Predigt zu Matthäus 2, 1 – 12 Epiphanias 2010 in Benningen Liebe

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Predigt zu Matthäus 2, 1 – 12
Epiphanias 2010 in Benningen
Liebe Gemeinde. Menschen auf der Suche begegnen uns in den drei
Männern, die wir etwas missverständlich die Drei Weisen aus dem
Morgenland nennen oder noch weniger richtig die Heiligen Drei Könige.
Könige waren es gewiss nicht, und ihre angeblichen Namen Kaspar,
Melchior und Balthasar sind zweifellos eine reine Legendenbildung. Auch
dürfte interessant sein, wessen Gebeine wirklich im vergoldeten
sogenannten Dreikönigsschrein des Kölner Doms bis heute als kostbare
Reliquien verehrt werden. Die Knochen und Schädel jener Drei, von
denen das Matthäusevangeliums Zeugnis gibt, sind es jedenfalls nicht –
obwohl der ganze Kölner Dom und mit ihm der dazu gehörende
kirchliche Machtanspruch quasi um sie herum gebaut wurden. Welch
eine Macht aber gerade religiösen Legendenbildungen zukommen kann,
zeigt sich hier besonders deutlich. Denn als Kaiser Friedrich Barbarossa
im Jahre 1158 die damals mächtige lombardische Stadt Mailand
belagerte, gelang es ihm unerwartet, diese seit hunderten von Jahren
dort schon verehrten Knochen an sich zu bringen und seinem
Parteigänger, dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel zu schenken.
Der wiederum erkannte schnell den Wert dieser besonderen Reliquie für
seinen Kölner Bischofssitz. Tausende und abertausende Menschen
pilgerten bald schon und fortan zum Kölner Dom, um in der Nähe dieser
heiligen Knochen angeblich Ablass und Sündenvergebung zu erlangen.
In Wirklichkeit aber füllte sich nur die Geldschatulle des Erzbischofs und
seiner Nachfolger, die mit dem Geld der getäuschten meist armen
Menschen jene ihre kirchliche Macht verkündete Kathedrale erbauten,
die uns heute vor Augen steht. Die Heiligen Drei Könige, eine religiöse
Legende – an ihr ist besonders schön zu lernen, wie religiöse Legenden
den Glauben in Wirklichkeit nicht erhellen, sondern verstellen; der
Aberglaube dort, wo der Glaube seinen Segen entfalten würde, wenn er
denn eine Chance bekäme, wenn er denn zur Sprache käme. Darum:
Wer waren diese Drei wirklich? Und was können sie uns heute noch
geben und sagen?
Liebe Gemeinde. Im griechischen Urtext des Neuen Testaments werden
diese drei Männer „magoi“ genannt, Magier aus dem Osten, Bezeichnung
für Menschen, die darin gebildet waren, die Welt mit magisch-religiösen
Augen zu beobachten und dann ihre religiösen Erkenntnisse den
Menschen zugänglich zu machen. Damals wie heute geschieht das etwa
in der Astrologie - und dieser Zunft gehörten offenbar auch diese Drei
an. Den Himmel genau beobachten und die Zeichen des Himmels
erkennen und deuten. Das ist zweifellos umso wichtiger, solange
Menschen nicht wissen, was die Gestirne des Tag- und Nachthimmels
wirklich sind, sondern glauben, in ihnen göttliche Wesen, Boten oder gar
Götter selber vor Augen zu haben. Das ist die Grundlage der Astrologie
auch heute noch. Und darum lehrt diese Pseudowissenschaft, dass es
wichtig ist, unter welchen Sternen, sprich Göttern, Menschen geboren
werden. Fortan, so wollen uns die Erfinder von Horoskopen auch heute
weißmachen, (fortan) steht dein Leben und Schicksal unter der Macht
