Bodo Philipp - Entdeckung allgemeiner Prinzipien der bakteriellen

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Bodo Philipp - Entdeckung allgemeiner Prinzipien der
bakteriellen Interaktion
Hinsichtlich Kommunikation gibt es zwischen Menschen und Bakterien wenig Parallelen.
Während Menschen vornehmlich akustisch und visuell kommunizieren, findet die
Verständigung bei Bakterien nach bisherigen Erkenntnissen nur chemisch über diffusible
Signalstoffe und direkte Zell-Zell-Kontakte statt. Dr. Bodo Philipp untersucht an der
Universität Konstanz ökologisch relevante Aktivitäten von Bakterien wie zum Beispiel ZellZell-Interaktionen. Mit den Erkenntnissen könnten unter anderem Ansammlungen von
Bakterien in hygienischen Bereichen beseitigt werden, wodurch sich lebensbedrohliche
bakterielle Infektionskrankheiten vermeiden lassen könnten. Als Modellorganismus für
seine Forschung dient Dr. Bodo Philipp der gefürchtete Krankheitserreger Pseudomonas
aeruginosa.
Dr. Bodo Philipp © privat
Traditionell werden Bakterien in der Forschung eher als unabhängige Einzelzellen betrachtet.
Seit einigen Jahren beschäftigen sich Mikrobiologen jedoch stärker mit ihren Interaktionen, die
noch weitgehend unerforscht sind, da Untersuchungen zur Physiologie von Bakterien
traditionell fast ausschließlich an Reinkulturen vorgenommen wurden. In der jüngsten
Vergangenheit wurden Tausende von bakteriellen Genomen entziffert, wobei eine große Zahl
von Genen (etwa 30-50%) für Proteine unbekannter Funktion codieren. Da Bakterien an ihren
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natürlichen Standorten aber nicht in Reinkultur leben, ist es sehr wahrscheinlich, dass viele
dieser unbekannten Gene eine Funktion für das Leben in bakteriellen Gemeinschaften haben.
Mithilfe verschiedener physiologisch-biochemischer Analysen zu Zell-Zell-Interaktionen
versucht Dr. Bodo Philipp, solchen Genen Funktionen zuzuordnen und dabei den
Kommunikationsmechanismen der Bakterien auf den Grund zu gehen.
„Was die praktische Anwendung angeht, könnten unsere Ergebnisse zum Verständnis
beitragen, Kontaminationen von Bakterien in hygienischen Bereichen, wie z.B. Kliniken,
Großküchen, Lebensmittelindustrie effektiver zu bekämpfen“, beschreibt der Konstanzer
Mikrobiologe die angestrebten Ziele. Neue Perspektiven eröffne ihm zufolge die
Grundlagenforschung auch „für die weiße Biotechnologie“, indem man sich bakterielle ZellZell-Interaktionen für die Produktion nützlicher Metabolite (z.B. Nahrungsmittelzusätze,
Pharmazeutika) oder für die Beseitigung umweltgefährlicher Substanzen (z.B. Altmedikamente)
zunutze macht.
Vielseitiger Krankenhauskeim im Visier
Strukturierte Kolonien von Pseudomonas aeruginosa auf einer Agarplatte mit dem Tensid SDS © Dr. Janosch
Klebensberger
Für die Erforschung zellulärer und chemischer Interaktionen von Bakterien dient dem
Konstanzer Wissenschaftler und seiner Arbeitsgruppe neben Krankheitserregern der Gattung
Aeromonas oder Cytophaga/Flavobacterium insbesondere das Bakterium Pseudomonas
aeruginosa als Modell. „Dieses Bakterium ist, von seiner Zugänglichkeit für gentechnische
Eingriffe abgesehen, außerordentlich anpassungsfähig und kann sich in vielen Lebensräumen
etablieren, indem es sich die unterschiedlichsten Nährstoffquellen erschließt und sich vor
Schäden durch toxische Verbindungen (z.B. Antibiotika , Desinfektionsmittel) oder Fressfeinde
(z.B. Amöben) schützt“, begründet der Konstanzer Forscher die Wahl. Diese Vielseitigkeit
beruht sehr stark auf Zell-Zell-Interaktionen wie Aggregation bzw. Biofilmbildung sowie
chemischer Kommunikation und macht das Bakterium zu einem Problemkeim in vielen
Bereichen, z.B. als opportunistisch pathogenes Bakterium in Kliniken oder als Kontaminante
von Trink- und Badewasser. „Besonders gefährlich ist P. aeruginosa auch für Patienten mit
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Mukoviszidose, die oft einer Lungeninfektion durch dieses Bakterium erliegen“, so Dr. Bodo
Philipp. Auch Kontaktlinsenträger können leicht Hornhautinfektionen durch P. aeruginosa
erleiden, denn das Bakterium überlebt die Kontaktlinsenreinigungsmittel, ernährt sich davon
und bildet dann Biofilme auf der Kontaktlinse, die man sich dann direkt in das Auge platziert.
