Abstracts zum 17. Gewässersymposium des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz sowie des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit dem Projekt RADOST – Regionale Anpassungsstrategien für die deutsche Ostseeküste zum Thema „Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020“ Bohrinsel Mittelplate – A im Wattenmeer Foto: Mario von Weber am 13.09.2012 in der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege, Güstrow 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern haben gemeinsam mit dem Projekt RADOST - Regionale Anpassungsstrategien für die deutsche Ostseeküste eingeladen zum 17. GEWÄSSERSYMPOSIUM EUROPÄISCHE MEERESSTRATEGIE – SAUBERE UND GESUNDE MEERE BIS 2020 13.09.2012 09:30 - 17:00 Uhr Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege Lehrgebäude II, Hörsaal 184 Goldberger Straße 12 18273 Güstrow. Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie schafft den Ordnungsrahmen für die notwendigen Maßnahmen aller EU-Mitgliedsstaaten, um bis 2020 einen „guten Zustand der Meeresumwelt“ in allen europäischen Meeren zu erreichen oder zu erhalten. Alle europäischen Meeresanrainerstaaten sind verpflichtet, dies in ihren jeweiligen Meeresregionen durch die Erarbeitung und Durchführung von nationalen Strategien umzusetzen. Bis 2010 ist die nationale rechtliche Implementierung vorzunehmen. 2012 muss u. a. eine Anfangsbewertung der Meere, die Beschreibung des guten Umweltzustandes und die Festlegung der Umweltziele erfolgen. Bis 2014 sind das Monitoringprogramm und 2015 das Maßnahmenprogramm zu erarbeiten. Die Veranstaltung soll ausgehend vom aktuellen Stand der Umsetzung der MSRL allen Akteuren, die sich mit dem Schutz der Meere beschäftigen, die Möglichkeit geben, sich zu informieren, auszutauschen und Anregungen für den weiteren Prozess zu geben. Die Homepage zur Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie bietet Ihnen weiterführende Hintergrundinformationen u.a. zur Anfangsbewertung, zum guten Umweltzustand und zu den Umweltzielen: www.meeresschutz.info. 2 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Programm 09:30 Uhr Begrüßung Herr Dr. Harald Stegemann Direktor des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie M-V, Güstrow 09:40 Uhr Grußwort Herr MDgt. Günther Leymann Abteilungsleiter Wasser und Boden, Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz M-V, Schwerin 09:50 Uhr Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie Einführung und Stand der Umsetzung Herr Mario von Weber Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie M-V, Güstrow 10:10 Uhr Aktivitäten der Helsinki-Kommission (HELCOM) zur Umsetzung der MSRL Frau Dr. Marina Carstens Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie M-V, Güstrow 10:30 Uhr Der aktuelle Zustand der deutschen Ostsee Ergebnisse der MSRL-Anfangsbewertung Frau Dr. Britta Knefelkamp Universität Vechta 11:00 Uhr Kaffeepause 11:20 Uhr Qualitätsziele für Küstengewässer und Ostsee Probleme und neue Ansätze Herr PD Dr. Gerald Schernewski Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (Projekt RADOST) 11:50 Uhr Wie viel Nährstofffrachten in die Ostsee sind nach WRRL erlaubt? Ein Vergleich mit den Referenzzuständen Frau Dr. Ulrike Hirt Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin (Projekt RADOST) 12:20 Uhr Die Entwicklung hoch eutropher innerer Küstengewässer in Bezug zu den Zielen der MSRL Frau PD Dr. Rhena Schumann Universität Rostock, Biologische Station Zingst 12:50 Uhr Mittagspause 13:50 Uhr Präsentation des Schülerprojektes „SEK2 – Sondereinsatzkommando Küstenputz“ Herr Rolf Schernus und Schulklasse der Regionalen Schule Altenkirchen auf Rügen 3 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 14:20 Uhr Marine Litter - das globale Problem an der Ostseeküste Herr PD Dr. Gerald Schernewski Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde EUCC - Die Küsten-Union Deutschland (Projekt RADOST) 14:50 Uhr Monitoring mit der Aalmutter im Rahmen regionaler Konventionen und EU-Richtlinien zur Meeresüberwachung Herr Dr. Jens Gercken Institut für Angewandte Ökosystemforschung, Neu Broderstorf 15:20 Uhr Kaffeepause 15:40 Uhr Naturschutzrechtliche Behandlung von Eingriffen im Küstenmeer von M-V - ein Beitrag zum Maßnahmenprogramm der MSRL Herr Dr. Michael Weigelt Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, Rostock 16:10 Uhr Vision für eine saubere und gesunde Ostsee, Projekte des WWF zur Umsetzung der MSRL Herr Jochen Lamp World Wide Fund For Nature (WWF), Projektbüro Ostsee, Stralsund 16:40 Uhr Abschlussdiskussion, Zusammenfassung 17:00 Uhr Ende der Veranstaltung 4 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie – Einführung und Stand der Umsetzung Mario von Weber Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie M-V, Güstrow Übergeordnetes Ziel der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) ist die Erreichung bzw. Bewahrung des guten Zustands der Meeresumwelt. Sie schafft den Ordnungsrahmen für die notwendigen Maßnahmen aller EU-Mitgliedsstaaten, um bis 2020 einen „guten Zustand der Meeresumwelt“ in allen europäischen Meeren zu erreichen oder zu erhalten. Alle europäischen Meeresanrainerstaaten sind verpflichtet, dies in ihren jeweiligen Meeresregionen durch die Erarbeitung und Durchführung von nationalen Strategien umzusetzen. Ein Instrument für die Umsetzung ist ein verbindlicher Fristen- und Aufgabenplan. Bis 2010 war die nationale rechtliche Implementierung vorzunehmen. 