Sucht sucht Beziehung. Abhängige und ihr personales Umfeld.

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Sucht sucht Beziehung.
Abhängige und ihr personales
Umfeld.
Michael Klein
Vortrag zum 7. Österreichischen
Präventionstag
am 24./25. November 2005 in Wien
Gin Lane (William Hogarth, ca. 1745)
Amsterdam, ca. 1880
Frühe schriftliche Zeugnisse
Plutarch: „Trinker zeugen Trinker“
Volksglaube bis ins 19. Jahrhundert: Entscheidend für eine
Idiotie des Kindes ist die Berauschung der Eltern im
Moment der Zeugung
(Crothers, T.D. [1887]. Inebriety traced to the
intoxication of parents at the time of conception.
Medical and Surgical Reporter 56, 549 – 551).
1878/ 1906: Sanitätsrath Alfred Baer (Berlin):
"In dem durch die Trunksucht der Eltern oder des
Vaters geschädigten Familienleben ist die Erziehung
der Kinder einer verderblichen Verwahrlosung
anheimgegeben“ (Baer, 1878, 336).
Zahlen und Fakten
Es gibt mehr Menschen, die im direkten
personalen Umfeld von Suchtkranken leben als
Suchtkranke selbst.
Bei 1.8 Mill. Alkoholabhängigen (D) sind 1.3 Mill.
Partnerinnen und 1.6 Mill. Kinder und
Jugendliche betroffen.
Auf einen Alkoholabhängigen kommen somit ca.
1.6 nahe Angehörige.
Partnerschaft und Suchtstörungen
Zahlen und Fakten
Partnerinnen alkoholabhängiger Männer:
In 50% aller Fälle „psychisch auffällig“ (Kogan, 1963)
9% leichte Depression, 12% mittlere oder schwere Depression
(Fahrner, 1990)
Erhöhte Quoten (ca. 15%-25%) für abhängige und ängstlichvermeidende Persönlichkeitsstörung (Cluster C)
45% wählen einen (späteren) Alkoholabhängigen zum Partner
(Schuckit, 1996)
Häufig berichtete Probleme in
alkoholbelasteten Partnerschaften
Verstrickung in Beziehungen, in denen negative Interaktionen überwiegen
übermäßige Verantwortungsübernahme für andere
ausgeprägtes Mitleidsgefühl für andere mit starken Helferimpulsen
Unfähigkeit, Kritik oder Zurückweisung zu ertragen
übermäßig selbstkritische Einstellungen
selbstschädigende Verhaltensweisen
niedriges Selbstwertgefühl
Abhängigkeit von Anerkennung durch andere
soziale Isolation, Einsamkeit
viele Ängste, insbesondere im sozialen Bereich
viele Verhaltenszwänge, Perfektionismus
Schuld- und Unzulänglichkeitsgefühle
Konfliktvermeidung
Hang zur Verleugnung und Verdrängung unangenehmer Emotionen.
(Klein, 2002, S. 2)
Rigide Interaktionsmuster
Im Umfeld von Alkoholkranken realisieren sich
- wie auch bei anderen dysfunktionalen
Systemen - besonders rigide
Interaktionsmuster, die wegen ihrer
Veränderungsresistenz auch als
„Interaktionsfiguren“ bezeichnet werden. Da
die Angehörigen von Suchtkranken wegen
ihrer besonderen Nähe zum Suchtkranken
besonders stark den emotionalen Belastungen
des Zusammenlebens mit einem Suchtkranken
ausgesetzt sind, lassen sich an ihnen die
relevanten Interaktionsfiguren auch besonders
gut ablesen.
