Bipolare Störung - Sucht und Selbsthilfe

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Bipolare Störung
Die Bipolare affektive Störung (auch bekannt unter der Bezeichnung
„manisch-depressive Erkrankung”) ist eine psychische Störung und gehört
zu den Affektstörungen. Sie zeigt sich bei den Betroffenen durch
episodische, willentlich nicht kontrollierbare und extreme Auslenkungen
des Antriebs, der Aktivität und der Stimmung, die weit außerhalb des
Normalniveaus in Richtung Depression oder Manie schwanken.
Beschreibung
Die Bipolare Affektive Störung ist durch einen episodischen Verlauf mit
depressiven, manischen, hypomanischen oder gemischten Episoden
gekennzeichnet:
Depressionen zeichnen sich durch überdurchschnittlich
gedrückte Stimmung und verminderten Antrieb aus. Bei starken
Depressionen kommt es zu Suizidgedanken.
Eine manische Episode ist durch gesteigerten Antrieb und
Rastlosigkeit, oft mit inadäquat euphorischer oder gereizter Stimmung,
gekennzeichnet. Dabei ist die Fähigkeit zur Prüfung der Realität
mitunter stark eingeschränkt und die Betroffenen können sich in große
Schwierigkeiten bringen.
Unter einer Hypomanie versteht man eine nicht stark
ausgeprägte Manie, typischerweise ohne gravierende soziale Konsequenzen.
Eine Hypomanie liegt jedoch bereits deutlich über einem normalen
Aktivitäts- und/oder Stimmungsausschlag.
In einer gemischten Episode sind sowohl einzelne Symptome
der Manie als auch der Depression vorhanden, beispielsweise ein
verstärkter Antrieb bei gedrückter Grundstimmung.
Zwischen den Krankheitsepisoden tritt in der Regel eine Rückkehr
zum unauffälligen Normalzustand ein. Antrieb und Gemüt befinden sich
dann wieder innerhalb der Normalschwankungen zwischen den beiden
Extremen.
Bei den von einer Bipolaren Störung Betroffenen gibt es ein großes
Spektrum von Schweregraden und der Übergang zu einer „charismatischen“
oder überschwänglichen Persönlichkeit ist fließend. Es handelt sich um
eine ernsthafte Erkrankung des Gehirns, die u. a. wegen des erhöhten
Suizidrisikos und den sozialen Folgen gefährlich werden kann. Die
Symptome korrespondieren mit einer Störung des Hirnstoffwechsels, die
sich psychisch manifestiert.
Meist beginnt eine Bipolare Störung in der Adoleszenz oder dem frühen
Erwachsenenalter. Oftmals wird die Krankheit sowohl vom Betroffenen als
auch von Medizinern erst viele Jahre nach Ausbruch erkannt, so dass
Erkrankte unnötig leiden, bevor sie Behandlung erhalten. Da die Symptome
starke Auswirkungen auf Entscheidungen und Beziehungen haben können,
können zum Zeitpunkt des Erkennens der Krankheit auch die Lebenswege der
Betroffenen schon erheblich beeinflusst worden sein, zumal die Symptome
meist in jungen Jahren beginnen, in denen die Persönlichkeit noch nicht
gefestigt ist. Häufig kommt es zu Problemen in der Ausbildung, im
Arbeits- und Familienleben, oder zu jähen Wechseln im Lebenslauf. Ist
die Krankheit erkannt, können die Auswirkungen mit einer entsprechenden
Behandlung durch Spezialisten möglicherweise gemildert werden. Eine
vollständige Heilung ist nach derzeitigem Kenntnisstand der Wissenschaft
(wie auch bei vielen anderen Krankheiten im psychiatrischen Bereich)
nicht möglich.
Die Bipolare Störung wird oft mit Kreativität in Verbindung gebracht, zu
den Betroffenen zählen viele erfolgreiche Menschen. Der gesteigerte
Antrieb in hypomanen Phasen kann für ungewöhnliche und gewagte Projekte
begeistern, und Ziele werden oft mit großem Engagement verfolgt. Eine
„Romantisierung“ der Krankheit ist aber unangebracht, ihre Folgen sind
oft sehr schwerwiegend, und unbehandelt kann sie Leben ruinieren.
