Gemüse aus dem Bauerngarten Zahlreiche Spitzenköche haben ihre Liebe zu alten Gemüsesorten entdeckt. Einige von Ihnen züchten diese sogar im eigenen Garten, wie beispielsweise Johannes King auf Sylt. Andere konzentrieren sich ganz besonders auf spezielle Kräuter- und Gemüsegerichte, so wie etwa Tanja Grandits vom Stucki in Basel oder Domenico Miggiano vom Löwen in Bubikon. Durch die Industrialisierung der Landwirtschaft verschwanden zahlreiche der seit Jahrhunderten angebauten Gemüsesorten wie Portulak, Meerkohl, Kapuzinerbart oder Hirschhornwegerich. Diese klangvollen Namen machen neugierig und versprechen nicht alltägliche Genüsse. Und das Beste: Sie sind robust, vermehren sich leicht und sind echte Hingucker. Domenico Miggiano, Maître Rôtisseur vom Gasthof Löwen in Bubikon, ist ein Gemüsespezialist. Seit 2000 hat er im Zürcher Oberland seinen Gasthof, den er zusammen mit seiner Gattin Rita führt. Der gebürtige Süditaliener gewann zahlreiche Auszeichnungen, so auch eine Goldmedaille an der Kocholympiade. Wir haben den Gourmetkoch in seiner Küche besucht und mit ihm über das Thema «Alte Gemüsesorten auf dem Teller» gesprochen. HBR: Das Kochen mit alten Gemüsesorten liegt im Trend. Wie stehen Sie diesem Trend gegenüber? DM: Die Konsumenten haben genug vom überzüchteten Gemüse. Unsere Gäste wollen aussergewöhnliche Produkte auf der Karte finden. So bin ich stets auf der Suche nach alten Gemüsesorten. Dabei setze ich auf Regionalität. In und um Bubikon werden von der jungen Generation Bauernhöfe betrieben, welche nach einer wirtschaftlich rentablen Herausforderung suchen. Sie verkaufen ihre Erzeugnisse meist direkt ab Hof. Alte Züchtungen sind meist weniger anfällig für Krankheiten oder Witterungseinflüsse. Zudem sind sie samenfest. Sie lassen sich im Gegensatz zu zuchtoptimiertem Gemüse aus den Supermarktregalen selbst vermehren, was für die Bauern durchaus attraktiv ist. HBR: Mit welchen Gemüsen aus alter Zeit arbeiten Sie? Derzeit fermentiere ich Sauerkraut. Zum Apéro serviere ich Monoknoblauch mit etwas Olivenöl zum Brot. Derzeit arbeite ich auch mit Cima di Rapa. Dieses feine, krautartige Gemüse aus Italien ist eine Kreuzung aus Speiserübe und Broccoli. Cima di Rapa hat einen ausgeprägten Kohlgeschmack und wird auch wie ein solcher zubereitet. Auch bekannt als Stängelkohl oder Rübstiel. Ein schöner Begleiter zum Herbstmenü aus meiner Heimat. Neben Federkohl ist in meiner Küche auch sein italienischer Bruder der Cavolo nero vertreten. Der Cavolo nero ist auch als Schwarzkohl, Palmkohl oder Tuscan Cabbage bekannt. Die Kerbelwurzel verwende ich roh, blanchiert oder gekocht. Sein eleganter Geschmack nach Anis, Sellerie und Karotten erlaubt faszinierende Kombinationen. Ihren Platz finden auch Schweizer Pastinaken und Peterliwurzeln. Früher despektierlich Hammelmöhre oder Speckwurzel genannt, wurde sie Mitte des 18. Jahrhunderts durch Karotten und Kartoffeln verdrängt. Mittlerweile erfreut sich diese herbstliche Wurzel wieder grosser Beliebtheit. Ihr herb-fencheliger Geschmack eignet sich für Suppen, für ein Purée oder ganz simpel im Ofen gebacken. Purée mache ich auch aus Topinambur oder gare sie sous vide. Die Trüffelkartoffel besser als Blaue St. Galler bekannt, darf als Farbtupfer auch nicht fehlen. HBR: Wie ist mit diesen Zutaten zu arbeiten? Was beachten Sie in der Verarbeitung alter Gemüsesorten? Grundsätzlich bleibt sich das Handwerk in der Küche gleich, ob ich jetzt industrielles Gemüse verarbeite oder eher in Vergessenheit geratene