Studienergebnisse mit praktischen Auswirkungen auf den Alltag Jochen Heymanns Urbar Klostergut Besselich 07.10.2015 Einführung Wie erreichen wir Verbesserungen der medizinischen Behandlung ? -Durch Grundlagenforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe -Durch die Optimierung des Einsatzes bewährter Behandlungsstrategien und/ oder bereits zugelassener Arzneimittel Das Instrument dazu: nicht-kommerzielle klinische Prüfungen Nicht-kommerzielle klinische Prüfungen Definition BfArM: Nicht-kommerzielle klinische Prüfungen bzw. nichtkommerzielle klinische Studien werden oft auch Prüfer-initiierte Studien (IIT, investigator initiated trials) genannt. Ein Teil von ihnen wird auch als Therapieoptimierungsstudien (TOS) bezeichnet, nämlich dann, wenn zugelassene Arzneimittel, z.B. in neuen Kombinationen oder Dosierungen, im Rahmen einer klinischen Prüfung mit einander verglichen werden. Nicht-kommerzielle klinische Prüfungen Merkmale: Veranlassung von universitären Einrichtungen, nicht-universitären Kliniken oder anderen primär nicht-kommerziellen Forschungseinrichtungen. Das primäre Ziel nicht-kommerzieller klinischer Prüfungen ist nicht die Arzneimittelzulassung (durch deren Vermarktung wirtschaftlicher Gewinn erzielt werden soll), sondern eine Verbesserung der medizinischen Behandlung auf Grund der in der Studie gewonnenen Erkenntnisse. Beispiele für Ergebnisse von Therapieoptimierungsstudien mit Konsequenzen für den Alltag: Prostata-Karzinom Mamma-Karzinom Supportivtherapie Prostatakarzinom ASCO 2015, #5001 Einsatz von Docetaxel zusätzlich zur androgenopriven Therapie beim hormon-naiven Prostatakarzinom Krankheitsphasen eines Prostatakarzinoms Palliativ Kurativ Kastrationsresistent Lokal begrenzt Lokal fortgeschritten PSA-Anstieg nach Kurativ. Therapie Fortgeschr. Metastasierung. PSA-Anstieg unter Hormontherap. Prostatakarzinom ASCO 2015, #5001 Überlegungen: Docetaxel verlängert des Überleben beim kastrationsresistenen metastasierten Prostata-Karzinom Der frühe Einsatz von wirksamen Substanzen sollte eine weitere Verbesserung des Überlebens bringen Inclusion criteria Presented By Nicholas James at 2015 ASCO Annual Meeting Krankheitsphasen eines Prostatakarzinoms Palliativ Kurativ androgenoprive Therapie + Docetaxel Kastrationsresistent Lokal begrenzt Lokal fortgeschritten PSA-Anstieg nach Kurativ. Therapie Fortgeschr. Metastasierung. PSA-Anstieg unter Hormontherap. Docetaxel: Survival Presented By Nicholas James at 2015 ASCO Annual Meeting Prostatakarzinom ASCO 2015, #5001 Ergebnisse: Docetaxel alle 3 Wochen insgesamt 6x zusätzlich zur androgenopriven Therapie verlängert des Überleben beim hormon-naiven Prostata-Karzinom deutlich ! Prostatakarzinom ASCO 2015, #5001 und ASCO 2014, #LBA2 Bewertung: Zwei Studien (CHAARTED und STAMPEDE) zeigen den Nutzen der frühen Chemotherapie mit Docetaxel im Gesamtüberleben, besonders bei Patienten mit metastasierter Erkrankung und hoher Tumorlast Slide 10 Presented By Ian Tannock at 2015 ASCO Annual Meeting Kasuistik P.K. * 28.12.46 Prostata-Karzinom ED 02/2015 initale PSA-Konzentration: 1657 ng/ml Adeno-Ca G3, Glaeson-Score 4+5 = 9 Stadium cT3b, cN1, cM1b (OSS,LYM) initial KI 60%, massive skelettassoziierte Schmerzen androgenoprive Therapie mit LH-RH Analogon seit 03/2015 und umfassender Supportivtherapie PSA-Abfall auf 115 ng/ml in 06/15, KI 90 % NEU: Einleitung einer zusätzlichen Therapie mit Docetaxel alle 3 Wochen in 08/2015 ! Mammakarzinom (adjuvant) PRIME II Trial, The Lancet Oncology 16, 2015 Können ältere Frauen (> 65 Jahre) mit lokal begrenztem (wenig aggressiven) Mammakarzinom auf eine Radiotherapie nach brusterhaltender Operation verzichten ? Sponsoren: Chief Scientist Office (Scottish Government), Breast Cancer Institute (Western General Hospital, Edinburgh). Mammakarzinom (adjuvant) PRIME II Trial, The Lancet Oncology 16, 2015 Einschlusskriterien: Alter > 65 Jahre Mammakarzinom G1/G2, Tumor < 3 cm, pN0 cM0 Hormonrezeptor-positiv Z. n. brusterhaltender R0- Resektion adjuvante antihormonelle Therapie Mammakarzinom (adjuvant) PRIME II Trial, The Lancet Oncology 16, 2015 Behandlung: 1326 Patientinnen, Behandlung 2003 -2009 658 erhielten eine Radiotherapie (RT) 668 erhielten keine Radiotherapie Mammakarzinom (adjuvant) PRIME II Trial, The Lancet Oncology 16, 2015 Ergebnisse nach 5 Jahren: mit RT: 5 (1,3%) hatten ein Lokalrezidiv ohne RT: 26 (4,1%) hatten ein Lokalrezidiv Keine Unterschiede bei: Fernmetastasen kontralateraler Brustkrebs und Gesamtüberleben: 93,9% in beiden Gruppen ! (89 Patientinnen sind verstorben, davon 12 an Brustkrebs) Mammakarzinom (adjuvant) PRIME II Trial, The Lancet Oncology 16, 2015 Schlussfolgerung: Lokale RT senkt signifikant, aber nur gering, die Rate an ipsilateralen Brustkrebs bei Frauen > 65 Jahre mit prognostisch günstigen Mammakarzinom. Die Rate an Rezidiven auch ohne RT ist so gering, dass auf die RT verzichtet werden kann. Bisphosphonattherapie ASCO 2015 #9501 Überlegungen: Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom, Prostatakarzinom und Multiplen Myelom haben ein Risiko für skelettbezogene Komplikationen. Skelettbezogene Komplikationenen Bisphosphonattherapie ASCO 2015 #9501 Überlegungen: Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom, Prostatakarzinom und Multiplen Myelom haben ein Risiko für skelettbezogene Komplikationen. Zoledronat ist eine wirksame, zugelassene Behandlung zur Verringerung / Vermeidung von skelettbezogene Komplikationen wenn es alle 3-4 Wochen gegeben wird. Das optimale Dosierungs-Intervall von Zoledronat wurde nie bestimmt. Mammakarzinom (adjuvant) PRIME II Trial, The Lancet Oncology 16, 2015 Können ältere Frauen (> 65 Jahre) mit lokal begrenztem (wenig aggressiven) Mammakarzinom auf eine Radiotherapie nach brusterhaltender Operation verzichten ? Sponsoren: Chief Scientist Office (Scottish Government), Breast Cancer Institute (Western General Hospital, Edinburgh). CALGB 70604 (Alliance): A randomized phase III study of standard dosing vs. longer interval dosing of zoledronic acid in metastatic cancer Presented By Andrew Himelstein at 2015 ASCO Annual Meeting Trial Schema Presented By Andrew Himelstein at 2015 ASCO Annual Meeting Bisphosphonate ASCO 2015, # 9501 Einschlusskriterien: 1777 Patienten mit Skelettmetasten bei Mammakarzinom (n = 833) Prostatakarzinom(n = 674) Multiplen Myelom (n = 270) No significant difference in time to SRE between ZA q 4 weeks vs. ZA q 12 weeks (p = 0.601) Presented By Andrew Himelstein at 2015 ASCO Annual Meeting Bewertung : Zoledronat Gabe in einem Intervall von 12 Wochen ist nicht unterlegen einem Intervall von 4 Wochen ! Kasuistik A.L. * 12.09.42 Prostata-Karzinom ED 08/2000 Stadium T3, N1,M0 Z. n. perkutaner Strahlentherapie 2000 biochemisches Rezidiv 2001 androgenoprive Therapie seit 2001 kastrationsresistentes metastasiertes PCA 01/2009 Z.n. Docetaxel 2009-2011 / Abiraterone 2011 - 2014 ossäre Metastasen seit 07/2014 Zoledronat 4-wöchentlich seit 07/2014 Enzalutamid seit 07/2014, anhaltende partielle Remission, asymptomatisch NEU: Zoledronat 3-monatlich seit 07/2015 ! Palliative Strahlentherapie bei Hirnmetastasen