2012 muss eine Anfangsbewertung der Meere, die Beschreibung des guten Umweltzustandes und die Festlegung der Umweltziele erfolgen. Bis 2014 sind das Monitoringprogramm und 2015 das Maßnahmenprogramm zu erarbeiten. Ab dem Jahr 2018 beginnt dieser Zyklus wieder mit einer erneuten Bewertung sowie der Überprüfung des guten Umweltzustands und der Umweltziele. Der Geltungsbereich der MSRL erstreckt sich auf alle europäischen Meere. Diese sind in 13 Meeresregionen aufgegliedert: den Nordostatlantik als größte Meeresregion mit 7 Unterregionen (u.a. Nordsee), das Mittelmeer mit 4 Unterregionen, Ostsee und Schwarzes Meer bilden je eine Meeresregion. In Deutschland sind die Küstengewässer von der Basislinie bis zur Hoheitsgrenze (12 Seemeilengrenze), eingeschlossen die inneren Küstengewässer, in der Zuständigkeit der Küstenländer. Die Meergewässer von der Hoheitsgrenze bis zur Grenze der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) sind in der Zuständigkeit des Bundes. Für die Umsetzung in Deutschland bedienen sich Bund und Küstenländer bereits vorhandener Strukturen im Bund/Länder-Messprogramm Meeresumwelt, in welchem alle betroffenen Bundesressorts und die 5 Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein seit 1997 organisiert sind, um Aufgaben des Meeresschutzes gemeinsam umzusetzen. Die Anfangsbewertung setzt sich aus 3 Elementen zusammen, die bei der Berichtserstellung abgearbeitet werden müssen: 1. der Analyse von wesentlichen physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften und des aktuellen Zustands der Meeresregion, definiert in Anhang III Tab. 1, 2. der Analyse der wichtigsten anthropogenen Belastungen und Wirkungen auf den Umweltzustand, definiert in Anhang III Tab. 2 und 3. der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Analyse mit einer Ermittlung der Kosten der Verschlechterung des Zustands der Meeresumwelt. Die EU hat in ihrer Kommissionsentscheidung von 2010 Vorgaben gemacht, die von den Mitgliedstaaten zu beachten sind. Demnach hat die Bewertung und die Definition des guten Umweltzustands theoretisch anhand von 11 Deskriptoren, 29 Kriterien und 56 Indikatoren zu erfolgen, von denen eine ganze Anzahl noch nicht operationell sind. Die qualitative und quantitative Festlegung des guten Umweltzustands erfolgt u.a. anhand von Schwellenwerten und Trends. Die folgenden sieben übergeordneten Umweltziele stellen die Richtschnur zur Erreichung des guten Umweltzustands in der deutschen Ostsee bis 2020 dar und werden anhand von operativen Zielen weiter spezifiziert: • • Meere ohne signifikante Beeinträchtigung durch anthropogene Eutrophierung, Meere ohne Verschmutzung durch Schadstoffe, 5 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 • • • • • Meere ohne Beeinträchtigung der marinen Arten und Lebensräume durch die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten, Meere mit nachhaltig und schonend genutzten Ressourcen, Meere ohne Belastung durch Abfall, Meere ohne Beeinträchtigung durch anthropogene Energieeinträge, Meere mit natürlichen hydrographischen Bedingungen. Jedes der Umweltziele trägt zur Verbesserung des Zustands mehrerer Deskriptoren und den entsprechenden Kriterien und Indikatoren bei. Für jedes Umweltziel werden die relevanten Belastungen und Auswirkungen sowie die zugrunde liegenden wesentlichen menschlichen Aktivitäten dargestellt. Die Berichte für die Anfangsbewertung, den guter Umweltzustand und die Umweltziele wurden einer sechsmonatigen Öffentlichkeitsbeteiligung unterzogen. Die Homepage der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie http://www.meeresschutz.info bietet Ihnen weiterführende Hintergrundinformationen u.a. zur Anfangsbewertung, zum guten Umweltzustand und zu den Umweltzielen. 6 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Aktivitäten der Helsinki-Kommission (HELCOM) zur Umsetzung der MSRL Dr. Marina Carstens Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie M-V, Güstrow Grundlage für die Arbeit der HELCOM ist das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee von 1974, das 1992 überarbeitet wurde. Nach weiterer Aktualisierung ist die derzeit geltende Fassung der „Helsinki-Konvention“ seit 2008 in Kraft. Ziel dieses völkerrechtlichen Übereinkommens ist die Zusammenarbeit zur Verhütung der Meeresverschmutzung aus allen Quellen und zur Verbesserung des Zustands der belebten und unbelebten Meeresumwelt. Vertragspartner dieses völkerrechtlichen Übereinkommens sind die 9 Ostseeanrainerstaaten (Dänemark, Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Schweden) sowie die