Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. Fakten und Trends zur Klimadebatte Zusammenfassung der Assessment Reports des International Panel of Climate Change (IPCC) Endbericht © FfE, Juli 2007 Fakten und Trends zur Klimadebatte Zusammenfassung der Assessment Reports des International Panel of Climate Change Auftraggeber: FfE-Auftragsnummer: Bearbeiter/in: Fertigstellung: E.ON Energie AG 502.10 S. von Roon M. Baitsch R. Corradini S. Krall Juli 2007 Impressum: Endbericht der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) zum Projekt: Fakten und Trends zur Klimadebatte Zusammenfassung der Assessment Reports des International Panel of Climate Change Auftraggeber: E.ON Energie AG Kontakt: Am Blütenanger 71 80995 München Tel.: +49 (0) 89 158121-0 Fax: +49 (0) 89 158121-10 E-Mail: [email protected] Internet: www.ffe.de Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr.-Ing. U. Wagner Geschäftsführer: Prof. Dr.-Ing. W. Mauch Projekt-Manager: Dipl.-Phys. R. Corradini i Inhalt Abkürzungsverzeichnis……………………………………………………………………….…….. iii 1 Einleitung ............................................................................................................. 1 2 Begriffsbestimmungen ....................................................................................... 3 3 Ergebnisse der Arbeitsgruppe I ......................................................................... 5 3.1 Natürliche und anthropogene Treiber .......................................................................... 5 3.1.1 Kohlendioxid .......................................................................................................... 7 3.1.2 Weitere langlebige Treibhausgase ........................................................................ 9 3.1.3 Ozon.................................................................................................................... 12 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 Methan verursachter stratosphärischer Wasserdampf......................................... 14 Oberflächenalbedo .............................................................................................. 15 Aerosole .............................................................................................................. 16 Flugverkehr ......................................................................................................... 17 Solarstrahlung ..................................................................................................... 18 Kosmische Strahlung........................................................................................... 19 3.2 Beobachtungen des aktuellen Klimawandels ........................................................... 20 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 Temperaturänderung........................................................................................... 21 Anstieg des Meeresspiegels ................................................................................ 23 Änderungen der Schnee- und Eismassen ........................................................... 23 Änderung der Niederschlagsmengen .................................................................. 24 Salzkonzentration der Ozeane............................................................................. 24 3.2.6 Arktische Meereseisausbreitung.......................................................................... 25 3.2.7 Extreme Wetterereignisse ................................................................................... 25 3.3 Einordnung des aktuellen Klimawandels in die Klimageschichte........................... 26 3.3.1 Paläoklimatische Betrachtung im Rahmen der Klimadebatte............................... 26 3.3.2 Rekonstruktion des Temperaturverlaufs mit Hilfe von Proxydaten....................... 26 3.3.3 Darstellung und Kenntnisse der Klimageschichte in den Assessment Reports.... 31 3.4 Szenarien zum zukünftigen Klimawandel.................................................................. 33 3.5 Erklärung und Zuschreibung des beobachteten Klimawandels .............................. 37 4 Ergebnisse der Arbeitsgruppe II und III........................................................... 42 4.1 Auswirkungen des Klimawandels .............................................................................. 42 4.2 Strategien zur Minderung des Klimawandels............................................................ 46 Abschließende Überlegungen zur Klimadebatte.................................................. 