Jessica Pilchner Serie „Evolution im Mutterleib“ Asche auf Papier

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Jessica Pilchner
Serie „Evolution im Mutterleib“
Asche auf Papier
Die Evolution, die eine mehrere Milliarden Jahre dauernde Veränderung vom einfachen Wasserlebewesen zum komplexen Menschen mit sich brachte, findet sich in
kleiner Form im Mutterleib bei der Entwicklung eines Embryos wieder: Wie im Zeitraffer wird hier die evolutive Vergangenheit des Menschen wiederholt, die durch einen
gemeinsamen Ursprung mit anderen Lebewesen sowie eine zunehmende Individualisierung und Differenzierung von anderen Wirbeltieren und Säugern gekennzeichnet
ist.
Vor diesem Hintergrund entstand die 20-teilige Serie „Evolution im Mutterleib“, die in
chronologischer Reihenfolge verschiedene Stadien der Embryonal- bzw. Fetalentwicklung darstellt.
Das gewählte Medium Asche steht einerseits für Tod und Vergänglichkeit; andererseits wird sie durch das Symbol des Phönix, der aus seiner eigenen Asche wiederaufersteht, und die Funktion von Asche als Düngemittel mit Wiedergeburt und Entwicklung assoziiert. Somit ergänzt das verwendete Material die Aussagekraft der Motive um den Aspekt eines sich wiederholenden Lebenskreislaufs und verstärkt den
Ausdruck der Serie.
Die Asche wurde in Verbindung mit Kleister mit einem Pinsel auf weiße Din A3Papierbögen aufgetragen.
Reflexion zur Ideenfindung und Anfertigung der Serie „Evolution im Mutterleib“
Seminar: BioArt, SS 2008
Dozenten: Heike Thienenkamp, Prof. Dr. Karsten Niehaus
Studentin: Jessica Pilchner, Matrikel-Nr. 1799578
Universität Bielefeld
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Abteilung Kunst und Musik
1 Ideenfindung
1.1 Ursprungsidee
Meine ursprüngliche Idee zur künstlerischen Umsetzung des vorgegebenen Themas
Evolution bestand in der Darstellung einer Entwicklung vom Undeutlichen, Ungewissen zum Klaren, Definierten. Dies sollte mithilfe einer Bilderreihe, die in ihrem Verlauf
vom Abstrakten allmählich zum Konkreten übergeht, ausgedrückt werden. Besonders
dominant war bei mir die Vorstellung eines Menschen, dessen Umrisse auf den ersten Bildern noch unscharf und unförmig sind und daher nicht oder nicht eindeutig auf
einen solchen schließen lassen, während sich das Abbild eines Menschen im weiteren Verlauf der Serie durch zunehmende Schärfe und Details immer mehr herauskristallisiert.
Diese Idee gründete darauf, dass die unzähligen Vorfahren des heutigen Menschen,
begonnen bei den einfachsten Wasserlebewesen, neben der Entwicklungslinie des
Menschen stets viele weitere Wege einschlugen und sich damit zu anderen Tieren
entwickelten. Die unklaren Formen der ersten Bilder der Serie, in die noch verschiedenste Lebewesen hineininterpretiert werden können, bringen die Flexibilität dieser
Vorfahren zum Ausdruck. Unter zunehmender Komplexität und gleichzeitiger Einbüßung von Flexibilität wird schließlich der Mensch definiert.
1.2 Endgültige Idee
Während der Planung zur Verwirklichung meiner Ausgangsidee stieß ich auf eine
interessante Beobachtung, die den gemeinsamen evolutionsgeschichtlichen Ursprung heutiger Tiere und Menschen bzw. ihre enge Verwandtschaft vor Augen führt:
In einem bestimmten frühen Entwicklungsstadium ist der menschliche Embryo von
den Embryos anderer Wirbeltiere kaum zu unterscheiden.
Dieser Zusammenhang motivierte mich dazu, mich näher mit Embryonalstadien zu
beschäftigen und die noch nicht ausgereifte, des Weiteren meiner Ansicht nach zu
wenig wissenschaftliche Ursprungsidee abzuwandeln und mehr zu konkretisieren:
Am Ende der Serie steht zwar nach wie vor deutlich erkennbar der Mensch, davor
jedoch keine abstrakten Darstellungen des Menschen, sondern die unterschiedlichen, chronologisch aufeinander folgenden Embryonal- bzw. Fetalstadien, die in abgekürzter Form Auszüge aus der menschlichen Evolutionsgeschichte widerspiegeln.
Zu Beginn der Serie (bzw. der kleinen „Evolution des Menschen“) soll der Bildbetrachter über ihren Ausgang noch im Ungewissen gelassen werden. Erst allmählich
soll das „Geheimnis gelüftet“ werden.
1.3 Wahl des Materials
Über das für die Umsetzung der Idee passende Material war ich mir zunächst unschlüssig. Es reizte mich jedoch von Anfang an, mir – vielleicht aufgrund des Seminartitels „BioArt“ – Naturmaterialien bzw. die natürlichen Eigenschaften eines Materials zunutze zu machen, wie z.B. durch Feuchtigkeit rostendes Metall oder Asche als
Farbpigment. Im Fall des Metalls hätte man den Prozess des Rostens teils dem Zufall überlassen können, teils gezielt die von ihrer Umgebung abzugrenzenden Flächen mit Klarlack vor Rost schützen können. Da für die Anschaffung von Metallplatten allerdings recht hohe Kosten vorauszusehen waren, wurde diese Möglichkeit
ausgeschlossen und die der Asche weiterverfolgt. Vermengt mit einem Bindemittel
kann man Asche wie gewöhnliche Farbe mit einem Pinsel auf einen beliebigen (rauhen) Untergrund auftragen. Als kostengünstigste Variante bot sich Tapetenkleister
als Binder und Zeichenkarton als Medium an.