Europäische Kommission. Da mit Ausnahme von Russland alle Vertragsstaaten auch gleichzeitig Mitglieder der Europäischen Union sind und sich die Geltungsbereiche von HELCOM und MSRL und damit auch die Meeresschutzinteressen überlagern, liegt es nahe, dass sich HELCOM verstärkt auch mit den Vorgaben und der Umsetzung der MSRL befasst, zumal die MSRL auch ausdrücklich verlangt, dass die Expertise der regionalen Meeresschutzübereinkommen wie HELCOM und OSPAR in die Umsetzung mit einbezogen wird. Oberstes Gremium der HELCOM ist die Kommission, die sich aus hochrangigen Vertretern der Vertragspartner zusammensetzt. Das HELCOM-Sekretariat unterstützt die Kommission und koordiniert und begleitet die Arbeiten der verschiedenen Arbeitsgruppen und Projekte. An der Spitze der Arbeitsebene stehen die „Heads of Delegation“ (HODs), die über die Arbeiten und Beschlussvorschläge der Arbeitsgruppen entscheiden. Zu den fünf permanenten Arbeitsgruppen (MARITIME, RESPONSE, LAND, MONAS und HABITAT) ist nun eine weitere Arbeitsgruppe mit Namen GEAR (Group for the Implementation of the Ecosystem Approach) hinzugekommen, die sich mit der Steuerung der Umsetzung des Ostseeaktionsplans (Baltic Sea Action Plan, BSAP) und der MSRL befasst. Die permanenten Arbeitsgruppen setzen bei Bedarf ad hoc Arbeitsgruppen und Projekte für die Bearbeitung spezieller Fragestellungen ein. Für die MSRL besonders relevante Projekte sind CORESET (Erarbeitung eines Sets von Kernindikatoren), TARGREV (wissenschaftliche Überprüfung der BSAPNährstoffreduktionsziele von 2007) und MORE (Überarbeitung des Monitoring-Programms). In unregelmäßigen Abständen werden Ministertreffen abgehalten, das nächste 2013, auf denen wichtige Meilensteine gelegt bzw. politische Entscheidungen getroffen werden, wie z. B. die Verabschiedung des Ostseeaktionsplans beim Ministertreffen 2007 in Krakau. Mit dem Ostseeaktionsplan (BSAP) und den dort festgelegten ökologischen Qualitätszielen, Reduktionszielen und maßnahmenrelevanten Empfehlungen für die vier „Segmente“ Eutrophierung, Schadstoffe, Biodiversität/Naturschutz und Maritime Aktivitäten hat HELCOM im Meeresschutz auch in Hinblick auf die MSRL eine Vorreiterrolle übernommen. Mit Hilfe der beschlossenen Ziele und Maßnahmen soll die Ostsee bis 2021 wieder einen guten Umweltzustand erreichen. Die Zielerreichung soll anhand gemeinsam entwickelter Indikatoren und Bewertungsverfahren überprüft werden. Die BSAP-Ziele und die unter HELCOM ostseespezifisch entwickelten Maßnahmen, Indikatoren und Monitoringprogramme gehen auf Anforderungen der MSRL ein und bieten sich daher auch als Grundlage für die MSRL-Umsetzung in der deutschen Ostsee an. Allerdings gibt es insbesondere bei den Bewertungsverfahren noch Anpassungs- und Entwicklungsbedarf. Daneben werden auf EU-Ebene analog zur Vorgehensweise bei der Wasserrahmenrichtlinie in einer Common Implementation Strategy Empfehlungen und Leitlinien für die europaweite Umsetzung der MSRL erarbeitet, die ebenfalls zu berücksichtigen sein werden. Zur Zeit bereitet HELCOM einen „roof report“ zur regionalen Koordinierung der MSRLUmsetzung im Ostseeraum vor, der zum 15.10.2012 fertig sein und über die Umsetzung von Art. 8, 9 und 10 MSRL berichten soll. 7 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Der aktuelle Zustand der deutschen Ostsee - Ergebnisse der MSRL-Anfangsbewertung Dr. Britta Knefelkamp Universität Vechta Begründet damit, dass „der Druck auf die natürlichen Ressourcen des Meeres und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Meeresökosystems oft zu hoch sind und dass die […] Belastung der Meeresgewässer verringer[t] [werden] muss“ wurde 16 Jahre nach dem Übereinkommen der Vertragsstaatenkonferenz zur Biologischen Vielfalt die MeeresstrategieRahmenrichtlinie (MSRL) verabschiedet. Ihre bisherige Umsetzung bestätigt: Die deutsche Ostsee befindet sich nicht in einem guten Umweltzustand und für die weitere Nutzung mariner Güter und Dienstleistungen müssen naturschutzfachliche Maßnahmen ergriffen werden. Zu diesem Ergebnis kamen die Vertreter von Bund und Ländern nachdem sie die einzelnen bestehenden und geeigneten Analysen und Bewertungen der Meeresumwelt für die erste Zustandsbewertung (Anfangsbewertung) zusammengefasst hatten. Deutlich negative Auswirkungen auf das Ökosystem der deutschen Ostsee gehen demnach von der Kontamination durch gefährliche Stoffe, der Anreicherung mit Nährstoffen und organischem Material und einigen Fischereien aus. In Bezug auf die biologischen Merkmale kam man zu dem Ergebnis, dass Biotoptypen, Phytoplankton, Makrophyten, Fischfauna, marine Säugetiere und Seevögel derzeit nicht in einem guten Umweltzustand sind. Da die MSRL-Anfangsbewertung nur auf bestehenden Bewertungen beruht war bereits vorher bekannt, dass es bei einzelnen Belastungen und Merkmalen einer Zustandsverbesserung bedarf. Mit der nun vorliegenden gleichzeitigen Darstellung aller Bewertungen wird deutlich, dass umgehend ein Wandel im menschlichen Handeln vollzogen werden muss um bis 2020 