Das war der größte anzunehmende Unfall! - walter

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„Das war der größte anzunehmende
Unfall!“
Karl-Heinz Ukena, Direktor und
Geschäftsführer des Dresdner Zoos,
im Gespräch mit Andreas Walter über
die bisher größte Krise des Tierparks:
Am 3. August wurde dort bei einem
verendeten Trauerschwan das
Vogelgrippevirus H5N1 entdeckt.
Walter: Herr Ukena, werden Sie jemals wieder an der Nordsee Urlaub machen?
Ukena: Ich fürchte, da werde ich nicht drum herum kommen. Schließlich ist das meine
Heimat. Offensichtlich passieren solche Krisen immer dann, wenn man gerade nicht da
ist. Aber ernsthaft: Als ich erfahren habe, dass einer unserer Trauerschwäne wohl an
dem Vogelgrippevirus H5N1 verendet ist, habe ich natürlich sofort den Urlaub
abgebrochen und bin nach Dresden gefahren.
Walter: In solch einem Krisenfall kann die Fahrt von der Nordsee nach Dresden recht
lang werden. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?
Ukena: Natürlich war das erst einmal ein Schock. Zumal ein Zoo ja keine
Schraubenfabrik ist, sondern von den Emotionen lebt, die von den Tieren ausgehen. Aber
dennoch: Grundsätzlich hatte ich das Gefühl, dass wir den Fall in den Griff kriegen. Denn
wir wissen, wie wir mit solchen Fällen umzugehen haben. Das sind festgelegte Abläufe
und die Mitarbeiter wissen genau, was zu tun ist. Bewegt haben mich ganz andere Dinge.
So habe ich mich gefragt, welche Ausmaße das annimmt und wie sich das auf den Zoo
auswirkt. Also eher Dinge, auf die wir keinen direkten Einfluss haben. Natürlich habe ich
auch gehofft, dass wir Glück im Unglück haben.
Walter: Sie erwähnten gerade festgelegte Abläufe im Krisenfall. Waren Sie sich auch
sicher, die Außenwahrnehmung steuern zu können?
Ukena: Antworten wir mal wie Radio Eriwan: Im Prinzip ja! Aber natürlich haben Sie
Recht. Gerade im Bereich der Kommunikation lässt sich nicht alles steuern. Aber auch
hier waren wir gut vorbereitet. So wurde gemeinsam mit der Stadt Dresden sofort ein
Krisenstab einberufen und dort natürlich die Öffentlichkeitsarbeit integriert. Wir haben
sofort die Medien in einer Pressekonferenz über unseren Wissensstand informiert.
Gleichzeitig wurde ein Bürgertelefon geschaltet sowie die Nachbarn und Gäste des
Zoologischen Gartens mit Faltblättern entsprechend informiert. Zudem waren unsere
Mitarbeiter im Zoo natürlich jederzeit ansprechbar. Parallel haben wir umgehend alle
gefährdeten Vogelarten untersucht und in die Ställe gebracht.
Walter: Was waren für Sie die wichtigsten Aspekte bei der geschilderten
Krisenkommunikation?
Ukena: Wichtigstes inhaltliches Anliegen war die Vermittlung der klaren Botschaft: Bei
der Infektion mit H5N1 handelt es sich definitiv um eine Tierseuche. Was die Art und
Weise der Kommunikation anbelangte, so haben wir der Öffentlichkeit so zeitnah wie
möglich unseren Wissensstand mitgeteilt. Wichtig war zudem die gute und koordinierte
Pressearbeit der verschiedenen Behörden. So konnten wir stets einen einheitlichen
Sachstand kommunizieren. Ich glaube, das hat den Menschen einiges an Unsicherheit
genommen.
„Entweder man
Walter: Nun haben Sie auf der Pressekonferenz gesagt,
entscheidet sich
dass der verendete Schwan zum Zoo gehöre sei der „größte
für Offenheit und
anzunehmende Unfall“. Eine zweifelsfrei ehrliche Antwort,
Transparenz oder
die jedoch auf Manchen beunruhigend wirken kann. War das
man taktiert.“
zu ehrlich?
Ukena: Da kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein. Aber für mich gab es dazu
keine Alternative. Entweder man entscheidet sich für Offenheit und Transparenz oder
man taktiert. Das hat natürlich auch was mit den handelnden Personen zu tun. Und da
man sich in Dresden kennt und ich hier nun weiß Gott nicht als Taktierer gelte, war das
eine authentische Aussage und kein Fehler.
Walter: Wie war eigentlich generell die „Verlaufskurve“ der Medienberichterstattung?
Ukena: In den ersten Tagen war natürlich das Interesse
besonders hoch. Viele hatten da sicher zum einen noch die
„Als nach fünf, sechs
Bilder der verendeten Schwäne auf Rügen vor Augen. Zum
Tagen keine
anderen musste ja eine Drei-Kilometer-Sperrzone
weiteren infizierten
eingerichtet werden. Darunter fiel natürlich auch die
Tiere entdeckt
Dresdner Innenstadt, was per se schon Öffentlichkeit
wurden, ließ auch
geschaffen hat. Aber als nach fünf, sechs Tagen keine
das Interesse der
weiteren infizierten Tiere entdeckt wurden, ließ auch das
Medien stark nach.“
Interesse der Medien stark nach.
Walter: Würde Sie sagen, dass die Medien fair berichtet haben?
Ukena: Auch hier würde ich sagen: Im Prinzip ja. So gab es bis auf wenige Ausnahmen
keine wirklichen, sachlichen Fehlinformationen oder Verdrehungen.
Walter: …bis auf wenige Ausnahmen?
Ukena: Ja. Aber die waren eher amüsant. So handelte es sich bei dem verendeten
Schwan um einen Trauerschwan. Und ein Trauerschwan ist nun mal schwarz und hat
einen roten Schnabel. Offensichtlich gibt es in den Archiven der Fotoredaktionen aber nur
den klassischen, weißen Höckerschwan. Daher musste der Höckerschwan auf den
Zeitungsfotos häufig als Ersatz für seinen Artgenossen herhalten. Somit war das eher
eine amüsante Randnotiz.
Walter: Was sind für Sie die drei wichtigsten Schlüsse aus diesem Fall?
Ukena: Man muss eine klare Botschaft einheitlich, ehrlich und schnell den Menschen
mitteilen. Man muss da sein und vor Ort mit den Menschen reden. Man braucht einen
funktionierenden und gut koordinierten Krisenstab und nicht zuletzt etwas Glück.
ZUR PERSON
Karl-Heinz Ukena (36) ist Direktor und Geschäftsführer des Dresdner Zoos. Davor
war der diplomierte Ökonom und MBA-Absolvent Vorstand der Oceanis AG, einer
faszinierenden Unterwasserausstellung in Wilhelmshaven. Die Oceanis AG wurde
anlässlich der Expo 2000 gegründet.
Z O O D R E S D E N I M N E T Z : www.zoo-dresden.de
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