Bakterien werden in Stress versetzt
Am Anfang der Untersuchungen stellten Dr. Bodo Philipp und sein Team die Hypothese auf,
dass Bakterien Zellaggregate bilden, wenn sie toxische Substanzen als Nährstoffquellen nutzen
möchten. Bei der Nutzung toxischer Substanzen wie z.B. Tensiden oder Lösungsmitteln als
Nährstoffe müssen sich Bakterien diesen Verbindungen zwangsläufig aussetzen. „Die
Vermutung war, dass die Bildung von Aggregaten den Bakterien einen Schutz bieten könnte,
um zu große Zellschäden zu vermeiden“, erklärt der Mikrobiologe. Um die Interaktion von P.
aeruginosa mit giftigen Substanzen zu analysieren, hatte die Forschergruppe um Dr. Bodo
Philipp das Tensid Natriumdodecylsulfat (SDS), eine toxische Verbindung, die Bakterien z.B. in
der Kläranlage abbauen, als Modellsubstanz gewählt. Tatsächlich bildete P. aeruginosa bei
Wachstum auf SDS, welches ein typischer Bestandteil von Hygieneprodukten wie Zahncreme
oder Shampoo ist, große Zellaggregate. Es zeigte sich, dass bei Hemmung des
Energiestoffwechsels von P. aeruginosa das SDS zur vollständigen Auflösung von frei lebenden
Einzelzellen führte.
„Befinden sich die Zellen jedoch in einem Aggregat, so sind sie mehr als 1.000-fach resistent
gegenüber SDS“, stellt Dr. Bodo Philipp fest. Bezüglich der Bildung der Aggregate konnten er
und sein Team aus genetischen Studien ableiten, dass das SDS bei den Zellen einen relativ
milden Stress verursacht, der über spezifische Signalproteine registriert wird. „Diese
Signalproteine sorgen für eine verstärkte Bildung von extrazellulären polymeren Substanzen
(EPS), welche die Einzelzellen klebrig machen und zur Aggregation führen“, so Dr. Bodo Philipp.
Unter diesen Klebstoffen fanden die Konstanzer Wissenschaftler Polysaccharide, DNA und ein
Oberflächenprotein. Und sie konnten zeigen, dass die Signalkaskade über das bei Bakterien
verbreitete, intrazelluläre Signalmolekül di-Guanosinmonophosphat (c-di- GMP) verläuft.
Zellaggregation als Überlebensstrategie
„Die nachgewiesene, durch SDS hervorgerufene Zellaggregation haben wir als präadaptive
Überlebensstrategie charakterisiert. Denn diese Taktik bedeutet, dass ein Teil der Zellen in
einer Population bereits dann aggregiert, wenn sie einen relativ milden Stress erfahren“, sagt
der Mikrobiologe der Uni Konstanz. So ist gewährleistet, dass ein gewisser Anteil der
Population eine erhöhte Überlebenschance hat, wenn die Bedingungen noch schlechter
werden, indem z.B. die Konzentration des toxischen Stoffes ansteigt oder ein weiterer toxischer
Stoff hinzukommt. „Beim Wachstum mit SDS allein erwies sich die Aggregation als nicht
notwendig und wir beobachteten, dass sich bei längerer Kultivierung im Labor spontane
Mutanten anreicherten, die die SDS-induzierte Aggregation verloren hatten“, berichtet Dr.
Bodo Philipp. Dadurch konnte ein Fall rekonstruiert werden, wie Bakterien bei längerer
Laborkultivierung durch eine Mutation domestiziert werden und quasi „verweichlichen“.
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Erforschen bakterielle Kommunikation an der Uni Konstanz: Dr. Bodo Philipp mit Doktorandin Nina Jagmann im
mikrobiologischen Labor. © Dr. Bodo Philipp
Konkurrenzsituationen setzen Kommunikationsprozesse in Gang
In einem anderen Projekt haben der Konstanzer Bakterien-Forscher und sein Team die
Konkurrenz von Wasserbakterien, nämlich Aeromonas-Stämmen und Cytophaga/
Flavobacterium-Stämmen um polymere Substrate untersucht. Dabei wurde erforscht, wie
Bakterien unterschiedlicher Art interagieren, wenn sie sich Nährstoffpartikel, z.B. abgestorbene
Mikroalgen oder Chitinpanzer von Krebstieren, erschließen. Diese Experimente wurden unter
sehr naturnahen Bedingungen durchgeführt. Als Medium verwendeten Dr. Bodo Philipp
sterilfiltriertes Bodenseewasser. „Von Aeromonas war bekannt, dass ein bestimmtes
Kommunikationssystem, das AHL-abhängige Quorum sensing, für die Biofilmbildung und für
die Bildung extrazellulärer Enzyme wichtig ist. Unsere Hypothese war dementsprechend, dass
AHL-abhängiges Quorum sensing für Aeromonas essenziell für das Wachstum mit polymeren
Substraten sein sollte“. Die verschiedenen Versuche zeigten jedoch, dass dies nicht der Fall
war. Die neue Hypothese der Forscher lautet, dass unter natürlichen, d.h. in der Regel sehr
nährstoffbegrenzten Bedingungen, andere noch unbekannte Kommunikationsmechanismen
genutzt werden, um polymere Substrate abzubauen.