dieses oder jenes Sterns. Astrologie – die alten Israeliten lernten dieses
magisch-himmlische Handwerk kennen, als sie ins Babylonische Exil
verschleppt wurden. Und sie begannen zu lachen, laut zu lachen,
konnten es kaum glauben, dass Menschen daran wirklich glaubten und
ihr Leben davon bestimmen ließen, würden wohl noch viel lauter gelacht
haben vor zweieinhalb Tausend Jahren, wenn sie schon gewusst hätten,
dass Anfang des dritten Jahrtausends immer noch Millionen von
Menschen im seit Hunderten von Jahren angeblich aufgeklärten
Deutschland Horoskopen Glauben schenken. Laut haben die Israeliten
gelacht und haben damals, als sie in Babylon die Schöpfungsgeschichte
formuliert haben, die heute auf der ersten Seite der Bibel zu finden ist,
(haben damals) provokativ formuliert: „Und Gott sprach: Es sollten
Lichter werden an der Feste des Himmels, die da scheinen Tag und
Nacht…Und Gott hängte die Lampen an die Feste des Himmels, dass sie
scheinen auf die Erde…“. Nichts da mit Göttern und Schicksalsmächten;
ihr glaubt an Lampen, hängt eure Hoffnung an Laternen. Geschöpfe sind
sie doch, diese Sterne, Geschöpfe wie wir selber, Geschöpfe aus der
Hand des einen und einzigen Gottes. Das Lachen des Alten Israel, noch
heute schallt es aus dem biblischen Schöpfungsbericht, den pikanter
Weise wiederum Millionen heutiger Horoskop-Leser selbstverständlich als
längst veraltet bezeichnen.
Liebe Gemeinde. Alles andere aber als lächerliche Personen sind diese
drei Magier aus dem Osten, die auf den Weg nach Bethlehem sind. Sie
sind im Aberglauben der Astrologie aufgewachsen, kennen nichts
anderes
und
verdienen
darum
jeden
Respekt.
Eine
besondere
Himmelserscheinung hatte sie auf den Plan gerufen, ein Stern, der
plötzlich aufgegangen ist und in ihrem Denksystem vermuten lässt, dass
zu dieser göttlich-himmlischen Erscheinung ein neuer göttlicher König
auf Erden gehören müsse, ein „Sohn Gottes“ – ein Titel, den Könige und
Kaiser des Orients nicht selten für sich reklamierten. So machen sie sich
auf den Weg, diesen „Sohn Gottes“ zu suchen. Sie suchen. Suchende
Menschen. Und das ist es, was diese Drei uns so nahe kommen lässt. Sie
sind Suchende, sind nicht satt, weil übersättigt und darum träge…
sondern offenbar hellwach für alles, was um sie herum geschieht, wollen
verstehen, wollen begreifen, wollen eine Botschaft und Hilfe für ihre
eigene Suche nach Leben gewinnen. Der Stern, er geht auf in ihrem
Leben
und
weckt
bei
diesen
Lebenssuchenden
Hoffnung
und
Sehnsucht… Hoffnung und Sehnsucht, dass der neue Stern und seine
Botschaft Antworten auf ihre drängenden Lebensfragen geben könnte:
Wer hält mein Leben, wer bestimmt mein Schicksal, wer zeigt mir, was
richtig oder verkehrt ist, und wer vermag mir die Kraft zu geben, das
erkannte Gute auch zu tun und meinem Stern und seiner Botschaft auch
konsequent zu folgen? Mit Herzen der Sehnsucht und Hoffnung machen
sich diese Drei auf, nehmen auf sich einen langen und einen
beschwerlichen Weg – alles andere als lächerlich. Was werden sie
finden, diese Drei? Und wir, was haben wir schon gefunden… in unserem
Leben… in unserem Glauben? Sind wir wirklich zur Frucht des Glaubens
gelangt, oder nur bei Legenden des Aberglaubens angekommen – bei
den Knochen des Kölner Doms?