ASCO 2015, #LBA3 Palliative Strahlentherapie bei Hirnmetastasen Was ist das Ziel ? - Überleben - intracranielle Krankheitskontrolle - neuro- kognitive Funktionen - Lebensqualität NCCTG N0574 (Alliance): A Phase III Randomized Trial of Whole Brain Radiation Therapy in Addition to Radiosurgery in Patients with 1 to 3 Brain Metastases Presented By Paul Brown at 2015 ASCO Annual Meeting N0574 Design<br /> Presented By Paul Brown at 2015 ASCO Annual Meeting Palliative Strahlentherapie bei Hirnmetastasen Zielgrößen: Veränderung der neuro- kognitiven Funktionen nach 3 Monaten (Lebensqualität, intracranieller Progress, Gesamtüberleben) Primary Endpoint: Cognitive Progression at 3 mos Presented By Paul Brown at 2015 ASCO Annual Meeting Overall Survival Presented By Paul Brown at 2015 ASCO Annual Meeting Palliative Strahlentherapie bei Hirnmetastasen Schlussfolgerung: Für Patienten mit Hirnmetastasen, für die eine stereotaktische Radiochirurgie in Frage kommt, wird eine alleinige Radiochirurgie empfohlen zum besseren Erhalt von kognitiven Funktionen und Lebensqualität Anämiebehandlung bei Mammakarzinom (metastasiert) SABCS 2014, #S5-07 Hintergrund: „Black Box Warning Erythropoetine FDA“ Anämiebehandlung bei Mammakarzinom (metastasiert) SABCS 2014, #S5-07 Hintergrund (1) – Auszug Fachinformation: Epoetine sind Wachstumsfaktoren, die in erster Linie die Produktion roter Blutzellen anregen. Erythropoetin-Rezeptoren konnen auf der Oberflache verschiedener Tumorzellen vorhanden sein. Wie bei allen Wachstumsfaktoren sollte bedacht werden, dass Epoetine das Wachstum von Tumoren jeglicher Art stimulieren können. Anämiebehandlung bei Mammakarzinom (metastasiert) SABCS 2014, #S5-07 Hintergrund (2) – Auszug Fachinformation: In verschiedenen kontrollierten klinischen Studien, in denen Epoetine an Patienten mit verschiedenen, häufig vorkommenden Tumoren wie z. B. Plattenepithelkarzinom von Kopf und Hals, Lungenkarzinom und Mammakarzinom verabreicht wurden, zeigte sich eine ungeklärt erhöhte Mortalität. Anämiebehandlung bei Mammakarzinom (metastasiert) SABCS 2014, #S5-07 Bewertung : Anämietherapie der ersten Wahl bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom ist die Transfusion! Wenn möglich auf Erythropoietin verzichten ! Thromboseprophylaxe bei metastasiertem Pankreaskarzinom JCO 2015, 33, 2028 Überlegungen: Patienten mit metastasierten soliden Tumoren haben ein erhöhtes Risiko für Thromboseembolien. Bei metastasiertem Pankreaskarzinom ist das Risiko besonders hoch (ca. 20% innerhalb von 12 Monaten). Ursache ist eine Komplexe Interaktion zwischen Tumor und Hämostase Thromboseprophylaxe bei metastasiertem Pankreaskarzinom JCO 2015, 33, 2028 Fragestellung: Ist eine Thromboseprophylaxe bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und ambulanter Chemotherapie machbar, wirksam und sicher ? Thromboseprophylaxe bei metastasiertem Pankreaskarzinom JCO 2015, 33, 2028 Ergebnisse: Eine Thromboseprophylaxe bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und ambulanter Chemotherapie reduziert das Risiko einer symptomatischen Thromboembolie deutlich, erhöht das Risiko einer größeren Blutung, ist ohne Auswirkungen auf das Überleben. Thromboseprophylaxe bei metastasiertem Pankreaskarzinom JCO 2015, 33 Editorial Bewertung: Die Studie bestätigt das hohe Risiko für eine Thromboembolie bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom. Eine Thromboseprophylaxe sollte individuell und risikoadaptiert erfolgen. Risikofaktoren sind Adipositas, Leukozytose, Thrombozytose, Anämie, Erythropoetin –Therapie.