© Blue Brain Mit Blue Brain kann die Schweiz an die Spitze der Hirnforschung gelangen Das Forschungsprojekt Blue Brain an der ETH Lausanne (EPFL) hat zum Ziel, das menschliche Hirn Neuron für Neuron nachzubauen. Mit diesem Ansatz wollen die Forschenden neue Therapien für Krankheiten des Nervensystems sowie neue Computertechnologien entwickeln. Um die notwendige Forschungsinfrastruktur zu f inanzieren, kandidiert Blue Brain derzeit für ein neues EU-Förderungsprogramm für grosse Forschungsprojekte, das so genannte FET Flagship. Blue Brain hat Chancen 2013 mit insgesamt einer Milliarde Euro ausgestattet vom Stapel zu laufen. Blue Brain ist eines der derzeit grössten und vielleicht visionärsten und innovativsten wissenschaftlichen Projekte in Europa. Es hat zum Ziel, das menschliche Hirn künstlich nachzubauen, Neuron für Neuron. Bis jetzt ist es gelungen, die 10‘000 Neuronen einer neokortikalen Säule der Hirnrinde einer Ratte und ihre 100 Millionen Synapsen zu simulieren. Damit konnte die Phase I des Projekts dank Mittel der ETH Lausanne (EPFL) abgeschlossen werden. Neben der Entwicklung neuer Ansätze und Instrumente ist nun gemäss Prof. Henry Markram, dem Leiter des Brain Mind Instituts der EPFL und Direktor des Projekts Blue Brain, die Machbarkeit der Simulation des menschlichen Hirns erwiesen. Neuron für Neuron das menschliche Hirn nachbauen und simulieren Blue Brain ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das Forschende aus Biologie, Physik, Mathematik und Informatik zusammenbringt. In einem Hochleistungsrechner werden die empirisch untersuchten Neuronen aus der Hirnrinde in ihren vielfältigen Formen nachgebaut und in einem Modell des Hirns zusammengesetzt. Mit diesem Ansatz unterscheidet sich Blue Brain grundlegend von der klassischen Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz, die nach passenden Algorithmen für die Hirnaktivität sucht. Die Herangehensweise von Blue Brain ermöglicht es, neue Erkenntnisse über die Informationsverarbeitung im Hirn zu gewinnen. Neue Methoden in der medizinischen Forschung Obwohl Blue Brain eindeutig als Grundlagenforschung zu verstehen ist, hat die Projektleitung schon heute sehr klare Vorstellungen von den möglichen Anwendungsgebieten. Das künstliche Hirn soll in erster Linie ein Instrument für Neurologen sein und in der medizinischen Forschung eingesetzt werden. Es kann Erkenntnisse über die Entwicklung des Hirns und über das Altern liefern. Krankheiten können dann auf dem Computer simuliert und neue Therapien entwickelt werden. Die Simulation öffnet die Tür für eine personalisierte Medizin. Blue Brain entwickelt aber ganz grundsätzlich neue Methoden im Bereich der Simulation und Visualisierung, die nicht nur in der Hirnforschung angewandt werden können. Auch seine neuartige Forschungsinfrastruktur kann durchaus in anderen Themenbereichen Anwendung f inden, insbesondere in der Entwicklung neuer Software und bioinspirierter Computer. Blue Brain Factsheet EPFL September 2010 Seite 1 Weitere Informationen: Blue Brain Project http://bluebrain.epfl.ch Brain Mind Institute http://bmi.epfl.ch FET Flagship Initiative http://cordis.europa.eu/fp7/ict/ programme/fet/flagship/home_en.html Zwei Erfolgsfaktoren: Rechnerkapazität und internationale Kooperation Seit 2005 arbeiten die Forschenden mit einem Blue-Gene-Rechner von IBM. Dessen Rechnungsleistung genügt für die Simulation der 10‘000 Neuronen einer neokortikalen Säule der Hirnrinde einer Ratte. Für den Nachbau des menschlichen Hirns, welches mehr als eine Million dieser Grundbausteine zählt, ist sie jedoch ungenügend. Um das