Interaktionsfiguren
Ausmerzen (z.B. Alkohol ausschütten)
Bekämpfen (z.B. schimpfen, tadeln)
Bekriegen (z.B. entwürdigen, entehren)
Zwingen (z.B. einweisen, einsperren)
Eindämmen (z.B. Alkohol zuteilen)
Kontrollieren (z.B. beobachten, verfolgen)
Heilen (z.B. pflegen, hegen)
Bekehren (z.B. in religiöse Gemeinschaft mitnehmen)
Helfen (z.B. unterstützen, verstehen wollen)
Begleiten (z.B. zulassen, abwarten)
Gewähren lassen (z.B. sich nicht kümmern)
Belastungen für Partner
Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit des suchtkranken
Partners
Vernachlässigung durch den suchtkranken Partner
Aggression und Gewalttätigkeit
Sexuelle Übergriffe, sexueller Missbrauch,
Vergewaltigungen
Vermehrte Partnerschafts- und Familienkonflikte
Finanzielle Konflikte, erhöhtes Armutsrisiko
Drohender oder tatsächlicher Arbeitsplatzverlust
Arbeitslosigkeit, ggf. Langzeitarbeitslosigkeit
Schulden
Soziale Marginalisierung, Gefahr sozialer Isolation
Notsituationen durch Alkoholintoxikationen des Partners
Sozialer und partnerschaftlicher Druck zum Mittrinken
Zahlen und Fakten
Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass
die Beteiligung der Partnerinnen an einer
Therapie
grundsätzlich
mit
besseren
Behandlungsresultaten einher gehen vor
allem dann, wenn seitens beider Partner die
Paarbeziehung positiv eingeschätzt wird (
Zweben, 1999, S. 217). Dieser Gesichtspunkt
wirkt sich wiederum ökonomisch und auch
motivational betreffend – positiv aus.
Nina, 12 Jahre, beide Elternteile
alkoholabhängig
Die häufigsten Berichte von Kindern
alkoholkranker Eltern (Cork, 1969)
(1) Nicht zu Freunden gehen, um nicht in die
Zwangslage zu geraten, diese zu sich nach Hause
einladen zu müssen, wo die Eltern sich beschämend
verhalten könnten.
(2) In der Schule mit den Gedanken zu Hause sein,
was dort gerade Schlimmes passiert oder bald
passieren wird.
(3)Andere Kinder beneiden oder eifersüchtig auf
diese sein, wenn sie Spaß und Leichtigkeit mit ihren
Eltern erleben.
(4)Sich als Kind unter Gleichaltrigen isoliert,
abgewertet und einsam fühlen.
(5)Sich von den Eltern vernachlässigt, bisweilen als
ungewolltes Kind fühlen.
Die häufigsten Berichte von Kindern
alkoholkranker Eltern (Cork, 1969)
(6)Für die Eltern sorgen, sich um sie ängstigen,
insbesondere wenn die Mutter süchtig trinkt.
(7) Sich um Trennungsabsichten oder vollzogene
Trennungen der Eltern unablässig Sorgen machen.
(8) Als Jugendlicher die Eltern nicht im Stich lassen
wollen (z. B. nicht von zu Hause ausziehen können).
(9) Die Eltern für ihr Fehlverhalten entschuldigen.
Lieber andere Menschen oder sich selbst
beschuldigen.
(10) Vielfache Trennungen und Versöhnungen der
Eltern erleben und sich nicht auf einen stabilen,
dauerhaften Zustand verlassen können.
(11) Wenn der trinkende Elternteil schließlich mit
dem Alkoholmissbrauch aufhört, weiterhin selbst
Probleme haben oder solche suchen.
