugendherberge Fällanden Das Haus in Fällanden steht für die erste Das Gebäude steht für die ursprüngliche Idee der Schwei- Jugendherbergsgeneration mit Massenlager, zer Jugendherbergen und bot nach Geschlechtern ge- Geschlechtertrennung und der Lage in der trennte Massenlager für maximal 70 Personen. Damit ge- Natur an einem See, das man mit einer Fuss- hörte das Haus in Fällanden schon bald zu den kleineren wanderung von Zürich gut erreichen konnte. Jugendherbergen. Aufgrund ihrer hervorragenden Lage Die ersten Jugendherbergen waren sehr ein- direkt am See war sie oft stark überbelegt. Trotzdem fach eingerichtet. In den Zimmerbereichen wurde erst im Rahmen von Erneuerungsarbeiten in den reihte sich Bett an Bett. Die Nasszellen waren 1970er-Jahren in den Duschen Warmwasser installiert. gemeinschaftlich zusammengefasst und in 1981 brannte der Wohnungsteil teilweise aus und wurde den Schlafräumen gab es keine Waschtische. innert vier Monaten mit verbessertem Standard wieder Die Gemeinschaftsküche, in der mit Holz ein- aufgebaut. Heute steht das Haus unter dem Schutz der gefeuert wurde, war ebenfalls sehr einfach kantonalen und eidgenössischen Denkmalpflege und eingerichtet. kann von Gruppen ab zehn Personen gebucht werden. Fassade Christine Barz, Bauberaterin der kantonalen Denkmalpflege Zürich «Als einer der wenigen Zeugen aus der Pionierzeit der Jugendherbergen soll der ‹Bau für die Allgemeinheit› seine schlichte Eleganz des ‹Neuen Bauens› auch in der Zukunft behalten. Der Winterschlaf ermöglicht es ihm, sich grossen Dämmmassnahmen zu entziehen.» Obergeschoss Jugendherberge Fällanden Im Rohrbuck Maurstrasse 33 8117 Fällanden 46 Betten in 6 Zimmern Baujahr / Architekt 1937 Emil Roth, Zürich Erdgeschoss 6 7 Drei Generationen von Jugendherbergen Jugendherberge Zürich Ganz anders das Haus der zweiten Gene- Skulptural und wuchtig tritt die Jugendherberge in Zürich ration: Die 1965 eröffnete Jugendherberge in nach aussen in Erscheinung. Ein grobkörniger Verputz und Zürich war ein weltweites Vorzeigebeispiel schmale Fensteröffnungen bestimmen ihr Erscheinungs- dafür, wie man die Jugendherbergen in ihrer bild. Der Bau, den der Architekt Ernst Gisel im Auftrag der Funktionalität neu erfand: In den Zimmern Stadt Zürich entworfen hat, ist ein bedeutender Zeuge der standen die Doppelstockbetten zwar immer Architektur jener Zeit und steht seit 1998 im Inventar noch relativ dicht beieinander, man achtete schützenswerter Bauten der Stadt Zürich. aber darauf, dass nur noch acht Schlafplätze pro Raum eingerichtet wurden. Die Schlaftrakte und Treppenhäuser waren nach wie vor nach Geschlechtern getrennt. Dazu kamen verschiedene gemeinsam genutzte Bereiche wie Aufenthaltsräume, Speisesaal, Seminarraum und eine gesonderte Eingangs- und Empfangszone. Verpflegen konnte man sich wie bis anhin in einer Gemeinschaftsküche, in der man selbst kochte. Gleichzeitig wurde aber auch eine professionell geführte Küche eingerichtet, die Mahlzeiten bereitstellte. Der Neubau ersetzte eine ehemalige Schulbaracke, die seit 1936 als Herbergsbetrieb genutzt worden war. Gisel hat den verschiedenen Funktionen – Schlaftrakt, Wirtschaftstrakt und Tagesraumbereich – verschiedene Baukörper zugeordnet. So ist ein Gebäude mit einer objekthaften, bewegten Volumetrie entstanden. 1965, bei seiner Eröffnung, war der Neubau ein weltweites Vorzeigebeispiel für den Bau von Jugendherbergen: Zwar waren die Geschlechter mit je eigenen Treppenhäusern nach wie vor getrennt, aber anstelle von Massenlagern setzte man auf Achterzimmer. Die Jugendherberge in Grindelwald steht für die dritte Generation der Schweizer Jugendherbergen: Der Umbau und die Erweiterung wurden hier erstmals nach den Richtlinien des 1993 entwickelten «Bauhandbuches 2005» realisiert. 