Bei der Bipolaren Störung handelt es sich um eine recht häufige
Erkrankung – werden auch leichtere Fälle berücksichtigt, so sind laut
einigen Untersuchungen in den Industrieländern bis zu 3-4 % der
Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens von ihr betroffen.
Bezeichnungen
Bis vor einigen Jahren wurde für Bipolare Störungen meist einer der
Ausdrücke „manisch-depressive Erkrankung“, „manisch-depressive Psychose“
oder (von dem Psychiater Emil Kraepelin Ende des 19. Jahrhunderts
geprägt) „manisch-depressives Irresein“ verwendet. Umgangssprachlich
wird sie mitunter als „manische Depression“ bezeichnet, was
missverständlich ist. Auch die Bezeichnungen „manisch-depressive
Erkrankungen“ oder „manisch-depressive Krankheit“ sind heute als
Synonyme gebräuchlich und werden in der Öffentlichkeit in der Regel
besser verstanden. Ein unter Ärzten und Behörden oft als Synonym für die
Bipolare Störung verwendeter Ausdruck ist bipolare Psychose oder
affektive Psychose.
Das Wort „Psychose“ wird in der Fachwelt unterschiedlich verwendet:
Einige subsumieren nur „Wahn“ darunter, andere verwenden es für
gravierende psychische Störungen, zu denen Bipolare Störungen ? trotz
des vielleicht „harmlos“ erscheinenden Wortes „Störung“ ? sicher
gehören.
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Diagnostik
Hypomanien werden von Ärzten oft nicht zur Kenntnis genommen, oder sie
erfahren in der Anamnese nichts davon, so dass Bipolare Störungen dann
nicht angemessen behandelt werden. Auch Depressionen werden oft nicht
erkannt. Noch weniger bekannt sind die Symptome manisch-depressiver
Krankheiten in der Öffentlichkeit, obwohl viele – in Deutschland
vermutlich mindestens 2 Millionen Menschen – mindestens einmal in ihrem
Leben von Bipolaren Störungen betroffen sind.
Nur ein geringer Teil aller bipolar Erkrankten wird derzeit korrekt diagnostiziert (Grunze & Severus 2005).
Folgende Hürden erschweren eine Diagnose:
30 % Mischzustand: Lediglich knapp die Hälfte aller
Manien ist entgegen weit verbreiteter Ansicht und Darstellung durch
Euphorie („himmelhoch-jauchzend“) gekennzeichnet. Oft gehen gleichzeitig
depressive Symptome mit einher, die letztlich (zu 40 %) in einen
Mischzustand münden können. Wenn diese Mischsymptomatik nicht als solche
erkannt wird, kommt es schnell zu Fehldiagnosen.
Verbreitete Beschreibungen nennen finanziellen Ruin,
Bedenkenlosigkeit bei Trennungen und Wahn bei Manien als typische
Elemente, so dass Manien, die diese Phänomene nicht aufweisen, nicht als
solche wahrgenommen werden.
In der Manie kommt es vielfach zu exzessivem Alkohol- oder
Drogenkonsum, so dass eine Bipolare Störung vorschnell als Alkohol- oder
Drogenabhängigkeit eingeordnet wird.
Wenn Suchtkrankheiten als Komorbidität vorkommen, besteht eine erhöhte Gefahr, dass die Grunderkrankung
verschleiert wird.
Depression: Eine „rezidivierende unipolare Depression“ ist
die häufigste Fehldiagnose bei Bipolaren Störungen. Dies kommt daher,
weil hypomane Phasen meist nicht als solche erkannt, berichtet oder
erfragt werden.
ADHD: Bei Kindern und Jugendlichen ist die Abgrenzung zum
Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS, „Attentional
Deficit Hyperactivity Disorder“) schwierig.
