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der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
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Elterninformation zum Einnässen
Leider ist Bettnässen auch immer noch ein Tabuthema, Eltern und Kinder schämen sich darüber zu
sprechen.
Als Enuresis - von griech. en (in, hinein) und ourein (nässen) - wird das Einnässen bezeichnet. Es
ist zu unterscheiden zwischen dem nächtlichen Einnässen (Enuresis nocturna, Bettnässen) und dem
Einnässen am Tage (Enuresis diurna).
Mit zunehmendem Alter beginnen die Kinder zu erkennen, dass es als beschämend gilt, keine Kontrolle über seine Ausscheidungen zu haben. Eltern reagieren möglicherweise wütend in dem Versuch, ihre eigenen Gefühle des Versagens, der Schuld und der Verlegenheit zu verbergen. In der
Folge kann das Kind schüchtern, ängstlich und zurückhaltend werden. Kinder die "trocken geworden"
sind, sehen sich selbst oft als "erwachsen" an und hänseln ihre weniger glücklichen Altersgenossen
gnadenlos. Auch Eltern sind einander gegenüber nicht immer tolerant.
Definition
Beim Bettnässen wird zwischen dem Einnässen tagsüber Enuresis diurna und dem nächtlichen Einnässen Enuresis nocturna unterschieden, dabei kommen auch kombinierte Formen vor. Weiterhin
unterscheidet man eine primäre - das Kind war noch nie dauerhaft trocken - und eine sekundäre Enuresis bei welcher das Kind wieder einnässt, nachdem es bereits dauerhaft trocken war. Aber das
Bettnässen betrifft keineswegs nur Kinder, selbst Erwachsene sind davon betroffen. Psychologisch
gesehen spricht man korrekt erst dann von Bettnässen, wenn ein Kind jenseits des 5. Lebensjahres
(sowie geistigem Intelligenzalter von 4 Jahren) über mindestens 3 Monate 2mal pro Monat (1mal bei
älteren Kindern) die Symptomatik des Einnässens zeigt.
Primäre Enuresis (Einnässen)
Bei der primären Enuresis wird von einer konstitutionellen Entwicklungsverzögerung des Kindes ausgegangen. Diese Form des Einnässens kann auch familiär gehäuft auftreten. Eine wichtige Rolle
spielt dabei das antidiuretische Hormon (Vasopressin), das den Wasserhaushalt im Körper steuert
und so auf die Blasenfüllung wirkt. Normalerweise wird dieses Hormon von der Hirnanhangdrüse
(Hypophyse) in einem tageszeitlich abhängigen Rhythmus ausgeschieden, der dafür sorgt, dass
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nachts die Blase sich weniger füllt. Diese hormonelle Regulation kann bei der primären Enuresis gestört sein. Auch das Zusammenspiel zwischen Kontrolle der Blase und der Schlaftiefe ist dabei noch
unterentwickelt. Psychische Probleme werden bei der primären Enuresis eher als eine Folge der Störung betrachtet - nicht als die Ursache. Die primäre Enuresis nocturna ist gekennzeichnet durch:
• tiefen Schlaf
• schwere Erweckbarkeit bei normalem Schlafverhalten
• häufigem Einnässen mit großen Urinmengen
• Hohe Einnässfrequenz
• Polyurie
• Variation der cirkadianen ADH-Sekretion
• seltene psychische Begleitsymptome
Sekundäre Enuresis (Einnässen)
Bei der sekundären Enuresis spielen wahrscheinlich psychische Ursachen die Hauptrolle. Einnässen
kann ein unbewusstes Signal sein: "Etwas stimmt nicht". Nässt ein Kind wieder ein, nachdem es lange trocken war, lassen sich oft unerwartete Veränderungen im Leben des Kindes finden, die es verunsichern. Dies kann die Geburt eines Bruders oder einer Schwester sein, der Verlust eines Familienmitgliedes, Streitigkeiten in der Familie, ein Trennungserlebnis oder ein Umzug. Bei der sekundären Enuresis nocturna finden sich:
• ein Rückfall nach einer trockenen Periode von 6 Monaten
• häufig psychiatrische Begleitsymptome
Die Formen der Enuresis können mit den Zeichen einer gestörten Blasenfunktion kombiniert sein.