20 häufige Verhaltensmerkmale und psychische
Signale von Schulkindern, die einer suchtbelasteten
Familie entstammen (Robinson & Rhoden, 1998)
Verhaltensmerkmale
(1) Konzentrationsschwierigkeiten
(2) Längere Fehlzeiten
(3) Schlechte Noten, häufig unerledigte Hausaufgaben
(4) Niedrige IQ-Resultate und standardisierte
Leistungsergebnisse
(5) Plötzliche Verhaltensveränderungen (z.B. sehr ruhig oder
übertrieben ausagierend)
(6) Anzeichen physischen oder sexuellen Missbrauchs oder von
Vernachlässigung
(7) Zwanghafte Verhaltensweisen (z.B. in den Bereichen essen,
Leistung, rauchen, Medikamentenkonsum)
(8) Schüchtern und isoliert von anderen Kindern
(9) Streitlustig und unkooperativ mit Lehrern oder
Klassenkameraden
(10) Dauerhafte Gesundheitsprobleme (z.B. Kopfschmerzen,
Bauchschmerzen)
20 häufige Verhaltensmerkmale und psychische
Signale von Schulkindern, die einer suchtbelasteten
Familie entstammen (Robinson & Rhoden, 1998)
Psychologische Anzeichen
(11) Niedriges Selbstwertgefühl
(12) Häufige Angstgefühle
(13) Starke Ärgerunterdrückung
(14) Leicht zu verstören und beschämen
(15) Wenig Selbstwirksamkeitserwartung und kaum
internale Kontrollüberzeugung
(16) Schlechte Problem- und
Konfliktbewältigungskompetenzen
(17) Zu depressiven Stimmungen neigend
(18) Unerklärliche Angst- und Furchtgefühle
(19) Häufig traurig und unfroh (dysphorisch)
(20) Anpassungsprobleme, insbesondere bei starken
äußeren Veränderungen
Maren, 8 Jahre, Mutter
alkoholabhängig
Fakten zum Thema
Kinder suchtkranker Eltern sind die größte bekannte
Risikogruppe zur Entwicklung eigener
Suchtstörungen, insbes. Alkohol- und
Drogenabhängigkeit sowie Essstörungen
Für alle anderen psychischen Störungen (z.B. Ängste,
Depressionen, Schizophrenien, Schlafstörungen,
Persönlichkeitsstörungen) weisen sie ebenfalls
erhöhte Risiken auf.
Kinder in suchtbelasteten Familien
Größte bekannte Risikogruppe zur
Entwicklung von Suchtstörungen
Primär relevante Gruppe für selektive
Prävention in Bezug auf Suchtstörungen
Gruppe mit erhöhten Lebensfeldrisiken
(Gewalt, Unfälle, Verletzungen)
Gruppe mit erheblichen
Tabuisierungstendenzen
Direkte und indirekte Effekte
können Kinder Suchtkranker betreffen
Direkte (substanzbezogene) Indirekte Effekte:
Effekte:
• Behinderungen durch
Alkoholembryopathie (AE/FAS)
•Neonatales Abstinenzsyndrom
•Retardierung durch Substanzwirkung
(z.B. Tabakrauchen)
•Schädigung durch Alkoholvergiftungen
in Kindheit und Jugend
© Michael Klein 2003
Emotionaler Missbrauch
Körperliche Misshandlung
Sexueller Missbrauch
Emotionale Vernachlässigung
Körperlicher Vernachlässigung
Geschlagene Mutter
Elterliche Komorbidität
Elterliche Trennung und
Scheidung
Elternteil im Strafvollzug
Alkoholembryopathie
• AE (FAS)
- Schwere Entwicklungsbeeinträchtigung durch
pränatale Alkoholexposition
- Eine der wichtigste Ursachen geistiger
Behinderung und Retardierung
- Lebenslanges Entwicklungsproblem
- Früherkennung und Frühintervention wichtig
- Prinzipiell verhinderbar
Wege
Wegeder
derTransmission
Transmissionvon
vonSuchterkrankungen
Suchterkrankungenund
undanderen
anderenpsychischen
psychischenStörungen
StörungenininFamilien:
Familien:
Früher Beginn von Susbtanzmissbrauch
und Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
h
o
om
Familialer
Alkoholismus
olo
h
t
pa
Andere Erkrankungen als Abhängigkeits-
ch
g is
isch
g
o
l
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opath
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t
e
h
comorbid
(gemischt)
mitte
sal
lmäß
uto
ig
gen
etis
ch
störungen, vor allem in der Kindheit, z.B.