einen guten Umweltzustand der deutschen Ostsee zu erreichen und diesen aufrechtzuerhalten. Die ersten Schritte hierfür wurden bereits im Rahmen der Umsetzung verschiedener Richtlinien, wie der Wasserrahmenrichtlinie und der NATURA2000-Richtlinien, gemacht. Inwieweit die MSRL einen weiteren, vielleicht entscheidenden, Anstoß für die Anwendung des Ökosystem- und des Vorsorgeansatzes gibt und damit die nachhaltige Nutzung von Gütern und Dienstleistungen ermöglicht, hängt vor allem von dem naturschutzfachlichen Engagement der Entscheidungsträger und der Effizienz der umgesetzten Maßnahmen ab. 8 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Qualitätsziele für Küstengewässer und Ostsee - Probleme und neue Ansätze PD Dr. Gerald Schernewski, Dr. Rene Friedland & Dr. Thomas Neumann Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), Projekt RADOST Der Baltic Sea Action Plan (BSAP) und die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verfolgen beide das Ziel, einen guten Zustand der Gewässer zu erreichen bzw. zu sichern. Die Ansätze sind aber unterschiedlich. Am Beispiel der Oder und ihres Mündungsgebietes wird anhand von Modellrechnungen gezeigt, das der BSAP in dieser Region weitgehend umsetzbar ist. Dabei wird deutlich, dass die bestehenden deutschen Referenz- und Orientierungswerte gemäß WRRL für die Küstengewässer ungeeignet sind. Folgende Gründe lassen sich anführen: • • • • Die Annahmen zu den Flussfrachten entsprechen nicht den Anforderungen an Referenzbedingungen (gemäß WRRL). Sie basieren auf unrealistischen Annahmen und reflektieren eine hypothetische, künstliche Situation die es in den vergangenen 6000 Jahren nicht gegeben hat. Die mit MONERIS berechneten Nährstofffrachten der Flüsse sind dadurch weitaus zu niedrig und zudem unzuverlässig, da sie außerhalb des gesicherten Gültigkeitsbereiches des Modells MONERIS berechnet wurden. Die natürlichen Konzentrationsgradienten zwischen Flüssen und der Ostsee werden vernachlässigt. Insbesondere die Rolle der (inneren) Küstengewässer als Retentionsund Transformationseinheiten für Nährstoffe wird nicht berücksichtigt. Hydrodynamische Prozesse und räumliche Transportvorgänge in der Ostsee sowie Exposition werden vernachlässigt. Die Werte sind nicht regional differenziert, basieren auf wenigen Flusseinträgen und berücksichtigen keine diffusen Einträge. Die extrem niedrigen Referenzwerte erlauben keine Ableitung von Orientierungs-/Zielwerten durch Aufschlag von 50%. Die bestehenden Referenz bzw. Orientierungswerte für die Ostsee und die Flüsse hingegen scheinen, soweit vorhanden, plausibel und lassen sich durch Modelle bestätigen. Konsequenz: Eine regional differenzierte Neuberechnung der Nährstoff-Referenz- und Orientierungswerte basierend auf realistischen, regionalisierten Nährstoffeinträgen (Referenz- oder Zielszenarien) ist für alle Küstengewässer der Ostsee erforderlich! Gekoppelte Simulationen mit dem Einzugsgebietsmodell MONERIS und dem dreidimensionalen Ökosystemmodell für die Ostsee, ERGOM, erlauben die Überprüfung, inwieweit eine Umsetzung des BSAP zu einem guten Zustand in den Küstengewässern sowie der zentralen Ostsee führen würde. Am Beispiel schleswig-holsteinischer und mecklenburgvorpommernscher Monitoring-Stationen werden Ergebnisse für die häufigen mesohalinen offenen Küstengewässer (Typ B3) für den interkalibrierten Parameter Chlorophyll a gezeigt und zur Diskussion gestellt. Dabei werden die Auswirkungen des Klimawandels in den Simulationen berücksichtigt. Einige Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: • • • • • Die Umsetzung des BSAP wird an vielen Monitoring-Stationen für ein Erreichen der Gewässerqualitätsziele bezüglich Chlorophyll a (gemäß WRRL und BSAP) führen, allerdings oft erst 10-20 Jahre nach vollständiger Umsetzung. Die erreichbare Gewässerqualität innerhalb eines Gewässertyps zeigt große Unterschiede in Abhängigkeit e.g. von Exposition zu Nährstoffquellen und physikalischen Rahmenbedingungen. Die Variabilität von Jahr zu Jahr ist hoch und erst langfristige Mittel zeigen, ob ein Zielwert erreicht wurde. Die Ziel-/Orientierungswerte von BSAP und WRRL scheinen für den Parameter Chlorophyll a vereinbar und können in einem Gesamtansatz integriert werden. Der Klimawandel sollte berücksichtigt werden, spielt für die Umsetzung von BSAP und WRRL aber eine untergeordnete Rolle. 