Neben der unaufwändigen Beschaffung und Anwendung der Asche besteht ein großer Vorteil in ihrer symbolischen Bedeutung: Einerseits kann sie durch die Assoziation mit Tod und Vergänglichkeit einen Kontrast zu den Motiven bilden; andererseits
verbindet man Asche auch mit einer Wiederauferstehung und einem Neuanfang. Z.
B. steht der Phönix laut des Mythos immer wieder aus seiner eigenen Asche auf.
Auch das Bibelzitat „Gedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub zurückkehrst“ (1. Mose 3,19) deutet auf einen fortwährenden Kreislauf des Lebens und des
Todes hin. Daher kann die Symbolik der Asche ebenso die stetige Veränderung, die
die Bilderreihe zeigt, unterstützen.
2 Anfertigung der Serie
2.1 Auswahl der Motive
Für die Motive wählte ich die auf einer Internetseite1 abgebildeteten sogenannten 23
Carnegie-Stadien, in die man die 8 Embryonalwochen eingeteilt hat. Hierbei beschränkte ich mich auf die Stadien 7 bis 23, da die vorherigen zu schematisch dargestellt sind. Um zu einer Anzahl von 20 Motiven zu gelangen, nahm ich zusätzlich 3
Zwischenstadien und ein nicht dort aufgeführtes Stadium, das bereits der Fetalperiode angehört, als letztes Bild mit in die Serie auf.
Mein Ziel war es, mithilfe dieser 20 Vorlagen wesentliche Unterschiede zwischen den
Stadien kenntlich zu machen und zugleich Zusammenhänge von einem Bild zum
nächsten herzustellen, sodass der Eindruck einer Entwicklung ein und desselben
Lebewesens entsteht.
2.2 Arbeitsphase
Sobald man ein angemessenes Mischverhältnis von Asche und Kleister gefunden
hatte, stellte es kein Problem dar, mit der Paste und einem Pinsel zu malen. Aufgrund vieler grober Körner ließen sich Details nur schwer darstellen, jedoch war dies
ohnehin nicht meine Absicht. Vielmehr plante und vollzog ich ein „schnelles Malen“.
Nicht gelungene Stellen konnten nachträglich vorsichtig mit einem in Wasser getränktem Tuch korrigiert werden. Dieses Hilfsmittel benutzte ich auch nachträglich bei
der Überarbeitung aller Bilder zum Verwischen von Linien, um Schattierungen weicher erscheinen zu lassen.
3 Beurteilung des Ergebnisses
Insgesamt bin ich mit dem Ergebnis und seiner intendierten Aussagekraft einigermaßen zufrieden. Die Bilder lassen vorwiegend eine fließende Entwicklung eines Embryos erkennen. Nur stellenweise scheinen Sprünge zwischen zwei Bildern stattzufinden – insbesondere zwischen dem 7. und 8. Bild: Beide Bilder weisen kaum Gemeinsamkeiten auf, jedoch fand ich keine Vorlagen, die weitere Zwischenstufen zeigen. Nach dem 8. Bild wirkt die Serie wieder zusammenhängender.
Außerdem malte ich die Motive versehentlich z. T. unterschiedlich groß, obwohl sie
(trotz eines in Wirklichkeit kontinuierlichen Wachstums) alle gleichgroß dargestellt
1
Universitäten Fribourg, Lausanne und Bern (Schweiz): Online Embryologiekurs für Studierende der
Medizin, Die Carnegie-Stadien: http://www.embryology.ch/allemand/iperiodembry/carnegie03.html,
Abruf: 12.09.2008
werden sollten. Es wurde damit der Anschein erweckt, der Embryo würde mal wachsen und mal schrumpfen.
Davon abgesehen bin ich froh, dass das Arbeiten mit dem Material meinen Erwartungen entsprach. Da die verwendete Asche jedoch nicht wie erwartet grau ist, sondern einen hellbraunen, lehmähnlichen Farbton besitzt, verbinde ich weniger Tod,
sondern eher Erde bzw. fruchtbaren Boden mit ihr. Dies kommt der Aussage der Bilder zwar entgegen, dennoch finde ich es etwas schade, dass man womöglich nicht
erkennt, dass es sich um Asche handelt.
Abschließend lässt sich sagen, dass sich die Realisierung meines Vorhabens in
Form einer aus unterschiedlichen Embryonalstadien zusammengesetzten Serie offenbar als vorteilhaft erwies. Mithilfe der Serie war es möglich, die Entwicklung
menschlichen Lebens linear darzustellen. Hinsichtlich der Präsentation der Serie ist
es daher notwendig, alle Bilder chronologisch von links nach rechts und in einer einzigen Reihe auszustellen. Da dies bei einer Darstellung aller Stadien auf einem einzelnen Din A3-Bild nicht funktioniert hätte, schied diese Möglichkeit von vornherein
aus.
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