Junges Staatstheater Braunschweig Spielzeit 2014/2015 www.staatstheater-braunschweig.de [email protected] Tel. (0531) 1234 542 »Die Klimakonferenz«│12+ Theatrale Installation Uraufführung Materialmappe Was ist der Unterschied zwischen Klima und Wetter? Wie viel CO2 in der Atmosphäre sind 350 ppm-äqu? Was ist das 2-Grad-Ziel? Was hat der Mensch mit dem Klimawandel zu tun? Habe ich mit meinem alltäglichen Konsumverhalten Einfluss auf den Klimawandel? Warum kommt ständig der Eisbär auf der einsamen Scholle daher geschwommen, wenn es um den Klimawandel geht? »Klima = Wetter...Oder?« 2-Grad-Ziel, Wetter, Klima, Pole schmelzen. Wird es jetzt wärmer? Oder kälter? Oder beides? Zum Thema Klimawandel haben alle etwas zu sagen, denn es ist omnipräsent: in den Medien, in der Politik und auch in der Schule. Laut der Shell Jugendstudie 2010 nennen 76% der jungen Menschen den Klimawandel ein wichtiges Zukunftsthema. Während den Vorbereitungen zu dieser Inszenierung haben wir festgestellt, dass unser Wissen zum Klimawandel nur zu einem begrenzten Teil ausreicht, um daraus eine ›theatrale Installation‹, die wir »Die Klimakonferenz« nennen, zu erarbeiten. Wir danken daher dem Institut für Geoökologie, Klimatologie und Umweltmeteorologie der TU Braunschweig für ihre Kooperation und Unterstützung für diese Inszenierung. Im Rahmen des Seminars »Science meets Theatre« haben wir über zwei Semester die inhaltliche Dimension der Produktion eingegrenzt. Das erarbeitete Material finden Sie hier in der Mappe. »Die Klimakonferenz« lädt junge Menschen ab 12 Jahren ein, sich mit den Mitteln des Theaters mit den Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels auseinanderzusetzen, ein Bewusstsein für den Einfluss des Menschen darauf zu entwickeln und Möglichkeiten zu erdenken, im Alltag darauf zu reagieren. In dieser Materialmappe befinden sich inhaltliche Anregungen und Aufgaben zur Vor- und Nachbereitung Ihres Theaterbesuchs. Wir wünschen viel Freude bei dem Theaterbesuch und hoffen, dass der Besuch neue Eindrücke liefert. Anregungen zur Gestaltung und zum Inhalt der Materialmappe nehmen wir dankend entgegen. Thiemo Hackel, Kathrin Simshäuser & Carsten Weber für das Junge Staatstheater Braunschweig »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 2 Ralph Kinkel »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 3 Kontakte [email protected] Tel. (0531) 1234 542 Leiter Junges Staatstheater [email protected] Tel. (0531) 1234 521 Dramaturgie & Organisation [email protected] Tel. (0531) 1234 542 Dramaturgie [email protected] Tel. (0531) 1234 524 Theaterpädagogik [email protected] Tel. (0531) 1234 541 Theaterpädagogik [email protected] Tel. (0531) 1234 504 Herausgeber Staatstheater Braunschweig, Am Theater, 38100 Braunschweig Generalintendant Joachim Klement Leiter Junges Staatstheater Andreas Steudtner Redaktion und Gestaltung Sascha Bertram, Marina Fabry, Lisa Hennig, Manina Herden, Maria Hinz, Janko Löbig, Marcus Schiedung, Stefanie Wöhler, Kathrin Simshäuser, Carsten Weber, Thiemo Hackel, Laura Wübbenhorst Fotos Volker Beinhorn Redaktionsschluss 13.06.2015 Änderungen vorbehalten »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 4 Anja Dreischmeier, Anja Signitzer, Ralph Kinkel, Esther Jurkiewicz, Nikolaij Janocha Ravi Marcel Büttke, Anja Signitzer, Anja Dreischmeier »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 5 Besetzung Künstlerische Leitung Andreas Steudtner Bühne & Kostüme Katharina Lackmann Dramaturgie Kathrin Simshäuser Theaterpädagogik Thiemo Hackel von und mit Ravi Marcel Büttke, Anja Dreischmeier, Thiemo Hackel, Nikolaij Janocha, Esther Jurkiewicz, Ralph Kinkel, Luca Schoos Neves, Anja Signitzer, Kathrin Simshäuser, Carsten Weber sowie Marina Fabry, Manina Herden, Jannik Heusinger, Janko Löbig vom Institut Geoökologie der TU Braunschweig Regieassistenz & Spielleitung Esther Jurkiewicz Hospitanz Luca Schoos Neves (Regie & Dramaturgie) Produktionsassistenz Karin Haberich, Marzieh Sargaran, Christine Wagenleiter Musikalische Einstudierung Carl Philipp Fromherz Ausstattungsleitung / Technische Direktion Ralf Wrobel Ton-, Bühnen- & Beleuchtungstechnik Jens Hanking, Katharina Höffert, FrankWolfgang Rosenthal Videoschnitt Gregor Dobiaschowski Leitung Requisite Sascha M. Kaminski Leitung Kostümabteilung Ernst Herlitzius Leitung Maskenabteilung Nicolas Guth Maske Lisa Widdeke Leitung Ausstattungswerkstätten Petra Röder Produktionsingenieur Stephan Busemann Leitung Malsaal Sonja Bähr Leitung Tischlerei Peter Kranzmann Leitung Schlosserei Armin Zühlke Leitung Deko- & Möbelabteilung Axel Schneider Premiere 13. Juni 2015 im Haus Drei Aufführungsdauer ca. 150 Minuten, inkl Workshop Aufführungsrechte Junges Staatstheater Braunschweig »Den Klimawandel aufhalten? Die Welt retten? Wir müssen in diese Richtung!« »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 6 Nikolaij Janocha, Ralph Kinkel, Anja Signitzer, Luca Schoos Neves, Anja Dreischmeier »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 7 Einführung Klimaänderungen der letzten Jahre Seit die Erde existiert kommt es zu Klimaschwankungen. Dabei kam es immer wieder zu einem Wechsel zwischen sich Kalt- und Warmzeiten (siehe Abbildung 1). Zurzeit befinden wir uns im seit circa 11.000 Jahren andauernden Holozän, einer Warmzeit nach der Weichselkaltzeit. Diese hatte vor ca. 8000 Jahren ihren Höhepunkt (Klimaoptimum) erreicht, wonach bis zum Beginn der Industrialisierung ein geringer Kalttrend einsetzte. Die Lufttemperaturen waren vor Beginn der Industrialisierung ca. 0,5 °C niedriger als zu Zeiten des Klimaoptimums. Seit Beginn der Industrialisierung ist hingegen wiederum ein eindeutiger Anstieg der globalen Lufttemperatur zu verzeichnen. Abbildung 1: Globale Temperaturverteilung gegenüber dem heutigen Mittelwert der letzten 542 Mio. Jahre (Endlicher & Gerstengarbe, 2007) Die Klimaschwankungen vor Beginn der Industrialisierung hatten natürliche Ursachen, welche schon seit einigen Jahren Gegenstand der Forschung und somit mittlerweile gut erklärbar sind. Die aktuelle globale Klimaänderung lässt sich jedoch nicht nur durch natürliche Ursachen erklären und hat zusätzlich einen anthropogenen Hintergrund, welcher immer mehr in den Vordergrund der Klimaforschung und Öffentlichkeit gerät. Natürliche Ursachen für Klimaschwankungen Die Sonne und die damit verbundene Solarkonstante ist der größte Einflussfaktor des Erdklimas. Die Ausprägung der Solarkonstante (s. Glossar) schwankt bedingt durch verschiedene Ursachen im Laufe der Jahre. Ungefähr alle 11 Jahre besitzt die Sonne ein Aktivitätsmaximum, welches sich durch eine vermehrte Anzahl an Sonnenflecken bemerkbar macht, der sogenannte Sonnenfleckenzyklus. Erkennbar und erforschbar ist dies z.B. in der Dicke von Baumringen. Zusätzlich zu dem elfjährigen Zyklus kam es in der Vergangenheit zu auffälligen Minima in der Sonnenfleckenaktivität und damit verbunden auch zu kleinen Kaltzeiten (Bsp. Maunderminimum – 1645 bis 1715). Zusätzlich wird die Bestrahlungsstärke der Erde durch die Sonne von den Milankovitsch-Zyklen beeinflusst. Dabei spielen verschiedene »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 8 Erdbahnparameter (Ekliptikschiefe, Präzession, Exzentrizität), welche sich zyklisch ändern eine wichtige Rolle. Diese extraterrestrischen Ursachen reichen jedoch nicht um Klimaschwankungen vollständig zu erklären, es sind auch Rückkopplungsprozesse mit terrestrischen Ursachen nötig. Zu diesen terrestrischen Ursachen zählt unter anderem die Verteilung der Landmasse auf der Erdoberfläche. So besagt die Kontentaldrift-Theorie, dass es nur zu einer Eiszeit kommen kann, wenn in Polnähe genügend Landmassen vorhanden sind, auf denen Schnee liegen bleiben kann um im späteren Verlauf Eisablagerungen zu bilden. Dadurch kann es dann zu einer positiven Eis-Albedo-Rückkopplung (s.Glossar) kommen. Ebenfalls ein wichtiger Punkt ist das Vorhandensein von Wolken, welche circa 25 bis 30 % der Sonneneinstrahlung reflektieren. Dieser Effekt ist auch bei großen Vulkanausbrüchen mit größeren Aschwolken zu verzeichnen. Beides führt zu einem geringeren Energieeintrag an der Erdoberfläche und hat somit eine kühlende Wirkung. Zusätzlich spielt die thermohaline Zirkulation (z.B. Golfstrom, El Niño; s.Glossar) unserer Ozeane und dessen Rückkopplungseffekte eine wichtige Rolle in unserem Klimasystem. Ein wichtiger Antrieb für unser Klima ist der Treibhauseffekt, welcher auf der chemischen Zusammensetzung unserer Atmosphäre beruht. Die einfallende Sonnenenergie ist kurzwellig und wird von den Treibhausgasen in unserer Atmosphäre zur Erdoberfläche hindurch gelassen. Diese nimmt die Energie auf und wandelt sie in (langwellige) Wärmestrahlung um. Diese Wärmestrahlung wird nun nicht mehr komplett aus der Erdatmosphäre herausgelassen, da klimawirksame Gase (z.B. CO2) diese aufnehmen (absorbieren) und wieder gleichförmig in alle Richtungen an die Atmosphäre abgeben. Abbildung 2: Der natürliche Treibhauseffekt (http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/klimawandel/3842 7/wetter-klima-und-klimawandel). Anthropogene Ursachen für Klimaschwankungen Da der Mensch immer mehr in die Natur eingreift, beeinflusst er mittlerweile auch das Klima. So verändert er z.B. die Erdoberfläche indem er sie mit Häusern bebaut und Landwirtschaft betreibt. Dies verändert die thermischen Eigenschaften der Orte, an denen die Nutzungsänderungen stattfinden entscheidend. So kommt es in Städten oft zu höheren Temperaturen als im Umland. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 9 Ebenfalls wird die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre und deren Anreicherung mit Treibhausgasen durch den Menschen verursacht. Durch Nutzung fossiler Brennstoffe, Waldrodungen, intensive Viehhaltung und weitere anthropogen bedingte Prozesse werden immer mehr Kohlendioxid, Methan und andere Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen. Eine erhöhte Kompensation durch natürliche Prozesse wie beispielsweise Photosynthese findet aber nicht statt, sodass die Konzentrationen dieser Gase ansteigen und der Treibhauseffekt verstärkt wird (Abbildung 3). Abbildung 3: Verlauf der CO2, N2O (Lachgas) und CH4 (Methan) Konzentrationen über die letzten 2000 Jahre (EPA, 2015). Rückkopplungen Die verschiedenen Ursachen und ihre Auswirkungen für Klimaänderungen, können sich gegenseitig positiv oder negativ beeinflussen und damit verstärken bzw. abschwächen. Ein Beispiel für eine positive Rückkopplung wäre z.B. die Eis-Albedo-Rückkopplung: Wenn die Gletscher- und Eisflächen immer weiter abschmelzen wird dadurch die Albedo verringert und die Atmosphäre wärmt sich schneller auf. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 10 Prognosen zum anthropogenen Klimawandel und zu erwartende Folgen Einleitung, IPCC und Klimamodelle Eines der wichtigsten wissenschaftlichen und internationalen Organe im Rahmen des Klimawandels und dessen Quantifizierung ist der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Dieser ist ein Zusammenschluss von mehreren hundert WissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt und erstellt in regelmäßigen Abständen Berichte für die Vereinten Nationen, der Neueste ist von 2013 und der Vorige von 2007. Diese Berichte sind sehr ausführlich, da sie zum einen beobachtete klimatische Veränderungen darstellen, und zum andern sogenannte Projektionen auf Basis hoch komplexer Modelle erstellen, die wissenschaftlich anerkannten Szenarien unterliegen. Der IPCC macht keine eigene Datenerhebung, sondern benutzt Daten aus anerkannten publizierten wissenschaftlichen Arbeiten oder Messstationen. Die im neuen Bericht verwendeten Szenarien beinhalten mögliche CO2-Konzentrationsentwicklungen und damit verbundene Treibhauseffekte bis zum Jahr 2100. Es wurden in dem Bericht vier Szenarien vorgestellt, wobei es ein Klimaschutzszenario und ein Worst-Case Emissionsszenario gibt. Zwischen diesen beiden liegen noch zwei weitere Szenarien, die einen Anstieg der CO2-Konzentrationen bis zum Jahr 2100 beinhalten, wobei ab ca. 2050 eine Abschwächung der Emissionen stattfindet. Klimamodelle im Allgemeinen sind die wohl kompliziertesten Modelle die es im Moment gibt und sie können nur von Superrechnern berechnet werden. Des Weiteren werden die Modelle immer weiter mit neuen Daten und klimatischen Wechselwirkungen und Zusammenhängen optimiert. Unsicherheiten sind jedoch, trotz Optimierung, ein wichtiger Faktor und somit unterliegen alle Ergebnisse immer einer gewissen Unsicherheit. Es ist jedoch mathematisch und statistisch möglich die wahrscheinlichsten Varianten zu bestimmen. Prognosen Die EU-Kommission und die Bundesregierung haben sich das Ziel gesetzt unter einer globalen Erwärmung von 2 °C zu bleiben. Das angenommene Worst-Case Szenario würde jedoch eine Erwärmung um rund 4 °C verursachen und das Klimaschutzszenario eine Erwärmung um 1,5 °C im Jahr 2100. Die angesprochenen Erwärmungen bezeichnen hierbei den globalen Mittelwert der Lufttemperatur. Wichtiger ist jedoch die regionale Betrachtung. Abbildung 4 zeigt, dass vor allem die nördlichen Polarregionen eine höhere Erwärmung erleben werden und andere Regionen, wie bspw. Teile des Pazifiks eine nicht so starke. Diese Veränderung der Temperatur verursacht »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 11 auch eine Veränderung des Wasserzyklus in globaler Sicht. Hier ist, wie bei der Temperatur, auch die regionale Veränderung von großer Bedeutung. So werden Regionen, die jetzt schon hohe Niederschlagsmengen aufweisen, noch feuchter und trockene Regionen noch trockener. Im folgenden Kapitel wird auch auf die damit verbundene Wasserknappheit eingegangen. Mit der Temperaturzunahme werden weitere Gletscher und Schneemassen schmelzen und für einen Wasserinput in die Ozeane sorgen. Außerdem wird das Ozeanwasser sich mit zunehmender Temperatur weiter ausdehnen, da die Dichte von Wasser temperaturabhängig ist. Abbildung 4: Temperaturveränderung im Jahr 2100 für das Klimaschutzszenario (RCP 2.6) und das