9 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Wie viel Nährstofffrachten in die Ostsee sind nach WRRL erlaubt? Ein Vergleich mit den Referenzzuständen Dr. Ulrike Hirt, Judith Mahnkopf, Mathias Gadegast, Lukas Czudowski, Dr. Markus Venohr Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin (IGB), Projekt RADOST „Referenzbedingungen entsprechen nicht unbedingt dem Zustand bei völliger Abwesenheit störender Einflüsse bzw. dem Urzustand. Sie können auch sehr geringfügige, störende Einflüsse beinhalten, d.h., anthropogene Belastungen sind zulässig, wenn sie keine ökologischen Auswirkungen haben oder diese nur sehr geringfügig sind“ (REFCOND 2003). Eine Konkretisierung der „sehr geringfügigen Störungen“ ist in CIS REFCOND (2003) bzw. für Seen in POIKANE et al. (2010) enthalten: • • • Keine Intensivierung der Landwirtschaft Keine Auswirkungen bedeutender Industrialisierung und Urbanisierung Die Bevölkerung ist nicht höher als 10 EW pro km² Eine Modellierung dieser Situation wird für die deutschen Ostseeeinzugsgebiete mit dem Nährstoffeintragsmodell MONERIS mit dem Basisjahr 1880 vorgenommen. Eingangsdaten wurden vor allem über die Jahrbücher des Kaiserlichen Statistischen Amtes (1880-1918), aber auch über zahlreiche Literaturrecherchen und Expertenbefragungen ermittelt. Die Modellkonstanten wurden der damaligen Situation angepasst. Da 1880 die Nährstoffeintragssituation zwar noch eine nicht intensive Landwirtschaft (abgesehen von der Dränung), aber teilweise schon eine fortgeschrittene Urbanisierung widerspiegelt, wurden vier Nährstoffeintrags-Szenarien simuliert, die einerseits den Bedingungen von 1880, andererseits den „Referenzbedingungen“ sowie zwei Zwischenständen entsprechen. Szenario 1: Landwirtschaft von 1880, keine Dränung, keine Kanalisation, die urbanen Einträge basieren auf einer Bevölkerung von < 10 Einwohner / km2. Szenario 2: wie Szenario 1, aber mit Bevölkerungszahlen von 1880 (Entwässerung über undichte Gruben in die Grundwasserpassage) Szenario 3: wie Szenario 2, aber die Bevölkerung von 1880 entwässert, falls vorhanden, über Kanalisation und Kläranlagen, ansonsten über die Grundwasserpassage Szenario 4 / Stand 1880 real: wie Szenario 3, aber landwirtschaftliche Dränung vorhanden Modellierungen, die den Referenzbedingungen sehr nahe kommen, wurden mit MONERIS im Athabasca Einzugsgebiets in Canada durchgeführt, und haben gezeigt, dass MONERIS in Gebieten mit sehr geringen Nährstoffbelastungen gute Modelergebnisse erzielt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Nährstofffrachten von Szenario 1 etwa einem Zehntel der heutigen Einträge für Gesamt-Stickstoff (TN) und Phosphor (TP) entsprechen. Im Vergleich dazu sind die Nährstofffrachten unter realen Bedingungen von 1880 (Szenario 4) etwa 50% (TN) bzw. 250% (TP) höher im Vergleich zur Referenzsituation. Literatur: POIKĀNE et al. 2010: Defining Chlorophyll-a Reference Conditions in European Lakes. Environmental Management 45(6): 1286–1298. CIS WG 2.3 (Common Implementation Strategie, Working Group 2.3, REFCOND 2003: Leitfaden zur Ableitung von Referenzbedingungen und zur Festlegung von Grenzen zwischen ökologischen Zustandsklassen für oberirdische Binnengewässer. Dt. Fassung. 89 Seiten. 10 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Die Entwicklung hoch eutropher innerer Küstengewässer in Bezug zu den Zielen der MSRL PD Dr. Rhena Schumann Universität Rostock, Biologische Station Zingst Mitte der 1950er Jahre nahm die Eutrophierung aller Gewässer stark zu. Phosphor- und Stickstofffrachten erhöhten die Nährstoffkonzentrationen in kurzer Zeit um ein Vielfaches. Dadurch nahm die Primärproduktion insbesondere des Phytoplanktons stark zu, so dass sich oft sogar die Nährstoffkreisläufe dauerhaft veränderten. Dabei veränderten sich Belastungen und Stoffkreisläufe häufig nicht proportional zueinander. Nach längeren Zeiten stabiler Verhältnisse kam es eher plötzlich zu starken Veränderungen des Gewässerzustands. Die zunehmende Belastung aller aquatischer Systeme hielt bis in die 1980er Jahre an. Dann wurden die Einträge reduziert, was aber sehr oft bis heute noch nicht zu geringeren Nährstoffgehalten in den Systemen führte. In der Darß-Zingster Boddenkette gab es ab ca. 1985 deutlich weniger und niedrigere Phosphatmaxima. Nur unter mehrmonatiger Eisbedeckung 1995/96 stiegen die Phosphatkonzentrationen wieder häufiger auf >10 µmol l-1. Auch die hohen winterlichen Nitratspitzen traten nur bis Ende der 1980er Jahre auf. Danach blieben die Konzentrationen des DIN etwa gleich. Die sommerlichen Konzentrationen waren immer gleich gering, die Versorgung aus den Sedimenten war gut. Damit nahm auch die Primärproduktion noch nicht deutlich ab. Das trifft in besonderem Maße auf flache winddurchmischte Ökosysteme, wie Bodden und Haffe, zu. Ebenfalls in den 1980er Jahren kam es zu einer bis heute anhaltenden Änderung in der Phytoplanktongemeinschaft. Sehr kleine koloniebildende Cyanobakterien dominieren die Darß-Zingster und die innersten Rügenschen Bodden ganzjährig. Viele dieser Arten sind noch nicht genau bestimmt, wobei auch das taxonomische System im Umbruch ist. Dadurch ist aber nicht bekannt, welche Funktion diese Arten im Ökosystem haben, z. B. ob sie Stickstoff fixieren oder Toxine bilden. Lange Zeit wurden diese großen Phytoplanktonmengen dafür verantwortlich gemacht, dass submerse Makrophyten, vor allem die Characeen, stark dezimiert waren. Seit 3 Jahren gibt es diese jedoch wieder, ohne dass das Unterwasserlichtklima wieder besser geworden war. Ohne Maßnahmen in den flachen Bodden und Haffen, wird sich deren Zustand nur sehr langsam verbessern. Das liegt zum einen an den hohen gewässerinternen Nährstoffspeichern, zum anderen möglicherweise auch an inzwischen komplett veränderten Nahrungsnetzen. 