51 5 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 53 ii iii Abkürzungsverzeichnis 10 Radioaktives Beryllium-Isotop AIC Aviation-induced Cloudiness AR Assessment Report CFC Chlorofluorocarbon CH4 Methan CO2 Kohlendioxid EIT Economics of Transition --- Überbegriff für Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die sich auf dem Weg zur Marktwirtschaft befinden ENSO El Niño Southern Oscillation; komplex gekoppeltes Zirkulationssystem von Atmosphäre und Ozean im Pazifik GDWV Grad des wissenschaftlichen Verständnisses GHG Greenhouse Gases HCFC Hydrofluorocarbons IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change IR Infrarotstrahlung (Wellenlänge >780nm) LOSU Level of Scientific Understanding N2O Lachgas OECD Organisation for Economic Co-operation and Development; Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit ung Entwicklung ppb parts per billion; Teile pro Milliarde; 10 ppm parts per million; Teile pro Million; 10 RF Radiative Forcing (Strahlungsantrieb) SA Strahlungsantrieb SF6 Schwefelhexafluorid SPM Summary for Policymakers Entscheidungsträger) SRES Special Report on Emission Scenarios THG Treibhausgase UHI Urban heat island effect UNEP United Nations Environmental Programme UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change UV-B Ultraviolettstrahlung B (Wellenlänge von 320-280nm) WG Working Group WMO World Meteorological Organisation Be -9 -6 (Zusammenfassung für politische iv Einleitung 1 1 Einleitung Klimaschutz wird zunehmend als eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben angesehen. Dies zeigte sich einmal mehr an den medialen und politischen Reaktionen auf die Veröffentlichung des vierten Assessment Reports des International Panel of Climate Change (IPCC) im Frühjahr 2007. Aufgrund des sehr weiten Themenfeldes und der teilweise sehr hohen Komplexität der Thematik wird in der öffentlichen und politischen Diskussion größtenteils auf stark vereinfachte Aussagen zurückgegriffen. Hierbei besteht die Gefahr, dass der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand nicht mehr Basis wichtiger und weit reichender Entscheidungen ist. Die Diskussion wurde in der Vergangenheit größtenteils darüber geführt, ob es tatsächlich eine globale Erwärmung gibt und wie hoch hierbei der anthropogene Anteil ist. Der aktuellen Diskussion ist anzumerken, dass scheinbar ein gesellschaftlicher Konsens darüber herrscht, dass es im 21. Jahrhundert zu einer von Menschen verursachten globalen Erwärmung kommt. Die nun gestellten Fragen sind vielmehr, wie hoch die Erwärmung in Abhängigkeit des gewählten Emissionsszenarios ist und welche Auswirkungen hierbei zu erwarten sind. Im Rahmen dieses Berichtes wird der aktuelle Stand in der Klimadebatte dargestellt. Die hierbei in weiten Teilen der Gesellschaft anerkannte und somit maßgebliche Institution ist das IPCC. Im Jahr 1990 wurde der erste Assessment Report of Climate Change veröffentlicht. Weitere folgten 1995 sowie 2001. Der vierte Bericht wurde 2007 veröffentlicht. Der Bericht fasst den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Globale Erwärmung auf Basis des vierten Assessment Reports des IPCC zusammen. Darüber hinaus wird die Entwicklung des Kenntnisstandes in den vorhergegangenen Assessment Reports skizziert. Ziel des Berichtes ist, die Erkenntnisse der Assessment Reports ohne eigene Wertung zusammenzufassen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Themenauswahl und Schwerpunktsetzung getroffen werden muss, da der Umfang der Assessment Reports seit der Veröffentlichung des 1. AR stetig gewachsen ist. Die Seitenzahl ist von anfangs unter 1.000 Seiten auf aktuell über 3.000 Seiten gestiegen. Der Schwerpunkt des vorliegenden Berichts wurde auf die Arbeiten der ersten Arbeitsgruppe gelegt, da die in der Öffentlichkeit geführte Klimadebatte sich vor Allem mit den Ursachen und den dazugehörigen Belegen eines anthropogenen Klimawandels und den möglichen zukünftigen Entwicklungen in Form von Szenarien auseinandersetzte. Des Weiteren wird die Diskussion vorrangig auf Basis der Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger geführt. Die hierin abgehandelten Themen sind somit auch Teil dieses Berichtes. Die Arbeiten der zweiten und dritten Arbeitsgruppe werden auf Basis der Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger kurz zusammengefasst. Die Langfassungen lagen zum Zeitpunkt der Erstellung noch nicht vor, da beim vierten Assessment Report zum ersten Mal die Kurzfassungen vor den Langfassungen veröffentlicht wurden. Des Weiteren wird kritisiert, dass bei der Erstellung der Kurzfassungen für politische Entscheidungsträger die Endredaktion durch die von den Regierungen entsandten Politikern und Juristen vorgenommen wird. 2 Natürliche und anthropogene Treiber Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) Entstehung und Ziele Die Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe über Klimaänderungen, (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) wurde 1988 durch die Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environmental Programm, UNEP) gegründet. Ziel ist die Beurteilung wissenschaftlicher, technischer und sozioökonomischer Informationen, die für das Verständnis des Klimawandels und dessen Einfluss sowie zur Bestimmung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen relevant sind. Die Beurteilungen basieren auf von