Schizophrenie: Psychotische Symptome, die bei schweren
Manien auf deren Höhepunkt vorkommen können, führen oft zur Fehldiagnose
einer Schizophrenie oder einer schizoaffektiven Störung.
Kriterien des ICD-10 oder DSM-IV
Sowohl für manische als auch für hypomanische, depressive und gemischte
Episoden gibt es Kriterien-Kataloge, bei denen einige Symptome erfüllt
sein müssen und auch über eine definierte Zeit lang anhalten müssen, um
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eine Diagnose zu treffen.
Eine solche Auflistung von Symptomen findet sich beispielsweise in der
ICD-10, einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen
internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandten
Gesundheitsproblemen. Die verschiedenen Formen der bipolaren affektiven
Störung werden in der ICD 10 unter dem Schlüssel F31 klassifiziert,
dabei wird zwischen zehn verschiedenen Ausprägungen unterschieden.
Die folgenden Kriterien wurden dem viel verwendeten US-Amerikanischen
Klassifikationssystem „Diagnostic and Statistical Manual of Mental
Disorders“ (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer
Störungen, abgekürzt als DSM-IV) entnommen.
Kriterien für eine manische Episode
A. Eine ausgeprägte Periode abnormer und ständiger gehobener,
überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die über 1 Woche dauert (oder
Krankenhausaufenthalt).
B. Während der Periode der Stimmungsstörung halten drei (oder mehr) der
folgenden Symptome bis zu einem bedeutsamen Grad beharrlich an
(mindestens vier, falls die Stimmung nur gereizt ist):
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn.
Verringertes Schlafbedürfnis (z. B. fühlt sich erholt nach nur 3 Stunden Schlaf).
Gesprächiger als üblich oder Drang, zu reden.
Ideenflucht oder subjektives Gefühl, dass die Gedanken rasen.
Zerstreutheit (Aufmerksamkeit wird zu leicht zu unwichtigen oder belanglosen externen Reizen gezogen).
Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, am
Arbeitsplatz oder in der Schule oder sexuell) oder psychomotorische
Unruhe.
7. Exzessive Beschäftigung mit angenehmen Tätigkeiten, die
höchstwahrscheinlich negative Folgen haben (z. B. ungehemmter
Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten, oder törichte geschäftliche
Investitionen).
C. Die Symptome werden nicht besser durch die Kriterien der Gemischten Episode beschrieben.
D. Die Stimmungsstörung ist hinlänglich schwer, um eine ausgeprägte
Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale
Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken oder sie erfordern
einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu
verhindern, oder es gibt andere psychotische Merkmale.
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E. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer
Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen)
oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der
Schilddrüse) verursacht.
Kriterien für eine majore depressive Episode
A. Fünf (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der gleichen
2-Wochen-Periode vorhanden und bedeuten eine Änderung des bisherigen
Verhaltens, Gefühlslebens oder Leistungsfähigkeit, wobei mindestens
eines der Symptome eine Depressive Verstimmung oder der Verlust von
Interesse und Freude ist:
1. depressive Stimmung fast den ganzen
Tag, beinahe jeden Tag, angezeigt entweder durch subjektiven Bericht
(fühlt sich z. B. traurig oder leer) oder durch Beobachtung anderer
(erscheint z. B. weinerlich). Anmerkung: Bei Kindern und Heranwachsenden
kann eine gereizte Stimmung vorliegen.
2. deutlich vermindertes Interesse oder Freude bei allen, oder
beinahe allen Aktivitäten fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag (wird
entweder durch eigenen Bericht oder Beobachtungen anderer festgestellt).
3. erheblicher Gewichtsverlust ohne Diät oder Gewichtszunahme
(z. B. eine Veränderung des Körpergewichts um mehr als 5 % in einem
Monat) oder Ab- oder Zunahme des Appetits beinahe jeden Tag.
4. Schlaflosigkeit oder übersteigertes Schlafbedürfnis beinahe jeden Tag.
5. psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung fast jeden Tag
(beobachtet durch Andere, nicht nur subjektive Gefühle der Ruhelosigkeit
oder der Erschöpfung).