ehrgeizige Ziel von Blue Brain zu erreichen, nennt Henry Markram daher zwei notwendige Voraussetzungen: erstens den Aufbau einer bedeutend grösseren Forschungsinfrastruktur im Bereich des Hochleistungsrechnens und zweitens eine stärkere Zusammenarbeit innerhalb Europas und weltweit, um zu den neurobiologischen Grundlagen vorzudringen, die eine Simulation ermöglichen werden. F inanzierung ungewiss Die EPFL hat seit 2005 die notwendigen Rahmenbedingungen durch Eigenmittel, die Unterstützung des Bundes (Fördermittel für Grossprojekte) und der Kantone Genf und Waadt sowie durch eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP) mit IBM schaffen können. Für die Fortsetzung des Projekts muss der Rahmen aber viel breiter gesteckt werden. Das Blue Brain-Konsortium wächst kontinuierlich durch neue Verträge mit Forschungsinstitutionen in Europa (Spanien, Frankreich, Deutschland, Grossbritannien, Italien, Schweden und Ungarn) und ausserhalb Europas (Israel und USA). Gleichzeitig bemüht sich Blue Brain darum, eines der neuen EU-Grossprojekte, der so genannten FET Flaships (siehe Kasten), zu werden, die mit einer Milliarde Euro ausgestattet werden sollen. Blue Brain gilt als aussichtsreicher Kandidat in Brüssel. Die aktuell unsichere Finanzierung von Forschung und Bildung in der Schweiz ist eine schwere Belastung für Blue Brain. Die geplanten Bundesbudgets für die Jahre 2011 und 2012 stellen einerseits ungenügende Mittel für grosse Forschungsprojekte zur Verfügung, anderseits lassen sie den beiden eidgenössischen Hochschulen keinen Handlungsspielraum. Das absolute Wachstum der Mittel reicht nicht einmal für den Teuerungsausgleich bei den Salären und um die steigenden Studierendenzahlen aufzufangen, geschweige denn um ambitionierte Grossprojekte wie Blue Brain zu finanzieren. Was ist die FET Flagship-Initiative? Der Vorschlag für die Schaffung europaweiter Grossprojekte kommt aus der Europäischen Kommission, konkret aus dem Programm für Future and Emerging Technologies (FET), das im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm Grundlagenforschung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) fördert. Im Jahr 2013 sollen zwei oder drei so genannte FET Flagship Initiatives starten, jeweils ausgestattet mit einem Gesamtbudget von einer Milliarde Euro und einer Laufzeit von zehn Jahren. Die FET Flagships sollen der Fragmentierung der Forschungsförderung in Europa entgegenwirken. Die Initiative zielt auf ehrgeizige und risikoreiche, dabei aber zielorientierte Forschungsvorhaben, die den Rahmen der bestehenden Fördergefässe sprengen. Aus diesen neuen Erkenntnissen erwartet man einen starken Impuls für die Innovationskraft Europas. Offen ist allerdings noch die F inanzierung der geplanten FET Flagships. Die Fördergelder sollen gemeinsam von der EU über das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm, von den Förderagenturen der Mitgliedstaaten sowie durch Industriepartner aufgebracht werden. Im April 2009 hat die Kommission dem Rat und dem Parlament die Schaffung von zwei oder drei FET Flagships vorgeschlagen. Der Europäische Rat für Wettbewerbsfähigkeit hat im Dezember 2009 positiv dazu Stellung genommen. Derzeit ist eine Studie zum legalen und operativen Rahmen der Projekte in Gang. Die Abgabefrist für die Förderanträge ist am 2. Dezember 2010. Sechs Projekte sollen im Mai 2011 eingeladen werden, bis Ende 2011 eine ausführlichere Projekteingabe zu machen. Davon werden die zwei bis drei Projekte ausgewählt, die ab dem 1. Januar 2013 für zehn Jahre f inanziert werden sollen. Blue Brain Factsheet EPFL September 2010 Seite 2