Depression, Angst, Hyperaktivität, Störungen
des Sozialverhaltens
Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit
und andere psychopathologische
Erkrankungen
Unzufriedenes, unglückliches Leben
unterhalb einer Krankheitsschwelle
Unverdorbenes,
befriedigendes Leben
Prävalenzen
¾ Jedes 7. Kind lebt zeitweise (jedes 12. dauerhaft) in
einer Familie mit einem Elternteil, der eine
alkoholbezogene Störung (Abhängigkeit oder
Missbrauch) aufweist (Deutschland; Lachner &
Wittchen, 1997)
¾ Jedes 4. Kind lebt in einer Familie mit einem
Elternteil, der eine alkoholbezogene Störung
(Abhängigkeit oder Missbrauch) aufweist (USA;
Grant et al., 2000)
¾ Jedes 3. Kind in einer alkoholbelasteten Familie
erfährt regelmäßig physische Gewalt (als Opfer
und/oder Zeuge) [Klein & Zobel, 2001]
Entwicklungsrisiken
Entwicklungswege von Kindern suchtkranker Eltern:
Etwa ein Drittel entwickelt gravierende Störungen im
Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, die zur
Chronifizierung neigen
Etwa ein Drittel entwickelt leichte bis mittelschwere
Probleme, die die Funktionsfähigkeit nur leicht bis
mittelschwer beeinträchtigen und oft nur
vorübergehender Natur sind
Etwa ein Drittel entwickelt keine relevanten Probleme
oder bleibt psychisch vollkommen gesund bzw. stabil
Haupterfahrungen der Kinder
suchtkranker Eltern
•Instabilität
•Unberechenbarkeit
•Unkontrollierbarkeit
•Gewalt (Zeuge u/o Opfer)
•Misshandlung, Missbrauch,
Vernachlässigung
•Verlusterlebnisse, biographische
„Brüche“ und Diskontinuitäten
Kinder nehmen den engen Zusammenhang
zwischen Alkohol und Gewalt wahr
Kinder in suchtbelasteten Familien (COA; N=200)
Gewalterfahrungen und –risiken (Klein & Zobel, 2001)
Gruppenzugehörigkeit
COA
Anzahl
Körperliche
Gewalt
Gesamt
nonCOA
Spalten%
Anzahl
Spalten%
Anzahl
Spalten%
täglich
28
13,4%
5
2,3%
33
7,7%
oft
40
19,1%
15
6,8%
55
12,8%
manchmal
44
21,1%
25
11,3%
69
16,0%
selten
58
27,8%
86
38,9%
144
33,5%
nie
39
18,7%
90
40,7%
129
30,0%
209
100,0%
221
100,0%
430
100,0%
täglich
66
31,9%
21
9,5%
87
20,3%
oft
56
27,1%
27
12,2%
83
19,4%
manchmal
35
16,9%
41
18,6%
76
17,8%
selten
34
16,4%
72
32,6%
106
24,8%
nie
16
7,7%
60
27,1%
76
17,8%
207
100,0%
221
100,0%
428
100,0%
Gesamt
Seelische
Gewalt
Gesamt
Zahlen, Daten, Fakten
Die größte Forschungstradition zum Thema
besteht in den USA und in Skandinavien.
Die deutschsprachige Forschung zum Thema
steht noch sehr am Anfang und wird durch
Kosten- und Akzeptanzprobleme behindert.
Gesundheitliche Gefahren für Kinder aus
suchtbelasteten Familien
¾ Die Zahl der Krankenhausaufenthalte liegt
um 24.3 % höher.
¾ Die durchschnittliche Verweildauer bei
stationären Behandlungen liegt um 61.7%
höher (Woodside et al., 1993).
¾ Die behandlungsbezogenen Kosten liegen
um 36.2 % höher (Woodside et al., 1993).
¾ Subjektive Gesundheit: 35.6% der Kinder aus
suchtbelasteten Familien (Exp. > 4 Jahre)
geben an, dass sie sich oft krank fühlen (vs.
15.9%) [Klein, 2003].
Verhältniszahlen (OR) für Alkoholabhängigkeit bei Töchtern und Söhnen von
Eltern mit Alkoholmissbrauch
Elterliche
Probleme
mit Alkohol
Männliche Probanden
odds-ratio (OR) für
Alkoholabhängigkeit
Weibliche Probanden
odds-ratio (OR) für
Alkoholabhängigkeit
Nur Vater
2.01 **
8.69 ***
Nur Mutter
3.29 ***
15.94 ***
Beide Elternteile
18.77 ***
28.00 ***
**: p<.01; ***: p<.001.
aus: Lachner & Wittchen (1997, 69).
