Häschen in der Gruppe oder Die List des Mailings Viel zu oft hocke

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Häschen in der Gruppe
oder
Die List des Mailings
Viel zu oft hocke ich vor dem Computer. Und bekomme viel zu oft seltsame Botschaften, weil ich einer mailing-list angehöre. Früher hieß so etwas Rundbrief, aber wir wollen ja nicht unmodisch sein, weshalb wir eben viel zu oft seltsame Botschaften erhalten.
Besagte mailing-list untersteht übrigens einer Gruppe, die sich neuerdings
„Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ nennt. Ich weiß nicht, warum hier Menschen – auch Schreibende, jawohl, sind Menschen! - ausgegrenzt werden, die ein drittes Geschlecht mit sich führen, die sächlich, gar ursächlich sind oder
deren Geschlecht auf dem Transportwege einfach verlorenging.
Kürzlich erreichte mich per mail die listige Botschaft einer verlorenen Seele:
AbsenderIn meinte, der ganze Islam samt seinem Propheten sei irreal und gefährlich.
Und schloss daraus: Ghettobildung mit Parallelgesellschaften. Kleinkriminalität, Drogenhandel. Religiöse Fanatisierung. Verachtung gegenüber deutschen Behörden…
Ei, da hatte Es nicht nur was Pauschales gesagt, sondern absolut unkorrekt
formuliert. Die Antworten purzelten im Minutentakt: „Ich möchte keine mails von Absendern bekommen, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit propagieren!“ „Ich
auch nicht!!“ „Auch ich nicht!!!“
Was machen wir mit Gruppen besorgter Bürger, die einem Brüllführer den Arm
entgegenrecken? Denen möchte ich ganz gern feindlich gesonnen sein. Die Gruppe
namens NPD verdient keinesfalls meine Freundlichkeit und mit einer Gruppe von
BürgerInnen die einzelnen BürgerInnen Tort antun will ich mich nicht gemein machen.
Auch ich möchte weiterhin eine gruppenbezogene Feindschaft propagieren dürfen.
Doch meine mailing-list verkündet zuweilen noch Grauenhafteres. So wird ein
Literaturpreis ausgelobt „für das Schaffen jüngerer Autorinnen und Autoren aus dem
deutschsprachigen Raum.“ Und weil man in Deutschland immer exakt formuliert:
„BewerberInnen dürfen das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.“
Wieder erhebt die mailing-list ihren kollektiven Ruf wie Donnerhall und also das
gerechte Haupt: „Altersdiskriminierung!“. „Diskriminierung von uns reiferen Schriftstellerinnen“. „Diskriminierung der nicht mehr ganz knusprig-jugendlichen, vielleicht sogar
schon ältlichen oder womöglich bereits schrumpligen Autorinnen & Autoren!“
Natürlich könnte man einen Preis für herausragende Schrumpligkeit verleihen.
Ich hätte KandidatInnen dafür. Und warum hat niemand gegen den „deutschsprachigen Raum“ protestiert? Gerade wir DeutschInnen dürfen nicht so national selbstbezogen sein.
Doch wenn meine mailing-list wüsste, dass es einen Gabriele-Münter-Preis für
Künstlerinnen ab 40 gibt? Der Sturm der Entrüstung käme mit jugendlicher Macht
daher. Und so ich frage mich angstvoll, wieso überhaupt Preise nur für bestimmte
Gruppen von Mitgeschöpfen ausgelobt werden. Für Geiger und Trompeter, für Kurzgeschichtenschreiber und Langhaardackel, für Künstler mit Migrationshintergrund und
ohne Bildungsmonopol, für die Blume des Jahres und den Sportler des Tages, für
den Letzten Schrei und das umfassendste Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz.
Das Schlimme an dieser grausamen, ausgrenzenden Spezialisierung: es werden immer Gruppen ausgeschlossen. Tatsache! Und was ist eine derartige Praxis
anderes, als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?
Matthias Biskupek
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