www.technikwissen.de M A N A G E M E N T W I S S E N Erfolgreiches Sonderabfallmanagement Management und Technik – Einsatz von Know-how Kaum ein anderer Markt hat sich in den letzten Jahren so radikal und rapide gewandelt wie der der Sonderabfallentsorgung. Waren in den siebziger und achtziger Jahren Sonderabfallentsorger und somit auch Betreiber von thermischen Behandlungsanlagen monopolähnliche Unternehmen, deren größte Herausforderung die Disposition von großen Abfallmengen war, so stellt sich die Situation heute genau umgekehrt dar. Die Sonderabfallentsorger konkurrieren mit größer gewordenen Kapazitäten und sinkenden Mengen von Abfällen, die – dieser Marktkonstellation gehorchend – einem starken Preisdruck unterliegen. Durch die Umkehr vom Verkäufermarkt mit Kapazitätsmängeln zum Käufermarkt mit Überkapazitäten, ergaben sich vollkommen neue Paradigmen für kaufmännisches und technisches Management. Ziel war, im Zuge der Marktbereinigung zu den Verdrängern und nicht zu den Verdrängten zu gehören. Gesetzliche Entwicklungen Im Jahr 1972 trat das Abfallbeseitigungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft, mit dem die Abfallbeseitigung zu einer öffentlichen Aufgabe des Umweltschutzes erklärt und die Länder zu einer überörtlichen Abfallbeseitigungsplanung verpflichtet wurden. Zeitgleich wurde die Hessische Industriemüll GmbH (HIM) gegründet. 1975 wurde die HIM vom Land Hessen mit der landesweiten Organisation der Entsorgung sowie mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb der dafür benötigten Anlagen betraut. Neben der Sonderabfallverbrennungsanlage Biebesheim betreibt die HIM in Kassel und Frankfurt chemisch-physikalische Behandlungsanlagen. In das Abfallgesetz von 1986 wurde das Gebot der Verwertung aufgenommen. Mit dem seit Oktober 1996 geltenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz hat die Verwertung generell Vorrang vor der Beseitigung erhalten, solange die Beseitigung nicht die umweltverträglichere Lösung dar- AUTOREN Dr. rer. nat. Horst Suchomel, Jahrgang 1951, studierte Chemie an der Universität Köln und war von 1982 bis 1999 in verschiedenen Funktionen bei der Hessischen Industriemüll GmbH in Biebesheim tätig. Anfang Juli 1999 übernahm er bei der HIMTECH, Hessische Industriemüll GmbH, Wiesbaden, die Aufgaben Unternehmensentwicklung und Internationalisierung. Dipl.-KfM. Jochen König, Jahrgang 1962, war nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim als Kundenberater und Konzeptioner in Werbeagenturen sowie als Leiter Marketing–Service bei NET Nachtexpress – Termindienst GmbH, Mannheim, tätig. Seit 1997 ist er Marketing Referent der Hessischen Industriemüll GmbH in Biebesheim. Umwelt Bd. 29 (1999), Nr. 11/12 - November/Dezember 23 M A N A G E M E N T W I S S E N l Bild 1 Höchstwerte nach 17. BImSchV und gemessene Emissionen in der SAV Biebesheim, Stand Ende 1998. stellt. Das Gesetz ist seit Inkrafttreten unter anderem wegen seiner unbestimmten Rechtsbegriffe (Produkt, Verwertung, Beseitigung) bei allen Betroffenen in der Kritik. So resümiert der Präsident des BVSE, Hans-Jürgen Cierzon [1]: „Auch nach mehr als zwei Jahren Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz haben sich die großen Hoffnungen auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft leider nicht erfüllt.