Relative Erkrankungsrisiken (OR) für Jugendliche in
alkoholbelasteten Familien III [Lachner & Wittchen, 1997]
Elternteil mit
Alkoholdiagnose
Diagnose
Jugendliche
Odds ratio
Nur Vater
Nur Mutter
Beide
Drogenabhängigkeit
4.13
7.79
16.68
Nur Vater
Nur Mutter
Beide
Essstörung
2.12
2.95
2.87
Relative Erkrankungsrisiken (OR) für Jugendliche in
alkoholbelasteten Familien II [Lachner & Wittchen, 1997]
Elternteil mit
Alkoholdiagnose
Diagnose
Jugendliche
Odds ratio
Nur Vater
Nur Mutter
Beide
Posttraumatische
Belastungsstörung
5.53
5.15
14.77
Nur Vater
Nur Mutter
Beide
Depressive
Episode
1.94
2.88
3.20
Kriterium
Kinder aus
alkoholbelasteten
Familien mit
Expositionszeit > 4
Jahren
Kinder aus
alkoholbelasteten
Familien mit
Expositionszeit < 4
Jahren
Kinder aus
alkoholbelasteten
Familien ohne
Behandlungserfahrung
Kinder aus
unbelasteten
Kontrollfamilien
umbringen möchtest?
13.5 %
4.8 %
8.6 %
7.1 %
Denkst Du manchmal
an Selbstmord?
24.0 %
20.6 %
21.1 %
8.6 %
26.4 %
12.9 %
20.3 %
24.5 %
34.1 %
23.0 %
25.8 %
14.5 %
Parasuizidalität
(N = 251)
Bist Du so verzweifelt,
dass Du Dich
Denkst Du manchmal,
dass Du nicht mehr
lange lebst?
Möchtest Du
manchmal am liebsten
tot sein?
Kriterium
Kinder aus
alkoholbelasteten
Familien mit
Expositionszeit > 4
Jahren
Kinder aus
alkoholbelasteten
Familien mit
Expositionszeit < 4
Jahren
Kinder aus
alkoholbelasteten
Familien ohne
Behandlungserfahrung
Kinder aus
unbelasteten
Kontrollfamilien
Hast Du Angst vor
Dunkelheit?
18.7 %
12.7 %
20.0 %
11.4 %
Hast Du Angst zu
versagen?
42.2 %
31.1 %
47.9 %
26.7 %
Hast Du Angst, dass
Deine Eltern Dich
schlagen?
25.6 %
19.0 %
27.4 %
11.4 %
Klinische Symptome
einer Sozialphobie
(DSM – IV)?
18.6%
19.4%
20.0%
9.5 %
Angstprobleme
Kinder in suchtbelasteten Familien
Bewertung der Kindheit und Jugend
Â
Retrospektive Einschätzung der Kindheit (bis 12 Jahre)
und der Jugend (12 bis 18 Jahre) [N = 200]
Einschätzung Kindin %
heit
COAs
unglücklich
49.5
chaotisch
42.7
unbehütet
37.0
unsicher
40.8
(Klein & Zobel, 2001)
Kindheit
nonCOAs
15.1
12.7
8.5
11.2
Jugend Jugend
COAs nonCOAs
34.7
55.8
44.3
59.5
35.1
54.7
36.2
53.9
Substituierte
Mütter
Alkoholabhängig
e Mütter
aus: Römer &
Klein, 2005
Substituierte
Mütter
Arme Mütter
Pflege- und
Adoptiveltern
Normalgruppe
aus: Römer &
Klein, 2005
Hast Du manchmal Angst vor dem Vater?