Diese kommen besonders bei der Enuresis diurna vor. Auch sollte auf seltene Formen der Blasenentleerungsstörungen geachtet werden. Die Abgrenzung zwischen einer Enuresis und einer Harninkontinenz erfolgt in Abhängigkeit der Symptomeatik. Überwiegen die körperlichen Ursachen durch
einen ungewollten Harnabgang mit Blasendysfunktion, die strukturell, neurogen oder funktionell bedingt ist, dann spricht man von einer Harninkontinenz. Eine Blasenfunktionsstörung kann sich je nach
Ursache durch ganz verschiedene Symptome bemerkbar machen, u. a. durch:
• häufiges Wasserlassen
• Einsatz von "Haltemanövern", z.B. Aneinanderpressen der Oberschenkel, von einem Bein aus
andere hüpfen, Hockstellung
• ungewollter Harnabgang bei starkem Harndrang
• stakkatoartiges Wasserlassen mit unvollständiger Blasenentleerung
• Inkontinenz bei abdomineller Anspannung, wie beim Husten oder Niesen
• Giggle-Inkontinenz Enuresis risoria mit kompletter Blasenentleerung beim Lachen
Häufigkeit
Das Einnässen gehört zu den häufigsten Störungen des Kindesalters. Nachts nässen etwa 25% der
Vierjährigen, 10% der Siebenjährigen und 1-2% der Jugendlichen ein. Das Geschlechtsverhältnis
beträgt zwischen Jungen und Mädchen beträgt 2:1. Die spontane Spontanremissionsrate beträgt
etwa 13% pro Jahr. Tags nässen 2-3% der Siebenjährigen und unter 1% der Jugendlichen ein. Untersuchungen zufolge hat sogar etwa 1% der Erwachsenen ihre Blase nachts nicht unter Kontrolle.
An dem Krankheitsbild leiden demnach in Deutschland rund 800.000 Menschen.
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Entstehung
Bei jeder Form von Einnässen handelt es sich um einen äußerst vielgestaltiges Phänomen, das genau beschrieben und abgeklärt werden muss. Bei der Ursachenforschung der Enuresis sind erst in
den letzten Jahren einige wichtige Punkte eindeutig geklärt worden bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ursache erkannt worden.
Vererbung ?
Die familiäre Häufung der Enuresis ist seit Anfang der Siebziger Jahre bekannt, sie lässt eine genetische Disposition vermuten. Inzwischen ist ein autosomal dominanter Erbgang mit einer Penetranz
von über 90% bekannt, neben dem ENUR-1-Gen auf dem Chromosom 13 sind noch weitere Genloci
auf Chromosom 8 und 12 beschrieben, es wird eine Heterogenität vermutet.
Statistiken zufolge beträgt die Wahrscheinlichkeit für ein Kind 43% wenn ein Elternteil betroffen war,
und wenn beide Elternteile Bettnässer waren liegt die Wahrscheinlichkeit bei 77% dass bei einem
Kind ebenfalls diese Störung auftritt. Dagegen liegt die Wahrscheinlichkeit bei nur 15%, wenn kein
Elternteil betroffen war. Man spricht hiervon von der Nässigungslinie.
`Gebremste` Gehirnentwicklung ?
Wenn ein älteres Kind noch ins Bett macht, sind die Nervenbahnen in seinem Gehirn eventuell noch
nicht genügend ausgereift. Bettnässen habe bei vielen Kindern demnach keine psychologische, sondern eine rein körperliche Ursache. Einige der kleinen Patienten sprechen auf Behandlung mit dem
antidiuretischen Hormon (ADH) jedoch nicht an. Es wird vermutet, dass bei diesen Kindern die Verbindung zwischen verschiedenen Gehirnbereichen und daher die willkürliche Blasenkontrolle im
Schlaf noch nicht genügend entwickelt ist.
Schlafmuster
Das Schlafmuster der Enuretiker ist zwar prinzipiell vergleichbar mit dem beschwerdefreier Kinder.
Jedoch sind die betroffenen ausgesprochen schwer erweckbar, es wird heute eine pathologisch erhöhte Aufwachschwelle bzw. eine verzögerte Reifung des Aufwachmechanismus postuliert. Der Reiz
der gefüllten Blase reicht nicht aus, um das Kind zu wecken.
Flüssigkeitszufuhr und nächtliches Einnässen
Eine hohe abendliche Flüssigkeitszufuhr hat möglicherweise einen verstärkenden Einfluss auf das
nächtliche Einnässen, mehr als 25 ml pro Kilogramm Körpergewicht haben in einer Studie enuretische Episoden hervorgerufen. Die pathogenetische Bedeutung der verminderten funktionellen Blasenkapazität wird unterschiedlich diskutiert. Eigene urodynamische Untersuchungen bei Kindern mit
therapierefraktärer klinisch monosymptomatischer Enuresis nocturna konnten einen hohen Prozentsatz pathologischer funktioneller Blasenkapazität nachweisen.
