Oft gehörte Vorwürfe an die Lebensmittelbestrahlung Vorwurf N° 1 Bestrahlte Lebensmittel sind radioaktiv. Dies ist der älteste Vorwurf, der eigentlich schon längst widerlegt ist, denn die bei der Strahlenbehandlung von Lebensmitteln eingesetzten Gammastrahlen weisen eine zu geringe Strahlenenergie auf, um im Bestrahlungsgut eine Radioaktivität zu erzeugen. Elektronenbeschleuniger sind so gebaut, daß sie die emittierten Elektronen nicht auf die kritische Energie zu beschleunigen vermögen. Die offene Behauptung, daß strahlenbehandelte Lebensmittel radioaktiv seien, wird denn auch kaum mehr erhoben, aber hintergründig beherrscht die Angst vor der Strahlung und Radioaktivität nach wie vor die Diskussion. In der Öffentlichkeit wird die Diskussion über bestrahlte Nahrungsmittel in weiten Teilen völlig irrational geführt. In Flugblättern und Artikeln versuchen Bestrahlungsgegner dem Leser zu suggerieren, daß bestrahlte Lebensmittel radioaktiv seien. Die Verwendung von Reizwörtern, z.B. der sachlich falschen Wortschöpfung „radioaktive Strahlung", ängstigt den Laien. Dieser Ausdruck ist in den letzten Jahren mit Hilfe der Medien zu einem festen Begriff im Wortschatz des Normalverbrauchers geworden und wird leider sogar von Fachleuten verwendet. Wird aber bei jeder Gelegenheit von radioaktiv bestrahlten Lebensmitteln gesprochen, liegt für den fachlich unbelasteten Bürger der Verdacht nahe, daß die Lebensmittelindustrie finanzieller Vorteile wegen die Gefahr, Lebensmittel radioaktiv zu machen, in Kauf nimmt. Die Forderung von Konsumentenorganisationen, bestrahlte Nahrungsmittel mit dem Symbol für radioaktive Stoffe zu kennzeichnen, scheint in diesem Zusammenhang nur logisch. Vorwurf N° 2 Es ist nicht endgültig bewiesen, daß der Verzehr bestrahlter Lebensmittel keine schädlichen Folgen zeigt. Ganz generell kann ein solcher Beweis nie mit letzter Sicherheit erbracht werden. Der gemeinsame Expertenausschuß von FAO / IAEA / WHO hat seine Unbedenklichkeitserklärung von 1980 auf Grund der Beurteilung aller bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden gesundheitlichen Untersuchungen mit bestrahlten Lebensmitteln, d.h. der Resultate von rund 30 Jahren, gefällt. Er ist der Ansicht, daß der Vorteil von in hygienischer Hinsicht sicheren Nahrungsmitteln das geringe verbleibende Risiko bei weitem aufwiegt. Diese Untersuchungen haben im übrigen die Lebensmittelbestrahlung zum wohl am besten untersuchten lebensmitteltechnologischen Verfahren gemacht. Vorwurf N° 3 In einigen dieser Untersuchungen gibt es konkrete Hinweise auf schädliche Wirkungen bestrahlter Nahrungsmittel, z.B. in der anfangs der 70er Jahre in Indien durchgeführten Studie an unterernährten Kindern. Seite 1 von 5 Unter den mehr als 1.000 wissenschaftlichen Untersuchungen über die Unbedenklichkeit bestrahlter Lebensmittel gibt es tatsächlich Arbeiten, welche zum Schluß kommen, daß bestimmte bestrahlte Lebensmittel Schädigungen auslösen. In allen Wiederholungen dieser Untersuchungen konnten die negativen Befunde jedoch nicht bestätigt werden. Die Gründe für diese Fehlfolgerungen liegen in Mängeln bei der Versuchsplanung, in ungenügend zusammengesetzten Diäten bei Tierfütterungsversuchen, in mangelhafter statistischer Auswertung der Resultate und in Irrtümern begündet. Die erwähnte indische Studie an 15 unterernährten Kindern ergab eine erhöhte