Elternteil mit
Alkoholdiagnose
ja
nein
gesamt
Vater
75
(59.5%)
Stiefvater
8
4 (33.3%)
(66.7%)
12
Kontrollgruppe
4
(6.6%)
61
51
(40.5%)
57
(93.4%)
11- bis 16-Jährige aus nicht klinischer Stichprobe
126
Hast Du manchmal Angst vor der Mutter?
Elternteil mit
Alkoholdiagnose
ja
nein
gesamt
Mutter
13
21
(38.2%) (61.8%)
34
Mutter und Vater
7
5
(58.3%) (41.7%)
12
Kontrollgruppe
0
59
(0.0%) (100.0%)
59
11- bis 16-Jährige aus nicht klinischer Stichprobe
Erlebst Du manchmal Gewalt bei einem Elternteil, wenn
er/sie getrunken hat?
Elternteil mit
Alkoholdiagnose
Vater
ja
nein
gesamt
32 (26.0%)
91 (74.0%)
123
Mutter
3 (8.6%)
32 (91.4%)
35
Stiefvater
3 (27.3%)
8 (72.7%)
11
Mutter und Vater
3 (30.0%)
7 (70.0%)
10
Kontrollgruppe
0 (0.0%)
60 (100.0%)
60
11- bis 16-Jährige aus nicht klinischer Stichprobe
0,7
K
um
ulativeLifetim
e-Inzidenz
(A)
keine elterliche Alkoholbelastung
0,6
elterliche Alkoholbelastung
0,5
0,4
HR elterliche Alkoholbelastung vs. keine = 1.5;
95% KI (1.1 – 2.0)
0,3
0,2
0,1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Alter
(B)
KumulativeLifetime-inzidenz
0,7
keine elterliche Alkoholbelastung
0,6
elterliche Alkoholbelastung
0,5
0,4
HR elterliche Alkoholbelastung vs. keine = 1.9;
95% KI (1.4 – 2.5)
0,3
0,2
0,1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Alter
(C)
K
um
ulativeLifetim
e-In
zidenz
0,7
keine elterliche Alkoholbelastung
0,6
elterliche Alkoholbelastung
0,5
0,4
HR elterliche Alkoholbelastung vs. keine = 2.1;
95% KI (1.4 – 3.3)
0,3
0,2
0,1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Alter
Abbildung 2:
Erstauftretensalter von (A) Alkoholabhängigkeit, (B) Nikotinabhängigkeit und (C)
Mißbrauch/Abhängigkeit von illegalen Drogen nach elterlicher Alkoholbelastung
18
19
20
21
22
Regelmäßiges Tabakrauchen in Abhängigkeit
von elterlichen Suchtproblemen (Klein, 2002)
[N=151]
Elterliche Probleme
mit Alkohol
ja
nein
**: p<.01
Kinder regelmäßiger Raucher
(Altersdurchschnitt: 13.5 Jahre)
21.5 %
11.0 %**
Resilienz: Kraft und Ausdauer unter Stress
Parentifzierung: Kinder werden zu Eltern
Förderung von Resilienzen
Wolin & Wolin (1995) identifizierten sieben Resilienzen, die
vor einer Transmission von Suchtstörungen schützen:
•
•
•
•
•
•
•
Einsicht, Wissen, Ahnung
Beziehungsfähigkeit, soziales Netzwerk
Unabhängigkeit, Autonomie
Initiative
Kreativität
Humor
Moral
Kindliche Wahrnehmung des elterlichen
Suchtverhaltens ist der Schlüssel zur psychischen
Gesundheit der Kinder
Strukturelle Aspekte des Hilfesystems
Ausgangslage:
Kinder suchtkranker Eltern
…erhalten keine gesicherten
Regelleistungen im Hilfesystem
…werden oft übersehen, nicht erkannt
…sind aufgrund ihres Verhaltens oder das
der Eltern eine unbeliebte Zielgruppe
Hilfen
Konsequenzen:
Kinder suchtkranker Eltern
… erhalten nur in 10% aller Fälle Hilfen,
wenn ihre Eltern Hilfen im Rahmen einer
Suchtbehandlung erhalten
… sind in der Jugendhilfe nach wie vor ein
überwiegend „blinder Fleck“
Hilfen
Wieso blinder Fleck?