Psychosoziale Ebene
Es gibt keine spezifische Assoziation mit bestimmten psychischen Auffälligkeiten. Risikofaktoren vor
allem bei der sekundären Enuresis beziehen sich einerseits auf Verluste im weitesten Sinn wie zum
Beispiel Trennung, Scheidung, Todesfälle, Geburt eines Geschwisters, extreme Armut, Delinquenz
der Eltern, Deprivation, Vernachlässigung, mangelhafte Unterstützung bei Entwicklungsschritten,
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anderderseits auf einen Krankheitsgewinn durch Regression, die Ausscheidung zieht Zuwendung in
Form von Versorgungshandlungen durch die Eltern nach sich.
Eine weitere Erscheinung dieses Verhaltens, das überwiegend in der Pubertät beobachtet wird, sind
Kinder die absichtlich in die Hose machen. Sie wollen so die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und es
macht ihnen oft noch Spaß, sich auch von den Eltern "wickeln" zu lassen. Kinder mit einem solchen
Verhalten werden in Fachkreisen auch als Teenbaby bezeichnet, das sich mitunter weit bis ins Erwachsenenalter erstrecken kann.
Symptomatik und Diagnostik
Typischerweise wird über "patschnasse" Betten infolge des nächtlichen Einnässens berichtet, das
Bett "schwimme". Das Kind würde ausgesprochen tief schlafen und sei mitunter schwer erweckbar
bzw. werde durch das Einnässen nicht wach. Etwa 1/3 der Kinder nässt jede Nacht ein, gut 1/3 an
mehreren Nächten in der Woche, bei weniger als 3 Nächten handelt es sich um eine 'milde Form' der
Enuresis. Charakteristisch für die primäre Enuresis nocturna ist das Fehlen jeglicher Tagessymptomatik, wie Pollakisurie, imperativer Harndrang, Miktionsschwierigkeiten, Einnässen bzw. tröpfelnder
Urinverlust am Tag und Harnwegsinfekte. Die Befragung muss noch die Familienanamnese sowie die
Trinkgewohnheiten und etwaige Vorbehandlungen beinhalten, auch sollten Stuhlgewohnheiten (Ausschluss Enkopresis, Obstipation) erfragt werden. Diese Anamnese ist Teil der hier ausschließlich
nötigen Basisdiagnose. Liegt zusätzlich zur Enuresis ein abnormales Miktionsverhalten vor, muss das
nächtliche Einnässen als Teilkomponente einer vorliegenden Form einer kindlichen Harninkontinenz
verstanden werden. Nur dann ist eine weiterführende Diagnostik erforderlich.
Allgemeine Untersuchungen
Neben der Anamnese ist eine körperliche Untersuchung und eine Untersuchung des Harns (Urinstatus) unabdingbar. Außerdem sollte eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Nieren und
Harnwege durchgeführt werden, um körperliche Fehlbildungen sicher auszuschließen. Abschließend
werden die Eltern oft beauftragt, die Häufigkeit des Wasserlassens und die Urinmenge in einem 24Stunden-Miktionsprotokoll zu notieren. Hier noch einmal die Punkte der Basisdiagnostik:
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung umfasst Abdomenpalpation, Inspektion der Lumbosakralregion und
des Genitale. Hierdurch kann der Arzt einen ersten Eindruck gewinnen, ob noch andere körperliche
Ursachen vorliegen können. Die Erhebung des neurologischen Status ist ebenfalls obligat.
Urinuntersuchung
Bei dieser Untersuchung wird ermittelt ob eine bakterielle Infektion vorliegt, auch wird der Sedimentstatus ermittelt. Dabei muss eine Urinprobe abgegeben werden. Die Bestimmung des spezifischen
Gewichtes und der Urinmenge getrennt nach Tag- und Nachturin sollte obligat sein. Bei männlichen
Patienten wird diese aus dem Mittelstrahl entnommen, bei weiblichen Patienten meist mit Hilfe eines
Katheters. Diese Untersuchung ist nicht schmerzhaft, kann aber bei Katheterentnahme oft als unangenehm empfunden werden. Die Urinprobe wird dann bebrütet und durch das unterschiedliche
Wachstum der Bakterien kann dann der ursächliche Stamm herausgefunden und gezielt behandelt
werden.
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Blutuntersuchung
Meist wird auch noch eine Blutprobe entnommen, eine Blutsenkung und ein kleines Blutbild angefertigt. Liegt eine reine Blasenentzündung vor so sind die Blutwerte normal, wenn aber die Nieren mit
betroffen sind kann man dies anhand des Blutbildes sehen.