“ Verheyen und Spangenberg fokussieren in einem Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stif tung [2] auch den Sonderabfallbereich. So „sinken die Mengen, die den öffentlichen Anlagen zur Beseitigung angeliefert werden. Dies bedeutet aber keinen tatsächlichen Rückgang, sondern daß sich FA ZI T Der Markt der Sonderabfallentsorgung unterlag einem dramatischen Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Besonders Betreiber von Sonderabfallverbrennungsanlagen haben mit sinkenden Mengen und Preisen sowie hohen Kosten durch die gesetzlichen Auflagen zu kämpfen. Um wirtschaftlich erfolgreich bestehen zu können, ist ein konsequentes Kostenmanagement im Anlagenbetrieb ebenso unabdingbar wie eine effiziente Marketing-, Vertriebsund Kundenservice-Arbeit. 24 Umwelt Bd. 29 (1999), Nr. 11/12 - November/Dezember die Abfallentsorgung neuer Wege bedient. Daß diese Wege zu einer nachhaltigen Umweltpolitik oder einer wirklichen Kreislaufwirtschaft führen, darf füglich bezweifelt werden.“ Die unklare Rechtslage zur Abgrenzung zwischen Beseitigung und Verwertung, die Verlagerung der Sonderabfallentsorgung zu Hausmüllverbrennungsanlagen und Deponien zu niedrigeren Preisen und die Mitverbrennung in Zementwerken sind viel diskutierte Aspekte der neuen Gesetzes- und Vollzugslage. Sie stellen die für Betreiber von Sonderabfallverbrennungsanlagen Wettbewerbsnachteile dar, denen es zu begegnen gilt. Technische Entwicklungen Analog zur Entwicklung der gesetzlichen Regelungen zur Abfallwirtschaft sind die organisatorischen und vor allem technischen Anforderungen an die klassischen Abfallentsorgungsanlagen wie Deponien, chemisch-physikalischen Behandlungsanlagen und Verbrennungsanlagen stetig gestiegen. Dabei sind besonders die TA Abfall sowie wasser- und immissionsschutzrechtliche Verordnungen – für Abfallverbrennungsanlagen die 17. BImSchV – zu nennen. Der Stand der Technik bei Abfallentsorgungsanlagen wurde parallel zu den gesetzlichen Anforderungen weiterentwickelt. Für das Beispiel der Sonderabfallverbrennungsanlage Biebesheim ist in Bild 1 dargestellt, daß die heutige hochentwickelte Technik in der Lage ist, vorgegebene Grenzwerte sicher einzuhalten und sogar deutlich zu unterschreiten. Der Anstieg der technischen Anforderungen erforderte erhebliche Investitionen. Bei bestehenden Entsorgungsanlagen waren die Investitionen für die erforderlich- en Nachrüstungen häufig höher als die für den ursprünglichen Betrieb. Um die Anlagen weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können, mußten die Entsorgungspreise entsprechend erhöht werden. In der Folge führten diese Preissteiger ungen unter anderem zu einem Abfluß großer Abfallströme in andere, billigere und teilweise auch zweifelhafte Entsorgungswege, was als Öko-Dumping bezeichnet wird [3, 4] – vor allem in solche Anlagen, die nicht den hohen technischen Anforderungen für Abfallentsorgungseinrichtungen entsprechen. Diese schwierige Situation, die etwa seit dem Beginn der neunziger Jahre besteht, zwingt die Anlagenbetreiber zu Maßnahmen, die die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Herausforderungen für den Anlagenbetrieb Die beschriebenen Entwicklungen vollzogen sich auch bei der Sonderabfallverbrennungsanlage der HIM in Biebesheim, die Ende 1981 in Betrieb ging. Die erforderlichen technischen Umrüstungen – beispielsweise für Emissionsminderung, Sicherheitstechnik, Grundwasserschutz, Abfallbeschickung – führten zu Investitionen, die die der ursprünglichen Anlage überstiegen, und so zunächst eine Erhöhung der Entsorgungspreise mit sich brachten. Dem nachfolgenden Rückgang der Anlieferungsmengen (Bild 2) und damit der Erlöse