Worst Case Szenario (RCP 8.5), ICPP 2013. Somit ist global mit einem Meeresspiegelanstieg zu rechnen. Je nach Szenario wird ein Anstieg von 0,3-1,0 m prognostiziert. Ein Anstieg von einem Meter würde in Deutschland bedeuten, dass zum Beispiel Hamburg, Bremen und die Ostfriesischen Inseln stark überschwemmt sein würden. Die angesprochenen regionalen Unterschiede in Temperaturanstieg und Niederschlag sind auch auf der Skala von Deutschland zu prognostizieren. So wird der Temperaturanstieg im Süden und Osten höher sein als im Westen und diese Regionen werden auch trockener werden. Auch Braunschweig wird im Mittel einen Anstieg der Temperatur erleben und Veränderungen der Niederschlagsereignisse. Folgen Der IPCC listet folgende Folgen als höchst wahrscheinlich auf: • Hohes Risiko für Küsten, durch ansteigenden Meeresspiegel • Überflutungen großer Flüsse (durch extreme Niederschläge), mit einer verbundenen, hohen Gefahr für Städte • Extremwetterlagen, Hitzewellen und Starkregen (mit höherer Intensität und Frequenz) »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 12 • • • Stärkere Probleme für ärmere Länder und deren Bevölkerung, Schäden und Versorgungsprobleme zu kompensieren Verlust von Biodiversität und Ökosystemen Geringere landwirtschaftliche Produktion Wasserknappheit wird in Zukunft wahrscheinlich das größte Konflikt- und Kriegspotential sein. So werden Regionen, die jetzt schon Wasserknappheit aufweisen, noch stärkere Probleme haben genug Wasser für die Versorgung liefern zu können. Außerdem wird die Verschmutzung von Trinkwasser wahrscheinlich stärker zunehmen und damit die Trinkbarkeit weiter beeinträchtigt. In trockenen Regionen wird es dann zusätzlich zu starken Einschränkungen der Landwirtschaft kommen, da das Wasser für die Bewässerung fehlen wird und sich somit auch das globale Hungerproblem verstärkt. Mit dem Anstieg der Temperatur ist davon auszugehen, dass Wetterereignisse immer extremer werden in der Zukunft. So werden zum Beispiel im Sommer extreme Hitzewellen und extreme Starkregenereignisse in unserer Region häufiger auftreten und sich intensivieren. Dies hat vor allem für die Landwirtschaft hohe Bedeutung, da die Produktion durch solche extremen Wetterlagen stark minimiert wird. Außerdem haben solche Extremereignisse auch direkte Auswirkungen auf die Gesundheit. Hier sind vor allem Herzkreislaufbeschwerden während Hitzewellen zu beachten und die Verschmutzung von Trinkwasser und Ausbreitung von Keimen und Krankheiten nach Starkregenereignissen. Auch wirtschaftlich wird der Klimawandel starke Folgen haben. So muss in Zukunft mehr für Instandhaltung und Reparatur von Infrastruktur investiert werden. Ausgleichszahlungen an Landwirte nach Missernten werden steigen. Schutzmaßnahmen gegen Überflutung, wie Deiche, müssen erneuert und verbessert werden. Weitere Frühwarnsysteme müssen installiert und entwickelt werden um Extremereignisse besser abschätzen und kalkulieren zu können. In einigen Regionen wie den Alpen, wird der Tourismus und damit eine wichtige Einnahmequelle stark abnehmen. Fazit Die Temperatur wird - in Abhängigkeit der Emissionsentwicklungen - global ansteigen. Jedoch ist vor allem der regionale Unterschied von Bedeutung. Höhere Breitengrade werden sich stärker erwärmen, wovon vor allem die Arktis besonders betroffen sein wird. Mit der Temperatur sind in dem komplexen Klimasystem auch andere Faktoren gekoppelt. So werden jetzt schon regenintensive Gebiete noch feuchter und trockene Gebiete trockener. Dies wird in Zukunft, sofern nicht deutliche Emissionsminderungen bis 2050 erreicht werden, starke Folgen haben und der „Kampf“ um Wasser wird das höchste Kriegspotential sein. Mit zunehmender Temperatur werden vor allem extreme Wettereignisse zunehmen, die unterschiedliche direkte und indirekte Folgen haben. Diese reichen von direkter Gesundheitsgefährdung (starke Hitze, Krankheiten und Keime) bis hin zu zusätzlichen wirtschaftlichen Belastungen auf Grund des Anpassungsdrucks. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 13 Weitere Internetseiten Ein interessantes Kartentool um sich viele mögliche Veränderungen in Deutschland zu verdeutlichen, bietet das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Man kann zwischen dem Emissionsszenario (RCP8.5) und dem Klimaschutzszenario (RCP2.6) wählen. http://www.klimafolgenonline.com/ IPCC Website mit allen Berichten und auch anschaulichen Videos http://www.ipcc.ch/ IPCC Synthesis Report Video https://www.youtube.com/watch?v=F-Hcu3jH8G4&feature=youtu.be Bisherige Folgen des anthropogenen Klimawandels Antriebe des Klimawandels Der so genannte Antrieb des Klimawandels ist ein Begriff, der eine externe Störung der natürlichen Strahlungsbilanz beschreibt. Der natürliche Strahlungsantrieb wird durch solare Strahlungsänderungen hervorgerufen, beträgt aber nur etwa 10 % des gesamten Strahlungsantriebes. Der anthropogene, durch den Menschen verursachte Anteil, trägt somit zu über 90 % zum gesamten Strahlungsantrieb bei (IPCC, 2007). Hervorgerufen wird der anthropogene Anteil der Strahlungsbilanz hauptsächlich durch Emissionen von Treibhausgasen. Die durch Menschen emittierten Treibhausgase sind zum größten Teil Kohlendioxid, aber auch Methan, Lachgas und Halogenkohlenwasserstoffe (u.a. FCKW) tragen dazu bei. Obwohl in viel geringeren Konzentrationen ausgestoßen, sind Methan, Lachgas und Halogenkohlenwasserstoffe durch ihr vielfaches Potenzial zur Klimaschädigung, verglichen mit der gleichen Menge Kohlendioxid, sehr relevant für den Treibhauseffekt. Eine weitere Komponente bildet das durch menschliche Schadstoffe entstehende Ozon, aber auch Ruß durch Feuer und Verbrennung fossiler Rohstoffe, Veränderungen der Landnutzung und die daraus folgende Änderungen der Reflektion der Sonneneinstrahlung sind am Strahlungsantrieb beteiligt. Als Beispiel sei ein fast schwarzer Ackerboden genannt, der kaum Strahlung reflektiert und sich somit deutlich stärker erwärmt als eine saftige grüne Wiese. Ausprägungen des rezenten Klimawandels Historisch gesehen gab es schon immer Klimaschwankungen. Diese lassen sich durch Analysen von Eisbohrkernen und anderen so genannten Klimaarchiven recht gut rekonstruieren. Ein starkes Indiz für einen nicht natürlich bedingten Klimawandel ist allerdings, dass der globale Temperaturanstieg in der letzten 100 Jahren plus der nächsten vorhergesagten 50 Jahre größer sein wird als jemals in mehr als 11000 »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 14 Jahren zuvor rekonstruiert werden konnte (Schönwiese, 1997). Seit Beginn der Industrialisierung und dem damit verbundenen Ausstoß von Treibhausgasen ist ein deutlicher Anstieg der Globaltemperatur messbar. Betrachtet man die letzten 150 Jahre, so ist die globale Temperatur im Mittel um ca. 1 °C gestiegen, wobei die Hälfte des Anstieges in den letzten 50 Jahren stattgefunden hat (Gerstengarbe & Werner, 2007). Die globale Verteilung ist allerdings sehr ungleichmäßig. So gibt es Gebiete, in denen es sogar etwas kühler geworden ist, allerdings auch welche die heute mehr als 2 °C wärmer sind. In Deutschland ist der Klimawandel ebenfalls präsent, hier ist es im Mittel, bezogen auf den Zeitraum von 1961 bis 1990, um fast 1.5 °C wärmer geworden. Auch hier gibt es Regionen in denen es um mehr als 2 °C wärmer geworden ist, kühler ist es hingegen in keiner Region geworden (Gerstengarbe & Werner, 2007). Noch deutlicher fallen regionale Änderungen bzw. Unterschiede bei Betrachtung der Niederschlagsverteilung auf. Fast überall ist es so, dass feuchte Gebiete feuchter geworden und trockene Gebiete trockener geworden sind. Das reicht so weit, dass es globale Niederschlagsanomalien gibt, die von mehr als ± 500 mm Niederschlag im Jahr reichen (Gerstengarbe & Werner, 2007). Man bedenke: Im Raum Braunschweig fallen pro Jahr ca. 600 mm Gesamtniederschlag. Dies kann in den stark betroffenen Gebieten katastrophale Folgen haben. So wird an der einen Stelle das jetzt schon knappe Trinkwasser immer weniger verfügbar und an anderen Stellen häufen sich die Flutkatastrophen. Auch die Landwirtschaft leidet darunter, es gibt immer öfter Ernteausfälle durch Dürreperioden oder überflutete Äcker. Damit einhergehend kommt es zu infrastrukturellen Problemen, die häufig mit hohen Kosten verbunden sind und - nicht zu vergessen - zu privaten Schicksalsschlägen. Folgen des anthropogenen Klimawandels Zu den Folgen gehören Extremwetterereignisse, die durch Hitze- und Kälteperioden, Starkregen und verheerende Stürme gekennzeichnet sind, sowie Gletscherschmelzen und das Auftauen der Permafrostböden. Aber auch Verschiebungen von Klimazonen und Ökosystemen, wie zum Beispiel die Erwärmung und Versauerung der Ozeane, gehören zu den Folgen. Häufung von extremem Wetter ist aber das, was der Mensch direkt und sofort bemerkt. So wie bei der großen Hitzeperiode in der ersten Augusthälfte 2003, die in beinahe ganz Europa herrschte, ausgenommen war nur das nördliche Skandinavien. In Deutschland herrschten Temperaturen bis über 40 °C, in Portugal wurden sogar 47 °C erreicht. Diese außergewöhnlich heiße Periode hielt 14 Tage an, begleitet von Wasserknappheit und daraus resultierenden geringen Erntemengen und einer deutlichen Zunahme von Waldbränden. Auch gesundheitlich waren die Auswirkungen katastrophal. Allein in Deutschland fielen dem Hitzestress ca. 3500 Menschen zum Opfer, europaweit waren es sogar 70000. Nach langjährigen Aufzeichnungen geht die Wissenschaft davon aus, dass sich solche Ereignisse in der Zukunft häufen werden, denn der Trend zeigt auch hier klar nach oben. So hat sich die Anzahl der Tage mit Temperaturmaxima von mehr als 30 °C in Deutschland »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 15 von 1950 bis 2010 von durchschnittlich 3 Tage im Jahr auf 8 Tage im Jahr erhöht (Jacob, Ries, Weber, 2012). Bei Flutkatastrophen spricht man auch von Jahrhunderthochwassern. Solch ein Hochwasser kommt also statistisch gesehen an ein und demselben Ort nur einmal in einem Jahrhundert vor. In Deutschland gab es im 20. Jahrhundert neun solcher Jahrhundertereignisse. Im 21. Jahrhundert, das gerade einmal 15 Jahre alt ist, waren es schon fünf. Diese extremen Hochwässer wurden durch extreme Starkregenereignisse, die über mehrere Tage anhielten, ausgelöst. Bei diesen Starkregen fielen zum Teil fast 150 mm Niederschlag an nur einem Tag. Zur Erinnerung: In Braunschweig sind es 600 mm im ganzen Jahr. Gerade hier ist die Häufung der Ereignisse noch deutlicher zu sehen. Gab es im 20. Jahrhundert noch durchschnittlich alle 11 Jahre eine Flutkatastrophe, so waren es bisher im 21. Jahrhundert nicht einmal 3 Jahre von einem zum nächsten Jahrhunderthochwasser. Aber nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Stärke, mit der die Hochwässer auftreten, nimmt zu. So hatte das mitteleuropäische Hochwasser 2013 in Passau eine statistische Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 500 Jahren, das Alpenhochwasser 2005 in Teilen Tirols sogar eine Wahrscheinlichkeit der Wiederkehr von 5000 Jahren (DWD). Durch die Erderwärmung schrumpfen die Gletscher und die arktischen Permafrostböden tauen langsam auf. Die größten Gletscher unseres Planeten sind die Antarktis und das Grönlandeis. Gerade hier wirkt sich der beobachtete Rückgang dramatisch aus. Der Meeresspiegel steigt an und große Trinkwasserreserven gehen unwiderruflich verloren. Der Anstieg des Meeresspiegels hat schon heute Auswirkungen auf Inselstaaten und Staaten mit sehr flachen Küstenregionen, wie zum Beispiel die Niederlande. Wohlhabende Staaten können es sich leisten und bauen große Deichanlagen um sich zu schützen. Auf den Malediven leben 100 % der Bevölkerung in niedrig gelegenen Küstengebieten und sind somit vom Anstieg des Meeres direkt bedroht. Der Inselstaat kann eine umfangreiche Deichanlage zum Schutz aber nicht finanzieren. Dazu kommt, dass der Staat größtenteils vom Tourismus lebt. Durch die sich erhöhende Gefahr von Sturmfluten befürchtet man einen Rückgang der Touristen, was wiederum die Probleme der Bevölkerung verschärfen würde. Nimmt man nur die 10 Staaten, deren Bevölkerung in gefährdeten Gebieten am bevölkerungsreichsten ist, sind fast eine halbe Milliarde Menschen vom Meeresspiegelanstieg bedroht (Sterr, 2007). Auch das Auftauen der Permafrostböden hat weitreichende Auswirkungen. Unter dem „ewigen Eis“ sind riesige Mengen Biomasse konserviert. Nach dem Abtauen des Eises würden diese freigelegt und fingen an zu verrotten. Dabei gelangen extrem große Mengen Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre und der Treibhauseffekt würde potentiell enorm verstärkt werden. Durch die Verschiebung von Klimazonen und Ökosystemen kommt es besonders in ärmeren Staaten zu einer Knappheit des Nahrungsangebotes. Einmal ist durch Dürren und Überflutungen mit Ernteausfällen zu rechnen, zum anderen verschieben sich auch die Lebensräume der Kulturpflanzen durch ein nicht mehr optimales Klima. Auch wegen der Einwanderung von »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 16 Unkräutern, Schadinsekten und Schadpilzen müssen die Landwirte ihre Strategien anpassen und neue Pflanzenschutzmittel einsetzen. Die können sie sich aber in den wenigsten Fällen leisten und sind in manchen Regionen der Erde evtl. auch nicht verfügbar. Fazit und Ausblicke Viele Indizien lassen eine starke Vermutung zu, dass der Klimawandel tatsächlich rezent ist und durch das Zutun des Menschen forciert wird. Viele prognostizieren ja schon die Superwarmzeit der Zukunft. Im Emissionsscenario RCP8.5 (siehe Kapitel 2) wird ein Temperaturanstieg von bis zu 8 °C bis zum Jahr 2300 vorausgesagt. Sollte dies auch nur annähernd so eintreten, müssen wir neben den deutlichen Temperaturanstiegen weltweit auch mit einer Häufung von Extremwetterereignissen, mit jährlich vielen Hitzetoten und überschwemmten Küstengebieten und ganzen Landstrichen rechnen. Dadurch werden arme Staaten an Trinkwasserknappheit und auch immer wieder an Hungerkatastrophen leiden. Durch den Meeresspiegelanstieg könnten