Ultraschall
Aus den Informationen kann der Arzt erste Rückschlüsse auf die mögliche Ursache der Enuresis ziehen. Diese Routineuntersuchung ist absolut schmerzfrei und belastet überhaupt nicht. Es werden die
Bauchorgane untersucht und auffällige Befunde, wie Nieren- und Blasensteine, Fehlbildungen und
Tumore können so erkannt werden. Auch kann man bei der Blase vor und nach dem Wasserlassen
Aussagen treffen über Speichervolumen und evtl. der Restharnmenge treffen. Dabei sollte auch die
Beurteilung der Blasenwanddicke erfolgen.
Sternkarten für trockene Nächte
Zur Erhebung der Schwere der Enuresis und zur Überwachung der Behandlung wird ein Tagebuch
geführt. Dieses Miktionsprotokoll wird kindgerecht gestaltet, dabei können zum Beispiel Wolken und
Sterne oder Sonne und Regen als Symbole verwendet werden. Den Kindern zeigt es spielerisch den
Erfolg an. Für jede trockene Nacht kann zum Beispiel ein Stern in das Protokoll eingezeichnet werden. Im Miktionsprotokoll werden über 2 bis 3 Tage und Nächte die Miktionsvolumina und -zeiten
registriert. Während der Nacht wird das Kind einmal vor (2 Stunden nach dem Einschlafen) und einmal nach Mitternacht (5 Stunden nach dem Einschlafen) aufgeweckt und zur Spontanmiktion aufgefordert. Zusammen mit der Harnportion in der Früh nach dem Aufwachen ergibt dies die Gesamtnachtharnmenge. Diese sollte die altersgemäße Blasenkapazität nicht überschreiten, die sich folgendermaßen errechnet:
Altersgemäße Blasenkapazität: Alter x 30 = ml Harn
Anderenfalls kann ein ADH-Mangel vermutet werden. Eine direkte ADH-Messung ist kaum möglich,
da der Spiegel dieses Hormons an der Grenze des Messbaren (bei etwa 1 pg) liegt. Bei einer Nachtharnmenge, die die altersgemäße Blasenkapazität übersteigt, ist der Einsatz von Hormonpräparaten
angezeigt.
Windeltest
Zur einfachen Objektivierung des Urinaufkommens kann Eltern oder Betreuern folgender Test dienen: Bettnässende Kinder oder Jugendliche tragen über Nacht eine Windel, die am Morgen gewogen
wird, um den Urinverlust in der Nacht zu bestimmen. Sollte das Kind oder der Jugendliche auch am
Tage einnässen, so ist der Windeltest auch hier ein hilfreiches Mittel zur Bestimmung des Urinverlustes. Im Rahmen der regulären Lebensgewohnheiten trägt das Kind oder Jugendliche am Tag eine
Windel, die zu bestimmten Zeiten, zumeist nach 4 Stunden gewechselt und gewogen wird. Somit
kann auch die Harnmenge bestimmt werden, die das Kind oder der Jugendliche tagsüber verliert.
Häufig lassen sich durch diese einfachen Objektivierungsmaßnahmen zwischen den anamnestisch
erhobenen Daten und den objektiv erhaltenen Befunden erhebliche Diskrepanzen feststellen. Wenn
jetzt noch auf dem Miktionsprotokoll die Trinkmenge notiert wird und ob ein starker Harndrang zum
Zeitpunkt der Entleerung vorlag, bzw. ob das Kind bzw. der Jugendliche wegen des starken Harn-
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drangs nur nass die Toilette erreicht hat, so ist eine Differentialdiagnose der Enuresis oftmals möglich.
Weitere Untersuchungen
Nach der körperlichen Untersuchung des Patienten werden weitere Untersuchungen notwendig,
wenn der Verdacht auf eine Harninkontinenz vorliegt oder bei unklarem Befund. Zu diesen Untersuchungen gehören:
• Röntgenuntersuchungen
• Uroflowmetrie
• Flow-EMG
• Urodynamik
• Blasenspiegelung
Weiterführende Untersuchungen
Außer den körperlichen Ursachen für eine Enuresis spielen oft auch seelische Ursachen eine große
Rolle. Da hier aber das Spektrum der Ursachen sehr weit gestreut ist, kann hier nur ein kurzer Überblick gegeben werden, nach welchen Ursachen bei der Diagnostik gesucht wird. Es sind hier folgende Punkte zu nennen.