8 9 Drei Generationen von Jugendherbergen Jugendherberge Zürich Ein Planungsteam, bestehend aus zehn 1996 übertrug die Stadt Zürich die Liegenschaft der Fachleuten aus den Bereichen Architektur, Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus und stellte Innenarchitektur, Ökologie, Textildesign, visu- einen grosszügigen Betrag zur Erneuerung des Gebäudes elle Kommunikation, Landschaftsarchitektur zur Verfügung. Neben der Sanierung war eine Erweite- und Sicherheit, definierte darin die Ziele, die rung unumgänglich. Da man das plastische, solide Ge- man mit künftigen Um- und Neubauten der samtbild des Ensembles möglichst erhalten wollte, er- Jugendherbergen erreichen wollte. Anlass wies sich dieses Vorhaben als komplex: Nachdem man dazu war 1991 die Fusion der bis dahin regio- zunächst den eingeschossigen Tagesbereich hatte aufsto- nal organisierten Jugendherbergen. Diese cken wollen, zeigte ein Studienauftrag, dass sich der drei- Neuorganisation hatte zur Folge, dass alle Lie- geschossige Wirtschaftsbereich dafür sowohl aus bau- genschaften in die Schweizerische Stiftung technischer als auch aus architektonischer Sicht besser für Sozialtourismus überführt wurden, die eignete. Neben der kräftigeren Farbe der Fassade ist die- damit auf einen Schlag für sehr viele Häuser se Aufstockung mit neuen Zweier- und Viererzimmern verantwortlich war. heute die wichtigste, von aussen sichtbare Veränderung. Das Erdgeschoss öffnete das verantwortliche Architekturbüro Meyer Moser Lanz mit Empfangshalle, Lobby, Kiosk, Bar und Aufenthaltsbereichen zu einem grosszügigen, hel- Gerold Kunz, dipl. Architekt ETH SIA BSA, Jurypräsident ICOMOS Suisse «Die Jugendherberge Zürich wurde von ICOMOS für den sorgsamen Umgang während der Renovation von 2004 ausgezeichnet. Die Besichtigung vor Ort hat mir gezeigt, dass sich alle Veränderungen harmonisch in den Grundbau einfügen und den Eindruck vermitteln, als sei die Jugendherberge seit 50 Jahren unverändert geblieben.» 10 len Raumkontinuum. Die ursprüngliche Material- und Farbauffassung blieb dabei weitgehend erhalten. Der Haupteingang wurde in die Mitte des Gebäudes verlegt und öffnet sich heute zur nächstgelegenen Bushaltestelle, der die Jugendherberge den Namen gibt. Er erschliesst die Halle mit dem alten und dem neuen daran angeschlossenen Schnitt Jugendherberge Zürich Mutschellenstrasse 114 8038 Zürich Dachgeschoss Schnitt 290 Betten in 76 Zimmern Baujahr / Architekt 1965 Ernst Gisel, Zürich Umbau und Erweiterung 2002 – 2004 Meyer Moser Lanz Architekten AG, Zürich Investitionssumme: 9,8 Mio. CHF Auszeichnung2008 Historisches Hotel des Jahres von ICOMOS Suisse, Kategorie «Besondere Auszeichnung» Zimmertrakt zentral. Zwar stehen wegen des Umbaus (2002 – 2004) nur noch 290 Betten statt wie vorher 312 zur Verfügung, doch gelang es, die Anzahl der Zweier- und Viererzimmer deutlich zu erhöhen. Dies entspricht eher den heutigen Gästebedürfnissen und ermöglicht eine grössere Erdgeschoss Regelgeschoss Flexibilität und damit eine bessere Auslastung. 11 Drei Generationen von Jugendherbergen Die neu definierten Strukturen der Stiftung Seit 1939 dient das von einem englischen Architekten ent- und das Leitbild waren zwei Mittel, um die worfene und 1904 in Strickbauweise erstellte Ferienchalet Stiftung und die Häuser in eine erfolgreiche im Wald oberhalb von Grindelwald mit Blick auf die Nord- Zukunft zu führen. Einer der wesentlichen wand des Eigers als Jugendherberge. Zwischen 1962 und Punkte des Leitbilds war, die Zimmereinheit 1965 erweiterte man das Gebäude um einen Vorbau im erneut zu verkleinern: Man bot neu einen Erdgeschoss gegen Westen deutlich. Die notwendige Zimmermix, bestehend aus Doppel-, Vierer- Sanierung Mitte der 1990er-Jahre bot die Gelegenheit, die und Sechserzimmern