11 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Präsentation des Schülerprojektes „SEK2 - Sondereinsatzkommando Küstenputz“ Rolf Schernus mit den Schülern Paul Dütsch, Walter Schattschneider, Eric Maier, Lukas Steinbild, Lucas Kipp, Nick Emmerich, Tobias Kreim und Tom Follak Regionale Schule Altenkirchen auf Rügen In unserer Präsentation gehen wir zunächst auf unsere Aktion im Rahmen der Projektwoche im Juni 2011 ein. Sie betraf einen ca. 3 km langen Küstenstreifen im Naturschutzgebiet N 257, „Nordufer Wittow mit Hohen Dielen“. Der dort gesammelte Müll wurde die Küste hochgeschleppt und konnte nur mit Unterstützung durch ein Fahrzeug der ABM und eines des Ordnungsamtes entsorgt werden. Wir gehen auf die Besonderheiten dieses Abschnittes ein. Danach stellen wir unsere Aufgabe im Schuljahr 2011/2012 vor. Wir haben ein Müllmonitoring eines 100m Küstenabschnittes durchgeführt und die von uns gesammelten Daten dem Institut für Ostseeforschung Warnemünde übermittelt. Frau Wesnigk nutzt diese Daten für Ihre Diplomarbeit. Diese wissenschaftliche Arbeitsweise stellte hohe Anforderungen an die Schüler. Die Tradition des Küstenputztages an unserer Schule wird im nächsten Abschnitt vorgetragen. Hier sind die „Müllmonster“ los, mit denen sich die fünften Klassen an einem Wettbewerb beteiligen. Ein Ausblick auf unsere nächsten Aufgaben beendet unseren Vortrag. Schernus -Einsatzleiter- 12 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Marine Litter - das globale Problem an der Ostseeküste Gerald Schernewski, Matthias Mossbauer, Sylvie Wesnigk EUCC - Die Küsten-Union Deutschland e.V., Projekt RADOST Abfall im Meer stellt eine potentielle Bedrohung für Tiere und Habitate dar und gefährdet die Nutzung der Meere und Küsten durch den Menschen. Vor allem Kunststoffe inklusive Mikroplastik können langfristige Effekte in der Meeresumwelt bewirken. Auch entlang der Ostseeküste schädigen Verunreinigungen durch Plastik Meeresorganismen und mindern den Erholungswert unserer Strände. Meeresmüll gelangt aus Einträgen aus Schifffahrt und Fischerei in die Ostsee. Etwa 70 % wird von Land in die Ostsee eingebracht, vor allem durch Freizeitaktivitäten und Tourismus. Ziel der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ist es bis zum Jahr 2020 die schädlichen Einflüsse von Abfällen auf Meereslebewesen und Lebensräume zu beenden. Ferner soll Abfall im Meer keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen und andere Nutzungen der Meeresumwelt nicht beeinträchtigen. Die derzeitige Belastung der Ostsee durch Abfälle ist vermutlich ähnlich hoch wie in der Nordsee. Für eine genaue Beurteilung der Belastung deutscher Küstengewässer und Auswirkungen von Meeresmüll fehlen bisher aber vergleichbare wissenschaftliche Untersuchungen. Als Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen ist deshalb zunächst eine Bestandsaufnahme der ökologischen Effekte, Verbreitung und Charakteristik von Meeresmüll auf regionaler Ebene nötig. Die Evaluation der ökologischen Effekte kann durch die Identifikation von Indikatorarten erfolgen. Für die Quantifizierung und Charakteristik von Meeresmüll sind der Aufbau eines systematischen Spülsaummonitorings mit zentraler Datenerfassung und die Analyse von Eintragsquellen notwendig. Bei der Datenerfassung gilt es zu beachten, dass die Verbreitung der Abfälle im Meer und der Transport durch Strömungen räumlich und zeitlich großen Schwankungen unterliegt. Vor diesem Hintergrund sollte die Festlegung von repräsentativen Strandabschnitten der erste Schritt hin zu einem systematischen Monitoring von Meeresmüll an der Deutschen Ostseeküste sein. 13 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Monitoring mit der Aalmutter im Rahmen regionaler Konventionen und EU-Richtlinien zur Meeresüberwachung Dr. Jens Gercken Institut für Angewandte Ökosystemforschung GmbH (IfAÖ), Neu Broderstorf Die für Nord- und Ostsee zuständigen internationalen Meeresschutzkonventionen OSPAR und HELCOM sowie der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) propagieren bereits seit geraumer Zeit ein integriertes Schadstoffmonitoring als Teil des marinen Umweltmonitorings. Dieses Konzept wurde von der Meeresstrategierahmenrichtlinie (MSRL) übernommen, weshalb der Deskriptor „Schadstoffe“ beim Monitoring von Biota sowohl die Erfassung von Schadstoffkonzentrationen als auch von Schadstoffeffekten fordert. Für die deutschen Küstengewässer steht mit der Aalmutter (Zoarces viviparus) ein besonders gut geeigneter Bioindikator für das biologische Schadstoffmonitoring in Biota zur Verfügung. Diese Fischart ist vergleichsweise standorttreu und aufgrund ihrer Toleranz gegenüber Brackwasser auch in den stärker belasteten Ästuaren anzutreffen. Als einzige Fischart in deutschen Gewässern ist die Aalmutter lebendgebärend. Sie ist damit insbesondere zur Erfassung von Reproduktionsstörungen und von Schädigungen bei den