Psychiatrische Komorbidität und Begleitstörungen – oder Einnässen kommt selten allein…
Generell ist die psychiatrische Komorbidität höher bei tags Einnässenden als bei nächtlichen Enuretikern, höher bei der Harninkontinenz bei Miktionsaufschub und der Detrusor-SphinkterDyskoordination als bei der idiopathischen Dranginkontinenz und höher bei der sekundären als bei
der primären Enuresis nocturna. Besonders niedrig ist die psychiatrische Komorbidität bei der primären monosymptomatischen Enuresis nocturna. Expansive, externalisierende Störungen sind häufiger
als emotionale, introversive Störungen, spezifisch finden sich:
• Enkopresis und Obstipation bei tags Einnässenden
• Emotionale, introversive Störungen bei der sekundären Enuresis nocturna
• Oppositionelle Störungen des Sozialverhaltens bei der Harninkontinenz bei Miktionsaufschub
• Hyperkinetisches Syndrom mit oder ohne Störung des Sozialverhaltens bei primärer Enuresis
nocturna
Störungsrelevante Rahmenbedingungen
Um eine Aussage treffen zu können, wie stark das Kind durch die Enuresis belastet wird, ist eine genaue Befragung des Kindes und der Bezugspersonen notwendig. Dabei wird besonders Wert auf den
Leidensdruck, soziale Einschränkungen, negative Folgen wie Hänseln durch andere Kinder, Krankheitsvorstellungen, Motivation, Umgang der Eltern mit dem Symptom gelegt. Wird es als sehr belastend erlebt, besteht eine ausreichende Unterstützung von seiten des Umfeldes, die eine Umsetzung
der therapeutischen Interventionen möglich machen? Sind weitere komorbide Erkrankungen vorhanden?
Erst wenn alle diese Punkte geklärt sind, ergibt sich ein Bild vom tatsächlichen Leidensdruck, unter
dem sich das Kind befindet. Hierbei ist es Wichtig, auch die Eltern oder die Bezugsperson mit in die
Befragung einzubeziehen. Die Behandlung der Enuresis richtet sich dann nach den Ergebnissen die-
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ser Befragungen. Da eine erfolgreiche Behandlung nur möglich ist, wenn auch die Eltern mitarbeiten,
sollten diese mit in die Entscheidung des Behandlungsweges einbezogen werden.
Behandlung der Enuresis nocturna (nächtliches Einnässen)
Die Behandlung richtet sich nach der Art des Einnässens. Der erste Schritt der medizinischen Behandlung besteht in einer Beratung und Information der Familie über das Bettnässen. Hilfreich ist das
Führen eines Kalenders mit Eintragung der trockenen Nächte. Diese Protokolle (z.B. mit Sonne und
Regen) sind bei kleineren Kindern sehr beliebt und erhöhen die Aufmerksamkeit auf den zu machenden Lernschritt. Dieses System hat aber nur dann einen Sinn, wenn Ihr Kind in etwa genauso oft trocken wie nass ist. Von einer bestrafenden oder bloßstellenden Anwendung muss jedoch strikt abgeraten werden.
Medizinische Therapie
Desmopressin
In der Medizin ist die Behandlung mit dem Medikament Desmopressin am weitesten verbreitet. Diese
synthetisch hergestellte Substanz ist dem bereits beschriebenen körpereigenen Hormon ADH (Vasopressin) nachempfunden und kann ähnlich wie das Hormon selbst, die Harnbildung in der Nacht
verringern. Bei einer Nachtharnmenge, die die altersgemäße Blasenkapazität übersteigt, ist der Einsatz von Desmopressin die Therapie der Wahl. Grundsätzlich wird bei jedem Kind mit einer Dosis von
20 µg unmittelbar vor dem Schlafengehen begonnen (Riccabona Schema). Ist das Kind innerhalb von
48 Stunden nicht trocken, so wird die Dosis verdoppelt. Die Maximaldosis wird für mindestens 4 bis 6
Wochen belassen; erst nach einer durchgehenden Trockenheit über diesen Zeitraum wird die Dosis
Schritt für Schritt jeweils um 10 µg reduziert. Nach neuerlichen 4 trockenen Wochen folgt eine weitere
Dosisreduktion um einen Hub. Wird das Kind während der "Ausschleichphase" wieder nass, so muss
die Dosis wieder auf die ursprünglich erfolgreiche Menge erhöht werden. Das Medikament kann erst
nach durchgehender vierwöchiger Trockenheit mit 10 µg abgesetzt werden. Bei Kindern, die bereits
vor Mitternacht einnässen, kann zusätzlich abends Oxybutinin verabreicht werden. Mehrere Studienergebnisse zeigen, dass die Ansprechrate auf Desmopressin und damit zumindest eine Reduktion
des Einnässens bei etwa 75% liegt. 30% der mit dem Spray behandelten Patienten bleiben definitiv
trocken, die Spontanheilungsrate liegt bei 15%. Die Therapie ist einfach, funktioniert recht sicher und
kann auch über Monate bis Jahre angewendet werden.