ganze Inselstaaten verschluckt werden und durch das Auftauen der Permafrostböden würde sich der Treibhauseffekt noch einmal drastisch verstärken können. Durch die Erwärmung und Versauerung der Ozeane würden die Fischbestände geringer und dadurch die Nahrungsmittelknappheit forciert werden. Auch würde das Ökosystem Ozean durch eine zwangsläufige Überfischung einbrechen, was wiederum weitreichende globale Folgen haben wird. Die Menschen werden wieder zu Nomaden und migrieren in kühlere Gebiete und die Kriege werden zukünftig um Trinkwasser und Nahrung geführt. Damit es nicht dazu kommt sollten alle etwas zum Klimaschutz beitragen bevor es zu spät ist! Klimapolitik Definition Politische Maßnahmen zum Klimaschutz auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene. […] Hauptsächliches Mittel dazu ist die Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen […] (www.bfw.ac.at) Klimapolitik – Können wir die Welt retten? Die erste Initiative zur Koordination umweltpolitischer Maßnahmen auf internationaler Ebene fand 1969 statt. Themen - wie saurer Regen und Treibhauseffekt - wurden hier zum ersten Mal international angesprochen. Knapp 3 Jahre später wurde die Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen in Stockholm ausgerichtet. Dort wurde der Grundstein für die heutige Klimapolitik gelegt. Danach wurde erstmal eine Pause eingelegt… »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 17 20 Jahre später – 1992 – wurde zur Rio-Konferenz, - Internationales Umweltabkommen, auch Erdgipfel genannt, 1994 in Kraft getreten geladen und dort die in - Ziel: Stabilisierung der Stockholm besprochenen Treibhausgaskonzentration in der Themen erneut aufgegriffen. Atmosphäre Hier haben neben - Soll mit weiteren Abkommen und staatlichen Vertreterinnen Protokollen umfassende und Vertretern auch nichtKlimaschutzmaßnahmen ermöglichen staatliche Organisationen - Alle Vertragspartner müssen teilgenommen. Die regelmäßige Berichte veröffentlichen wichtigsten Ergebnisse der - Verpflichtung zu jährlichen Rio-Konferenz waren die Klimakonferenzen Verabschiedung der Agenda 21, die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung, die Klimarahmenkonvention, die Waldgrundsatzerklärung, die Biodiversitätskonvention und die Gründung der Kommission für Nachhaltige Entwicklung. Die Abkommen werden im späteren Verlauf den Rahmen der heutigen Klima- und Umweltpolitik gestalten. DIE KLIMARAHMENKONVENTION Klimakonferenzen 1995 Berlin 1996 Genf 1997 Kyoto 1998 Buenos Aires 1999 Bonn 2000 Den Haag 2001 Marrakesch 2002 Neu-Dehli Klimasekretaritat wird in Bonn eingerichtet „Berliner Mandat“ – Erarbeitung fester Reduktionsziele 2. IPCC Bericht wird diskutiert „Genfer Deklaration“ – Ausarbeitung rechtlich verbindlicher Regelungen zur Reduktion von Treibhausgasen Verabschiedung des Kyoto-Protokolls (Zusatzprotokoll zur Klimarahmenkonvention, völkerrechtlich verbindlich) Mechanismen: Emissionshandel, Joint Implementations, Clean Development, Burden Sharing Genauere Ausgestaltung und Umsetzung des Kyotoprotokolls, Debatte über Reduktionsverpflichtungen für Entwicklungs- und Schwellenländer Diskussion über System der Kontrollen, Richtlinien für Jahresberichte, Gespräche zu Clean Development Mechanism Keine Ergebnisse, viele Diskussionspunkte ohne Einigung Genauer definierte Entscheidung zur Umsetzung und Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls Beschluss für mehr Öffentlichkeitsarbeit zur »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 18 2003 Mailand 2004 Buenos Aires 2005 Montreal 2006 Nairobi 2007 Bali 2008 Poznan 2009 Koppenhagen 2010 Cancun 2011 Durban 2012 Doha 2013 Warschau 2014 Lima Einbeziehung der Bevölkerung Werbung bei weiteren Staaten für das Kyoto-Pr., Abschluss der Verhandlungen zu Aufforstungs- und Wiederaufforstungsprojekte Gespräche zu finanziellem Bedarf von Entwicklungsund Schwellenländern, um klimagünstig wirtschaftlich wachsen zu können Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls (2008 – 2012), Gespräche zur Fortentwicklung der Klimapolitik nach 2012 Afrikanische Themen stehen im Mittelpunkt, massive Freigabe von Fördergeldern für den Kampf gegen die Energiearmut in Afrika Einigung auf die Ziele bis und nach 2012 (u.a.: konkrete Beiträge zum Klimaschutz aller Staaten, Verminderung der Entwaldung,…) Post-2012-Verhandlungen, notwendige Ziele zur Eindämmung des Klimawandels, Nennung der Reduktionsziele bis 2020 Gespräche zu Kernbausteinen der internationalen Klimapolitik, Einigung auf das 2-Grad-Ziel, weitere finanzielle Hilfen für Entwicklungs- und Schwellenländer Offizielle Anerkennung des 2-Grad-Zieles, Einrichtung des internationalen Klimafonds, Technologiekooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern Ziel: Verabschiedung eines neuen Klimaschutzabkommens 2015 in Paris, Kyoto-Protokoll wird weitergeführt (ab 2013) Verhandlungen des neuen Klimaschutzabkommens ab 2013, keine Einigungen für internationalen Schiffs- und Flugverkehr Intensivierung der Minderungsaktivitäten bis 2020, Ausarbeitungen zum Waldschutzprogramm REDD+ Unverbindliche Rohfassung für ein neues Klimaschutzabkommen 2015 in Paris entwickelt. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 19 Klimapolitik in Deutschland Deutschland hat schon immer eine Vorreiterrolle in Bezug auf Klima- und Umweltpolitik gespielt. Die deutschen Ziele sind im weltweiten Vergleich sehr ambitioniert. So wollen wir bis 2050 unsere Treibausemissionen bis zu 95 % im Vergleich zu 1990 senken. Dafür möchte Deutschland vor allem auf den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien setzen, alle Sektoren der deutschen Wirtschaft und Industrie in die Reduktionsambitionen mit einbeziehen und die wirtschaftliche Chance durch die Einrichtung komplett neuer Wirtschaftszweige nutzen. Gesetze und Verordnungen, die Deutschland den Weg schon geebnet haben, sind das Erneuerbare Energien Gesetz, die Chemikalienschutzvorordnung und die Energieeinsparverordnung. Der Petersberger Dialog – von deutscher Seite aus ins Leben gerufen - stellt international gesehen eine weitere wichtige Weiche, um ein Klimaschutzabkommen bis 2020 erarbeiten zu können. DEUTSCHLAND UND EU IN LIMA - IPCC confirms the need for immediate action The EU is ready to submit its contribution in time We need progress in Lima for a success in Paris Financial support is available Germany and the EU are ready BARBARA HENDRICKS »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 20 Das 2°C-Ziel Um das Ziel zu erreichen eine 2 °C Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau nicht zu überschreiten, müssen die CO2-Konzentrationen bis zum Jahr 2100 auf 450 ppm CO2-äqu. stabilisiert werden. Um dies zu erreichen, müssen die Industrieländer ihre Emissionen bis 2050 um rund 80 % senken. Dies ist bereits erklärtes Ziel der deutschen Regierung. Das bedeutet weiterhin, dass in den Industrieländern bis 2050 die jährlichen pro-KopfEmissionen auf unter 2 t CO2 reduziert werden müssen. Abb. 1: Pro-Kopf-Emissionen im Jahr 2010 aufgeschlüsselt nach Ländern. 20 Länder sind derzeit für ca. 75 % der weltweiten Emissionen verantwortlich. Deutschland liegt an neunter Stelle (IPCC 2014). 2008 hat Braunschweig ein integriertes Klimaschutzkonzept vorgestellt. Aus diesem lassen sich die pro-Kopf-Emissionen des Braunschweigers ableiten: 11,3 t CO2 pro Jahr. Im Bericht wird betont: „Entscheidend für den Erfolg des Klimaschutzes in der Stadt Braunschweig bleibt das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger.” Der Bürger entscheidet darüber ob seine Emissionen bei ca. 14 t pro Kopf und Jahr oder 5 t pro Kopf und Jahr liegen. Eine Halbierung der CO2-Emissionen ist somit für jeden Einzelnen sofort möglich. Für den weiteren Weg bis zum Ziel von 2 t pro Kopf und Jahr ist eine Dekarbonisierung unserer Wirtschaftsprozesse nötig. Dies ist nur durch entsprechende Vorgaben der Politik möglich (bspw. Emissionslimits für PKWFlotten). »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 21 Abb. 2: Spielraum der Konsumenten in Deutschland bei ihrer CO2-Emission (Klimaschutzkonzept Braunschweig 2008). CO2 – Vermeidungsstrategien Die Treibhausgas-Emissionen der Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen, doch wir können den anthropogenen Ausstoß klimaschädlicher Gase heute und in Zukunft reduzieren. Dabei steht jeder einzelne in der Verantwortung, die durch ihn verursachten Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase so gering wie möglich zu halten. Doch wie vermeide ich Treibhausgas-Emissionen? Emissionsquellen erfassen Als erstes hilft es, sich bewusst zu machen, wo überall im täglichen Leben Emissionen entstehen: Einen ersten Überblick darüber gibt der CO2Fußabdruck. In Abbildung 5 ist der CO2-Fußabdruck des deutschen Durchschnittsbürgers (CO2-Rechner, 2014) abgebildet, d.h. seine jährliche Treibhausgasemissionen gemessen in CO2-Äquivalenten. Drei der größten Posten sind Konsum, Heizung und Ernährung. Diese machen zusammen rund 60 % der Emissionen aus. Doch warum sind diese Lebensbereiche so emissionsintensiv? Neben dem weltweiten Bevölkerungswachstum ist Wirtschaftswachstum ein starker Motor des Klimawandels (IPCC Report, 2014). In wohlhabenden Ländern wie Deutschland ist die Kaufkraft und damit auch der Konsum hoch. Problematisch daran ist, dass bei der Kaufentscheidung oft nicht bedacht wird, dass für jede Ware Emissionen bei der Produktion, beim Transport und bei der Entsorgung anfallen. Abbildung 5: Jährliche Treibhausgas»Die Klimakonferenz« – Materialmappe emissionen des dt. Durchschnittsbürgers in Tonnen CO2- Äquivalente (CO2-Rechner). 22 Insbesondere aus dem Ausland importierte Ware weist oft eine schlechte CO2-Bilanz auf. Zum einen müssen diese Waren oft über weite Strecken nach Deutschland transportiert werden, was zu hohen Transportemissionen führen kann; zum anderen fallen für den bei der Produktion eingesetzten Strom in den Produktionsländern oft mehr Treibhausgasemissionen pro Kilowattstunde an als in Deutschland (CO2 pro kWh, 2014). Schlussendlich führen sinkende Preise bei der Fertigung im Ausland auch zu einer Wegwerfmentalität des Verbrauchers: Was wenig kostet, wird eher weggeworfen und durch Neuware ersetzt als teure Produkte. So bedingt Konsum auch Emissionen, die bei der Entsorgung von Produkten (z.B. bei der Müllverbrennung) anfallen. Beim Thema Heizen spielt die Energiequelle die entscheidende Rolle. Aus Kostengründen und aus Gründen der technischen Realisierbarkeit kommt die Energie zum Heizen in Deutschland bislang nur zu einem kleinen Teil aus (klimafreundlichen) erneuerbaren Energien. Der überwiegende Teil stammt noch aus fossilen Energieträgern, wie z.B. Heizöl, die deutlich mehr CO 2 freisetzen. Hier ist die beste Einsparstrategie also weniger und vor allem effizienter Heizen. Die Emissionen im Zusammenhang mit Ernährung hängen stark vom konsumierten Lebensmittel ab. So können im Allgemeinen folgende Zusammenhänge beobachtet werden: Tierische Produkte verursachen bei der Produktion mehr Treibhausgasemissionen als pflanzliche (CO2 Lebensmittel, 2014). Importierte Lebensmittel verursachen durch ihren Transport mehr Emissionen als lokal hergestellte. Und auch lange Kühlzeiten und die Weiterverarbeitung von primären Lebensmitteln erhöhen die TreibhausgasBilanz. Emissionen reduzieren Wer versteht, wie die Treibhausgas-Emissionen in den einzelnen Lebensbereichen entstehen, kann sich daran machen, diese zu reduzieren. Beim Konsum gilt: Weniger ist mehr (Zeit statt Zeug, 2014). Wenn weniger Waren gekauft werden, müssen auch weniger Waren unter Freisetzung klimaschädlicher Gasen hergestellt werden. Vor dem Kauf von Neuware sollte man sich fragen: - Kann ein kaputter Gegenstand vielleicht repariert statt ersetzt werden (Reparaturcafé, 2015)? - Kann ein selten benötigter Gegenstand auch geliehen statt gekauft werden (Why own it, 2014)? - Tut es auch gebrauchte Ware an Stelle von Neuware (Second Hand, 2014)? Beim Kauf können zusätzlich Emissionen durch die Wahl von in Deutschland produzierten Waren reduziert werden. Möglicherweise lohnt die Investition in qualitativ höherwertige Ware, da sie durch ihre lange Lebensdauer nicht so schnell ersetzt werden muss. Was nicht mehr benötigt wird, aber noch gut erhalten ist, kann verkauft oder verschenkt (Verschenkmarkt, 2014) werden, anstatt im Müll zu landen. Und was tatsächlich niemand mehr gebrauchen kann, sollte sachgemäß entsorgt bzw. recycled (Recycling BS, 2015) werden. Heizenergie und dadurch verursachte Emissionen kann sparen, wer sich wärmer anzieht statt die Heizung aufzudrehen, wer nur aktuell genutzte Räume an Stelle der gesamten Wohnung heizt und wer stoßlüftet, anstatt das »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 23 Fenster gekippt zu lassen (Stoßlüften statt Kipp, 2014). Auch die Einrichtung der Wohnung spielt eine Rolle: Für effizientes Heizen sollten die Heizkörper nicht durch Möbel zugestellt werden; Teppichboden hilft gegen kalte Füße und nachts zugezogene Gardinen reduzieren den Wärmeverlust über die Fensterscheiben (Heizen, 2003). Auch die eigenen Ernährungsgewohnheiten lassen sich klimafreundlich gestalten. Der Griff zu vegetarischen Alternativen und frischen, möglichst wenig verarbeiteten und saisonalen Produkten (Saisonkalender, 2009) aus der Region kann den eigenen CO2-Fußabdruck verbessern. Eine gute Bezugsquelle für solche Lebensmittel sind Wochenmärkte. Dies sind nur einige der zahlreichen Möglichkeiten, mit denen sich im Alltag Treibhausgas-Emissionen reduzieren lassen. Dabei lohnt der persönliche Einsatz für den Klimaschutz gleich in mehrfacher Hinsicht, denn was gut fürs Klima ist, kommt oft auch fairem Handel, Tierschutz und der eigenen Gesundheit zugute. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 24 Anpassungsstrategien an den Klimawandel Einleitung Selbst bei sofortiger Umsetzung effektiver Maßnahmen zur Senkung der CO2Emissionen muss mit Klimaänderungen gerechnet werden, die sich auf das Leben der Menschen auswirken. Aus diesem Grund ist es mittlerweile wissenschaftlicher und politischer Konsens, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel sowohl Vermeidung (Mitigation) als auch Anpassung (Adaption) beinhalten sollten. Dabei gilt es, treffend vom deutschen Klimawandelexperten Hans Joachim Schellnhuber formuliert, das Unbeherrschbare zu vermeiden und das Unvermeidbare zu beherrschen. Ziel der Anpassung ist es, die Verwundbarkeit (Vulnerabilität) einer Region gegen nachteilige Auswirkungen des Klimawandels zu verringern. Anpassung umfasst sowohl vorgreifende als auch reagierende Maßnahmen, die auf kurz-, mittel- und langfristiger Ebene umgesetzt werden können – als simples Beispiel für kurzfristige Anpassung kann das Stapeln von Sandsäcken bei Hochwasser dienen, während eine mittel- bis langfristige Anpassung die Erhöhung des Deiches darstellt. Die Anpassungskapazität einer Region hängt von ihrem Entwicklungsstand ab (z.B. politische Stabilität, ökonomischer Wohlstand, soziale Standards). Desweiteren gibt es Grenzen für Anpassungsmaßnahmen, die in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt sein können (ökologische, technologische, finanzielle Grenzen, etc.). Anpassung in Deutschland In Deutschland existiert seit 2008 eine nationale Anpassungsstrategie an den Klimawandel, die in einem Aktionsplan Anpassung (2011) mündete. Dieser Aktionsplan benennt in einem ersten Schritt die Gefahren und Risiken des Klimawandels, um ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen zu schaffen. Darauf aufbauend werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt und Verantwortlichkeiten abgestimmt – Anpassungsmaßnahmen sollen sowohl in behördliches als auch privates und unternehmerisches Handeln einbezogen werden. Eine wichtige Institution in Deutschland ist das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Umweltbundesamtes. Dieses untersucht beispielsweise wie erfolgreiche Anpassungsmaßnahmen gestaltet sind und was bei deren Umsetzung zu beachten ist. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung verfolgt mit der Fördermaßnahme KLIMZUG (Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten) ein ähnliches Ziel und konzentriert sich dabei auf regionale Anpassungsstrategien. Eine solche Maßnahme ist das Projekt nordwest2050, das für die Region BremenOldenburg einen langfristigen Fahrplan zur Klimaanpassung gemeinsam mit »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 25 Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufgestellt hat. Die Filmreihe Wie verwundbar ist die Region1 vermittelt einen guten Einblick in das Projekt und dessen Umsetzung. Im Folgenden sind stichpunktartig Beispiele bereits erfolgter Anpassungsmaßnahmen aufgeführt, die die Vielfältigkeit der Maßnahmen und der davon betroffenen Bereiche aufzeigen: Landwirtschaft Anbau von robusteren Getreidesorten Hochwasserschutz Überflutungsflächen um Gewässer einrichten Fortwirtschaft Baumarten beim Waldumbau an zukünftige Verhältnisse anpassen Stadtplanung Kaltluftschneisen im Stadtgebiet bewahren Gesundheitswirtschaft medizinisches Personal zu Auswirkungen des Klimawandels schulen Tourismus Alternativen zum Skitourismus in Bergregionen Anpassung global Die Bedingungen und genannten Beispiele von Anpassungsmaßnahmen in Deutschland können nur bedingt auf andere Länder übertragen werden. Global gesehen gibt es große Unterschiede, wie stark einzelne Regionen von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und welche Maßnahmen zur Anpassung notwendig sind. Permafrostregionen müssen beispielweise vermehrt mit Gefahren wie Erdrutschen rechnen und dortige Infrastrukturen entsprechend angepasst werden. Bestimmte Inseln und Küstenregionen können auf den steigenden Meeresspiegel nur bedingt mit Hochwasserschutzmaßnahmen reagieren und sind langfristig unter Umständen in ihrer Existenz bedroht. Einige Regionen werden in Zukunft noch stärker von Dürren betroffen sein, mit verheerenden Auswirkungen auf ihre Nahrungsmittelversorgung. Bereits diese geringe Auswahl an Beispielen zeigt auf, welche Anstrengungen weltweit nötig sind, um dem Klimawandel zu begegnen. Erschwerend kommt hinzu, dass vielen der stärker durch den Klimawandel betroffenen Regionen die finanziellen Mittel für effektive Anpassungsmaßnahmen fehlen. Als Konsequenz wird eine zunehmende Zahl an Klimaflüchtlingen prognostiziert, für deren Bewältigung internationale Vereinbarungen getroffen werden müssen – noch gibt es z.B. den Status Klimaflüchtling offiziell überhaupt nicht. Geo-Engineering Unter Geo-Engineering werden zielgerichtete Eingriffe großen Maßstabs in das globale Klimasystem verstanden. Diese Eingriffe verfolgen das Ziel die Klimaerwärmung abzumildern und treten in zwei Kategorien auf: 1. Maßnahmen, die den Strahlungshaushalt beeinflussen (Verringerung der Nettoeinstrahlung) 2. Technologien, die dem Kohlenstoffkreislauf CO2 entziehen und dauerhaft speichern 1 www.nordwest2050.de Mediathek »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 26 Beispiele für solche Maßnahmen reichen von eher einfachen Vorschlägen wie dem Aufhellen von Dächern (erhöhte Reflexion), über bereits in den Medien diskutierten und in der Erforschung befindlichen Ansätzen wie der Abscheidung und Speicherung von CO2 aus Kraftwerksabgasen bis hin zu fantastisch anmutenden Ideen wie der Installation von spiegelnden Elementen im Weltraum. Geo-Engineering sorgt für einen Paradigmenwechsel im Klimaschutz, da die Maßnahmen nicht an den Ursachen des Klimawandels ansetzen, sondern dessen Auswirkungen mindern sollen. Das Umweltbundesamt bewertet den Einsatz solcher Vorschläge, erachtet eine Umsetzung derzeit aber als nicht ratsam2. Die Maßnahmen weisen nach heutigem Stand der Technik eine relativ geringe Wirksamkeit und geringes Kosten-Nutzen-Verhältnis auf. Weiterhin sind sie aus Sicht des Umweltschutzes kritisch zu sehen, da sie einen massiven Eingriff in das Umweltsystem bedeuten. Auch völkerrechtlich bietet sich Konfliktpotential, da einzelne Staaten Maßnahmen umsetzen könnten, deren Folgen weit über deren Landesgrenzen zu spüren wären. Dennoch spricht sich das Umweltbundesamt für die weitere Erforschung bestimmter Maßnahmen aus, um gesicherte Erkenntnisse über deren Potential und Auswirkungen zu erlangen. 2 Umweltbundesamt (2011): GEO-ENGINEERING – wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn? »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 27 Klimaskepsis Was ist ein Klimaskeptiker Als Skeptiker im Allgemeinen werden Menschen verstanden, die sich zu bestimmten Themen kritisch äußern. Von einem Klimaskeptiker kann gesprochen werden, wenn dieser sich kritisch zu Fragen des Klimawandels äußert und diesen infrage stellt. Klimaskeptiker können in drei Gruppen eingeteilt werden. Die Gruppe der Trendskeptiker leugnet den Erwärmungstrend, wie er in der Wissenschaft prognostiziert wird, generell. Die Ursachenskeptiker zweifeln die anthropogene Ursächlichkeit des Klimawandels, während Folgenskeptiker die von der Wissenschaft für wahrscheinlich gehaltenen Folgen infrage stellen. Außerdem treten Skeptiker vorwiegend in den Medien auf und seltener auf wissenschaftlichen Fachtagungen, auf denen ein wissenschaftlich fundierter Dialog zwischen Skeptikern und Wissenschaftlern möglich wäre. Als Beispiel für mediales Auftreten kann die Internetplattform von “EIKE - Europäisches Institut für Klima und Energie” angeführt werden. Diese wird von Klimaskeptikern betrieben und verfolgt das „Ziel“, der Öffentlichkeit die Wahrheit über die klimatischen Entwicklungen zugänglich zu machen (die deutsche Politik, die deutschen Medien und auch einige Institute [bringen] wesentliche Fakten zu Klima und Extremwetter sachlich falsch, ideologisierend und mit dem offensichtlichen Ziel einer „Politik der Angst“ in die Debatte ein). Dabei liegt die Vermutung der Nähe zur Energiewirtschaft, und einer damit verbundenen Subjektivität, nahe. Dieser Eindruck wird durch ein Zitat des EIKE unterstützt, das wie folgt lautet: „[...]die deutsche Energiepolitik inzwischen parteiübergreifend von einer rationalen Energieplanung abgewendet hat (EIKE). Daher kann nicht bei allen Skeptikern Subjektivität ausgeschlossen werden, da Verbindungen in die Wirtschaft (beispielsweise zu RWE und Tochterfirmen) offenkundig sind (RWE, 2009); jedoch sollte diese Annahme nicht pauschalisiert werden. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 28 Ravi Marcel Büttke, Nikolaij Janocha Hauptargumente der Klimaskeptiker Im Folgenden werden die Hauptargumente von Klimaskeptikern aufgelistet und mit denen der Wissenschaft verglichen (Tab.1). Tabelle 1: Gegenüberstellung der Thesen von Klimaskeptikern und wissenschaftlichen Ansichten (Carr et al., 2010). »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 29 These der Klimaskeptiker Die globalen Durchschnittstemperaturen sind seit 1998 nicht mehr gestiegen. Das Klima der Erde wird nur von der Sonne angetrieben. Klimaforscher sind in einer Verschwörung engagiert. Wissenschaftliche Ansicht 2000 bis 2009 ist das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Messungen Das Zusammenspiel von KlimaTreibern kann zu Perioden von relativ stabilen Temperaturen führen Die ungewöhnlich hohen Durchschnittstemperaturen in 1998 stehen im Zusammenhang mit El Niño Perioden von relativ konstanten Temperaturen sprechen nicht gegen die globale Erwärmung Von Klima kann erst ab einer 30jährigen Periode gesprochen werden Das Klima der Erde ist von der Sonne angetrieben - ABER nicht allein Die Erwärmung des 20. Jahrhunderts kann nicht durch die Sonnenaktivität erklärt werden, da diese abnahm Die IPCC-Berichte unterliegen erheblichen Kontrollen aber es ist unvermeidlich, dass in einem 3000Seiten-Dokument Kontrollen manchmal Fehler nicht erkennen. ◦ Klimamodelle sind fehlerhaft und können deshalb nicht zuverlässig Prognosen über zukünftige Klimatrends liefern. Fehler in erster Linie bei Referenzierungen Es gibt keinen Beweis, dass Wissenschaftler in angeblichen Verschwörungen beteiligt sind! Man verlässt sich nicht ausschließlich auf Modelle Physik und Chemie der Atmosphäre und der Ozeane des Planeten und Beobachtungen sind die Grundlage Klima zu verstehen Modelle sind beschränkt, ABER sie »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 30 werden immer in der Lage sein, eine Reihe von physikalischen Prozessen und Rückkopplungen zu reproduzieren Troposphärischer Hotspot fehlt. Die mittelalterliche Warmzeit war genauso warm oder wärmer als heute. Kohlendioxidniveaus steigen an, nachdem die Temperaturen in den Eisbohrkernen steigen. Sie sagen einstimmig eine Erwärmung mit zunehmender Treibhausgaskonzentration vorher Treibhausgase bewirken in der Stratosphäre eine Abkühlung und eine Erwärmung an der Oberfläche und in der gesamten Troposphäre Beobachtungen unterstützen dies Darüber hinaus wurden in neuen Messungen in den Tropen eine größere Erwärmung in der oberen Troposphäre als an der Oberfläche festgestellt, wie durch die Modelle vorhergesagt Obwohl die Signatur eines troposphärischen Hotspots fehlt, stützen die neuen Beobachtungsdaten die Klimasimulationen Temperaturen in der mittelalterlichen Warmzeit (MWP) könnten vergleichbar mit heute sein, aber die Schätzungen haben eine hohe Unsicherheit, weil es so wenige Aufzeichnungen gibt und die räumliche Abdeckung lückenhaft ist. Jedoch ändert ein wärmeres MWP nicht den Umstand einer anthropogenen Erwärmung Datensätze des atmosphärischen CO2 und der Antarktistemperatur der letzten 800.000 Jahre korrelieren mit der Variabilität der Umlaufbahn der Erde beim Übergang aus den Eiszeiten Verschiedene Prozesse beeinflussen »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 31 das Klima gleichzeitig Wasserdampf ist das verbreiteste Treibhausgas. Wasserdampf spielt eine tragende Rolle im natürlichen Treibhauseffekt → Andernfalls circa -18 °C globale Durchschnittstemperatur Aber die Auswirkungen der CO2 induzierten Erwärmung werden nicht verringert → Folgen werden hinzu addiert Atmosphärisches CO2 hat bereits ein Absorptionsmaximum für Infrarotstrahlung erreicht. Klimasensitivität ist überschätzt in aktuellen Klimamodellen. Die Konzentration von Wasserdampf ist ein positives Feedback CO2 + 4 H2 → CH4 + 2 H2O GWP (CH4)= 21-28 (siehe Glossar) Kohlendioxid in der Atmosphäre auf dem vorindustriellen Niveau verursachte bereits eine erhebliche Strahlungsabsorption Der vom Menschen verursachte Anstieg der Kohlendioxidkonzentration verursacht weitere Absorption (über ein breiteres Spektrum von Wellenlängen) Diese Effekte erzeugen Erwärmung und sind vollständig in aktuellen Klimamodellen integriert. Klimasensitivität wird als Veränderung der globalen Mitteltemperatur, als Reaktion auf eine Verdoppelung der atmosphärischen CO2-Konzentration definiert Werte zwischen 2 und 4,5 °C sind realistisch Niedrigere Schätzungen »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 32 vernachlässigen in der Regel Rückkopplungen von Wasserdampf und Verzögerungen bei langsameren Erdsystemen Erhöhtes CO2 fördert das Pflanzenwachstum und verbessert landwirtschaftlichen Ertrag Die Gesellschaft und natürliche Systeme haben sich angepasst, um den Klimawandel zu überstehen. Modelle mit einer Empfindlichkeit unter 2,5°C können nicht die beobachteten Klimaveränderungen der Vergangenheit erklären Pflanzenwachstum wird durch ein erhöhtes CO2-Level unter gleichen Temperaturen und Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit gefördert Wachstumsbedingungen verändern sich durch Klimaänderungen, daher Nahrungsunsicherheit in Teilen der Welt Experimente zum Bemessen der Auswirkungen der CO2-Anreicherung deuten darauf hin, dass kein erhöhtes Wachstum für alle Pflanzenarten auftritt, da sich mit den Klimaänderungen auch Wasserverfügbarkeit und Temperaturen ändern werden, und dass der Nährstoffgehalt der Ernte in manchen Fällen negativ beeinflusst wird Früherer Klimawandel wurde oft begleitet von Migration, Krieg und Krankheit Die wachsende Bevölkerung wird unweigerlich zerstörerische Veränderungen der Umwelt bewirken, selbst angesichts der wachsenden technologischen Fähigkeiten »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 33 Fazit Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Arbeitsweise von Klimaskeptikern keiner wissenschaftlichen Arbeitsweise entspricht, da sie zum einen durch ihr Auftreten polarisieren und zum anderen durch ihre Abwesenheit auf Tagungen nicht zum wissenschaftlichen Diskurs beitragen. Die Argumente, die Skeptiker vorbringen können durch die Erkenntnisse der Wissenschaft widerlegt werden. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Ursachen der globalen Erwärmung nicht nur natürlich sind. Zudem räumt die Wissenschaft ein, dass bestimmte von ihr gemachte Angaben mit Unsicherheiten behaftet sind und gibt zu, einige Prozesse noch nicht vollständig beziehungsweise ausführlich in die Klimamodelle integriert zu haben. Die Wissenschaft behauptet nicht die zukünftigen Ereignisse zu kennen, aber alle wissenschaftlichen Modelle zeigen eine einheitliche Tendenz in Abhängigkeit zukünftiger Emissionsentwicklungen. Medienprojekte Einführung Das Problem „Klimawandel“ ist laut der Shell Jugendstudie (2010) den Jugendlichen bewusst und allgemein anerkannt. Fast 80 % der Jugendlichen gaben an, dass sie den Klimawandel für ein ernst zu nehmendes Problem halten. Diese Einschätzung ging bis hin zu der Ansicht, dass die Existenz der Menschheit dadurch bedroht sei. Allgemein kann festgestellt werden, dass alle Jugendlichen den Klimawandel als ein Problem (mit unterschiedlicher Schwere) anerkennen. Wer Schuld hat und wie das Problem in der Öffentlichkeit behandelt wird, lässt sich im Gegensatz dazu aus den Meinungen der Befragten nicht eindeutig abgrenzen. Mehr als die Hälfte betrachtet die Industrieländer als Ursache und somit schuldig an einem die eigene Existenz bedrohenden Problem. Diese ökologisch motivierte Kritik wurde vor allem von Mädchen und in den älteren Bundesländern geäußert. Es scheint in dieser Zielgruppe auch durchaus Bereitschaft zu Energieeinsparmaßnahmen im Alltag zu geben. Mehr männliche Befragte äußerten Skepsis an der durch die Medien dargestellten Größe und Schwere des Problems und zeigten dementsprechend nur eine geringe Bereitschaft zu Verhaltensänderungen (~20 %). Ungefähr ebenso viele sahen den Klimawandel als ein nicht mehr lösbares Problem an. Es handelte sich wiederum um etwas mehr Mädchen als Jungen, die dieser Ansicht waren. Trotz allem zeigten sie dieselbe Bereitschaft zu Klimaschutzmaßnahmen, wie die erste Gruppe. Die angesprochenen Maßnahmen beschränken sich bei vielen (~40%) allerdings auf die Wahl „Fahrrad statt Auto“ oder dazu, ein Auto mit geringerem Verbrauch zu benutzen. Nur wenige engagierten sich darüber hinaus im Klimaschutz. Diese Gruppe besteht vor allem aus „klimakritische[n]“ »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 34 jungen Leuten, die in die Zielgruppe des Theaterstücks fallen würden (Shell Jugendstudie, 2010). Das Stück müsste für sie alternative oder auch neue Klimaschutzmöglichkeiten aufzeigen, die im kleinen Rahmen funktionieren. Außerdem müsste speziell die Ansicht korrigiert werden, dass nur Autofahren klimaschädlich ist. Letzteres schwingt unterschwellig in der Befragung mit. Positiv zu vermerken ist, dass laut der Jugendstudie im Bereich Politik das Engagement vor allem der 12-14-Jährigen im Vergleich zu den Vorjahren wieder angestiegen ist. Allerdings fehlt Vertrauen in die höheren politischen Institutionen, weshalb wohl vor allem lokalpolitisch oder mit Bürgerinitiativen gearbeitet werden kann. Ausgewählte Informationsquellen Im Folgenden werden kurz einige ausgewählte Beispiele besprochen und die prinzipiellen Vor- und Nachteile der Medienquellen betrachtet. Katastrophen- und Dokumentarfilme Von Hollywood produzierte Katastrophenfilme stellen logischerweise keine ernst zu nehmende Informationsquelle dar. Sie dienen primär der Unterhaltung und geben oft wissenschaftlich inkorrekte Thesen ab. Ein älteres Beispiel bietet der Blockbuster “The Day After Tomorrow” (2004), welcher den Beginn einer neuen Eiszeit, infolge des durch die Klimaerwärmung zusammengebrochenen Golfstroms, thematisiert. Äußerst problematisch bei Filmen dieser Art ist, dass die Figuren meist Wissenschaftler sind und dadurch eine Richtigkeit ihrer Thesen beanspruchen, die nur in der Fiktion gegeben ist. Die Szenarien enthalten genügend richtige Informationen, dass diese von den Jugendlichen auch in der Realität angenommen werden. So ist zum Beispiel das im Film dargestellte Golfstromszenario nicht gänzlich falsch. Es wird unter anderem vermutet, dass die Jüngere Dryas infolge des Hudson-BayEreignisses so ähnlich ausgelöst wurde. Die dargestellte Zeitskala ist in fast jedem Film zu klein. Das “Schockfrosten” von New York und Europa setzt nach drei Wochen ein, während sich solche Prozesse normalerweise auf 100er beziehungsweise 1000er Jahre-Skalen bewegen (Sirocko, 2013; Wikipedia). Außerdem wird vermutet, dass der Golfstrom sich nach einem Zusammenbrechen ohnehin selbst regulieren würde (auf der geologischen Zeitskala erfolgt dies nach kurzer Zeit). Das dargestellte Szenario wird aus eigener Erfahrung von vielen als wahr angenommen und sollte (sofern thematisiert) richtig gestellt werden. Im Film wird erstaunlicherweise sogar erwähnt, dass sich „aus einem mysteriösen Grund“ (The Day After Tomorrow, 2004) die 100 ° kältere Luftschicht aus der oberen Atmosphäre beim Absinken nicht adiabatisch erwärmt (siehe Glossar). Dadurch wird im Film das „Schockfrosten“ Europas erklärt. Diese Schicht existiert tatsächlich, ist aber sehr dünn und liegt in viel größeren Höhen, als dies von Hollywood propagiert wird. Der renommierte Dokumentarfilm “Chasing Ice” (2012) ist im Gegensatz dazu aktueller, wenn wahrscheinlich auch weniger bekannt als der zuvor genannte Blockbuster. Der Film überzeugt durch spannende Landschaftsbilder und einen hohen Wiedererkennungswert in dem Erfahrungsbericht des Naturfotografen James Balog und der EIS (Extreme Ice Survey). Der Film »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 35 sollte gerade junge Klimaskeptiker ansprechen, da in den Fotos Tatsachen präsentiert werden, die nicht lügen oder laut anklagen (Sven Stockrahm, Die Zeit). Als Makel wird angesehen, dass der Film zwischenzeitlich sehr vom Thema abschweift, lange über die Krankheitsgeschichte Balogs oder die technischen Schwierigkeiten des EIS-Ingenieurteams berichtet. Sehr überzeugt haben neben den beeindruckenden Bildern auch die Einschnitte von wissenschaftlichen Erklärungen und Interviews mit Forschern. Der Film wird auch meinerseits als recht gut eingestuft, wobei aus im Folgenden aufgeführten Gründen “Terra X” ein gelungeneres Projekt ist. Fernsehserien Als Beispiele für täglich laufende Fernsehserien können “Galileo” und “Terra X” angeführt werden. Die Qualität von “Galileo” wird dabei als sehr viel geringer, als die von “Terra X” eingeschätzt. Beide Serien haben den Vorteil allgemein bekannt und sehr beliebt zu sein. “Terra X” läuft für jeden erhältlich auf einem öffentlichen Sender, während es sich bei Pro Sieben um einen Privatsender handelt. Beide Serien sind legal in Webarchiven als Clips erhältlich. Positiv an “Terra X” ist, dass es bei der Suchanfrage “Klimawandel” fast 100 ganze Folgen zu finden gibt. Zu den Filmen existieren kurze Artikel, sodass das Video nicht komplett angesehen werden muss. Außerdem arbeitet sie wie “Chasing Ice” viel über Landschaftsbilder. Es wird eher auf Prozessverständnis geachtet, als bei “Galileo”. Bei letzterem werden die Folgen in kurze Clips zerschnitten, was zeitlich vorteilhaft ist. Andererseits vermittelt die von Jugendlichen als “Wissensserie” betrachtete Fernsehshow nur wenig Prozess- und dafür viel “unnützes” Faktenwissen aus Statistiken und Selbstexperimenten. Letzteres ist natürlich für Jugendliche oft ansprechender. Stark negativ wird bei “Galileo” angesehen, dass man Informationen zum Klimawandel nur über Rubriken wie “Natur und Umwelt, Tiere und Naturkatastrophen” verstreut findet. Im Gegensatz dazu hat ZDF in Zusammenarbeit mit BBC sogar eine eigene Dokureihe über “Eisige Welten” gesendet. Die Qualität der Informationen scheint nach eigener Einschätzung und Erfahrung bei “Terra X” deutlich höher zu liegen und wissenschaftlich fundierter zu sein. Allgemein beim Fernsehen als problematisch betrachtet, wird die Art der Informationsvermittlung. Man kann zwar visuell mehr Informationen im Gedächtnis behalten, allerdings erschwert es, ohne die Möglichkeit Inhalte schriftlich nachzulesen, tieferes Verständnis. Es ist zwar in jedem Fall unterhaltsamer als schriftliche Quellen, meistens aber mit einer geringeren Informationsdichte pro Zeiteinheit versehen. Internet und andere Quellen Der große Vorteil des Internets besteht darin, dass mittlerweile laut der Shell Jugendstudie (2010) fast 100 % der Jugendlichen einen Zugang zum Internet haben. Problematisch ist dabei allerdings, wie und für welchen Zweck die Jugendlichen das Internet nutzen. Laut der JIM-Studie (2011) ist das Internet zwar das nach dem Handy am häufigsten täglich genutzte Medium und die Jugendlichen gaben ebenfalls den Umweltschutz als sehr wichtige Interesse an, jedoch ist zu bezweifeln, dass die Informationssuche im Internet hauptsächlich diesem Zweck dient. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 36 Informationsmenge zu groß und unübersichtlich ist. Es gibt wenige Qualitätsgarantien und aus eigener Erfahrung ist bekannt, dass die meisten Nutzer Wikipedia als “verlässliche” und vor allem allseits bekannte Informationsquelle nutzen. Vorteilhaft an dem Wikipedia Artikel zum Klimawandel ist, dass er die Ursachen gut und auch soweit ersichtlich wissenschaftlich korrekt darstellt. Kompliziertere Prozesse wie die Milanković-Zyklen können mit einem Klick ebenfalls schnell nachgelesen werden. Es ist übersichtlich und relativ umfangreich. Allerdings werden die Folgen des Klimawandels, als auch Vorschläge für Einsparmaßnahmen nicht genannt. Vermutet wird, dass dies aufgrund der Umstrittenheit dieser Themen nicht der Fall ist. Eindeutig negativ ist anzusehen, dass theoretisch jeder in Wikipedia einen eigenen Artikel verfassen könnte. So schwankt die Qualität der Artikel nach den Verfassern, wobei viele Artikel trotzdem eine gute Qualität und lange Literaturliste aufweisen. Für die “Klimakonferenz” müsste möglicherweise der Artikel näher auf Falschaussagen überprüft werden. Das studentische Forschungsprojekt “REKLIM” ist ein ausgewähltes Klimaprojekt, welches auch im Internet präsent ist. Es behandelt einen breiten Themenkatalog in Form von, Artikeln, Fotostrecken, Berichten und Interviews. Negativ anzusprechen ist die Altersgruppe, an die sich “REKLIM” vermutlich richtet. Es ist wohl eher für Studenten oder Oberstufenschüler ansprechend. Allerdings ist es ein gutes Beispiel für ein von Studenten gemachtes Projekt, dem unseren nicht unähnlich. Radio und Zeitungen kommen als ältere Medien ebenfalls in Frage, werden aber aufgrund der JIM-Studie (2011) für die Betrachtung verworfen, da die Nutzung dieser sehr gering ausfällt. Positiv zu vermerken ist jedoch, dass bei Nachrichten die Jugendlichen am ehesten der Tageszeitung vertrauen. Glossar Adaption Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen. Adiabatische Erwärmung/Abkühlung Erwärmung bzw. Abkühlung eines Luftpakets auf Grund einer Höhenänderung. Albedo Verhältnis aus kurzwelliger Ausstrahlung und kurzwelliger Einstrahlung einer Oberfläche. Helle Oberflächen haben dementsprechend eine hohe Albedo und dunkle Oberflächen eine niedrige Albedo. Anthropogen menschengemacht. Burden Sharing Lastenteilung innerhalb einer Gruppe von Ländern mit einer gemeinsamen Reduktionsverpflichtung. Wurde im Rahmen des Kyotoprotokolls für die EU umgesetzt, die sich verpflichtet hatte ihre Emissionen um 8 % zu senken. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 37 Deutschland und Dänemark hatten die größten Reduktionsziele, während Spanien, Griechenland und Portugal ihre Emissionen sogar steigern durften. Clean Development Mechanism Ein im Rahmen des Kyoto-Protokolls entwickelter Mechanismus. Industrieländern können hiermit Projekte zur Emissionsreduktion in Entwicklungsländern finanzieren (bspw. Aufforstung) und bekommen hierfür Zertifikate ausgestellt, die der Emissionsreduktion in den Industrieländern angerechnet werden. CO2-Äquivalente Umrechnung der Konzentration aller Treibhausgas in eine CO2-Konzentration (in parts per million,ppm) unter Berücksichtigung des jeweiligen Global Warming Potentials. CO2-Bilanz Bezeichnet die summierten, direkten und indirekten CO2-Emissionen über einen gewissen Zeitraum oder eine zurückgelegte Strecke. Beispielsweise wird die CO2-Bilanz der Bevölkerung Deutschlands angegeben als Summe aller direkten und indirekten CO2-Emissionen pro Kopf über den Zeitraum von einem Jahr. Eis-Albedo-Rückkopplung Beim Beginn von Kaltzeiten erhöht sich die Eisfläche auf der Erde und somit auch die Albedo der Erde. Die Reflektion der solaren Einstrahlung wird also erhöht, wodurch weniger Energie zur Erwärmung der Erdoberfläche verfügbar ist und somit den Prozess der Abkühlung verstärkt. Umgekehrt verhält es sich beim Beginn von Warmzeiten. El Niño Bezeichnet ein wiederkehrendes, natürliches Klimaphänomen das im äquatorialen Pazifik durch eine Umkehr von Strömungsprozessen bedingt ist. Unter anderem wird der Auftrieb kalten, nährstoffreichen Wassers entlang der Westküste Südamerikas unterbunden, wodurch es zum Massensterben von Fischen kommen kann. Der Name stammt von peruanischen Fischern und rührt daher, dass das Phänomen meist um Weihnachten entsteht. Emission Ausstoß von Luftinhaltsstoffen durch Verbrennungsprozesse. Emissionshandel Handel von CO2-Emissionszertifikaten ähnlich einer Börse mit dem Ziel die CO2-Emissionen der Industrie zu reduzieren bzw. Anreize zu schaffen Technologien zur Emissionsreduktion zu entwickeln. Geo-Engineering Zielgerichtete, technologische Eingriffe großen Maßstabs in das globale Klimasystem. GWP (Global Warming Potential) Das Erwärmungspotential eines Gases im Vergleich zu demjenigen von CO2. Hudson-Bay-Ereignis Am Ende der letzten Eiszeit bildete sich im Bereich der heutigen Hudson-Bay durch Zuflüsse von Gletscherwasser der Agassizsee. Nach einer Theorie wird angenommen, dass vor ca. 13 000 Jahren ein Eisriegel brach, wodurch es zum Ausströmen des Süßwassers in den Nordatlantik kam. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 38 Joint Implementations Gleicher Mechanismus wie der Clean Development Meachnism, mit dem Unterschied, das ein Industriestaat A (Annex B) Zertifikate für eine Investition zur Emissionsreduktion in einem Industriestaat B erhält. Jüngere Dryas Etwa 1000-jährige Kälteperiode oder auch Kälterückfall am Ende der letzten Eiszeit. Als Ursache gilt eine Unterbrechung des Golfstroms auf Grund einer Gletscherschmelze. Das Hudson-Bay-Ereignis könnte ein auslösender Faktor gewesen sein. Kalt-und Warmzeit Zeiträume während derer die Lufttemperaturen über (Warmzeit) oder unter (Kaltzeit) einer langjährigen Mitteltemperatur liegen. Klima Statistik des Wetters an einem Ort über einen Betrachtungszeitraum von typischerweise 30 Jahren. Mitigation Vermeidung (der globalen Erwärmung). Permafrostregion Region, in der die Böden ab einer gewissen Tiefe dauerhaft gefroren sind (z.B. in Alaska, Sibirien). Oberhalb des dauerhaft gefrorenen Bereichs gibt es eine Bodenschicht, die im Sommer regelmäßig auftaut (in einer Mächtigkeit von wenigen Dezimetern bis einigen Metern). Projektion Mögliche zukünftige Entwicklung einzelner oder mehrerer Klimakenngrößen (Temperatur, Niederschlag, Sonneneinstrahlung usw.) auf Basis von Szenarien und Klimamodellen. Solarkonstante Solare Einstrahlung am oberen Rand der Atmosphäre (rd. 1370 W m-2). Strahlungsantrieb Erwärmungspotential eines Luftinhaltsstoffes (Gase, Partikel) umgerechnet in W m-2. Thermohaline Zirkulation Auch als globales Förderband bezeichnet. Hierbei handelt es sich um globale Meereströmungen, die von Temperatur- und Salzgehaltsunterschieden angetrieben werden. Beides sind wesentliche Faktoren für die Dichte des Wassers. Treibhausgas Gas, das Energie im infraroten Wellenlängenbereich absorbiert und wieder gleichförmig in alle Richtungen abstrahlt. Die Wirkung ist vergleichbar mit derjenigen eines Treibhauses. Vulnerabilität Anfälligkeit (Verwundbarkeit) eines Systems gegenüber nachteiligen Auswirkungen infolge einer Störung. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 39 Anja Dreischmeier, Mikolaij Janocha, Esther Jurkiewicz, Anja Signitzer Anja Dreischmeier, Thiemo Hackel, Ravi Marcel Büttke »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 40 Vorbereitung Bestandsaufnahme Was wissen wir eigentlich über das Thema Klimawandel? Das gilt es in dieser Übung herauszufinden! Die Schülerinnen und Schüler sollen sich in Zweierpaaren gegenübersetzen, so dass sie sich gut miteinander unterhalten können. Im nächsten Schritt erzählen sie sich immer abwechselnd eine Minute lang etwas zu folgenden Fragen. Dabei ist es wichtig, dass sich der Zuhörende so viel wie möglich merkt. ● ● ● ● ● Was ist das Klima? Was ist der Klimawandel? Habe ich Angst wegen des Klimawandels? Wie beeinflusse ich persönlich den Klimawandel? Was tue ich schon um den Klimawandel zu stoppen? Nachdem über alle Fragen gesprochen wurde, stellen die Schülerinnen und Schüler der Klasse vor, was sie gerade von ihrer Gesprächspartnerin/ ihrem Gesprächspartner erzählt bekommen haben. Die Ergebnisse der Klasse kann man sammeln, um daraus später vielleicht Plakate zu gestalten. Die Klima-Dia-Show In Kleingruppen (5-6 SchülerInnen) entwickeln die Schülerinnen und Schüler fünf Standbilder zu den Folgenden Themen: ● ● Die Folgen des Klimawandels Die Ursachen des Klimawandels Wenn alle Gruppen 5 Standbilder gefunden haben, werden sie vor der Klasse präsentiert. Dabei ist es wichtig, dass immer eine Schülerin / ein Schüler aus einer anderen Gruppe die Bilder kommentiert. Wie bei einem Dia-Vortrag hält er eine Rede und beschreibt das, was er in dem Standbild sieht. Wenn ihm nichts mehr einfällt sagt er »KLICK«, und das nächste Standbild wird gezeigt. Wie viele Welten bräuchtet ihr? Findet heraus, wie viel CO2 ihr als Klasse ausstoßt. Auf der Homepage von Brot für die Welt kann man das in einem anschaulichen Test herausfinden. Wenn ihr alle euren persönlichen CO2-Austoß errechnet habt, errechnet den Gesamtwert eurer Klasse Den Test findet ihr hier: http://www.fussabdruck.de/fussabdrucktest/#/start/index/ Wir brauchen einen Klimasong! Sucht euch ein Lied, das ihr gerade besonders cool findet. Druckt euch den Text aus und schreibt ihn zu einem Klimasong um. Dann übt ihn ein und präsentiert ihn eurer Klasse. Ihr könnt auch gerne ein Musikvideo dazu drehen und es auf unsere Facebookseite posten. Wir freuen uns immer sehr! »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 41 Nachbereitung Der Klimawandel im Alltag Diese Übung erfordert einen relativ großen Zeitaufwand. Dieser erstreckt sich über insgesamt 3 Tage. 1. Tagesablauf erstellen (Tag 1) Sie Schülerinnen und Schüler sollen in ihrem alltäglichen Leben ein Bewusstsein dafür entwickeln, mit welchen Handlungen sie einen Einfluss auf das Klima nehmen. Dafür erstellt jeder aus der Klasse einen alltäglichen Tagesablauf (siehe Tabelle im Anhang), in dem er diese Tätigkeiten rot markiert. 2. Auswertung in der Klasse (Tag 2) Teilen Sie Ihre Klasse in Kleingruppen (5-6 Schüler/innen) und lassen Sie ihre Tagesabläufe miteinander vergleichen und darüber diskutieren. Danach sollen in den Gruppen Alternativen für ihre umwelt- bzw. klimaschädlichen Tätigkeiten diskutiert werden. Anschließend werden die Ergebnisse in der Klasse präsentiert. 3. Ein klimafreundlicher Tag (Tag 3) Für den nächsten Tag sollen sich die Schüler/innen vornehmen, ihre Änderungen in die Tat umzusetzen. Ihre Erfahrungen tragen sie in den Auswertungsbogen ein und besprechen sie mit ihren Mitschülern. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 42 Ensemble Ensemble, Anja Signitzer »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 43 Theaterknigge Ein Theater ohne Publikum ist wie … … Nullen ohne Einsen. … ein Wald ohne Bäume. … die Welt ohne das Internet. Daher freuen wir uns darüber, dass ihr da seid! Da es im Theater ein paar Regeln zu beachten gibt, haben wir dieses kleine Lexikon als Hilfe für euch zusammengestellt: Abendkleid, das: Viele Menschen ziehen sich gerne schön an, wenn sie ins Theater gehen. Sie wollen den Schauspielerinnen und Schauspielern ihren Respekt erweisen, oder selber auch ein bisschen glitzern, falls jemand zu ihnen in die Loge schaut. Heute ist schicke Kleidung aber keine feste Regel mehr im Theater. Essen, das: Ihr könnt euch vorstellen wie sehr es stören würde, wenn bei ganz leisen oder traurigen Szenen plötzlich jemand im Publikum in einen knackigen Apfel beißen würde. Und dann stellt euch vor, dass jemand neben euch eine Knistertüte auspackt ... Also, das Essen im Theater ist grundsätzlich nicht erlaubt. Fotografieren, das: Auch das Fotografieren ist leider nicht erlaubt. Wenn ihr schöne Bilder von dem Stück haben wollt, fragt doch im Theater nach. Meistens gibt es Erinnerungsbilder zum mit nach Hause nehmen auf Plakaten und Postkarten. Klatschen, das: Nachdem ein Stück vorbei ist, kommen die Schauspielerinnen und Schauspieler auf die Bühne und alle können heftig applaudieren. Je besser einem das Stück gefallen hat, desto lauter kann der Applaus sein. Unterhalten, das: Vermeidet es bitte, euch während der Vorstellung zu unterhalten. Die Schauspieler können euch, anders als im Kino, hören! Merkt euch eure Anmerkungen und Gedanken einfach, bis das Stück zu Ende ist, dann habt ihr noch genug Zeit über das Gesehene zu diskutieren. Turnschuhe, die: Turnschuhe sind im Theater erlaubt. Vielleicht solltest du sie nicht grade ausziehen, wenn du deine Füße vorher nicht gewaschen hast und deine Socken stinken könnten. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 44 Anhang für Interessierte Es wird heiß Aus dem Greenpeace Magazin 6.12 von Bill McKibben Drei simple Zahlen belegen, dass die Menschheit in akuter Gefahr ist – es ist die erschreckende Mathematik der Erderwärmung. Die gruseligste von ihnen lautet: 2795 Gigatonnen. So viel Kohlendioxid steckt in den nachgewiesenen Reserven der Öl- und Kohlekonzerne, deren Förderung bereits geplant ist. Wenn wir zulassen, dass dies tatsächlich geschieht, wird sich unser Planet grundlegend wandeln. Nur eine neue Protestbewegung kann dies verhindern. Fangen wir mit ein paar konkreten Zahlen an. Im Juni wurden in den Vereinigten Staaten 3215 Temperaturrekorde gebrochen oder eingestellt. Der Mai war in der nördlichen Hemisphäre der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen, zugleich war er der 327. Monat in Folge, in dem die Erdtemperatur über dem Durchschnitt des letzten Jahrhunderts lag. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Phänomen zufällig eintritt, liegt bei eins zu 2,7 x 1098 – eine Zahl, deutlich größer als die Anzahl der Sterne im All. Dieser Frühling war in Amerika der wärmste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen – der neue Rekord übertraf den alten so sehr, dass er „die größte Abweichung vom bislang gemessenen Temperaturdurchschnitt einer Jahreszeit“ war. Gleichzeitig wurde aus SaudiArabien gemeldet, dass es in Mekka bei 42,8 Celsius geregnet hatte, der wärmste Wolkenbruch der Geschichte. Nicht, dass unsere Politiker sich davon beeindrucken lassen. Der diesjährige Umweltgipfel in Rio de Janeiro, 20 Jahre nach der ersten Rio-Konferenz 1992, erreichte überhaupt nichts. Dabei muss man sich nur eine einfache Rechnung ansehen, um den Ernst der Lage zu verstehen. Im letzten Jahr haben Finanzexperten eine einfache arithmetische Analyse veröffentlicht, die in Fachkreisen diskutiert wird, einer breiteren Öffentlichkeit aber noch nicht bekannt ist. Sie wirft die meisten bisherigen politischen Überlegungen zum Klimawandel über den Haufen. Und sie ermöglicht es uns, anhand von drei simplen Zahlen unsere beinahe, aber noch nicht völlig hoffungslose Lage zu verstehen. Die erste Zahl: 2º C Hätte der Film hollywoodmäßig geendet, wäre der Kopenhagener Klimagipfel 2009 der Höhepunkt des weltweiten Kampfes gegen den Klimawandel gewesen. In der dänischen Hauptstadt hatten sich die Nationen der Welt zu einer Konferenz versammelt, die, wie der britische Klimaökonom Sir Nicholas Stern es formulierte, „angesichts des Ernsts der Lage die wichtigste Konferenz seit dem Zweiten Weltkrieg“ war. Die dänische Umweltministerin und Tagungsvorsitzende Connie Hedegaard erklärte seinerzeit: „Das ist unsere »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 45 Chance. Nutzen wir sie nicht, könnte es Jahre dauern, bis wir eine zweite, bessere bekommen. Wenn überhaupt.“ Am Ende wurde sie natürlich nicht genutzt. Kopenhagen war ein grandioser Misserfolg. Weder China noch die USA, die zusammen für 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, waren zu deutlichen Zugeständnissen bereit. Die Konferenz dümpelte zwei Wochen ziellos vor sich hin, bis am letzten Tag Staatschefs aus der ganzen Welt einflogen. Unter chaotischen Bedingungen versuchte Präsident Obama, einen gesichtswahrenden „Copenhagen Accord“ vorzuschlagen, der kaum jemanden überzeugen konnte. Die Vereinbarungen sind nicht bindend, und auch wenn einige Länder ihre Bereitschaft signalisierten, den CO2-Ausstoß zu reduzieren – es gab keine Durchsetzungsmechanismen. Doch das Abschlussdokument enthielt eine wichtige Zahl. In Paragraf eins wurde „die wissenschaftliche Auffassung, dass die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius liegen sollte“, offiziell anerkannt. Und im nächsten Paragrafen hieß es: „Wir erkennen an, dass tiefe Einschnitte bei den globalen Emissionen notwendig sind, damit die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius gehalten werden kann.“ Mit der Bekräftigung von zwei Grad wurden Positionen ratifiziert, die zuvor schon von den G8 und vom sogenannten Major Economies Forum formuliert worden waren. Tatsächlich war diese Zahl erstmals auf der Berliner Klimakonferenz 1995 genannt worden, die unter dem Vorsitz der damaligen deutschen Umweltministerin und heutigen Bundeskanzlerin Angela Merkel stattfand. Einige Anmerkungen zum Kontext: Bislang ist die Durchschnittstemperatur der Erde um knapp 0,8 Grad Celsius gestiegen, und das hat schon weit mehr Schaden angerichtet, als die meisten Wissenschaftler erwarteten. Beinahe die Hälfte der arktischen Sommereisfläche ist verschwunden, die Ozeane sind 30 Prozent saurer, und da warme Luft mehr Wasserdampf hält als kalte, ist die Atmosphäre über den Weltmeeren fünf Prozent feuchter, sodass mit katastrophalen Überschwemmungen zu rechnen ist. Angesichts dessen halten viele Wissenschaftler zwei Grad als Limit für viel zu lax. „Alles, was über einem Grad liegt, ist riskant“, schreibt der Hurrikanexperte Kerry Emanuel vom Massachusetts Institute of Technology. „Und mit steigenden Temperaturen werden die Chancen immer ungünstiger.“ Thomas Lovejoy, ehemaliger Artenvielfalt-Experte der Weltbank, drückt es so aus: „Wenn wir sehen, was heute schon bei 0,8 Grad passiert, dann sind zwei Grad schlicht zu viel.“ Der Nasa-Wissenschaftler James Hansen, der prominenteste Klimaforscher weltweit, formuliert es noch drastischer: „Das Zwei-Grad-Ziel, von dem in internationalen Verhandlungen gesprochen wird, führt langfristig in die Katastrophe.