Zahl polyploider Lymphozytenzellen nach dem Genuß frisch bestrahlten Weizens. Diese Arbeit wurde von mehreren Untersuchungsgruppen besonders sorgfältig analysiert. Ein Gutachten einer dänischen Forschergruppe sowie der amerikanischen Food & Drug Administration (FDA) zeigen auf, warum die gezogenen Folgerungen wenig stichhaltig sind. Chinesische Untersuchungen an 439 Freiwilligen zeigten im Gegensatz zu dieser indischen Studie keine der dort festgestellten Veränderungen. Vorwurf N° 4 Bei der Bestrahlung von Lebensmitteln bildet sich Wasserstoffperoxyd. Darauf beruht die konservierende Wirkung ionisierender Strahlung. Die Anwendung von Wasserstoffperoxyd zur Lebensmittelkonservierung ist jedoch nicht erlaubt. Die Lebensmittelbestrahlung ist daher die verkappte Anwendung eines verbotenen Konservierungsstoffes. Bei der Strahlenbehandlung einiger Lebensmitteln entsteht in Anwesenheit von Luftsauerstoff Wasserstoffperoxyd in sehr geringen Mengen. Diese Mengen haben keine mikrozyde Wirkung. Einige Lebensmittel enthalten natürliches Wasserstoffperoxyd in weit größeren Mengen. Niemand denkt jedoch daran deswegen Bier, Joghurt oder Honig zu verbieten. Vorwurf N° 5 Die Strahlenbehandlung tötet nicht alle Mikroorganismen ab, und die überlebenden Organismen können im Lebensmittel die typischen Verderbsanzeichen, z.B. Gasbildung, nicht mehr erzeugen, wodurch der Verbraucher verdorbener, bestrahlter Lebensmittel nicht gewarnt wird. Der Abtötungsgrad lebensmittelverderbender oder pathogener Mikroorganismen durch ionisierende Strahlen hängt von der applizierten Strahlendosis ab. Primär werden keine sterilen Nahrungsmittel angestrebt, sondern es genügt meist eine Keimzahlsenkung um 3 bis 4 Zehnerpotenzen, um eine genügende Haltbarkeitsverbesserung zu erreichen. Bezüglich des „atypischen" Verderbs bestrahlter Lebensmittel kam die Internationale Union Mikrobiologischer Gesellschaften (IUMS) in einem Gutachten zum Schluß, die Bestrahlung verursache kein zusätzliches Gesundheitsrisiko, sondern sei eine wertvolle Methode zur Vernichtung von durch Lebensmittel übertragenen Krankheitserregern. Seite 2 von 5 Vorwurf N° 6 Die Qualität der Nahrungsmittel Strahlenbehandlung negativ beeinflußt. wird durch eine Dies trifft für alle lebensmitteltechnologischen Verfahren zu. Lebensmittel verändern sich überdies auch negativ bei der Lagerung. Generell wird jeder Anwender nach der Devise vorgehen: „Soviel wie nötig, sowenig wie möglich". Es eignen sich nicht alle Lebensmittel für eine Strahlenbehandlung. Bei solchen wird darauf verzichtet, denn kein Verarbeiter möchte ja ein Produkt produzieren, das nicht verkauft werden kann. Vorwurf N° 7 Die Strahlenbehandlung von Nahrungsmitteln ist eine Schönung und täuscht dem Konsumenten eine nicht vorhandene Frische des betreffenden Produktes vor. Dieser Vorwurf widerspricht dem vorangegangenen diametral. Im übrigen trauen die Kritiker einer Bestrahlung diesem Verfahren offensichtlich Wunderdinge zu. Mit Ausnahme der hygienischen Qualität kann eine Strahlenbehandlung mangelnde Qualität nicht verbessern. Verdorbenes Fleisch, verdorbener Fisch oder verdorbenes Gemüse bleibt auch nach einer Strahlenbehandlung verdorben. Im Gegensatz zur Wärmebehandlung beeinflußt jedoch eine richtig eingesetzte Strahlenbehandlung die Frische eine Produktes nicht. Die Möglichkeit, Lebensmittel zu