Die anfänglich hohe Erfolgs- und Ansprechrate im Mittel 60-80% ist von einer ebenso hohen Rückfallquote begleitet - im Langzeitverlauf bleiben nur 20-25% definitiv trocken. Dennoch eignet sich
Desmopressin insbesondere zur Verhinderung nasser Nächte im Rahmen bestimmter befristeter Situationen, wie Übernachtung bei Freunden, im Schullandheim, etc. und zur raschen Überwindung
eines Leidensdruckes. Ursache für einen Misserfolg der genannten Therapieverfahren kann eine zu
kleine oder /und instabile Blase sein, die wir bei etwa 50% der urodynamisch untersuchten Kinder mit
bisher therapierefraktärer monosymptomatischer Enuresis nachweisen konnten. In über 60% konnte
durch Oxybutynin Trockenheit erreicht werden. Auch eine Kombinationstherapie von Oxybutynin und
Desmopressin kann die Erfolgsraten verbessern.
Das synthetische Vasopressin-Analogon erhöht die Wasserrückresorption aus dem Primärharn, wirkt
etwa zehn Stunden und beeinflusst den Blutdruck nicht. Die antidiuretische Potenz ist höher als die
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von Vasopressin. Desmopressin kann mit einer 40- bis 80-prozentigen Erfolgsrate aufwarten. Allerdings werden relativ viele Patienten nach dem Absetzen rückfällig. Bei 70% der Behandelten lässt
sich der Therapieerfolg durch Ausschleichen der Desmopressin-Medikation stabilisieren. Unter den
potenziellen Nebenwirkungen ist besonders die Gefahr der Wasserintoxikation zu beachten, wenn
Kinder unter Behandlung mit Desmopressin zu viel Flüssigkeit aufnehmen. Es drohen Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle.
Flüssigkeitszufuhr
Eine weitere, oft bei den Eltern verbreitete Behandlungsmethode ist die Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr am Abend. Dabei sollte allerdings bedacht werden, dass das Kind so schwer lernen kann
nachts auf die Toilette zu gehen, da ja kein, oder kaum Urin in der Blase vorhanden ist. Eine untrainierte Blase kann die Folge sein.
Wecken
Auch Wecken des Kindes in der Nacht wird oft praktiziert, dabei ist es aber wichtig systematisch vorzugehen und so die Wahrnehmung vom Harndrang zu verbessern und die Motivation des Kindes
durch kleine Erfolgserlebnisse zu steigern. Wenn Eltern ihr Kind willkürlich wecken, kann dies zu einem Zeitpunkt geschehen, an dem die Blase noch nicht voll ist und es kann ein " unnatürlicher Miktionszeitpunkt" antrainiert werden.
Weckgeräte
Das Prinzip der Weckgeräte beruht auf dem lerntheoretischen Konzept - es wird eine Verhaltensänderung angestrebt. Das Nichterwachen zum Wasserlassen steht bei diesem therapeutischen Ansatz
im Zentrum. Ein Weckapparat ist ein Gerät in Form einer Matratze oder eines Höschens
(Klingelhose), das an einen Apparat angeschlossen ist und klingelt sobald Flüssigkeit (Urin) auf die
Matratze oder das Höschens trifft. Die Weckgeräte beruhen auf dem Prinzip, dass die Kinder durch
den Alarm geweckt werden und der Miktionsreflex, unterbrochen wird. Manche Kinder entwickeln mit
der Zeit die Gewohnheit, nachts automatisch aufzuwachen, um Wasser zu lassen. Andere lernen,
den Miktionsreflex ganz neu zu unterdrücken und schlafen durch. Es gibt aber auch Kinder, die so tief
schlafen, dass sie von dem Klingelton nicht aufgeweckt werden. In diesem Fall muss auf eine andere
Methode zurückgegriffen werden.
Enuretiker sind häufig Tiefschläfer und haben eine höhere Erweckbarkeitsschwelle, die mit den
Alarmgeräten überwunden wird. Besonders gut scheint die Methode bei den geschätzten 30% Kindern mit nächtlicher Urge-Symptomatik zu wirken. Der Stress durch das Aufwachen verhindert die
Blasenkontraktion. Die Eckpunkte der Alarmtherapie sind:
• Das Kind wird aufgeweckt und zur Toilette geschickt
• Um Tagesmüdigkeit zu vermeiden, dürfen Eltern diese Prozedur nur einmal pro Nacht durchführen
• Die Behandlungsphase sollte möglichst nicht unterbrochen werden
• Nässt das Kind 14 Nächte hintereinander nicht ein, ist die Alarmtherapie zu beenden
• Stellt sich nach vier Wochen kein Erfolg ein, sollte man die Behandlung abbrechen
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Das für alle Beteiligten anstrengende Verfahren erfordere hohe Motivation. Sei diese gegeben, betrage die Erfolgsquote mehr als 70%.
