Gerhard Herndl , Universität Wien

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Gerhard Herndl: Das
fehlende Licht ist kein
Problem, aber sehr wohl
hoher Druck und tiefe
Temperaturen. So ist der
Stoffwechsel generell
sehr abhängig von der
Temperatur: Eine höhere Temperatur ermöglicht auch einen höheren
Stoffwechsel; umgekehrt
gilt, dass in der Tiefsee, wo rund zwei Grad Celsius
herrschen, alle Prozesse langsamer ablaufen. Zudem
ist das Nährstoffangebot in der Tiefsee im Allgemeinen
kleiner als nahe der Wasserober läche: In den ersten
hundert Metern im offenen Ozean, den sonnendurchluteten Schichten des Meeres, indet die p lanzliche
Primärproduktion statt. Alles Leben in der Tiefsee ist
im Wesentlichen davon abhängig, dass die Produkte
der p lanzlichen Primärproduktion in die Tiefe rieseln.
Die durchschnittliche Tiefe der Ozeane beträgt ca. 3,8
Kilometer, der Partikelregen nimmt mit zunehmender
Tiefe ab und damit auch die Biomasse der Organismen.
Dennoch indet man auch in den Tiefen des Meeres viel
Leben, zum Beispiel Bakterien. Diese be inden sich übrigens auch im Ober lächenwasser, sodass man, wenn
man beim Schnorcheln einen Schluck Meerwasser erwischt, auch gleichzeitig mehrere Millionen Bakterien
verschluckt und noch viel mehr Viren. Glücklicherweise schaden sie den Tauchenden in der Regel nicht.
HLFS Ursprung: Das Meer
ist zweifellos einer der
vielfältigsten und faszinierendsten Lebensräume der
Erde, bis in die größten
Tiefen ist es von Lebewesen bevölkert. Wie ist bei
den dort herrschenden
Bedingungen Leben überhaupt möglich?
„Das Meer wird sich verändern“
Gespräch mit Gerhard Herndl, Meeresbiologe
Universität Wien, 25.09.2012
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HLFS Ursprung im Zukunftsdialog
Gerhard Herndl: In aller
Regel verbringe ich etwa
einen Monat pro Jahr auf
einem Forschungsschiff.
Wenn die Anfahrtswege
entsprechend lang sind,
wie auf dem Weg in die
Antarktis, unternehme
ich manchmal auch längere Forschungsfahrten.
Gerhard Herndl: Die
Klimaerwärmung
ist
nicht überall auf der
Erde gleich: In den Tropen ist die Erwärmung
im Wesentlichen kaum
messbar, in manchen Regionen nimmt die Temperatur sogar ab. In den polaren Regionen wirkt sich
die Erwärmung am meisten aus, hier hat man auch die
größten Veränderungen zu erwarten: Heuer im September beobachtete man in der Arktis die geringste Ausdehnung des Eises seit Beginn der Aufzeichnungen. Das wird
fundamentalen Ein luss haben auf das Leben der dortigen Organismen: Der Eisbär verliert seine Schollen, aber
die Veränderungen reichen noch viel weiter; so wird es
zu einer höheren Produktivität in der Arktis kommen,
weil durch das Auftauen der Tundra der Nährstoffeintrag durch die großen Flüsse steigt. Das hat wiederum
eine Steigerung des p lanzlichen Planktons zur Folge. Neben der Zunahme der Produktivität in diesen Regionen
kommt es in Zusammenhang mit der Klimaveränderung
auch zu ökonomischen Veränderungen: Es werden derzeit Überlegungen angestellt, große Schifffahrtsrouten
durch die Arktis zu generieren, was eine signi ikante
Zeitersparnis bedeuten würde. Ein Konzern ist gerade
dabei, Probebohrungen nach Erdöl in der Arktis durchzuführen. Das bedeutet, dass die Arktis vor massiven Veränderungen steht, mehr als alle anderen Meeresregionen.
HLFS Ursprung: Ein im
Rahmen der Konferenz
„Rio+20“ der Vereinten
Nationen angesprochenes
Thema ist die Klimaveränderung. Welchen Einϔluss
hat sie auf das Meer?
HLFS Ursprung: Bei allen
Überlegungen zur Klimaveränderung steht immer
wieder das CO2 im Zentrum der Betrachtungen.
Inwiefern verfügt das
Meer über Speicherkapazität für CO2? Und welche
Konsequenzen ergeben
sich aus der Aufnahme von
CO2 durch das Meer?