bestrahlen, könnte einen Produzenten aus Kostengründen allerdings dazu verführen, der hygienischen Qualität seiner Produkte während der Verarbeitung nicht die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken, da eine Bestrahlung am Schluß alles wieder gut macht. Eine solche Haltung widerspricht jedoch einer guten Herstellungspraxis (GHP). Vorwurf N° 8 Bestrahlte Lebensmittel enthalten keine Nährstoffe mehr und sind (Zitat) “nichts mehr als eine als eine leere Hülle, ohne Vitamine und ohne Nährwert". Bezüglich des Nährwertes und der metabolisierbaren Energie ihrer Kohlenhydrate, Fette und Proteine sind bestrahlte Lebensmittel den entsprechenden unbehandelten Produkten gleichwertig. Hochungesättigte Fettsäuren werden allerdings durch eine Bestrahlung geschädigt. Dieser Effekt kann zu Ranzigkeit führen. Manchmal kann nicht einmal die Abwesenheit von Luftsauerstoff und tiefe Temperaturen diesen Prozeß verhindern. Vitamine sind verschieden bestrahlungsempfindlich. Sehr strahlenempfindlich ist das wasserlösliche Thiamin (Vitamin B1); Riboflavin (Vitamin B2) ist dagegen sehr stabil. Beim Vitamin C haben sowohl Ascorbinsäure (AS) wie auch Dehydroascorbinsäure (DHAS) Vitaminwirkung. Vor allem in älteren Untersuchungen wurde jedoch oft nur die AS gemessen. Dies ist jedoch nur für Frischprodukte richtig. Bei der Lagerung und Verarbeitung wird AS in DHAS umgewandelt und beide Formen können metabolisiert werden. Seite 3 von 5 Zur Bestrahlung von Früchten und Gemüsen kommen aus technologischen und qualitativen Gründen nur Dosen bis rund 2 kGy in Frage. Alle Angaben über Untersuchungen an solchen Produkten, welche mit wesentlich höheren Dosen behandelt wurden, sind daher ohne praktische Bedeutung. In bestrahlten Kartoffeln nimmt sowohl der AS- wie auch der Gesamt- Vitamin CGehalt während der ersten Lagermonate stärker ab als in unbestrahlten Kartoffeln. Nach vier bis sechs Monaten Lagerung ist der AS- Gehalt jedoch gleich hoch oder höher als jener der unbestrahlten Vergleichsprobe. Die stärkere Abnahme des AS Gehaltes in den bestrahlten Kartoffeln während der vorangegangenen Monate hat keine praktische Bedeutung, da es wenig sinnvoll ist bestrahlte Kartoffeln in den ersten drei bis vier Monaten nach der Behandlung zu essen. Vitamin A gehört zu den strahlenempfindlichen Vitaminen. Die Produkte, in denen Vitamin A hauptsächlich vorkommt (Milch und Milchprodukte), eigenen sich aus sensorischen Gründen wenig für eine Strahlenbehandlung. Vitamin E ist das strahlenempfindlichste fettlösliche Vitamin. Gesamthaft darf festgestellt werden, daß eine Strahlenbehandlung ähnliche Auswirkungen auf den Vitamingehalt von Lebensmitteln hat, wie wenn Lebensmittel ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen erhitzt werden, z.B. beim Kochen. Vorwurf N° 9 Bestrahlte Lebensmittel sind tote Lebensmittel. Die meisten Lebensmittel auf unserem Mittagstisch sind tote Lebensmittel. Als lebende Organismen können allenfalls rohe Gemüse, Salate und Früchte bezeichnet werden. Die für solche Produkte eingesetzten Strahlendosen unterbinden die Lebensvorgänge in den Zellen nicht, was an Atmung und Stoffwechselvorgängen erkannt werden kann. Vorwurf N° 10 Bestrahlte Lebensmittel lassen sich nicht erkennen. Die Unterschiede zwischen unbestrahlten und bestrahlten Lebensmitteln sind dermaßen klein, daß zu ihrer Erkennung hochspezialisierte