“ Trotz dieser begründeten Skepsis hat sich die Politik über alle wissenschaftlichen Mahnungen hinweggesetzt, und die Welt hat sich auf zwei Grad geeinigt. Man kann sogar sagen, dass es das Einzige ist, worauf sich die »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 46 Welt in Sachen Klimawandel überhaupt geeinigt hat. 167 Länder, die für mehr als 87 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, haben das Kopenhagener Abschlussdokument unterzeichnet, in dem die zwei Grad festgeschrieben sind. Nur ein paar Länder haben es abgelehnt, darunter Kuwait, Nicaragua und Venezuela. Selbst die Vereinigten Arabischen Emirate, die ihr Geld vor allem mit Öl und Gas verdienen, haben unterzeichnet. Die offizielle Linie des Planeten Erde ist zurzeit die, dass die Erwärmung zwei Grad nicht übersteigen darf. Das ist das Äußerste. Zwei Grad. Die zweite Zahl: 565 Gigatonnen CO2 Nach Schätzungen von Wissenschaftlern kann die Menschheit bis zur Mitte dieses Jahrhunderts ungefähr 565 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre blasen und trotzdem noch die vertretbare Hoffnung haben, unter dem Limit von zwei Grad zu bleiben („vertretbar“ bedeutet hier eine Wahrscheinlichkeit von vier zu fünf, also etwas schlechter als russisches Roulette mit einem sechsschüssigen Revolver). Die Vorstellung eines globalen „CO2-Budgets“ kam vor etwa zehn Jahren auf, als Wissenschaftler berechneten, wie viel Öl, Kohle und Gas weiterhin verbraucht werden können. Da wir die Erdtemperatur bislang um 0,8 Grad erhöht haben, sind wir noch mehr als die Hälfte des Weges vom Zwei-GradZiel entfernt. Computermodelle errechnen aber, dass selbst dann, wenn wir ab sofort den CO2-Ausstoß nicht mehr erhöhen würden, die Erdtemperatur um noch einmal 0,8 Grad steigen würde, da das bisher freigesetzte CO2 die Atmosphäre weiterhin aufheizt. Das heißt, wir haben schon drei Viertel des Weges zum Zwei-Grad-Ziel zurückgelegt. Wie zuverlässig sind diese Zahlen? Niemand behauptet, dass sie exakt sind, aber die wenigsten Fachleute bestreiten, dass sie grundsätzlich stimmen. Die Zahl 565 Gigatonnen ist das Ergebnis einer der aufwendigsten Computersimulationen, die in den letzten Jahrzehn-ten von Klimaforschern entwickelt wurden. Sie wird auch bestätigt durch die jüngsten Klimamodelle, die derzeit für den nächsten Bericht des Weltklimarates IPCC erarbeitet werden. „All diese Modelle unterscheiden sich nicht groß voneinander“, sagt Tom Wigley, ein australischer Klimaforscher am National Center for Atmospheric Research. „Wir haben gegenwärtig etwa 40 Modelle, früher waren es 20. Aber bislang sind die Ergebnisse ziemlich ähnlich. Im Grunde geht es nur um Feinabstimmungen. In den letzten zehn Jahren hat sich nicht viel verändert.“ Auch William Collins, Klimaforscher am Lawrence Berkeley National Laboratory, sieht das so: „Die Ergebnisse der neuesten Modelle werden ziemlich ähnlich sein. Wir haben immer mehr Klimadaten, aber die Ergebnisse bleiben weitgehend gleich.“ Auch in den Volkswirtschaften der Welt ändert sich nicht viel. Nur 2009, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, gingen die CO2-Emissionen leicht zurück, doch ansonsten pumpen wir Jahr für Jahr Rekordmengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre. Im Mai veröffentlichte die Internationale Energieagentur (IEA) »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 47 ihre jüngsten Zahlen: Die CO2-Emissionen stiegen im letzten Jahr auf 31,6 Gigatonnen, das sind 3,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Amerika hatte einen warmen Winter und stellte mehr Kohlekraftwerke auf Erdgas um, sodass der Ausstoß leicht sank. In China setzte sich der Boom fort, der CO2-Ausstoß stieg dort um 9,3 Prozent (neuer-dings liegt er über dem der USA). In Japan, wo nach Fukushima die Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, stiegen die Emissionen um 2,4 Prozent. In einer Studie nach der anderen wird prognostiziert, dass der CO2-Ausstoß jährlich um etwa drei Prozent zunehmen wird, und wenn das in diesem Umfang weitergeht, werden wir unsere 565 Gigatonnen bereits in 16 Jahren erreicht haben, also etwa dann, wenn die heutigen Vorschüler ihr Abitur machen. „Die neuen Daten machen abermals deutlich, dass wir das Zwei-Grad-Ziel praktisch schon erreicht haben“, sagt Fatih Birol, Chefökonom der IEA. „Der Trend dieser Daten entspricht einer Erwärmung um etwa sechs Grad.“ Dann hätten wir einen Planeten wie aus einem Science-Fiction-Roman. Mit Blick auf die neuen Fakten wiederholten alle Teilnehmer in Rio wie üblich gebetsmühlenartig die Forderungen nach politischen Maßnahmen, die uns zu dem Zwei-Grad-Ziel zurückführen. Das Kasperltheater wird im November weitergehen, wenn in Katar die nächste Vertragsstaatenkonferenz (COP) der UN-Klimarahmenkonvention stattfindet. Das wird COP 18 sein – COP 1 war 1995 in Berlin –, und bei all diesen Konferenzen ist praktisch nichts herausgekommen. Selbst die traditionell reservierten Wissenschaftler halten mit ihrer Meinung nicht mehr hinter dem Berg. „Seit fast 30 Jahren ist die Botschaft glasklar“, sagt William Collins und lacht sarkastisch. „Wir haben die notwendigen Instrumente und Computer, um alles detailliert zu berechnen. Wenn wir weitermachen, sollte das unter vollständiger Berücksichtigung der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse geschehen.“ Bislang sind all diese Forderungen jedoch wirkungslos verhallt. Wir sind in genau derselben Lage wie vor 25 Jahren: Die Wissenschaft warnt, die Politik unternimmt nichts. Die meisten Klimaforscher sprechen empört und offen, sobald die Mikrofone ausgeschaltet sind. Ein älterer Wissenschaftler erklärte im persönlichen Gespräch: „Sie kennen sicher diese Zigarettenpackungen, auf die Hersteller Bilder von Menschen mit Loch im Hals drucken müssen. So etwas müsste es auch für Zapfsäulen geben.“ Die dritte Zahl: 2795 Gigatonnen CO2 Dies ist die gruseligste Zahl – eine, die erstmals die politischen und wissenschaftlichen Dimensionen unseres Dilemmas verknüpft. Vorgestellt wurde sie im Sommer letzten Jahres von der Carbon Tracker Initiative, einer in London ansässigen Gruppe von Finanzanalysten und Umweltaktivisten. Sie veröffentlichte einen Bericht, der Investoren auf die möglichen Risiken aufmerksam machen soll, die der Klimawandel für ihre Anlageportfolios darstellt. Die Zahl bezeichnet die Gesamtmenge an CO2, die in den bekannten Kohle-, Gas- und Ölreserven der Energieunternehmen und der Ölstaaten (wie Venezuela oder Kuwait) enthalten ist. Das ist die fossile Ener-gie, die wir nach »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 48 gegenwärtiger Planung verbrauchen werden. Der Punkt ist, dass diese neue Zahl – 2795 – höher liegt als 565. Fünfmal höher. Die Carbon Tracker Initiative – geleitet von James Leaton, einem Umweltaktivisten, der beim Unternehmensberater PricewaterhouseCoopers arbeitete – hat ermittelt, über welche Reserven die großen Energiekonzerne der Welt verfügen. Die Zahlen sind nicht perfekt – sie reflektieren nicht die gestiegene Bedeutung unkonventioneller Energieträger wie Schiefergas und geben auch nicht exakt die Kohlereserven wieder, für die weniger strenge Meldevorschriften gelten als für Öl und Gas. Aber für die größten Unternehmen sind die Zahlen ziemlich genau: Bei einem kompletten Verbrauch der Bestände von Lukoil (Russland) und ExxonMobil (USA), welche die Liste der Öl- und Gaskonzerne anführen, würden allein diese beiden Firmen jeweils mehr als 40 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre blasen. Und eben deshalb ist diese neue Zahl 2795 Gigatonnen so wichtig. Denken wir uns die zwei Grad Celsius als Alkohollimit im Straßenverkehr – entsprechend den 0,5 Promille, die man bei einer Verkehrskontrolle höchstens im Blut haben darf. Die 565 Gigatonnen wären die Drinks, mit denen man sich gerade noch ans Steuer setzen kann – die zwei Bierchen, sagen wir, die man zum Abendessen trinkt. Und die 2795 Gigatonnen? Das ist die Batterie Sixpacks, die, geöffnet und trinkbereit, auf dem Tisch der Energiegiganten steht. Wir haben also fünfmal mehr Öl, Kohle und Gas in den Büchern, als nach Ansicht von Klimaforschern verbraucht werden dürfen. 80 Prozent dieser Reserven müssten unerreichbar weggeschlossen werden. Solange wir diese Zahlen nicht kannten, war unser Untergang denkbar gewesen. Aber nun wissen wir: Ohne massives Eingreifen ist er unausweichlich. Diese Vorräte an fossiler Energie sind technisch noch unter der Erde. Aber ökonomisch sind sie schon an der Oberfläche – sie stecken in Aktienkursen, Unternehmen bieten sie als Kreditsicherheit, Staaten gründen ihre Haushalte auf die erwarteten Profite durch ihre Bodenschätze. Dies erklärt, warum sich die Energiekonzerne so massiv gegen staatliche Vorschriften in Sachen CO2Ausstoß wehren – diese Reserven sind ihr größtes Kapital, ohne sie würden sie an Wert verlieren. Deshalb haben sie in den letzten Jahren auch mit allen Kräften untersucht, wie man Öl aus kanadischem Teersand gewinnt, in den Tiefen des Ozeans nach Öl bohrt oder in den Appalachen Erdgas fördert. Die CO2-Blase Wenn man Exxon oder Lukoil im Interesse des Klimaschutzes verbieten würde, ihre Reserven zu fördern, würden diese Unternehmen drastisch an Wert verlieren. John Fullerton, früher Manager bei JP Morgan, heute Direktor des Finanzberaters Capital Institute, schätzt, dass diese 2795 Gigatonnen CO2 nach heutigem Marktwert etwa 21 Billionen Euro wert sind. Wenn man also auf die Wissenschaft hörte und 80 Prozent der Vorkommen wegschlösse, »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 49 würde man ein Vermögen von 17 Billionen Euro abschreiben müssen. Das sind natürlich keine exakten Zahlen, aber die Immobilienblase ist neben der CO2-Blase wirklich sehr klein. Diese wird nicht unbedingt platzen – es könnte sein, dass wir zur großen Freude der Investoren alle Vorräte komplett aufbrauchen. Doch in dem Fall werden wir die Erde zugrunde gerichtet haben. Man kann mit Investitionen in fossile Energien eine gute Rendite erzielen, oder man kann einen halbwegs lebensfähigen Planeten haben – aber nach den aktuellen Zahlen sieht es so aus, als könne man nicht beides haben. Man muss nur rechnen: 2795 ist das Fünffache von 565. So einfach ist das. Wie gesagt, alle Versuche, die Erderwärmung in den Griff zu bekommen, sind bislang gescheitert. Die CO2-Emissionen steigen weiterhin, zumal Entwicklungsländer den westlichen Industrienationen nacheifern, sie sogar überholen. Selbst in den reichen Ländern ist ein geringfügiger Emissionsrückgang noch nicht die klare Trendwende, die nötig wäre, wenn wir die eiserne Logik der drei Zahlen durchbrechen wollen. Deutschland ist das einzige große Land, das tatsächlich versucht, einen anderen Energiemix hinzubekommen. An einem sonnigen Samstag Ende Mai erzeugte es fast die Hälfte seiner Energie aus Solaranlagen. Das ist ein kleines Wunder – und es zeigt, dass wir über die Technologie zur Lösung unserer Probleme verfügen. Doch es fehlt der Wille. Deutschland ist die Ausnahme, die Regel ist: noch mehr CO2. Wir wissen inzwischen, welche Strategien nicht funktionieren. Umweltgruppen etwa haben viel Zeit darauf verwendet, den Menschen einen anderen Lebensstil nahezulegen. Zu Millionen verwenden sie nun Energiesparlampen. Aber gleichzeitig kaufen die Leute energiefressende Flachbildschirme. In Sachen Umweltschutz sind die meisten von uns ambivalent. Wir fliegen für wenig Geld in warme Länder und werden darauf auch nicht verzichten, solange alle anderen sich ebenfalls für den Billigflieger entscheiden. Da wir alle irgendwie Nutznießer billiger Energie sind, ist der Kampf gegen die Erderwärmung wie eine Bewegung, die sich gegen einen selbst richtet. Es ist, als würde die Schwulenbewegung ausschließlich aus evangelikalen Predigern bestehen oder die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei aus Sklavenhaltern. Die meisten Leute glauben, durchaus zu Recht, dass ihr individuelles Verhalten keinen entscheidenden Einfluss auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre hat. In Amerika zeigte 2010 eine Umfrage, dass 73 Prozent der Befragten ihre Rechnungen zwecks Papierersparnis online bezahlen, aber nur vier Prozent hatten ihren Energieverbrauch reduziert, und nur drei Prozent hatten sich ein Auto mit Hybridantrieb gekauft. Gesetzt den Fall, wir könnten uns hundert Jahre Zeit lassen, dann würde die Umstellung des individuellen Lebensstils vermutlich spürbare Auswirkungen haben. Aber wir haben einfach keine Zeit mehr. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 50 Wirksamer ist es natürlich, innerhalb des politischen Systems zu arbeiten, und auch das haben Umweltschützer versucht, mit ähnlich beschränktem Erfolg. Sie haben geduldig Aufklärungsarbeit geleistet, haben Politiker auf die gefährliche Lage hingewiesen und angenommen, dass die Politik die Warnungen hören werde. Gelegentlich schien es sogar zu funktionieren. So hat Barack Obama den Klimawandel sehr viel deutlicher in seinem Wahlkampf thematisiert als alle anderen US-Präsidenten vor ihm. Kaum zum Kandidaten der Demokraten nominiert, rief er seinen Anhängern zu, dass seine Wahl den Moment markieren werde, in dem sich der Anstieg der Ozeane verlangsamen und die Erde wieder gesunden werde. Und er hat eine wichtige Vorschrift erlassen: Die Industrie muss sparsamere Autos bauen. Das ist eine Maßnahme, die, vor einem Vierteljahrhundert eingeführt, enorm geholfen hätte. Im Licht der drei genannten Zahlen ist sie natürlich nur ein winziger Schritt. Heute wäre es notwendig, dass der allergrößte Teil der fossilen Energie, die die Unternehmen verbrauchen wollen, überhaupt nicht gefördert wird – bloß das Tempo des Verbrauchs ein wenig zu verlangsamen genügt nicht. Doch tatsächlich tut der Präsident alles, um die Förderung voranzutreiben. Sein Innenminister beispielsweise gab einen großen Teil des Powder River Basin in Wyoming für den Kohleabbau frei. Die dort vorhandenen Lager entsprechen etwa 67,5 Gigatonnen CO2 (das sind mehr als zehn Prozent unseres Spielraums). Gleiches gilt für die Arktis und für Offshore-Bohrungen. Im März erklärte Obama bei einer Wahlkampfrede: „Sie haben mein Wort, dass wir überall bohren werden (…) Das verspreche ich Ihnen.“ Auf der Baustelle einer geplanten Pipeline in Cushing, Oklahoma, versprach er am nächsten Tag, sich für Sonnen- und Windenergie einzusetzen, gleichzeitig aber die Förderung fossiler Energie zu beschleunigen: „Der Ausbau der Öl- und Gasförderung hierzulande ist und bleibt ein zentrales Element unserer Energiepolitik.