Psychologische Therapie
Motivation des Kindes
Die Motivationstheorie geht von dem Prinzip aus, dass das Kind selbst aktiv werden muss, um das
eigene Problem zu erfassen und das Verhalten zu verändern. Gleichzeitig soll es positive Unterstützung seitens der Eltern und des Arztes bekommen. Das Kind kann z.B. einen Kalender führen, in
dem es für jede trockene Nacht eine Sonne und für jede nasse Nacht eine Regenwolke einträgt. Oder
wie an diesem Beispiel ein lachendes und ein weinendes Gesicht. Auch Belohnungen für trockene
Nächte können hilfreich sein, so können die Eltern dem Kind beispielsweise den Wunsch eines neuen Spielzeugs erfüllen wenn es mehrere Nächte hintereinander trocken war. Wichtig ist, dass die
Eltern nicht negativ reagieren wenn das Kind doch wieder eingenässt hat, sondern so schnell wie
möglich wieder eine positive Beziehung zum Kind aufnehmen. Auch Übungen zur Blasenkontrolle
werden eingesetzt, zum Beispiel soll das Kind den Urin so lange als möglich zurückhalten um ihm die
Blasendehnung bewusst zu machen. Auch ein willkürliches Unterbrechen des Harnstrahles fördert
das Bewusstsein über die Kontrolle.
Da eine genaue Definition der Ursachen von Enuresis nicht besteht, und auch eine exakte Diagnose
fast unmöglich ist, ist es auch schwierig, auf Anhieb eine passende Therapiemöglichkeit zu finden.
Oft werden verschiedene Maßnahmen gleichzeitig oder nacheinander praktiziert um zum Erfolg zu
kommen.
Gespräche mit den Eltern und dem Kind
Die psychologische Diagnostik besteht zunächst aus explorativem Verfahren wie den Gesprächen mit
den Eltern und dem Kind. Dabei werden allgemeine Entwicklungsdaten des Kindes erhoben wie
Schwangerschaft, Krankheiten, Unfälle und Daten über die frühkindliche Entwicklung. Dabei könnte
man auf das Problem der Sauberkeitserziehung in der Familie stoßen und eventuelle Zusammenhänge mit dem Bettnässen erkennen. Auch werden Angaben zum Symptom selbst gemacht, wie
die Beschreibung des Bettnässens (Häufigkeit, Stärke) und es werden Aspekte erfasst, die zeitlich
mit dem Symptom in Beziehung stehen könnten. Dies können Merkmale sein wie abendliche Aufregung, Streit oder eine anstehende Klassenarbeit. Zum Beispiel scheint es einen deutlichen Zusammenhang zu geben, dass Mädchen häufiger nach Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Familie
einnässen.
Außerdem werden körperliche Merkmale wie Fieber, Erkältung und Schlaftiefe erfasst, denn ein
eventueller Zusammenhang von solchen physischen Aspekten mit psychischen Ursachen ist zu berücksichtigen. Weiter wird auf psychosoziale Lebensumstände wie Kindergarten oder Schule eingegangen, denn auch Schulangst kann auslösend für Bettnässen sein. Auch die Schilderung eines typischen Tagesablaufs ist ein wichtiger Gesprächspunkt. Hieraus können sich wertvolle Hinweise ergeben die dem Therapeuten helfen, die Beziehung zwischen Eltern und dem Kind zu verstehen. Zum
Beispiel könnten die unterschiedlichen Erziehungsweisen der Eltern zu einem wichtigen Gesprächsinhalt werden und auch die anscheinend momentan problematische Beziehung zwischen den Eltern
sollte hierbei zum Vorschein kommen und als eventuelle Ursache in Betracht gezogen werden. Ein
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ebenfalls wichtiger Punkt ist die Reaktion der Eltern auf das Bettnässen, es ist allgemein bekannt,
dass Schimpfen und Strafen sehr wenig nützen.
Das Kind sollte entsprechend seinem Alter am "Beseitigen" der Folgen seines Bettnässens, also z.B.
am Abziehen und Waschen des Bettzeugs oder am Entsorgen gebrauchter Windeln beteiligt werden,
oder dieses sogar ganz selbst übernehmen, wenn es alt genug ist. Dies hilft sehr viel besser als
Schimpfen und das Kind/der Jugendliche lernt, Verantwortung zu übernehmen.
Behandlung der Enuresis diurna (Einnässen tagsüber)
Im Vergleich zum Bettnässen wird ein Einnässen tagsüber etwas anders behandelt. Diese Behandlung ist von der Art der Beschwerden abhängig. Eine kleine Übersicht der Behandlungsmethoden ist
unten dargestellt.
