Forscher des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie

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Pressemitteilung
Sperrfrist: 3. September 20:00 Uhr
Magnetische Monopole in magnetischem Festkörper entdeckt
Berlin, 02.09.2009
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie
(HZB) haben in Kooperation mit Kollegen aus Dresden, St. Andrews (UK), La
Plata (Argentinien) und Oxford (UK) erstmals magnetische Monopole nachgewiesen sowie deren Erzeugung in fester Materie beobachtet. Sie veröffentlichen dies in der Zeitschrift Science, im online erscheinenden Science Express vom 3. September.
Weitere Informationen:
Als magnetischen Monopol bezeichnen Physiker hypothetische Teilchen, die nur
einen magnetischen Pol tragen, also entweder nur magnetischer Nordpol oder nur
magnetischer Südpol sind. In der Welt der Materie ist dies ganz und gar ungewöhnlich, denn normalerweise treten magnetische Teilchen nur als Dipol auf, das heißt,
sie bestehen aus einem Nord- und Südpol. Trotzdem existieren einige Theorien,
welche die Existenz von Monopolen als Quelle von Magnetfeldern vorhersagen.
Unter anderem hat 1931 der Physiker Paul Dirac aus Berechnungen abgeleitet,
dass magnetische Monopole am Ende von sogenannten Dirac-Strings existieren
müssten. Diese kann man sich als Schläuche vorstellen, die das magnetische Feld
tragen. Nachgewiesen wurden magnetische Monopole bislang nicht.
Jonathan Morris, Alan Tennant und Kollegen (HZB) führten ein NeutronenstreuExperiment am Berliner Forschungsreaktor durch. Das Untersuchungsmaterial war
ein Kristall aus Dysprosium-Titanat. Dieser Stoff kristallisiert in einer ganz bestimmten Geometrie, einem so genannten Pyrochlor-Gitter. Mithilfe der Neutronenstreuung konnten Morris und Tennant zeigen, dass die magnetischen Momente im Inneren des Materials als sogenannte „Spin-Spaghetti“ angeordnet sind. Der Name
kommt von der Ausrichtung der Dipole, die ein Netzwerk aus gewundenen Röhren
(Strings) bilden. Durch diese Röhren wird der magnetische Fluss transportiert. Dies
kann man sichtbar machen, weil die Neutronen, die auf die Probe treffen, selbst ein
magnetisches Moment tragen und mit den Strings in Wechselwirkung treten.
HZB
Glienicker Str. 100
14109 Berlin
Dr. Jonathan Morris
Tel.: 030-8062-3150
[email protected]
Prof. Dr. Alan Tennant
Tel.: 030-8062-2741
[email protected]
Pressestelle:
Dr. Ina Helms
Tel.: 030 / 8062-2034
[email protected]
Während der Neutronenmessungen haben die Forscher zugleich ein Magnetfeld
angelegt. Mit diesem Feld konnten sie die Symmetrie und die Orientierung der
Strings beeinflussen. Dadurch wurde es möglich, die Dichte des String-Netzwerks
zu reduzieren und die Anzahl der Monopole zu verringern. Als Ergebnis wurden bei
einer Temperatur von 0,6 bis 2 Kelvin die Strings mit den magnetischen Monopolen
an ihren Enden sichtbar.
Die charakteristischen Merkmale dieser magnetischen Monopole wurden ebenso
durch Messungen der Wärmekapazität an Dysprosium-Titanat beobachtet. Die von
Bastian Klemke (HZB) durchgeführten Messungen bestätigen die Existenz der magnetischen Monopole und zeigen, dass sie ähnlich wie elektrische Ladungen wechselwirken können.
In der Arbeit beweisen die Forscher erstmals, dass die von Dirac vorhergesagten
Monopole tatsächlich in Festkörpern existieren. Sie entstehen durch eine spezielle
Anordnung der Dipole und unterscheiden sich vollkommen von den üblichen Eigenschaften magnetischer Materialien. Doch neben dieser grundlegenden Erkenntnis
betont Jonathan Morris vor allem die weitergehende Bedeutung der Resultate: „Wir
beschreiben neue, fundamentale Eigenschaften von Materie. Sie sind allgemeingültig für Materialien mit derselben Topologie, also Stoffe mit magnetischen Momenten im Pyrochlor-Gitter. Für die Entwicklung neuer Technologien könnte dies von
großer Bedeutung sein.“ Vor allem sei hervorzuheben, dass „erstmals eine magnetische Fraktionalisierung in drei Dimensionen beobachtet wurde“.
Bastian Klemke und Jonathan Morris am Experimentierplatz E2 des Berliner Forschungsreaktors am HZB (Flat-Cone Single Crystal Diffractometer).
Bastian Klemke an der Messapparatur für spezifische Wärmekapazität am HZB.
Artikel in Science Express 3-Sep-2009:
Dirac Strings and Magnetic Monopoles in Spin Ice Dy2Ti2O7
D.J.P. Morris, D.A. Tennant, S.A. Grigera, B. Klemke, C. Castelnovo, R. Moessner, C. Czternasty, M. Meissner, K.C. Rule, J.-U. Hoffmann, K. Kiefer, S. Gerischer, D. Slobinsky, and R.S.
Perry
Das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) betreibt und entwickelt Großgeräte
für die Forschung mit Photonen (Synchrotronstrahlung) und Neutronen. Die zum Teil einzigartigen
Experimentiermöglichkeiten werden jährlich von mehr als 2.500 Gästen aus Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen weltweit genutzt. Dabei ist das HZB vor allem bekannt, weil einzigartige Probenumgebungen realisiert werden können (hohe Magnetfelder, tiefe Temperaturen). Das HZB
betreibt Materialforschung zu solchen Themen, die besondere Anforderungen an die Großgeräte stellen.
Forschungsthemen sind Magnetische Materialien und Funktionale Materialien.
Im Schwerpunkt Solarenergieforschung steht die Entwicklung von Dünnschichtsolarzellen im Vordergrund, aber auch chemische Treibstoffe aus Sonnenlicht sind ein wichtiger Forschungsgegenstand. Am
HZB arbeiten rund 1.100 Mitarbeiter/innen, davon etwa 800 auf dem Campus Lise-Meitner in Wannsee
und 300 auf dem Campus Wilhelm-Conrad-Röntgen in Adlershof.
Das HZB ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V., der größten
Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
Schema des Neutronenstreu-Experiments:
Neutronen treffen auf die Probe und werden
an den Strings gestreut. Das resultierende
Streubild liefert Informationen über die
String-Eigenschaften. Wird ein Magnetfeld
angelegt, richten sich die Dirac-Strings – mit
den magnetischen Monopolen an deren
Enden – entlang des Feldes aus.
Ein Teil des Forscherteams am Experimentierplatz E2 des Berliner Forschungsreaktors am
HZB (v.l.n.r. Kirrily Rule, Jonathan Morris und
Bastian Klemke).
Quelle (Fotos):
HZB / A. Rouvière
Quelle (Grafiken):
HZB / D.J.P. Morris & A. Tennant
3D-Simulation des kegelförmigen Streubilds
der Dirac-Strings.
Veranschaulichung der “Spin-Spaghetti” aus
Dirac-Strings.
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