Nachkommen geeignet. Im Ostseeraum existiert in Dänemark und Schweden ein regelmäßiges Aalmutter-Monitoring. In Deutschland nutzt die Umweltprobenbank des Bundes (UPB) die Aalmutter seit 1994 als marinen Indikator für die Anreicherung von Schadstoffen. Das IfAÖ untersucht seit 1998 Schadstoffwirkungen auf Aalmuttern im Rahmen verschiedener nationaler und internationaler Monitoring- und Forschungsprojekte. Dabei wurde schwerpunktmäßig das Vorkommen von Reproduktionsstörungen erfasst. Bei der Untersuchung der heranreifenden Gonade von männlichen Aalmuttern wurde ein unerwartet häufiges Vorkommen von Frühstadien weiblicher Eizellen im Hodengewebe ermittelt. Dieses Phänomen ist als Intersex (Ovotestis) bekannt und gilt als ein Indiz für die Wirkung von hormonell aktiven Substanzen. Weibliche Fische wiesen ein verbreitetes Auftreten von degenerierten Eizellen in ihren Ovarien auf. Bezüglich des Reproduktionserfolges (reproductive success) von trächtigen Aalmuttern, einem von OSPAR/ICES empfohlenen Messparameter, wurden deutliche Unterschiede in der Häufigkeit von Entwicklungsstörungen bei den Larven in verschiedenen Regionen der Ostsee ermittelt. Die nationalen Aalmutter-Monitoringprogramme sowie verschiedene EU-Verbundprojekte (BEEP, BEAST, BALCOFISH) haben zusammengenommen ein umfangreiches Datenmaterial geliefert, das zur Entwicklung von Bewertungskriterien (BAC/EAC) für einzelne biologische Indikatoren (Biomarker) genutzt wurde. Derartige Schwellenwerte sind eine Voraussetzung, um zu bewerten, ob der von der MSRL angestrebte „Gute Umweltzustand“ bezüglich des Deskriptors „Schadstoffe“ erreicht ist. Insgesamt betrachtet steht mit der Aalmutter ein Bioindikator zur Verfügung, der gut für den Einsatz in einem von der MSRL (Art. 11) geforderten Monitoringprogramm geeignet ist. 14 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Naturschutzrechtliche Behandlung von Eingriffen im Küstenmeer von M-V - ein Beitrag zum Maßnahmenprogramm der MSRL (aktueller Arbeitsstand) Dr. Michael Weigelt Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, Rostock Die Eingriffsregelung gehört zu den wichtigsten Instrumenten des gesetzlichen Naturschutzes. Die 1999 für M-V publizierten „Hinweise zur Eingriffsregelung“ beschränken sich jedoch auf terrestrische Lebensräume, so dass eine Ergänzung für marine Lebensräume erforderlich ist. Dabei muss auf die Besonderheiten des Meeres Rücksicht genommen werden, die sowohl für Antragsteller als auch für Naturschutz- und Genehmigungsbehörden schwieriger zu erfassen sind als diejenigen an Land. Daher werden z.Zt. in der staatlichen Umweltverwaltung Überlegungen zur Eingriffstypisierung und -bewertung im Küstenmeer von M-V angestellt. Nach Prüfung aller Möglichkeiten der Eingriffsvermeidung oder -minimierung geht es darum, unvermeidbare Eingriffe nach der gleichen Methode auf der Basis biotopspezifischer Wertstufen zu bilanzieren wie im terrestrischen Bereich. Dies ist bei der dauerhaften Inanspruchnahme mariner Lebensräume mit zeitlich unbefristeten Funktionsverlusten (z.B. Bauwerke oder Neuanlage von Fahrrinnen) ohne Weiteres möglich. Auch Abgrabungen im Hartsubstrat (z.B. Kreide, Mergel, Blockfelder), führen zu dauerhaften Eingriffswirkungen. Es gibt im Meer auch Eingriffe mit befristeter Wirkung wie z.B. die marine Sandgewinnung. Hier kann unter bestimmten Voraussetzungen nach zwar vollständiger Zerstörung des Biotops am Meeresgrund eine relativ zügige natürliche Regeneration ablaufen. Das Benthos im Küstenmeer ist von Natur aus sehr stresstolerant und verfügt über ein starkes Regenerationspotential. Die Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes kann durch eine asymptotische Kurve beschrieben werden, die sich nach dem Eingriff wieder dem Ausgangszustand nähert. So erfolgt beim Benthos die Wiederherstellung von Artenzahl und Abundanz recht schnell, der Biomasseaufbau verläuft jedoch bereits langsamer, und die Wiederherstellung der Altersstruktur, insbesondere bei Muscheln, erfordert deutlich längere Zeiträume. Aufgrund vorliegender Monitoringdaten können die Folgen mariner Sandentnahmen recht gut eingeschätzt werden. Auf dieser Basis wurde ein Modell zur Bewertung der Eingriffsstärke von befristet wirksamen Eingriffen und der daraus resultierenden Kompensationspflicht durch Einführung eines Befristungsfaktors entworfen. Dieser quantifiziert den Anteil beeinträchtigter Funktionen des betroffenen Biotoptyps, der sich innerhalb eines allgemeinen Bezugszeitraumes von 25 Jahren noch nicht durch autogene Prozesse des Ökosystems wieder eingestellt hat. Der minimale daraus ableitbare Befristungsfaktor beträgt 0,13. Erfordert die Regeneration längere Zeiträume oder können Minimierungsmöglichkeiten nicht umgesetzt werden, sind Faktoren zwischen 0,14 und 1,0 (= dauerhafte Wirkung) anzusetzen. Wie in der Bilanzierung von Eingriffen üblich, ergibt sich nun die Eingriffsstärke aus der Multiplikation der beeinträchtigten Fläche mit der Kompensationswertzahl des betroffenen Biotoptyps und dem o.g. Befristungsfaktor und resultiert in der Angabe des Flächenäquivalents für die Kompensationspflicht des Antragstellers. Hinsichtlich der Kompensation gehen die Überlegungen – anknüpfend an die bisherige Rechtslage und angesichts der aktuellen Praxis – davon aus, dass Eingriffe im Küstenmeer durch Naturschutzmaßnahmen in der Ostsee oder den Bodden einschließlich ihrer Überschwemmungsbereiche ausgeglichen oder ersetzt werden können. Auf dieser Grundlage soll die Behandlung der Eingriffsregelung im Küstenmeer nachvollziehbar gestaltet, und rechtlich angreifbare Verfahrensweisen (z.B. pauschale Ersatzgeldzahlungen) sollen künftig vermieden werden. 