6. Erschöpfung oder Verlust der Energie beinahe jeden Tag.
7. Gefühl der Wertlosigkeit oder ausgeprägte und unangemessene
Schuldgefühle (die auch wahnhaft sein können), beinahe jeden Tag (nicht
nur Selbstvorwurf oder Schuldgefühle, weil man krank ist).
8. verminderte Fähigkeit, zu denken oder sich zu
konzentrieren, oder Entscheidungsunfähigkeit beinahe jeden Tag (entweder
durch subjektiven Bericht oder Beobachtung Anderer festgestellt).
9. wiederkehrende Todesgedanken (nicht nur Furcht zu sterben),
wiederkehrende Suizidgedanken ohne spezifischen Plan, oder ein
Suizidversuch oder eine konkrete Planung eines Suizid.
B. Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien für eine gemischte Episode.
C. Die Symptome verursachen klinisch bedeutsames Leiden oder eine
Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen
Aufgabengebieten.
D. Die Symptome beruhen nicht auf einem direkten physiologischen Effekt
einer Substanz (z. B. einem Drogenmissbrauch, einer Medikation) oder
einer generellen medizinischen Verfassung (z. B. Überfunktion der
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Schilddrüse).
E. Die Symptome werden nicht besser durch Trauer erklärt, z. B. über den
Verlust einer geliebten Person. Oder: Die Symptome dauern länger als 2
Monate an oder sind gekennzeichnet durch eine ausgeprägte funktionale
Beeinträchtigung, krankhafte Beschäftigung mit Wertlosigkeit,
Suizidgedanken, psychotische Symptome oder psychomotorische
Verlangsamung.
Kriterien für die hypomanische Episode
A. Eine mindestens vier Tage andauernde, ausgeprägte Periode ständig
gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die eindeutig
verschieden von der üblichen nichtdepressiven Stimmung ist.
B. Während der Phase der Stimmungsstörung sind drei (oder mehr) der
folgenden Symptome (vier, wenn die Stimmung nur gereizt ist) bis zu
einem gewissen Grad ständig vorhanden:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
überhöhtes Selbstwertgefühl oder Größenwahn.
vermindertes Schlafbedürfnis (z. B. fühlt sich erholt nach 3 Stunden Schlaf).
gesprächiger als üblich oder Rededrang.
Ideenflucht oder subjektive Erfahrung des Gedankenrasens.
Zerstreutheit (das bedeutet Fokussierung auf unwichtige oder unerhebliche externe Reize).
Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, beruflich oder in der Schule, oder sexuelle oder
psychomotorische Unruhe).
7. übertriebenes Engagement bei Vergnügungen, die in einem
hohen Maße schmerzhafte Konsequenzen nach sich ziehen (z. B.
hemmungsloser Kaufrausch, sexuelle Indiskretionen oder leichtsinnige
geschäftliche Investitionen).
C. Die Episode wird begleitet von Veränderungen der
Leistungsfähigkeit oder des Verhaltens, die für die Person in
symptomfreien Phasen uncharakteristisch ist.
D. Die Stimmungsstörung und der Wechsel des Auftretens werden durch Andere beobachtet.
E. Die Episode ist nicht schwer genug, um eine ausgeprägte
Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Aufgabenbereichen zu
verursachen oder einen Krankenhausaufenthalt zu erfordern, und es gibt
keine psychotischen Merkmale.
F. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer
Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen)
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oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der
Schilddrüse) verursacht.
Anmerkung: Hypomaniegleiche Episoden, die eindeutig durch somatische
antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente,
Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose:
„Bipolare II Störung“ zugerechnet werden.
Kriterien für eine gemischte Phase
A. Für mindestens eine Woche werden fast jeden Tag sowohl die Kriterien
für eine Manische Phase als auch für eine Depressive Phase erfüllt
(abgesehen vom Kriterium der Dauer).
B. Die Störung der Stimmung ist schwer genug um eine ausgeprägte
Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale
Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken oder sie erfordern
einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu
verhindern, oder es gibt andere psychotische Merkmale.
C. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer
Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen)
oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der
Schilddrüse) verursacht. Anmerkung: Der Gemischten Phase vergleichbare
Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung
verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie),
sollten nicht einer Diagnose: „Bipolare I Störung“ zugerechnet werden.
Begleiterkrankungen (Komorbidität)
Bei Erwachsenen ist Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch mit 2/3 die häufigste Komorbidität.
Medikamentenmissbrauch tritt vor allem in postmanischen
Mischzuständen und den darauf folgenden schweren Depressionen auf.
Tägliche Medikamentenzuteilung und Einnahmeüberwachung sollte in diesen
Episoden selbstverständlich sein.
Panikstörungen und Persönlichkeitsstörungen.
Während einer Manie konzentriert der Betroffene oft seine volle
Kapazität auf meist angenehme Teilaspekte seines Lebens, wobei andere
Aspekte vernachlässigt oder völlig ignoriert werden. So kann es
vorkommen, dass der Betroffene seine gesamte Energie auf sein
berufliches oder freiwilliges Engagement, für einen neuen Partner oder
auf Sexualität fokussiert, gleichzeitig aber wichtige oder wichtigere
Dinge wie z. B. seinen Haushalt oder seinen Beruf oder seine Familie
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völlig vernachlässigt. Die vermehrte Leistungsbereitschaft kann zunächst
auch zu Erfolgen führen. So kann der Erkrankte während einer Manie,
mehr noch aber bei einer Hypomanie, bei vorhandener Begabung sehr
respektable Leistungen vollbringen. Auch die übersteigerte Geselligkeit
und Schlagfertigkeit kann gut ankommen. Der Schlaf reduziert sich jedoch
extrem und der Körper wird entsprechend überanstrengt.
Bei stärkeren Ausprägungen kann es zu Realitätsverlust und Wahn kommen.
Dies ist in postmanischen Mischzuständen häufig der Fall. Die
Selbstüberschätzung und die Grandiositätsgefühle während der Manie
können in einen Größenwahn umschlagen (Megalomanie und/oder
Cäsarenwahn). Dabei kann ein religiöser Wahn, auch religiöser Größenwahn
auftreten. Auch wegen des durch die Manie hervorgerufenen teils
extremen Schlafmangels können Halluzinationen hervorgerufen werden.
Vielen Betroffenen fällt es schwer, einen „Normalzustand“ oder
„Normalität“ als erstrebenswert anzusehen. Es kommt deshalb in einigen
Fällen zu einer Bevorzugung des hypomanischen Zustands, was einer
Phasenprophylaxe entgegensteht.
Verlaufsformen
Manische oder depressive Episoden treten häufig, aber nicht
ausschließlich nach einem belastenden Lebensereignis auf. Das erstmalige
Auftreten der Krankheit kann in jedem Alter geschehen. Die ersten
Symptome treten jedoch meist zwischen 15 und 30 Jahren auf. Die
Betroffenen durchleben in den ersten 10 Jahren meist vier verschiedene
Phasen. Häufigkeit und Dauer der einzelnen Phasen sind sehr
unterschiedlich. Generell lässt sich jedoch sagen, dass manische Phasen
in der Regel etwas kürzer dauern als depressive Episoden, dass die
Intervalle zwischen den Phasen im Laufe der Zeit kürzer werden und dass
mit zunehmendem Lebensalter häufiger depressive Phasen auftreten und
diese länger andauern. Nach einigen Phasen der Krankheit können sich
innere Rhythmen ausbilden, die auch unabhängig von äußeren Ereignissen
wirken. Mitunter, wenn nach der ersten oder den ersten Episoden keine
weiteren mehr auftreten, sie also nicht schnell genug erkannt und
adäquat behandelt werden, tritt die bipolare Störung dann bei vielen als
eine lebenslange, chronische Erkrankung in Erscheinung.