Liebe Gemeinde. Wo Menschen Religion vor allem gebrauchen, um ihre
Ängste immer neu zu beruhigen oder sich in ihrem Tun und Denken nur
bestätigen zu lassen, da steht das Tor zu abergläubischen Praktiken
sperrangelweit offen. Knochen etwa, die Ablass garantieren, oder
religiöse Leistungen, die Sündenvergebung versichern oder ein wenig
gewisser machen wollen, dass Gott mir gnädig ist und kein Unheil schickt
– Aberglaube kann durchaus sehr christlich daherkommen. Die deutlich
erkennbare heidnische Variante ist das Horoskop, durch das sich
Menschen ebenfalls versichern wollen – dieses und jenes muss ich heute
tun oder lassen, auf dies und das besonders achten, Chance heute und
Gefahr morgen – Praxis gegen Unsicherheit und Lebensangst. Das ist der
große Markt der Astrologie.
Liebe Gemeinde. Diese drei Astrologen finden schließlich das Kind der
Weihnacht. Was sich nun ereignet, berichtet der Evangelist Matthäus in
eindrücklich zurückhaltender Weise. Kein geistlicher Voyeurismus, auch
keine Seifenoper-Erfolgsgeschichte stimmt er an, und auch keine
Vorzeige-Bekehrung weiß er zu berichten… würdig und fast scheu hält
der Evangelist Abstand von dem, was hier geschieht. Er sieht Gebildete,
die auf die Knie gehen, nicht aus Furcht, sondern innerlich zutiefst
bewegt; sie legen ab vor diesem Kind, lassen dort in Freiheit zurück, was
vor Menschen so viel Wert hat: Gold, Weihrauch und Myrrhe – und ihre
bis dahin so hohe Erkenntnis vom Wesen der Dinge und der Welt. Sie
können dort anfangen zu lassen, weil etwas ganz Neues in ihnen
begonnen hat. Und dass das so ist, erzählt der Evangelist noch einmal
nur indirekt – indem er berichtet, Gott habe ihnen im Traum befohlen,
nicht wieder zu Herodes zurückzukehren. Und das heißt: Gott beginnt
mit ihnen zu reden; dort beim Kind der Weihnacht beginnt eine
Geschichte des Redens Gottes. Sie finden, was sie gar nicht gesucht
haben, - in ihrem bisherigen Denken – gar nicht zu suchen gewagt
haben: Den einen und einzigen Gott, der mit mir redet, mit mir kleinem
Menschen, der sich nicht zu groß und zu erhaben ist, sich mit meinen
Fragen, Sorgen und ungelösten Problemen einzulassen und abzugeben.
Mit mir will er reden, jeden Tag; und mag es auch zuweilen scheinen, als
ob er schon lange schweige, er wird wieder reden… suchen soll ich ihn,
suchen beim Kind von Bethlehem… und ja nicht irgendwo anders… nicht
in Knochen und nicht in erhabenen Kathedralen und nicht in
Schicksalsdeutern… sondern einzig im Kind der Weihnacht. Denn hier
sehe ich ganz in Gottes Herz hinein. Und dieses Herz sagt mir: Du, ich
meine dich, ich sehe dein Leben, ich habe Leben… für dich, Leben nicht
immer einfach, nicht bequem und sorgenfrei… aber „Leben mit mir“ und
von mir die Gewissheit: Gott trägt dein Leben, hält es, hält es auch
gegen so manchen Augenschein – gegen den Augenschein dieses
erbärmlichen Stalles und dieser jämmerlichen Krippe… (hält dein Leben
auch gegen so manchen Augenschein) und wird es gut machen und dich
einst zum Ziel bringen. Du wirst es sehen.
Ich glaube, liebe Gemeinde, damit sind diese Drei davon gezogen, heim
nach Babylon. Einfach wird ihr Leben von nun an auch nicht gewesen
sein, aber im Herzen mit sich getragen und nie wieder vergessen haben
sie, was der Apostel Johannes später so formuliert hat: „Die Finsternis
vergeht, und das wahre Licht scheint schon…“ – wende dich ihm zu,
Segen des Glaubens. Amen.
Martin Kaschler
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