Verfahren und sehr teure Apparate eingesetzt werden müssen. Erst seit kurzer Zeit existieren für einige Lebensmittel gesicherte Erkennungsmethoden. Dieser Umstand sollte eigentlich den Verbraucher beruhigen, zeigt sich doch, daß eine Strahlenbehandlung nur geringste Auswirkungen auf die Lebensmittel hat. Bei andern Verfahren, z.B. beim Räuchern, können gesundheitsschädliche Substanzen dagegen in gut meßbaren Mengen festgestellt werden. Vorwurf N° 11 Die Lebensmittelbestrahlung ist ein teures Verfahren. Dieser Feststellung kann kaum widersprochen werden. Die Lebensmittelbestrahlung ist ein zu teures Verfahren, um für billige Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Getreide oder Hülsenfrüchte eingesetzt zu werden. Seite 4 von 5 Die kommerzielle Kartoffelbestrahlung in Japan zeigt jedoch, daß ein Lebensmittel, das bei uns aus Kostengründen nicht bestrahlt würde, andernorts teuer genug ist, um mit Strahlen behandelt zu werden. Dieses Beispiel zeigt auch, daß die Lebensmittelbestrahlung nur eine Chance hat, wenn die Kosten konkurrenzfähig sind oder das Verfahren gegenüber andern Prozessen wesentliche Vorteile aufweist. Vorwurf N° 12 Die Lebensmittelbestrahlung verursacht radioaktive Abfälle. Auch diese Feststellung ist (mindestens teilweise) richtig. Zu irgend einem Zeitpunkt wird es nämlich unumgänglich, daß schwach aktiv und deshalb unrentabel gewordene lsotopen- Strahlenquellen gegen neue ausgetauscht werden müssen. Durch den Einsatz von Elektronenbeschleunigern und Röntgenanlagen, welche aber gegenüber Isotopenanlagen vorläufig noch gewichtige Nachteile aufweisen, könnte dies vermieden werden. Vorwurf N° 13 Die Lebensmittelbestrahlung ist eine Erfindung Atomindustrie, die damit ihren Atommüll nutzbringend beseitigt. Kobalt-60, die wohl am häufigsten eingesetzte Strahlenquelle, wird besonderen Reaktoren speziell zu diesem Zweck durch Neutronenbestrahlung von Kobalt-59 hergestellt. Cäsium- 137, das aus abgebrannten Kernelementen gewonnen werden kann, weist zu viele Nachteile auf, um in Bestrahlungsanlagen eingesetzt zu werden. Elektronenbeschleuniger sind elektrische Apparate und haben kaum etwas mit Atommüll zu tun. Vorwurf N° 14 Die bei der Lebensmittelbestrahlung angewandten Strahlendosen ist über tausend mal höher, als die für den Menschen tödliche Dosis. Die Strahlenbehandlung von Nahrungsmitteln ist deshalb gefährlich. Nun, genau so gut könnte man behaupten, daß gekochte Speisen für den Menschen gefährlich sind, weil kochendes Wasser einen Menschen töten kann. Das Haupthindernis, welches sich der Lebensmittelbestrahlung entgegenstellt, ist bestimmt die Urangst des Menschen vor dem Unfaßbaren. Ionisierende Strahlen sind mit unseren Sinnen nicht faßbar. Man kann sie nicht sehen, nicht hören, nicht riechen, nicht schmecken und nicht fühlen, und doch können sie töten. Der Gedanke, daß Lebensmittel bestrahlt sein könnten, löst in vielen Menschen Angstgefühle aus. Angst allein ist jedoch ein schlechter Ratgeber. Bei der Erwägung einer Zulassung bestrahlter Lebensmittel (in der Schweiz kann gemäß Art. 11 b der Lebensmittelverordnung das Bundesamt für Gesundheitswesen diese Bewilligung erteilen) müssen daher sowohl sachliche Gründe (wissenschaftlich und wirtschaftlich), aber auch emotionelle Argumente, wie z.B. eben diese Angst, in die Diskussion einbezogen werden. Seite 5 von 5