mußte zwangsläufig zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit mit verschiedenen Maßnahmen begegnet werden. Die Hauptaufgabe bestand in der Effizienzsteigerung des Betriebes, um höhere Durchsatzmengen zu erreichen und Kosten zu minimieren. Nur so besteht die Möglichkeit, die Preisen zu senken und in Folge vom Markt größere Mengen zu erhalten. Die betrieblichen Ziele konnten in den letzten Jahren ohne Verminderung der Umweltverträglichkeit (Bild 2) erreicht werden durch 7 Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit durch Anpassung der Fahrweise, optimierte Wartung und Instandhaltung, M A N A G E M E N T W I S S E N 7 Steigerung der Durchsatzleistung, besonders an festen Abfällen, durch geeignete Abfallvorbehandlung, Optimierung der Beschickungseinrichtungen und der Zusammenstellung der Verbrennungsmenüs aus festen, pastösen, flüssigen, gasförmigen und in Gebinden verpackten Sonderabfällen und 7 Anpassung der Betriebsorganisation durch Ausrichtung auf effizientere Abläufe. Herausforderungen für Marketing und Vertrieb Kostenmanagement und Effizienzsteigerungen im Betrieb der Anlagen sind somit zentrale Bausteine eines erfolgreichen Sonderabfallmanagements. Ebenso wichtig sind Maßnahmen, die den Kunden erkennen lassen, daß alle Unternehmensaktivitäten an seinen Bedürfnissen ausgerichtet werden. Für einen Sonderabfallentsorger, der den Weg vom Monopolisten zum wettbewerbsfähigen Marktpartner beschreitet, bedeutet dieser Anspruch organisatorische und strategische Änderungen. Die HIM hat 1996 eine Beratungs- und Betreuungsstruktur geschaffen, die an den Problemen und Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet ist. Sechs Kundenteams sind so organisiert, daß sie Branchen mit ähnlichen Entsorgungsaufgaben betreuen. Jeder Kunde hat einen festen Ansprechpartner, der mit den Besonderheiten seiner Branche und seines Unternehmens bestens vertraut ist. „Alles aus einer Hand“ ist ein oft verwendeter Slogan vieler Dienstleister. Die HIM dementsprechend bietet neben der Abfallbeseitigung auch Verwertung an. Ist dies nicht in eigenen Anlagen möglich, werden Drittpartner herangezogen, deren Qualifikation vom Produktmanagement der HIM überprüft und bewertet wird. Das Angebot von zusätzlichen, der Entsorgung vor- und nachgelagerten Dienstleistungen unterstreichen den Anspruch, für den Kunden für alle Fragen rund um die Entsorgung Ansprechpartner zu sein. Sinnvolle Diversifizierungen (Altlastensanierung, Ingenieurleistungen) komplettieren das Dienstleistungsangebot und sind Bausteine eines Risiko-Mixes. Ebenso zentral ist die Herausforderung, die Abfallannahme zu verbessern. Hier entwickeln Pro- duktmanagement und die Verantwortlichen der Anlagen gemeinsam Lösungen, um dem Kunden zu lange Wartezeiten zu ersparen. l Bild 2 Jährliche Mengen von verbrannten Abfällen in der SAV in Biebesheim. LI T E R AT U R [1] Umwelt 29 (1999), Nr. 1/2, S. 24. [2] Verheyen, R.; Spangenberg, J .H.: Die Praxis der Kreislaufwirtschaft – Ergebnisse des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung), Bonn, 1998. [3] Deutsche Projekt Union GmbH: Öko-Dumping auf dem Vormarsch? Verwertungs- und Beseitigungswege von besonders überwachungsbe dürftigen Abfällen und überwachungsbedürftigen Reststoffen aus Deutschland – Heute und Morgen. Essen, 1996. [4] Deutsche Projekt Union GmbH: Öko-Dumping auf dem Vormarsch? Mitverbrennung von Sonderabfällen in MVA. Essen, 1998. Umwelt Bd. 29 (1999), Nr. 11/12 - November/Dezember 25