Sorten. Eine Kartoffel, wie beispielsweise die Ratte muss ich genauso schälen und rüsten. Bei der Zubereitung unterscheiden sich die Gemüse. Ist Foodpairing (Erklärung: Lebensmittel kombinieren, um den Geschmack zu intensivieren) beim herkömmlichen Gemüse wichtig, um das Maximum an Geschmack herauszuholen, so belasse ich die alten Gemüsesorten meist dem Eigengeschmack. Die Ratte schmeckt kräftiger als eine Massenkartoffel. Wenn ich solche Dinge, wie die Ratte, Krautrüben oder andere Gemüsesorten wirklich wieder ins Bewusstsein der Menschen zurückbringen möchte, reicht es nicht, dass ich, ohne Nachzudenken, wiederhole, was immer gemacht worden ist. Ich kann nicht blind alles erhalten, was in irgendeiner Form Tradition hat. Ich muss diese Tradition kritisch durchleuchten, darin das wirklich Erhaltenswerte suchen – das Einlegen der Krautrüben beispielsweise. Das aber muss ich hinüberretten in die neue Zeit. HBR: Wo kaufen Sie diese Gemüsesorten ein? Einerseits bei den Bauernbetrieben in der Region. Mit innovativen, meist jungen Landwirten arbeite ich intensiv zusammen. Ein Bauer züchtet für mich weisse Tomaten. Im aargauischen Oberlunkhofen macht sich ein Gemüsebauer die Mühe, grünen Lauch zu bleichen und zu fermentieren. Dazu schlägt er den frischen Lauch in schwarze Folie ein. Ohne Licht verfärbt er sich gelb und die eingeschlossene Feuchtigkeit setzt den Fermentationsprozess in Gang. Nach zwei bis drei Wochen wird die verdorbene äussere Schicht entfernt und nur das butterzarte «Herz» bleibt übrig. Zwar schlägt sich diese Arbeit im Preis nieder, doch geschmacklich ist dieser fermentierte Lauch, den ich über den Grosshändler Marinello einkaufe, einzigartig. Speziell für die Leserinnen und Leser der Revue de la Chaîne kreiert Domenico Micciano ein Kürbispanacotta. Gasthof Löwen Wolfhauserstrass 2 8608 Bubikon www.loewenbubikon.ch Rezept Duo von der Kürbis-Panna-Cotta und Edelkastanien-Soufflé mit Preiselbeer-Sorbet Panna-Cotta vom Muskatkürbis ‚Potiron de Genève 300 gr. 20 gr. 1 Stk 2 Stk 1 Prise Kürbis, geschält und in ca. 1 cm Würfel geschnitten Butter Zitronen, abgeriebene Schale Kardamon Kapseln Wenig Sternanis Currypulver - Alle Zutaten zusammen weichdünsten 100 gr. 800 gr. Zucker Vollrahm - Zugeben und alles ca. 15 Min. köcheln lassen - Alles mit dem Stabmixer pürieren und anschliessend passieren 1 Lt. 6 Blatt Grundmasse, heiss Gelatine, eingeweicht in Wasser - Zugeben - Etwas erkalten lassen und in eine Struktur-Silikonform abfüllen und kaltstellen - Rund ausstechen und in der Mitte des Tellers anrichten Marroni-Soufflé 180 gr. Butter 180 gr. Puderzucker 180 gr. Marroni-Püree 6 Stk. Eier 1 Prise Fleur de Sel ½ Stk. Vanille-Stange, ausgekratzt Wenig Kirsch zum Parfümieren - Alles zusammen schaumig schlagen 180 gr. 30 gr. 15 gr. Mehl Fecule Backpulver - Vorsichtig unter die Masse heben - In Formen abfüllen - Noch heiss in blind gebackene Mürbteig-Tartelettes abfüllen - Bei 180°C während 15 Minuten backen und anschliessend warm halten Preiselbeer-Sorbet (mit Paco Jet herzustellen) 250 gr. Preiselbeer-Mark (Le Boiron) 180 gr. Wasser 120 gr. Zucker Mit wenig Zitronensäure abschmecken - Alles zusammen vermischen, im Paco-Jet gefrieren lassen - Mit wenig Zimt abschmecken - Kurz vor dem Service ‚pacosieren‘ Fertig-Stellung Meringue-Concassée Maronetten in Kirsch eingelegt Verveine-Spitzen Schokoladen-Dekor Gold-Flakes Kürbis-Perlen im Vanille-Sirup glasiert Preiselbeer-Kompott - Mit diesen Zutaten analog Bild das Gericht fertig stellen.