Gerhard Herndl
HLFS Ursprung: Sehr
geehrter Herr Professor
Herndl, Sie gelten als einer
der führenden Meeresbiologen der Welt. Wir treffen
Sie Ende September an der
Universität in Wien; wie
viel Zeit im Jahr verbringen Sie unmittelbar auf
See?
Gerhard Herndl: CO2
selbst ist nur in geringen
Mengen im Meer vorhanden, mit einer Konzentration von ca. zehn
Mikromol pro Liter, während die Gesamtmenge
an ge-löstem anorgaKohlenstoff
nischem
ca. 2 000 Mikromol pro
Liter beträgt. Dieses
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HLFS Ursprung im Zukunftsdialog
hemmt. Man kann die künftige Auswirkung dieser
pH-Änderung schwer durch Experimente abschätzen, da die Generationszeiten der Organismen sehr
lange sind und man auch Anpassungserscheinungen
bedenken muss. Wie weit diese Anpassungserscheinungen auftreten, ist die große Unbekannte. Es gibt
allerdings auch Meereszonen, wo Organismen mehr
organischen Kohlenstoff veratmen als produzieren
und somit mehr CO2 produzieren als konsumieren. Es
gibt folglich auch Regionen im Meer, wo mehr CO2 aus
dem Meer in die Atmosphäre gelangt als umgekehrt,
wie in den oligotrophen Zonen rund um den Äquator.
HLFS Ursprung: In diesem
Zusammenhang wurde
kürzlich eine Studie, an der
Sie mitgewirkt haben, vorgestellt, in welcher die Effekte
der Düngung von Meeresϔlächen mit Eisen untersucht
wurden. Welche Schlüsse
konnten aus den Ergebnissen dieser Studie gezogen
werden?
Gerhard Herndl: Es
herrscht eine große Debatte darüber, ob man
Eisendüngung von Meeres lächen durchführen
soll, um CO2 aus der Atmosphäre in die Tiefsee
zu transferieren. Dieses
Vorhaben fällt unter den
Begriff „Geo-Engineering“. Ein paar Worte
zum Hintergrund dieser Idee: Vor 25 Jahren hat man entdeckt, dass gewisse
Regionen im Meer nicht durch geringe Verfügbarkeit
von Nitrat oder Phosphat in der Produktivität limitiert
werden, sondern durch einen Mangel an Eisen. Der
amerikanische Forscher John Martin sagte darauf aufbauend in den 1980er Jahren sehr plakativ: „Gebt mir
einen Tanker voll Eisen und ich generiere eine neue Eiszeit!“ Es gibt weltweit mehrere Regionen, die für eine
solche Eisen-Düngung besonders in Frage kommen
würden, wie zum Beispiel in der Gegend der Alëuten
im Nordpazi ik oder vor den Galapagosinseln im östlichen Pazi ik. In der angesprochenen Studie waren wir
neun Wochen im Südatlantik und haben eine Fläche
mit einem Durchmesser von 100 Kilometern mit Eisen
gedüngt. Die Folge war eine künstliche Plankton-Blüte,
die man auch vom Satelliten aus sehen konnte. Dieses
p lanzliche Plankton nahm CO2 aus der Atmosphäre
auf, wandelte es in organischen Kohlenstoff um, sank
nach der Vermehrung ab und verfrachtete den Kohlenstoff so in die Tiefsee. Die Zellen koagulieren auf dem
Weg durch die Wassersäule und bilden den „Meeresschnee“, der wirklich aussieht wie Schnee locken. In
der Tiefsee erfolgen die Remineralisation und damit
die Rückbildung zu CO2 nur sehr langsam. Wir haben
also gezeigt, dass es im Prinzip möglich ist, mit Eisendüngung von Meeres lächen CO2 aus der Atmosphäre in
die Tiefsee zu transferieren, aber für eine ef iziente Verringerung des atmosphärischen CO2 ist das kein Weg!
Man bräuchte sehr viele Schiffe, es handelt sich immer
um entlegene Regionen – küstennahe Zonen haben
im Allgemeinen genug Eisen – und damit ist auch der
Transport entsprechend teuer. Darüber hinaus kann
man die Folgewirkungen nicht wirklich abschätzen.
Gerhard Herndl: Der
einzig wirksame Weg,
der Versauerung der
Meere Einhalt zu gebieten, ist, CO2 gar nicht
erst zu produzieren! Nun ist es so, dass durch starkes Phytoplankton-Wachstum auch der pH-Wert
in der Umgebung steigt, eben weil CO2 gebunden
wird. Nun kommen wir wieder auf die vorhergehende Frage zurück: Man könnte also massiv
düngen, aber das ist, wie gesagt, keine wirkliche Alternative, weil große Auswirkungen auf die
Nahrungsnetze des Meeres zu befürchten sind.