Es gibt eine Rückkoppelung zwischen den Erlebnissen und dem Handeln
einer Person auf der einen Seite und seiner Biochemie und Symptomatik
auf der anderen Seite. Mangelnde Einsicht (in den manischen Phasen) ist
ein Symptom der Erkrankung, ohne dieses Element wäre das
krankheitsbedingte selbstschädigende Verhalten nicht möglich. Je mehr
Zeit vergeht, bevor Einsicht erlangt wird, desto stärker werden
Hirnstrukturen geprägt, was die Prognose negativ beeinflusst. Hinzu
kommt der Einfluss von krankheitsbedingten Entscheidungen (Probleme am
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Arbeitsplatz und in Beziehungen, Schulden) auf die Lebensoptionen.
Gemäß den neuesten Studien erreichen bis zu 40 % nach Phasen von Manie
oder Depression ihr ursprüngliches Funktionsniveau nicht mehr. 40 % der
Betroffenen haben einen günstigen psychosozialen Verlauf bzw. können ihr
soziales Umfeld bzw. ihre Position in der Gesellschaft erhalten. Im
Fall bleibender Symptome wie Konzentrationsschwäche oder Müdigkeit
spricht man von residualen Symptomen. Dauert die Krankheit länger mit
mehreren längeren Klinikaufenthalten, besteht die Gefahr, dass der
betroffenen Person vielfach der soziale Halt verloren geht, oft auch der
Arbeitsplatz. Mitunter zerbricht die Familie.
Suizidrisiko
An bipolaren Störungen Leidende haben generell ein um ein Vielfaches
erhöhtes Selbsttötungsrisiko. Durchschnittlich begehen 15 bis 30 %
Selbsttötung. In manchen Gegenden – wie für Schottland nachgewiesen –
ist die Selbsttötungsrate von Betroffenen 23 Mal höher als im
Bevölkerungsdurchschnitt, und in manchem Lebensabschnitt –
beispielsweise im Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach der
Erstmanifestation – ereignen sich besonders viele Suizide
Besonders riskant sind Depressionen, bei denen die Lähmung des Antriebs
noch nicht vorhanden oder bereits wieder etwas verbessert ist, so dass
die Selbsttötung umgesetzt werden kann. Auch gemischte Phasen
(Mischzustände), bei denen in quälender Weise manische und depressive
Symptome zugleich auftreten, bergen infolge der dysphorischen bzw.
verzweifelten Stimmung und des enorm hohen Antriebsniveaus ein
Selbsttötungs-Risiko. Ein weiterer Grund kann sich sogar bei klarer
Überlegung zwischen den Phasen halten: Viele Experten halten die
Depression für die Krankheit, bei der man am meisten leidet. Bipolare
mit ungünstiger Prognose und vielen Phasen zuvor wissen darum, dass
wieder und wieder Depressionen kommen werden.
Ursachen
Die Entstehung einer bipolaren Störung ist höchstwahrscheinlich
multifaktoriell bedingt (Vulnerabilität). Sowohl genetische Faktoren als
auch psychosoziale Auslöser dürften eine Rolle spielen, d.h. das Erbgut
setzt einen Rahmen für die Erkrankungswahrscheinlichkeit
(Prädisposition) und die Umfeldfaktoren beeinflussen Entstehung, Verlauf
und Ende der Erkrankung.
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Erblichkeit
Bipolare Störungen sind bis zu einem gewissen Grad erblich veranlagt.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Verwandte ersten Grades von Menschen
mit einer Bipolar-I-Störung ebenfalls daran erkranken, ist gegenüber der
normalen Bevölkerung siebenfach erhöht. Deren Risiko, an irgendeiner
Form von Gemütsleiden – an einer affektiven Störung also – zu erkranken,
ist sogar um das 15- bis 20-fache erhöht. Bei eineiigen Zwillingen ist
bei 60 Prozent der Fälle der zweite Zwilling ebenfalls von der bipolaren
Störung betroffen, falls der erste erkrankt ist. Allerdings wird daraus
auch deutlich, dass trotz 100prozentig gleichen Erbguts keine
100prozentige Übereinstimmung bei der Krankheit besteht.
Bipolare Erkrankungen sind keine klassischen, reine Erbkrankheiten, die
etwa gemäß der mendelschen Regeln dominant oder rezessiv vererbt werden.