15 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 Vision für eine saubere und gesunde Ostsee, Projekte des WWF zur Umsetzung der MSRL Jochen Lamp WWF Deutschland Der WWF arbeitet sowohl national von Stralsund aus als auch ostseeweit zusammen mit den nationalen WWF Organisationen und Partnern und über das zentrale Ostseeprogramm seit über 20 Jahren für einen nachhaltigen Ostseeschutz. Die Arbeit erfolgt hierbei sowohl über die internationalen umweltbezogenen Gremien (HELCOM, Baltic Sea RAC, IMO, EU Gremien) als auch in den nationalen Kontexten. Als Umweltorganisation steht dabei sowohl die umweltpolitische Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit für hohe Umweltstandards in der Politik und in Regelwerken wie der MSRL auf der Tagesordnung als auch fachliche Begleitung und Beiträge zur Umsetzung in eigenen Projekten. Die Ostseearbeit des WWF folgt einem gemeinsamen Leitbild (Baltic Ecoregional Programme), das naturgemäß viele Gemeinsamkeiten mit den Zielen der MSRL sowie auch des HELCOM Aktionsplan hat und das sowohl national wie international eingebunden ist. Ebenso wie die Wasserrahmenrichtlinie, Vogelschutz- und FFH-Richtlinie ist die Meeresstrategierahmenrichtlinie für den WWF ein Meilenstein auf dem Weg zu einer sauberen und gesunden Ostsee. Erwartungsgemäß bilden die Hauptbelastungen und Defizite der Politik auch das Rückgrat einer nachhaltigen Entwicklungsvision des WWF für die Ostsee: • • • • eine hohe biologische Vielfalt der Teilgebiete der Ostsee mit ihren Charakterarten, geschützt durch ein Netzwerk von Schutzgebieten, das robust genug ist, um Krisen zu überstehen und Verluste auszugleichen (Ziel Meeresschutzgebiete, Maßnahmen zum Artenschutz für die Wiederbesiedlung (Deskriptor 1,4) Reduzierung der Nährstoffeinträge in die Ostsee (D5) durch Änderung der Agrareinleitungen, Maßnahmen zum Schiffseintrag (SECA; NECA, Abwässer) sowie Lärm (D11) und Müll (D10) Reduzierung der Überfischung und Erreichen von gesunden Fischbeständen (Stand der Zertifizierbarkeit ostseeweit) durch Technikanpassung und Gebietsschließungen (D3) Insgesamt ist es das Ziel, den ökologischen Fußabdruck zu verringern und durch ein integriertes Management aller Meeresnutzungen national wie ostseeweit die genutzten Meeresräume so sparsam zu beplanen, dass dauerhaft ein ausgewogenes Ökosystem trotz wirtschaftlicher Nutzung existieren kann. Diese Grundzielsetzung wird national wie international in Projekte übersetzt, die entweder unmittelbar den Zielen der Richtlinie zuzuordnen sind oder mittelbar über Einfluss auf Verbraucher und Politik: • • • Biologische Vielfalt: Einflussnahme auf die Einrichtung von Schutzgebieten und ihr Management durch Studien, Kampagnen, Feldarbeit, Politikbeeinflussung (Biogeogr. Seminare EU, Studie zu Fischereimaßnahmen in Schutzgebieten, Ländervergleiche), Abwehr/Minderung von Eingriffen (Kraftwerk Lubmin, Darßer Ort, NordStream), Bildungsarbeit für Nationalparke und Arten (Nationalparkzentrum Königsstuhl, Robbenranger), Schweinswal Managementplan (PL), HotSpotProjekt Eutrophierung reduzieren: Kampagnen zu Todeszonen und Algenblüten in mehreren Ländern, Fokus EU Agrarpolitik, Baltic Farmers Award, Initiative zu P-Stop, Einfluss auf Kreuzfahrtindustrie/IMO, Feuchtgebietsprojekte (Finnland) und im Rahmen der Ostseestiftung in Deutschland (z.B. Marlower Bach) Nachhaltige Fischerei (Ziel nur solche Fischerei, die auch zertifizierbar wäre): EU Fischereipolitik beeinflussen, Verbraucher sensibilisieren (MSC, Fischratgeber), For16 17. Gewässersymposium, Güstrow am 13.09.2012 Europäische Meeresstrategie – saubere und gesunde Meere bis 2020 • derung zu Ausschlussgebieten, Alternative Netze, Beifangmonitoring Greifswalder Bodden, Geisternetze bergen (PL, Lt), Ausstellung Ozeaneum Meeresraumplanung als integrierendes Element umsetzen: In jüngster Zeit hat sich der WWF für eine nachhaltige Meeresraumplanung in ostseeweiten Projekten eingesetzt. Hierbei stehen möglichst sparsame Raumnutzung, volle Integration von Naturschutz als Vorranggebiete, Integration der Fischerei als Nutzung sowie Ökosystemansatz als Basis im Vordergrund. WWF Forderungen richten sich auch an die Schaffung geeigneter Entscheidungsstrukturen über Sektorgrenzen hinweg. Die MSRL kann zur Vision einer gesunden Ostsee beitragen, die Realisierung braucht vollen Einsatz von Politik und Gesellschaft. 17