… Information und Wissen fehlt
… Handlungskompetenz fehlt
… viele Kinder unauffällig sind (Tabubewahrer,
internalisierende Störungen usw.)
… Abwehr und Aggression entgegen gebracht
werden (können)
… konsequente, auf Dauer angelegte
Qualitätskontrollen fehlen
Hilfen
Wieso blinder Fleck?
… anonyme niederschwellige Arbeitsformen
selten sind
… mangelhafte Kooperationsformen
vorherrschen
… Elternrechte vor Kinderrechten zählen
… psychisches Leiden und psychische
Gewalt unterschätzt werden
Prävention und Hilfen
müssen erfolgen:
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
frühzeitig
kontinuierlich
umfassend
fachgerecht
lebensweltbezogen
nicht stigmatisierend
ressorcenorientiert
Formen der Prävention
Nach dem Institute of Medicine (1998) bezeichnet
Prävention nur jene Interventionen, die vor der
Manifestation einer Erkrankung einsetzen, dafür wird in
diesem prämorbiden Bereich aber genauer differenziert:
Universelle Prävention: Für alle Personen nützliche
Maßnahmen der Gesundheitsförderung
Selektive Prävention: Schwerpunktprävention für Personen
mit erhöhtem Erkrankungsrisiko
Indizierte Prävention: Interventionen bei Personen mit
manifestem Risiko- oder Problemverhalten
Konsequenz
Für Kinder in suchtbelasteten Familien sind Maßnahmen
notwendig, die …
(1) früh einsetzen (Frühintervention)
(2) das vorhandene Risiko adäquat wahrnehmen
(selektive Indikation)
(3) umfassend und dauerhaft sind (Case Management)
(4) die ganze Familie einschließen (Familienberatung
und/oder –therapie)
(5) die Motivation zu guter Elternschaft und
Suchtbewältigung verknüpfen (Motivational
Interviewing)
(6) die Resilienzen fördern bzw. entwickeln
(Ressourcenorientierung)
Maßnahmen (personenorientiert)
•
•
•
•
•
•
Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen
Begleitende Elternarbeit
Freizeitpädagogische Maßnahmen
Familienorientierte Arbeit
Einzelfallhilfe/Fallarbeit mit betroffenen Kindern
Psychotherapie
• Selbsthilfe
Maßnahmen (strukturorientiert)
• Ausbau der Schwerpunktprävention
• Verstärkung niedrigschwelliger Zugänge
• Vernetzung der Hilfedienste, insbes.
Jugendhilfe, Suchthilfe, medizinische
Dienste, in Richtung Case-Management
• Verpflichtung der Schulen zur
Frühintervention
• Qualifikation der Fachkräfte
Konsequenzen für die Politik I
• „Kinder von Suchtkranken“ ist ein prioritäres
Thema der öffentlichen Gesundheits- und
Sozialpolitik und muss entsprechend behandelt
werden.
• Es sollte eine Kultur der öffentlichen
Informiertheit und der Verpflichtung zur
Frühintervention geschaffen werden.
• Besonders wichtig ist die Entwicklung allgemein
akzeptierter Leitlinien für Erziehung, Prävention
und Therapie.
Konsequenzen für die Politik II
• Jugendhilfe und Suchthilfe müssen zu fester
Zusammenarbeit verpflichtet werden und
gemeinsame Konzepte entwickeln (vgl. „Blending
perspectives and building common ground”,
USA, 1999).
• Auch Kinder unbehandelter oder
behandlungsunwilliger suchtkranker Eltern haben
einen eigenständigen Anspruch auf frühzeitige
Hilfe, Beratung und Unterstützung.
• Hilfen für Kinder suchtkranker Eltern sind auch
als gewaltpräventive Maßnahmen anzusehen
und müssen insofern koordiniert werden.
Zehn Eckpunkte zur Verbesserung der Situation von
Kindern aus suchtbelasteten Familien
(Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung BMGS, 2003)
1. Kinder aus suchtbelasteten Familien haben ein Recht auf
Unterstützung und Hilfe, unabhängig davon, ob ihre Eltern
bereits Hilfeangebote in Anspruch nehmen.