HLFS Ursprung: Gibt es
Ideen, der Versauerung der
Ozeane mit ähnlichen Ansätzen entgegenzuwirken?
Gerhard Herndl: Die
Über ischung stellt ein
wirkliches Problem dar,
wobei es in manchen
Ländern oder Regionen
im Sinne der Nachhaltigkeit schon Ansätze
gibt gegenzusteuern. In
der Nordsee beispielsweise gibt es gewisse
Kontingente für den
Fischfang, die auf die einzelnen Länder aufgeteilt
werden. Die Fischerei lotten kann man heutzutage dank GPS-Ortung auch relativ gut überwachen. Auch in der Nordsee hat man allerdings das
Problem der Bodenschleppnetze, die den Meeresboden gewaltig schädigen; die Nordsee wird
mehrere Male im Jahr „umgep lügt“ und das beeinträchtigt die dortigen Lebewesen, wie zum Beispiel Seescheiden, die nicht hochwachsen können.
Beim Thema Fischerei stellen sich auch sozioökonomische Probleme: Man kann Personen, deren
HLFS Ursprung: Die Überϔischung stellt eine weitere
große Bedrohung für das
ökologische Gleichgewicht in
den Meeren dar, manche gehen sogar davon aus, dass in
absehbarer Zeit das Meer als
Nahrungsquelle nicht mehr
zur Verfügung stehen wird.
Wie drastisch ist die Lage?
Vorfahren seit Generationen Fischer sind, nicht
einfach anweisen, sich einen anderen Beruf zu suchen. Gleichzeitig rentiert sich Fischerei eigentlich
immer weniger, weil die Dieselpreise steigen und
der Fisch eben nicht mehr wird. Tatsächlich ist es
mittlerweile so, dass in vielen Ländern die Fischerei gestützt werden muss, ähnlich wie anderswo
die Landwirtschaft. In vielen Teilen der Welt stehen wir tatsächlich vor dem gravierenden Problem, dass die Fischbestände massiv zurückgehen…
Gerhard Herndl
sogenannte Karbonatsystem des Meeres reguliert
den pH-Wert des Meerwassers, der mit ca. 8 bis 8,2
im Grunde genommen relativ hoch ist. Die Ober läche des Meeres steht mit der Atmosphäre im Gasaustausch und wenn nun etwa über die Verbrennung
fossiler Energieträger mehr CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird, gelangt auch mehr CO2 ins Meer
und der pH-Wert verschiebt sich in den sauren Bereich. Unter diesen veränderten Bedingungen haben
kalkbildendes Plankton, Muscheln, Schnecken und
Korallen Schwierigkeiten, ihre Kalkskelette aufzubauen und werden so in ihrem Wachstum stark ge-
Gerhard Herndl: Wie
in China, ja, oder generell in Südostasien. Hier
wird zum Teil auch intensiv Aquakultur betrieben, was
einen großen Eingriff in die Umwelt darstellt und diese auch massiv schädigt! Aquakultur ist zwar ein ef izienter Weg, um zum Beispiel Lachs zu züchten, aber
die hohe Fischdichte bringt auch viele Probleme mit
sich, wie man beispielsweise in Norwegen sehen kann:
Man muss in großen Mengen Antibiotika einsetzen, um
Krankheiten zu unterbinden, was wiederum andere
Gefahren mit sich bringt. Ein neuer Weg, der angedacht
wird, ist die Offshore-Aquakultur: Man würde große
Kä ige im Meer treiben haben, die man zum Beispiel
an der Ostküste der USA aussetzt und die dann über
etwa ein halbes Jahr durch Kreiselströmungen Richtung Europa treiben würden. In Europa könnte man
die Fische herausholen und die Kä ige neu bestücken,
die dann zum Beispiel über die Kanarischen Inseln
wieder Richtung USA zurücktreiben würden. Noch
wird diese Idee aber nicht in die Praxis umgesetzt.
HLFS Ursprung: Wie zum
Beispiel in China?
HLFS Ursprung: Neben der
Überϔischung ist die zunehmende Verschmutzung durch
den Menschen ein weiteres
Problem für die ökologische
Balance der Meere. Welche
Gefahr geht insbesondere von
Kunststoffabfällen aus?
Gerhard Herndl: Die
Schadwirkungen durch
Kunststoffabfälle sind
vielfältiger Natur. In Entwicklungsländern zum
Beispiel werden Plastiklaschen genau wie bei
uns verkauft, allerdings
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HLFS Ursprung: Darüber
hinaus bedrohen auch Ölkatastrophen immer wieder
marine Ökosysteme. Welche
Gefahr geht vom Öl aus und
welche Langzeitfolgen derartiger Katastrophen könnten
auftreten?