Dennoch tragen nach heutigem Wissensstand verschiedene Gene zum
Erkrankungsrisiko bei. So wurden bei manisch-depressiven Menschen
Veränderungen vor allem auf den Chromosomen 18, 4 und 21 festgestellt.
So z. B. an einem Gen, das auf Wirkungen von Stress auf das Nervensystem
Einfluss ausübt. Auch genetische Codierungen für das episodenhafte
Denken können betroffen sein. Weiter ist ein Gen wirksam, das für Stoffe
zur Ausbildung von Nervenscheiden und auch bei Veränderungen in der
Pubertät verantwortlich ist. Gene für Monoaminooxidase (MAO), für
Serotonin-Transport, für den Aufbau des Noradrenalin-Stoffwechsels sind
ebenfalls betroffen.
Jedes einzelne Gen bzw. jeder einzelne genetische Defekt hat hierbei nur
einen relativ geringen Effekt. Solche Anlagenträger sind recht
verbreitet. Kommen allerdings viele solcherart wirkende Gene bei einer
Person zusammen, so hat sie eine große Disposition, bei auslösenden
Faktoren im Laufe des Lebens an der bipolaren Störung zu erkranken.
Behandlung
Aufgrund mitunter mangelnder Krankheitseinsicht der Betroffenen,
insbesondere in manischen Episoden oder bei akuter Suizidgefahr, muss
eine Behandlung in der akuten Krankheitsphase bei Manien oder schweren
Depressionen manchmal gegen den Willen der Patienten als
Zwangsbehandlung erfolgen. In den meisten Fällen zeigen Betroffene
jedoch Einsicht und lassen sich auch wegen ihres hohen Leidensdrucks
freiwillig behandeln. Wenn allerdings manische Phasen erstmals
auftreten, können Betroffene keine Einsicht haben, da sie noch keine
Erfahrungen über die schweren negativen Folgen gesammelt haben. Bei
vielen kommt die Einsicht erst nach mehreren Phasen. Sehr hilfreich für
eine erfolgreiche Behandlung ist, wenn sich die Betroffenen über ihre
eigene Krankheit informieren und viel darüber lesen, damit sie selbst
nachvollziehen können, welche Behandlung in welcher Phase am besten ist,
und damit sie auch das rechtzeitige Gegensteuern, welches für ein
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geregeltes Leben zwingend notwendig ist, lernen. Voraussetzung für eine
erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose.
In den meisten Fällen ist eine Behandlung mit Medikamenten indiziert und
auch zwingend notwendig, weil alleine durch Gespräche die krankhafte
Veränderung des Botenstoffhaushaltes nicht ausreichend beeinflusst
werden kann. Die medikamentöse Behandlung wird durch regelmäßige
Kontrollen und Gespräche unterstützt beziehungsweise überwacht. In
Abhängigkeit von Krankheitsverlauf und -schwere kann bei leichten Fällen
auch alleine mit einer regelmäßigen Gesprächstherapie eine
Stabilisierung erzielt werden. Hierbei ist das frühzeitige Erkennen der
Erkrankung ein wichtiger Faktor. Eine bipolare Störung tritt nicht
urplötzlich bei einem vorher völlig gesunden Menschen auf, sondern
entwickelt sich schleichend. Auf Grund von mangelnden Kenntnissen in der
Öffentlichkeit und sogar bei Ärzten, und auch der Scheu vor dem Umgang
mit psychischen Erkrankungen, wird bei vergleichsweise milden
Krankheitssymptomen oftmals über Jahre hinweg nicht eingegriffen möglicherweise auch aus Angst vor Medikamenten. Dabei kann der Verlauf
durch das frühzeitige Stellen einer Diagnose und mit regelmäßigen
Gesprächen stark positiv beeinflusst werden.
Medikamente
In den verschiedenen Episoden wird unterschiedliche Medikation
verwendet. Man unterscheidet ferner zwischen Akuttherapie,
Erhaltungstherapie und Prophylaxe.
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