Behandlung der idiopathischen Dranginkontinenz
Das Ziel ist eine Wahrnehmung und Kontrolle der Drangsymptome ohne Haltemanöver (wie Beine
zusammenpressen). Die Kinder sollen dabei den Harndrang wahrnehmen, sofort die Toilette aufsuchen und auf Haltemanöver als Gegenmaßnahmen verzichten. In einem sogenannten "Fähnchenplan" werden Miktionen ohne Einnässen als Fähnchen, Einnässepisoden als Wolken dargestellt. Dies
kann durch Belohnen des Kindes verstärkt werden. Falls diese Maßnahmen nicht ausreichen, ist häufig eine Behandlung mit dem Medikament Oxybutinin notwendig. Dies stellt die Base ruhig durch eine
Entspannung des Blasenhohlmuskels. Die Nebenwirkungen sind eher gering und bilden sich nach
Reduktion des Medikamentes rasch zurück.
Behandlung der Harninkontinenz bei Miktionsaufschub
Zunächst müssen Eltern und Kind beraten und entlastet werden. Der Zusammenhang zwischen dem
Zurückhalten des Urins und dem Einnässen müssen erklärt und erläutert werden. Ziel ist, dass das
Kind häufiger (mindestens 7mal am Tag) auf die Toilette geht. Dies wird ebenfalls in einem Kalender protokolliert und kann durch kleine Belohner verstärkt werden. Wegen der Häufigkeit von anderen Verhaltensauffälligkeiten sind häufig weitergehende therapeutische Maßnahmen notwendig.
Behandlung der Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
Hierbei sind spezielle Behandlungen mit Biofeedback-Methoden am effektivsten. Dabei werden der
Harnfluss und die Anspannung im Beckenboden (während des Wasserlassens) über spezielle Apparaturen dem Kind optisch oder über Geräusche widergespiegelt. Das Ziel ist dabei eine bewusste
Wahrnehmung von körperlichen Abläufen, die sonst nicht wahrgenommen werden. Schon nach wenigen Trainingstagen zeigt sich bei den meisten Kindern eine deutliche Besserung, wenn die Behandlung korrekt durchgeführt wird.
Pingpong zwischen Funktionsstörung und Entzündung
Während sich beim nächtlichen Einnässen die Blase völlig entleert, verlieren die Kinder bei Harninkontinenz tagsüber meist nur kleinere Urinmengen. Sie wird deshalb nicht als so störend empfunden
wie die nächtliche Enuresis. Doch Eltern sollten gerade hier nicht zögern, einen Arzt aufzusuchen.
Denn dieser Harnverlust, ein Zeichen für eine Störung von Schließmuskel und Blasenmuskel, tritt
sehr häufig zusammen mit Blaseninfektionen auf: In einer schwedischen Studie mit Siebenjährigen
waren 8,4% der Mädchen und 1,4% der Jungen betroffen.
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Auch fanden Wissenschaftler bei einer Studie mit Zehn- bis Elf-Jährigen ähnliche Häufigkeiten. Als
die Forscher bei dieser Studie die Eltern befragten, erkannten sie, dass diese dem zumeist harmlosen nächtlichen Einnässen sehr viel mehr Bedeutung beimessen als der Harninkontinenz am Tag,
hinter der eine Infektion stecken kann. Eine so genannte Dranginkontinenz ist dann eine der Folgen.
Die Muskulatur, die für die Entleerung der Harnblase sorgt, ist überaktiv und zieht sich zusammen,
noch bevor die Blase voll ist. Bei manchen Kindern fließt der Urin zum Teil wieder in die Blase zurück. Dieser Restharn ist ein idealer Nährboden für Bakterien. So kommt es immer wieder zu Entzündungen der Blase. Es ist daher wichtig, die Blasenentzündung gleichzeitig mit der Inkontinenz zu behandeln und die Ursache wiederkehrender Infektionen aufzuspüren.
Wichtig bei der medikamentösen Behandlung kindlicher Inkontinenz ist die Gabe von Antibiotika, falls
eine Blasenenzündung vorliegt. Bei Dranginkontinenz können, zusätzlich zum Blasentraining, so genannte Anticholinergika eingesetzt werden. Deren Wirksamkeit kann jedoch noch nicht eindeutig beurteilt werden. Bisherige Studien, zeigen keinen deutlichen Unterschied in der Wirkung von Anticholinergika, Placebo und Blasentraining.
Stationäre Behandlung
Eine stationäre Behandlung der Enuresis kann angezeigt sein, wenn die oben genannten Therapiemethoden im familiären Rahmen nicht durchgeführt können, starker Leidensdruck das Kind belastet
oder eine ausgeprägte psychische Begleitproblematik besteht.
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