Gerhard Herndl: Einzelne Ölkatastrophen haben
langfristig gesehen weniger Auswirkungen als die
permanente Verschmutzung durch Plastikabfälle,
die Versauerung oder die
Überdüngung. Öl ist zum
einen ein natürliches
Produkt, es gibt Mikroorganismen, die es abbauen;
solche Mikroorganismen gibt es gerade im Golf von
Mexiko, wo Ölaustritt auf natürliche Weise statt indet, ohne Bohrungen durch den Menschen. Bei großen Ölaustritten infolge von Katastrophen schaffen
die Mikroorganismen diesen Abbau klarerweise nicht
sofort und das Öl verteilt sich auf die Küsten, verklebt
das Ge ieder von Vögeln und sorgt so für herzzerrei16
HLFS Ursprung im Zukunftsdialog
ßende Bilder. Im Golf von Mexiko wurde durch die
Ölkatastrophe im Jahr 2010 natürlich die Artenvielfalt reduziert, aber die einst ölverklebten Mangroven
sprießen wieder neu, das p lanzliche Plankton blüht
on fundamental anders, da dauert die Erholung der
Ökosysteme Jahrzehnte. Das konnte man in Alaska
beobachten, nachdem dort im Jahr 1989 der Öltanker Exxon Valdez auf Grund gelaufen war; dort ist
die Wassertemperatur sehr niedrig und Abbauprozesse laufen sehr langsam. Eben aus diesem Grund
ist die Ölbohrung in der Arktis so problematisch.
Gerhard Herndl: Im
Wesentlichen gibt es im
Meer kaum Langzeitschäden, im Gegensatz
zum Land. Die Radionuklide binden sehr ef izient an Partikel, auch im
Meer: Sie binden zum
Beispiel an abgestorbenes Plankton und sinken mit diesem in die Tiefe.
Dazu kommen natürlich starke Verdünnungseffekte.
HLFS Ursprung: Es gab auch
zahlreiche Befürchtungen,
dass die Reaktorkatastrophe
von Fukushima die marinen
Ökosysteme der Region auf
lange Zeit beeinträchtigt.
Welche Langzeitschäden sind
zu befürchten?
Gerhard Herndl: Der
Mensch greift ständig
ein, das Schlagwort „GeoEngineering“ ist schon
gefallen: Wir schaffen
beispielsweise mit Betonblöcken oder Autoreifen
in küstennahen Regionen künstliche Riffe, wo sich Organismen ansiedeln können. Korallen etwa brauchen
einen festen Untergrund, sie können auf Sand lächen
nicht au bauen. Nach einer ersten Besiedelung dieser
künstlichen Strukturen folgen dann die Fische und
es entsteht aus einem artenarmen ein artenreiches
System. Das gleiche Phänomen beobachtet man auch
unterhalb von Ölplattformen, zum Beispiel in der
Nordsee, wo man dichten Bewuchs feststellen kann.
Man soll im Umgang mit dem Meer allerdings nicht
auf Eingriffe setzen, sondern man muss allgemeine
Missstände abstellen. Die größte Herausforderung ist
hier sicherlich die Eindämmung des CO2-Ausstoßes,
denn die dadurch bedingte Klimaveränderung kann
HLFS Ursprung: Wie lautet
ihre Prognose für die weiteren Entwicklungen der
Weltmeere? Kann man mit
gezielten Eingriffen negative
Entwicklungen abwenden?
wieder, tierisches Plankton wandert neu ein. Man
kann sogar hoffen, dass der Fischertrag kurzfristig
jenen vor der Katastrophe übertreffen wird, was
man häu ig in sich entwickelnden Systemen beobachten kann, bevor sich ein mittlerer Wert einstellt.
So merkwürdig sich das anhört, aber es war ein
„Glück“, dass diese Katastrophe im Golf von Mexiko
stattgefunden hat: Die Gewässer sind sehr warm und
weisen, wie gesagt, eine latente Ölverschmutzung
durch natürlichen Austritt auf und verfügen über
ölabbauende Mikroorganismen. Wenn ein derartiges Unglück in der Arktis geschieht, ist die Situati-
allergrößte Auswirkungen auf unsere Zukunft haben! Durch Wüstenbildungen beispielsweise können
Wanderbewegungen in Gang kommen, die wiederum politische Kon likte bewirken können. Das Meer
wird sich infolge der Klimaverschiebungen natürlich
auch verändern, die Systeme sind alle verwoben.
Gerhard Herndl: Das
sind sehr gute Zitate!