an, wobei die einen Bettenzahl in den engen Zimmern zu reduzieren. Da ein Zimmer integrierte Nasszellen aufwiesen und Anbau an das bestehende Gebäude nicht mehr in Frage andere mit eigenem Lavabo sowie Dusche kam, entschied man sich, neben dem ursprünglichen Cha- und WC auf der Etage angeboten wurden. letgebäude einen freistehenden Neubau zu erstellen. Ein Grund dafür war, dass die Privatsphäre auch beim Schlafen gewahrt bleiben sollte. Diese Entwicklung bildet auch die im Laufe der Zeit gewachsenen Ansprüche und Erwartungen der Gäste ab. Eine zweite wichtige Erkenntnis aus der Arbeit mit dem Planungsteam war, dass die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus über sehr wertvolle, architektonisch überzeugende Objekte an sehr guten Standorten verfügt. Daraus folgerte man, auch in Zukunft auf qualitätsvolle Architektur setzen zu wollen. 12 Jugendherberge Grindelwald Im Rahmen der Erneuerung und Erweiterung der Jugendherberge Grindelwald wurde ein erstes Mal das «Bauhandbuch 2005» getestet: Ein Team, bestehend aus zehn Fachleuten, zu dem auch die Architektinnen Kathrin Gügler und Regula Stahl gehörten, hatte darin die neuen Anforderungen an Jugendherbergen im Hinblick auf Komfort, Betrieb, Gemeinschafts- und Schlafräume definiert und konnte diese in Grindelwald ein erstes Mal realisieren. Die wichtigsten Aspekte des «Bauhandbuches 2005» sind eine qualitativ hochstehende Architektur sowie ein sorgsamer Umgang mit Standards und regionalen Eigenheiten. 13 Drei Generationen von Jugendherbergen Neubau Jugendherberge Grindelwald Altbau Die Architektin Kathrin Gügler und der Architekt Martin Gautschi entwarfen einen formal schlichten, räumlich klar strukturierten, dreigeschossigen Baukörper, der sich dem Hauptgebäude optisch unterordnet. Insgesamt 18 neue Zweier- und Viererzimmer fanden hier Platz. Jedes Geschoss teilt sich in eine talseitige Zimmerschicht mit durchgehendem Korridor und hangseitige Nebenräume mit Treppen und Nasszellen auf. Die Materialien wurden nach ökologischen Kriterien ausgewählt: grauer Linoleum Regelgeschoss und Kunststein für den Boden, Sumpfkalkputz in einem warmweissen Grundton für die Wände, grau-grün gestrichener Holzwerkstoff für Schränke und Türen, unbehandeltes Lärchenholz für die Fassade. Für den Umbau des Chalets waren die Architektin Regula Stahl und der Architekt Thomas Nussbaumer verantwortlich: Hier bot sich die Gelegenheit, das Chalet von seinen Altlasten zu befreien und die Anzahl der Betten pro ZimAlain Paratte, dipl. Architekt ETH SIA, Altpräsident der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus «Die Erneuerung der Jugendherberge Grindelwald bot die Gelegenheit zur Validierung der Thesen des Planungsteams 2005. Das überzeugende Ergebnis war der erste Meilenstein in der baulichen Neuorientierung, die bis zum heutigen Tag erfolgreich weitergeführt wird.» 14 mer zu reduzieren. Gleichzeitig wurde auch der Empfang mit einer grosszügigen Rezeption den neuen Anforderungen angepasst. 1. Obergeschoss Jugendherberge Grindelwald Geissstutzstrasse 12 3818 Grindelwald 135 Betten in 33 Zimmern Baujahr 1904 Um- und Neubau 1996 Umbau: Thomas Nussbaumer und Regula Stahl Neubau: Martin Gautschi und Kathrin Gügler Investitionssumme: 4,5 Mio. CHF Erdgeschoss Erdgeschoss 15 Sorgfalt im Umgang mit Ort und Geschichte Jugendherberge Davos Youthpalace Viele Schweizer Jugendherbergen befinden Das 1913 erbaute Sanatorium Beau-Site war Teil des Davo- sich in Häusern, die für diesen Zweck umge- ser Kurtourismus, der seine Blütezeit in den Zwischen- nutzt wurden. Als Jugendherbergen gebaut kriegsjahren erlebte. Leicht erhöht gelegen und mit freiem wurden vergleichsweise wenige Objekte. Oft Blick über Davos, erfuhr der Bau im Lauf der Zeit verschie- hat die öffentliche Hand an die Tür der Schwei- dene Veränderungen. Seit 1996 stand das Haus leer, nach- zer Jugendherbergen geklopft, wenn ein Ob- dem die zuletzt darin beheimatete Klinik für Allergie und jekt erhalten werden sollte, dessen vorherige Dermatologie ihren Betrieb eingestellt hatte. 