Was den Ablauf der Analysen angeht, haben Bodo Philipp und sein Team eine klare
Vorgehensweise entwickelt. „In der Regel untersuchen wir bestimmte Zell-Zell-Interaktionen,
wie z.B. die SDS-induzierte Aggregation oder die Biofilmbildung beim Abbau von
abgestorbenen Algen im Labor zunächst physiologisch und biochemisch. Aufbauend auf diesen
Erkenntnissen erzeugen wir dann Mutanten, die diese Interaktion nicht mehr aufweisen und
nutzen diese aus, um die Gene zu identifizieren, die spezifisch an den Interaktionen beteiligt
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sind“, so der Arbeitsgruppenleiter. Neben vielen klassischen mikrobiologischen und chemischanalytischen Techniken (z.B. HPLC) sowie molekularbiologisch-genetischen Techniken ( PCR,
DNA-Chips) kommen insbesondere die Fluoreszenzmikroskopie und die konfokale LaserScanning-Mikroskopie zum Einsatz, mit deren Hilfe Strukturen von Aggregaten und Biofilmen
erfasst werden.
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft könnte potenzielle Produkte
hervorbringen
Für die Zukunft erhofft sich der Konstanzer Biologe Kooperationen mit Industriepartnern,
insbesondere mit Unternehmen aus der weißen Biotechnologie-Branche. „Man könnte
gemeinsam untersuchen, ob die Induktion von Zellaggregation für manche
Fermentationsprozesse günstig ist, oder ob Zell-Zell-Interaktionen zwischen unterschiedlichen
Bakterien für mehrstufige Fermentationsprozesse genutzt werden könnten“, so Dr. Bodo
Philipp. Viele Möglichkeiten sieht der Forscher in der Zusammenarbeit mit Herstellern von
flüssigen Hygieneartikeln, um den Bewuchs derartiger Produkte zu analysieren und zu
vermeiden.
Kooperationen mit der Wirtschaft könnte sich Dr. Bodo Philipp zudem auf seinem zweiten
Forschungsgebiet, der Aufklärung von Stoffwechselwegen für den Abbau stabiler organischer
Verbindungen, wie z.B. Steroiden und Aromaten, vorstellen. In der Vergangenheit hatte das
Forscherteam bereits in einem Projekt zur Vorhersagbarkeit der biologischen Abbaubarkeit von
organischen Verbindungen mit der BASF AG zusammengearbeitet. „Insgesamt ist in unserer
Gruppe Expertise, Bereitschaft und Flexibilität vorhanden, um mit Industriepartnern zu
kooperieren, die in ein Projekt der Grundlagenforschung investieren würden. Willkommen wäre
z.B. die Bereitstellung von Mitteln für kostspielige Analysen (u.a. DNA-Chips) oder die
Finanzierung einer Doktorandenstelle“, erklärt der Mikrobiologe.
Neben der Kontaktaufnahme zur Wirtschaft steht in der kommenden Zeit die weitere
Forschungsarbeit im Mittelpunkt. „Wir möchten uns auf die Entdeckung von allgemeinen
Prinzipien bakterieller Interaktionen wie die Freund/Feind-Erkennung sowie auf die
Verknüpfung von Stoffwechselphysiologie mit Zell-Zell-Interaktionen konzentrieren." Zu den
weiteren Aufgaben von Dr. Bodo Philipp und seiner Arbeitsgruppe gehören Untersuchungen zur
Aufklärung neuer Stoffwechselwege, z.B. für Micropollutants (z.B. Medikamente, Weichmacher),
die in der Kläranlage schlecht abgebaut werden und dadurch in der Umwelt akkumulieren.
Zur Person:
Bodo Philipp studierte an der Universität Osnabrück Biologie mit den Schwerpunkten
Mikrobiologie, Genetik, Biophysik und Ornithologie. Nach dem Diplom am Institut für
Biotechnologie des Forschungszentrums Jülich und der anschließenden Promotion 1999
zum Abbau phenolischer Verbindungen durch anaerobe Bakterien an der Universität
Konstanz folgte dort eine einjährige Postdoktorandenzeit, in der sich Bodo Philipp in
Kooperation mit der BASF AG und Computerwissenschaftlern mit der Vorhersage der
biologischen Abbaubarkeit beschäftigte. Im Jahre 2000 wechselte er an die Universität
Nottingham und begann dort mit Untersuchungen zur bakteriellen Kommunikation, bevor
er 2001 an die Universität Konstanz zurückkehrte. Seit 2008 ist Bodo Philipp für
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Mikrobiologie und Mikrobielle Ökologie habilitiert.
Fachbeitrag
09.02.2009
mst
BioLAGO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
PD Dr. Bodo Philipp
Universität Konstanz
Fachbereich Biologie
Mikrobielle Ökologie
Tel.: +49 (0)7531 / 88-4541
E-Mail: bodo.philipp(at)uni-konstanz.de
Universität Konstanz Fachbereich
Biologie
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