“ Mit anderen Worten, Obama will die Energiereserven erweitern – noch über die unverbrauchten 2795 Gigatonnen hinaus. Manchmal ist die Ironie geradezu mit Händen zu greifen. Im Juni unternahm Außenministerin Hillary Clinton eine Informationsreise an Bord eines norwegischen Forschungsschiffs, um sich einen unmittelbaren Eindruck von den Auswirkungen des Klimawandels zu verschaffen. „Die Prognosen über die Erderwärmung in der Arktis werden von der aktuellen Situation oft noch übertroffen“, sagte sie. Was sie gesehen habe, sei „ernüchternd“. Die Gespräche, die sie in Skandinavien mit Kollegen führte, drehten sich aber vor allem darum, wie sich der Westen seinen Anteil am Öl im Wert von geschätzt sieben Billionen Euro sichern kann, das aufgrund der arktischen Eisschmelze zur Verfügung stehen wird (mehr als 90 Milliarden Barrel oder 37 Gigatonnen CO2). Inzwischen hat Washington Shell eine Teilgenehmigung für Bohrungen in der Arktis erteilt. Fast jeder Staat mit fossilen Energievorkommen agiert ähnlich widersprüchlich. Kanada beispielsweise ist eine liberale Demokratie, bekannt »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 51 für ihren Inter-na-tio-nalismus – kein Wunder also, dass das Land das KyotoProtokoll unterzeichnete, das eine Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2012 vorsah. Dann machte der plötzliche Anstieg des Ölpreises die Teersande von Alberta ökonomisch attraktiv. Diese Vorkommen enthalten aber, wie NasaKlimaforscher James Hansen im Mai erklärte, etwa 240 Gigatonnen CO2 – fast die Hälfte des noch erlaubten Kontingents, wenn wir das Limit von 565 Gigatonnen ernst nehmen. Damit war Kanadas Unterschrift unter dem KyotoProtokoll sinnlos geworden. Im Dezember stieg die kanadische Regierung denn auch aus dem Vertrag aus, um keine Strafzahlungen wegen Nichterfüllung ihrer Zusagen zu riskieren. Im Kampf gegen die Erderwärmung haben wir bislang nur zaghafte kleine Schritte unternommen. Für eine rasche, grundsätzliche Neuorientierung wäre eine Protestbewegung nötig, und Bewegungen brauchen Feinde. Bisher aber hat der Klimawandel keinen geeigneten Feind geboten. Doch nun machen diese Klimazahlen schmerzhaft deutlich: Die Erde hat einen Feind – einen, der ungleich entschlossener ist als Staaten und Individuen. Angesichts der eindeutigen Zahlen müssen wir die Erdöl- und Kohlekonzerne in neuem Licht betrachten. Die Fossile-Energien-Industrie ist ein Schurkenverein, rücksichtslos wie keine andere Macht auf Erden. Sie ist der Hauptfeind für das Überleben der Menschheit. Die Macht von Exxon und Co. Laut dem Bericht der Carbon Tracker Initiative würde allein Exxon, wenn das Unternehmen seine aktuellen Reserven verbrauchte, mehr als sieben Prozent des verfügbaren Raums zwischen uns und dem Zwei-Grad-Risiko für sich in Anspruch nehmen. Gleich hinter Exxon kommen BP und die russische Firma Gazprom, dann folgen Chevron, ConocoPhillips und Shell, auf die jeweils drei bis vier Prozent entfallen. Diese sechs Unternehmen würden zusammengenommen mehr als ein Viertel des verbleibenden Zwei-GradBudgets verbrauchen. Der russische Bergbaugigant Severstal führt die Liste der Kohleunternehmen an, gefolgt von BHP Billiton und Peabody. Die Zahlen sind einfach überwältigend: Die Öl- und Kohlebranche hat ganz allein die Macht, die Beschaffenheit unseres Planeten zu verändern, und genau das hat sie auch vor. Die Konzerne wissen natürlich Bescheid über die Erderwärmung – immerhin beschäftigen sie einige der besten Wissenschaftler, und sie bewerben sich um all die Förderverträge, die durch die atemberaubende Eisschmelze in der Arktis möglich werden. Unentwegt suchen sie nach neuen fossilen Energievorkommen. Anfang März dieses Jahres erklärte Exxon-Chef Rex Tillerson, dass sein Unternehmen bis 2016 jährlich 29 Milliarden Eur0 (also etwa 80 Millionen Euro täglich) für die Suche nach noch mehr Öl und Gas ausgeben werde. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 52 Es gibt auf der Welt keinen rücksichtsloseren Menschen als Tillerson. Im Juni, als in weiten Teilen der USA extreme Hitze herrschte und in Colorado verheerende Waldbrände wüteten, bezeichnete er in New York die Erderwärmung zwar als real, tat sie aber als „technisches Problem“ ab, für das es „technische Lösungen“ gebe. Zum Beispiel? „Änderungen der Niederschlagsmuster, durch die sich die Ernten verschieben – wir werden uns daran anpassen.“ Gleichzeitig verdorrte im Mittleren Westen das Getreide bei Rekordtemperaturen, was einen globalen Anstieg der Lebensmittelpreise auslöste. „Den Angstfaktor, der die Menschen sagen lässt, ‘Wir müssen das stoppen‘, akzeptiere ich nicht“, sagte Tillerson. Natürlich nicht, denn wenn er ihn akzeptier-te, müsste er seine Reserven im Boden lassen. Was ihn Geld kosten würde. Mit anderen Worten: Es gibt kein technisches Problem – sondern ein Gier-Problem. Viele Umweltschützer in Amerika waren bisher nicht gewillt, sich die Energiekonzerne zum Gegner zu machen. Sie wissen, wie viel politischen Einfluss diese haben, und versuchen eher, sie davon zu überzeugen, sich von Kohle, Gas und Öl zu verabschieden und sich neuen Energieträgern zu öffnen. Mitunter schien diese Strategie zu funktionieren, wohlgemerkt: schien. Um die Jahrtausendwende unternahm beispielsweise BP den Versuch, sich als „Beyond Petroleum“ („Jenseits des Öls“) darzustellen. Man verpasste sich ein Logo, das an eine Sonne erinnert, und auf die eine oder andere BP-Tankstelle wurden Solaranlagen montiert. Aber Investitionen in saubere Energien machten nur ein Bruchteil des Gesamtbudgets aus, und nach ein paar Jahren war auch damit Schluss, als neue Firmenchefs verkündeten, man müsse sich wieder aufs „Kerngeschäft“ besinnen. Im Dezember 2011 wurde die Abteilung Solarstrom endgültig geschlossen. Shell machte die Abteilung Sonnen- und Windenergie schon 2009 dicht. Die fünf führenden Ölkonzerne haben seit der Jahrtausendwende mehr als 800 Milliarden Euro Profit erwirtschaftet – Öl, Gas und Kohle sind einfach zu lukrativ, als dass man Windgöttern und Sonnenstrahlen hinterherjagen würde. Ein Großteil dieses Profits verdanken sie einem historischen Zufall: Als einzige Branche dürfen die Energiekonzerne ihren Abfall namens Kohlendioxid gratis in die Umwelt kippen. Dieses Privileg hat niemand sonst. Restaurantbesitzer müssen für die Müllabfuhr bezahlen, da die Ratten kämen, wenn sie das Zeug auf der Straße stehen lassen würden. Aber bei den Energieunternehmen ist das anders, und zwar aus nachvollziehbaren historischen Gründen. Vor 25 Jahren wusste praktisch niemand, dass Kohlendioxid gefährlich ist. Heute wissen wir, dass CO2 die Erde aufheizt und zur Versauerung der Meere führt. Es muss also über den Preis geredet werden. Eine Verteuerung von CO2 – durch direkte Steuern oder auf andere Weise – würde die Märkte in das Lager der Umweltschützer treiben. Sobald Exxon für den Schaden aufkommen muss, den sein CO2 in der Atmosphäre verursacht, »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 53 würde der Preis seiner Produkte steigen. Für die Menschen wäre das ein klares Signal, weniger fossile Brennstoffe zu verbrauchen. An der Tankstelle würden sie jedes Mal daran erinnert, dass sie zum Einkaufen beim Bäcker keinen überdimensionalen Geländewagen brauchen. Erneuerbare Energien hätten am Markt nun die gleichen Chancen. Und das alles wäre möglich, ohne dass man die Verbraucher schröpft – man könnte Kohle, Gas und Öl mit einer hohen Steuer belegen und jedem Bürger einen Anteil aus diesen zusätzlichen Einnahmen überweisen. Bei einer Umstellung auf saubere Energieträger würden die meisten Leute am Ende sogar gewinnen. Es gibt nur einen Haken dabei. Die Verteuerung von Energie würde die Gewinne der Energiekonzerne reduzieren. Die Antwort auf die Frage „Wie viel sollte CO2 kosten?“ lautet schließlich: „So viel, dass die fossilen Vorkommen, mit denen wir die Zwei-Grad-Marke überschreiten würden, nicht angetastet werden.“ Je mehr CO2 kostet, desto mehr würden diese Reserven an Wert verlieren. Letztlich geht der Kampf darum, ob die Branche ihre privilegierte Schadstoffproduktion auch in Zukunft beibehalten darf oder ob wir dafür sorgen, dass sie für die durch sie verursachten Schäden aufkommen muss. Natürlich ist nicht klar, ob die Macht der Energiekonzerne gebrochen werden kann. Die Experten von der Carbon Tracker Initiative verfolgten ein relativ bescheidenes Ziel – sie wollten Investoren nur auf das sehr reale Risiko aufmerksam machen, das der Klimawandel für die Börsenkurse der Energiegiganten darstellt. Angenommen, es ereignet sich tatsächlich eine so große Katastrophe (ein gigantischer Hurrikan führt zur Überflutung Manhattans, eine Megadürre ruiniert die Landwirtschaft im Mittleren Westen), dass selbst die Branche keinen Einfluss mehr auf den Gesetzgeber hat: Plötzlich wären die Reserven von Chevron viel weniger wert, die Aktie würde abstürzen. Der Bericht der Carbon Tracker Initiative wollte Anleger nur warnen, sich dieser Gefahr bewusst zu sein und statt--dessen in alternative Energieträger zu investieren. Reines Eigeninteresse wird vermutlich keine Abkehr von fossilen Energieträgern bewirken. Moralische Empörung schon eher – und darin liegt die eigentliche Bedeutung der neuen Zahlen. Sie könnten sehr wohl zum Entstehen einer realen Protestbewegung führen. In der jüngeren Geschichte gab es einmal den Fall, dass öffentliche Empörung für ein Einlenken der Unternehmen sorgte. Das war die Kampagne der AntiApartheid-Bewegung, die in den 1980er-Jahren dazu aufrief, Firmen zu boykottieren, die in Südafrika Geschäfte machen. „Das Ende der Apartheid ist einer der großen Erfolge des letzten Jahrhunderts“, sagte Erzbischof Desmond Tutu. „Aber wir hätten es nicht geschafft ohne den Druck der Weltöffentlichkeit“, besonders der „Boykottbewegung in den 80ern“. Die Energiekonzerne sind zweifellos ein härterer Gegner, und selbst wenn man ihre Entscheidungen beeinflussen könnte, müsste man eine Strategie für »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 54 den Umgang mit all den Staaten entwickeln, die faktisch als Energieunternehmen agieren. Für Studenten ist die Sache viel offensichtlicher. Wenn das – in den USA oft große – Vermögen ihrer Universitäten auch in Aktien von Ölfirmen angelegt ist, wird ihre Ausbildung durch Investitionen subventioniert, die garantiert dafür sorgen, dass sie eine Erde vorfinden werden, auf der sie mit ihrem Examen nicht viel anfangen können. Die kalte Wahrheit Der Erfolg von Bewegungen ist kaum vorherzusagen. Aber jede Kampagne, die den politischen Einfluss der Energiekonzerne schwächt, macht es wahrscheinlicher, dass ihnen die Vorzugsbehandlung entzogen wird. Nehmen wir nur Präsident Obamas beachtlichen Schritt im Kampf gegen die Erderwärmung, als er die Autohersteller verpflichtete, sparsamere Fahrzeuge zu bauen. Wissenschaftler und Umweltschützer fordern das seit Jahrzehnten, aber solange die Branche nicht unter erheblichem Druck stand, konnte sie solche Überlegungen stets abwimmeln. Wenn die Öffentlichkeit die kalte arithmetische Wahrheit versteht, dass die Energiekonzerne systematisch die Lebensfähigkeit unseres Planeten untergraben, könnte das einen politischen Einfluss auf die Branche haben. Exxon und Konsorten würden möglicherweise ihren Widerstand gegen eine CO2-Steuer aufgeben, würden vielleicht sogar beschließen, auf saubere Energien zu setzen, und diesmal ernsthaft. Doch selbst wenn eine solche Bewegung möglich wäre – wir haben vielleicht schon viel zu lange gewartet. Um tatsächlich zu erreichen, dass wir unterhalb der Zwei-Grad-Marke bleiben, müsste Washington den Preis für CO2Emissionen deutlich erhöhen und dann, unter Verweis auf diesen Schritt, weltweit ähnliche Maßnahmen einfordern. Was heutzutage in Amerika passiert, ist wichtig, weil es einen Einfluss auf China und Indien hat, wo die Emissionen am stärksten ansteigen. Die drei genannten Zahlen sind beängstigend – sie beschreiben eine im Grunde aussichtslose Zukunft. Aber zumindest bieten sie Klarheit über die größte Herausforderung, vor der die Menschheit je gestanden hat. Wir wissen, wie viel CO2 wir ausstoßen dürfen, und wir wissen, wer noch mehr ausstoßen will. Der Klimawandel kommt schleichend, aber er ist keine namenlose Naturgewalt. Je gründlicher wir unsere Berechnungen anstellen, desto deutlicher wird, dass wir es letztlich mit einer moralischen Frage zu tun haben. Wir wissen, wer der Feind ist. Und die Zahlenflut hört nicht auf. In diesem Sommer schrumpfte das Eis der Arktis auf den mit Abstand niedrigsten Wert, der je gemessen wurde. Im Juni schüttete der Tropensturm Debby an einem einzigen Wochenende mehr als 50 Zentimeter Regen über Florida aus – nie zuvor waren so früh in einer Saison vier Wirbelstürme über das Land hinweggerast. Zur gleichen Zeit wütete das größte Feuer in der Geschichte New Mexicos, und die Brände in Colorado zerstörten 346 Häuser in Colorado Springs – ein neuer Rekord. In diesem Monat wurden die Ergebnisse einer neuen Studie vorgestellt, wonach »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 55 die Erderwärmung zu einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit von extremen Hitzewellen geführt hat – nur Tage nachdem bekannt wurde, dass eine Rekorddürre in den Great Plains und im Mittleren Westen die diesjährige Getreideernte bedroht. Eine noch größere Zahl gefällig? Im Juli hätten 1000 Billionen Weizenkörner im Grain Belt heranreifen müssen, was aber bei derart extremen Temperaturen unmöglich war. Genau wie der Mensch haben sich auch unsere Feldfrüchte an das Holozän angepasst, die 11.000-jährige Periode stabiler klimatischer Verhältnisse, die wir nun hinter uns lassen – im Staub. Text: Bill McKibben Bill McKibben ist ein amerikanischer Buchautor, der seit 20 Jahren über ökologische Themen schreibt. Er gründete die internationale KlimaschutzInitiative 350.org, organisierte zahlreiche Demonstrationen und gilt in den USA als einer der einflussreichsten Umweltschützer. »Die Klimakonferenz« – Materialmappe 56