1999 erfolgte Nutzung obsolet geworden war, und man der Auftrag an die Architekten Gian Carlo Bosch, Martin seitens der Stadt oder der Gemeinde dafür Heim und Reto Zindel, das Gebäude in eine Jugendher- eine halböffentliche Weiterverwendung such- berge umzubauen. te. In ihrer über 90-jährigen Geschichte haben sich die Schweizer Jugendherbergen so einen grossen Fundus an historischen Bauten angelegt. Die Pflege dieses baukulturellen Erbes ist ein zentrales Anliegen der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus, das auch im «Bauhandbuch 2005» verankert wurde. Die Schweizer Jugendherbergen wurden so Der repräsentative Charakter des Hauses an ausserordentlicher Lage auf einer Sonnenterrasse und die bestehende Zimmerstruktur mit eigenen Nasszellen und vorgelagerten Balkonen verlangte nach einem entsprechenden Konzept: Die Idee des Youthpalace war geboren – eine neue, gehobene Kategorie mit besonderen Anforderungen an den Betrieb, die Gestaltung der Räume und das architektonische Konzept. auch nicht zu einer Beherbergungskette mit demselben, standardisierten Gleichen in jeder Ecke der Schweiz. Ihre Qualität besteht in der Einzigartigkeit ihrer Häuser. Jede Jugendherberge ist zwar als solche erkennbar, schreibt aber auch die Geschichte des jeweiligen Ortes oder der vorhandenen wertvollen Bausubstanz fort. Die Häuser in Davos, Valbella und Basel zeigen beispielhaft den individuellen Umgang mit diesem Erbe. 16 17 Sorgfalt im Umgang mit Ort und Geschichte Jugendherberge Davos Youthpalace WA Im Sanatorium in Davos beliess man den Dieses Konzept beliess die vorhandene Zimmerstruktur in hohen Standard des ehemaligen Kurhauses den Obergeschossen ohne wesentliche bauliche Eingriffe. mit den Zimmern mit Nasszellen und grossen Dagegen organisierten die Architekten das Erdgeschoss Balkonen – deshalb der Name Youthpalace. und das erste Obergeschoss vollständig neu: Die gemein- Neugestaltet wurden hingegen die Aufent- schaftlich genutzten Räume mit Empfang, Aufenthalts- haltsräume. Sie bilden das Herz der Jugend- und Restaurationsbereich wurden in Wandelhallen umge- herberge und wurden ganz in warme Rottöne staltet, in denen sich die Gäste aufhalten, gleichzeitig aber getaucht. auch zirkulieren können. Rottöne an Boden, Wänden und Regelgeschoss Decke bilden in diesen Räumen, die sich nur in Nuancen unterscheiden, eine warme Hülle. Gezielt eingesetzte Elemente in Weiss setzen als Raumteiler oder in Fensternischen ebenso wie die in Weiss gehaltenen, schlichten Deckenleuten Akzente. Ergänzt wird diese Raumstimmung mit schwarzen Möbeln und Einbauten. Von aussen wirkt das Haus allerdings noch immer wie anno dazumal und auf den für die Sanatorien der damaliErwin Roffler, Alt-Landammann Davos und Stiftungsrat der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus «Die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus hat einen Weg gefunden, einen wichtigen Davoser Zeitzeugen zu erhalten und gleichzeitig mit dem ersten Youthpalace eine Neuheit in der Schweizer Herbergswelt zu kreieren. Zwei Fliegen auf einen Schlag für den Tourismusstandort Davos; was kann sich ein Landammann besseres wünschen.» 18 gen Zeit typischen Balkonen wähnt man sich um Jahrzehnte zurückversetzt. Jugendherberge Davos Youthpalace Horlaubenstrasse 27 7260 Davos 235 Betten in 70 Zimmern Querschnitt 1. Obergeschoss Baujahr / Architekt 1913 Bode & Bauer, Davos Umbau 2002 Bosch & Heim Architekten AG mit Reto Zindel, Chur Investitionssumme: 3,3 Mio. CHF WA Erdgeschoss 19