2. Den Kindern muss vermittelt werden, dass sie keine Schuld an
der Suchterkrankung der Eltern tragen. Sie brauchen eine
altersgemäße Aufklärung über die Erkrankung der Eltern und
bestehende Hilfeangebote.
3. Die Zusammenarbeit zwischen den Hilfesystemen, insbesondere
der Suchtkrankenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe und den
medizinischen Diensten, muss optimiert werden. Um
wirkungsvolle Interventionen zu erreichen, muss
arbeitsfeldübergreifend kooperiert werden. Lehrer, Erzieher,
Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen und Pädagogen müssen
verbindlich zusammen arbeiten. Das Ziel ist, betroffene Kinder
und Eltern frühzeitig zu erkennen und die ihnen angemessene
Unterstützung anzubieten.
Zehn Eckpunkte zur Verbesserung der Situation von
Kindern aus suchtbelasteten Familien (BMGS, 2003)
4. Die Öffentlichkeit muss über die Auswirkungen von
Suchterkrankungen auf Kinder und Familien informiert
werden. Eine sensibilisierte Öffentlichkeit erleichtert es
Eltern, die Sucht als Krankheit anzunehmen. So wird den
Kindern der Weg geebnet, Unterstützung zu suchen und
anzunehmen.
5. Das Schweigen über Suchterkrankungen muss beendet
werden. Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem
betroffene Eltern und Kinder Scham- und Schuldgefühle
leichter überwinden und Hilfe annehmen können. Kinder
leiden unter Familiengeheimnissen.
6. Auch Suchtkranke wollen gute Eltern sein. Suchtkranke
Eltern brauchen Ermutigung und Unterstützung bei der
Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung. Das Wohl der
Kinder muss bei diesen Bemühungen im Mittelpunkt stehen.
Zehn Eckpunkte zur Verbesserung der Situation von
Kindern aus suchtbelasteten Familien (BMGS, 2003)
7. Die familienorientierte Sichtweise erfordert eine gemeinsame
innere Haltung der beteiligten Helfer. Sie muss Grundlage aller
Angebote und Interventionen sein.
8. Bei Kindern, deren Familien sich gegen Hilfeangebote
verschließen, kann zum Schutz der Kinder im Einzelfall auch
eine Intervention gegen den Willen der Eltern erforderlich
werden.
9. Schule und Kindertagesstätte sind zentrale Lebensräume für
Kinder aus suchtbelasteten Familien. Sie müssen dort mit der
erforderlichen Aufmerksamkeit frühzeitig erkannt werden.
Gemeinsam mit den Eltern müssen Hilfeangebote vermittelt
werden.
10. Das Wissen über die Entstehung von Suchterkrankung sowie
die Auswirkungen auf Kinder und Familien muss verpflichtend
in die Ausbildung der pädagogischen, psychologischen und
medizinischen Berufsgruppen aufgenommen werden. So wird
das Bewusstsein der Problematik in den jeweiligen
Fachdisziplinen frühzeitig gefordert und langfristig eine
gesellschaftliche Einstellungsveränderung gefördert.
Vereinbart auf der Fachtagung „Familiengeheimnisse - Wenn Eltern suchtkrank sind und die Kinder
leiden“, 04. und 05. Dezember 2003 im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung,
Berlin
Beispielhafte Hilfeansätze
Notwendig in:
• Suchthilfe
• Jugendhilfe
• Primärmedizin
• Spezialisierten Hilfebereichen (z.B.
Kinder- und Jugendpsychiatrie)
www.kidkit.de
www.encare.info
Relevante Internetadressen
www.suchtforschung.org (u.a. für downloads)
www.kidkit.de
www.encare.info, www.encare.at, www.encare.de
Referent:
Prof. Dr. Michael Klein
Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen
Kompetenzplattform & Forschungsschwerpunkt Sucht
Wörthstraße 10
D-50668 Köln
Email: [email protected]
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