Ich denke, bei mir hat
eine gewisse Wandlung
stattgefunden: Am Anfang stand die kindliche Neugierde, die man
sich übrigens erhalten
sollte, solange es geht.
Dann kam die Erfahrung dazu, ich verstand
mehr von den Zusammenhängen der Ökosysteme. Ich versuche,
das Meer heute als Ganzes zu sehen, während
es früher in der Faszination bestand, die von
Korallen und bunten
Fischen ausgeht. Im
Alter von etwa zwölf Jahren habe ich ein Buch von Hans Hass gelesen, der über
fremde Länder, tropische Meere, Haie und Korallen geschrieben hat. Das hat mich fasziniert. Dazu kam noch die
Begeisterung für Tauchen und Schnorcheln. Biologie und
Sport, das war die ideale Kombination! Und wenn man
dann taucht und schnorchelt sieht man gewisse Dinge
und will wissen, wie das funktioniert, macht sich so seine Gedanken und entwickelt Fragestellungen. Am Anfang
stand also bei mir die pure kindliche Neugierde, und mittlerweile treibt mich die Neugierde gepaart mit Erfahrung
und einem gewissen Gefühl dafür, wie etwas funktionieren könnte. Und je weiter man eintaucht – Materie oder
Wasser – desto mehr Fragen kann man beantworten.
HLFS Ursprung: Das Meer
als Faszinosum hat zahllose
Kunst- und Literaturschaffende quer über alle Jahrhunderte inspiriert. Thomas
Mann etwa meinte: „Das
Meer ist keine Landschaft, es
ist das Erlebnis der Ewigkeit“,
Antoine de Saint-Exupéry
schrieb: „Denn ein Schiff erschaffen heißt nicht die Segel
hissen, die Nägel schmieden,
die Sterne lesen, sondern die
Freude am Meer wachrufen“.
Wie sehr geht für Sie, der Sie
seit vielen Jahren mit dem
forschenden Blick des Naturwissenschaftlers auf das
Meer sehen, von diesem eine
Form von Faszination aus?
Gerhard Herndl: Ja,
da gibt es viele! Einmal
zum Beispiel der Meeresschnee in der Adria,
den ich beim Tauchen
entdeckt habe und erst
dachte, es wäre ein riesiger Hai isch, der mir da entgegenkommt. Es ist auch immer wieder schön, wenn
man vom Schiff aus einen Orca sieht, oder auch Mondische auf offener See, die man eigentlich kaum zu
Gesicht bekommt. Ich denke, man sollte sich immer
wieder aufs Neue beeindrucken lassen. Und es ist
schon etwas Besonderes, überhaupt auf See zu sein:
Vorige Woche war ich mit Studierenden an meinem
früheren Institut in Holland, wir waren im Hafen und
ich habe ihnen das Forschungsschiff gezeigt; da hatte
ich das Gefühl, eigentlich sollten wir gleich auslaufen!
HLFS Ursprung: Gibt es
Erlebnisse, die für Sie in Ihrer
wissenschaftlichen Lauϔbahn
als Meeresbiologe besonders
einprägsam waren?
Gerhard Herndl
gibt es dort kein funktionierendes Recycling-System.
Die Plastikabfälle werden einfach weggeworfen. Ich
kann Ihnen ein konkretes Beispiel erzählen: In Belize
gibt es ein Barriereriff, ähnlich dem australischen,
wenn auch etwas kleiner. Ich habe dort gesehen, wie
mit Müll beladene Schiffe einfach ihre Fracht auf unbewohnten Inseln deponieren. Im Prinzip wird der
Müll ins Meer transferiert, denn die Säcke reißen
auf und die Strömung verteilt den Müll im Meer. Die
Folgen sind katastrophal: Am Festland hat man am
Strand den Eindruck, man ginge über lauter bunte
Steine; tatsächlich geht man über einen halben Meter
„Plastik-Chips“, die durch den Wellenschlag aus den
Plastikabfällen entstanden sind. Zum Teil entstehen
Plastik-Partikel im Millimeterbereich, die kaum mehr
absinken und die Umwelt regelrecht vergiften: Das
tierische Plankton nimmt diese Partikel auf im Glauben, es wäre p lanzliches Plankton, und frisst somit
Plastik, mit gravierenden Folgen. Die Problematik
der Plastikabfälle ist wirklich sehr schwerwiegend!
Im Prinzip müsste man sicherstellen, dass etwa Plastik laschen nur in Ländern verkauft werden, in denen ein funktionierendes Recycling-System existiert!
INTERVIEW Manuel Dattinger, Laura Grill,
Lukas Vogl
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