Fachleuten geprüften, internationalen wissenschaftlichen Arbeiten. Der IPCC betreibt somit selbst keine wissenschaftliche Forschung. Seit der Gründung des IPCC wurden einige Arbeiten veröffentlicht, die als Referenzwerke im Bereich der Politik und Wissenschaft verwendet werden. Struktur und Organisation Der IPCC besteht im Wesentlichen aus drei Arbeitsgruppen und einer „Taskforce‘‘, die sich mit der Entwicklung von Methodologien und der Standardisierung von Verfahren beschäftigt, beispielsweise bei der Erhebung von Emissionsdaten von Treibhausgasen in den einzelnen Ländern. Die Arbeitsgruppe 1 stellt den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Arbeiten dar. Die Arbeitsgruppe 2 befasst sich mit der Abschätzung der Folgen eines Klimawandels für die Gesellschaft und die Umwelt und möglichen Anpassungsmaßnahmen. Die Arbeitsgruppe 3 beurteilt Möglichkeiten, die eine Eindämmung des Klimawandels mit kurz- und langfristigen Strategien ermöglichen. Veröffentlichungen Hauptarbeiten des IPCC sind die Assessment Reports (AR), die wissenschaftliche, technische und sozioökonomische Informationen über den Klimawandel, dessen Ursachen und mögliche Auswirkungen sowie über Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels bereitstellen. Insgesamt wurden seit 1990 vier AR publiziert. Jeder dieser Berichte beinhaltet eine Zusammenfassung für Entscheidungsträger und wurde in alle offiziellen Sprachen der Vereinten Nationen übersetzt. Darüber hinaus wurden vom IPCC verschiedene Zwischenberichte veröffentlicht, die aufgrund aktueller Anfragen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) angefertigt werden und einzelne Themenbereiche oder spezielle Aspekte des Klimawandels gesondert betrachten. Um einzelne Aspekte des Klimawandels und die Ergebnisse der Assessment Reports wissenschaftlich vergleichbar zu machen, wurden einige wichtige Begriffe in den Assessment Reports eingeführt. Begriffsbestimmungen 3 2 Begriffsbestimmungen Strahlungsantrieb Der Strahlungshaushalt der Erdatmosphäre wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Die Veränderung des Strahlungshaushalts, die ein einzelner Faktor verursacht, wird Strahlungsantrieb (engl. Radiative Forcing) genannt und in Watt pro m² gemessen. Die ausgelöste Klimaänderung wird als positiver Strahlungsantrieb (Erwärmung) oder negativer Strahlungsantrieb (Abkühlung) bezeichnet. Einen positiven Strahlungsantrieb kann z. B. die zunehmende Konzentration langlebiger Treibhausgase hervorrufen. Ein negativer Strahlungsantrieb resultiert beispielsweise aus der Zunahme von Aerosolen in der Atmosphäre, die eine Abkühlung der bodennahen Luftschicht herbeiführen. Neben den durch die menschliche Aktivität beeinflussten Faktoren werden auch natürlichen Faktoren, wie z. B. eine Veränderung der Solarstrahlung oder Vulkanausbrüche, Strahlungsantriebe zugeordnet. Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen kann der veränderte Strahlungsantrieb eines Einflussfaktors nicht unmittelbar in eine globale Temperaturerhöhung umgerechnet werden. Das menschliche Handeln seit 1750 bis heute führte netto zu einer Erhöhung des Strahlungsantriebs um 1,6 W/m². Hinzu kommt eine Erhöhung des Strahlungsantriebs der solaren Einstrahlung um 0,12 W/m². Die mittlere globale Temperatur stieg im Zeitraum von 1850 bis heute um 0,76 K. Grad des wissenschaftlichen Verständnisses Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses (GDWV) (engl. Level of Scientific Understanding: LOSU) gibt an, welche Unsicherheiten bei den einzelnen Themengebieten noch bestehen. Die ausgewiesenen GDWV in den Assessment Reports reichen von sehr niedrig über niedrig und mittel bis hoch. Je höher das GDWV zu einer Komponente des Klimawandels ist, desto geringer ist die Spannweite des dazugehörigen Strahlungsantriebes. Grad des Vertrauens Bestimmten wissenschaftlichen Aussagen und Schlüssen wird in den Assessment Reports entsprechend Tabelle 2-1 ein Grad des Vertrauens zugeordnet. Tabelle 2-1: Grad des Vertrauens in die zugrunde liegende Wissenschaft Vertrauensterminologie engl. original deutsch very high confidence sehr hohes Vertrauen high confidence hohes Vertrauen medium confidence mittleres Vertrauen low confidence geringes Vertrauen very low confidence sehr geringes Vertrauen Grad des Vertrauens Die Aussage ist in mindestens 9 von 10 Fällen richtig Die Aussage ist in etwa 8 von 10 Fällen richtig Die Aussage ist in etwa 5 von 10 Fällen richtig Die Aussage ist in etwa 2 von 10 Fällen richtig Die Aussage ist in weniger als 1 von 10 Fällen richtig 4 Eintrittswahrscheinlichkeiten Mit welcher Wahrscheinlichkeit wissenschaftliche Erkenntnisse der Realität entsprechen, wird in den Assessment Report mit den in Tabelle 2-2 zusammengefassten Wahrscheinlichkeitsbegriffen zum Ausdruck gebracht. Tabelle 2-2: Terminologie der geschätzten Wahrscheinlichkeit von Ergebnissen nach /4. AR/ Wahrscheinlichkeitsterminology engl. original deutsch virtually certain praktisch sicher extremely likely äußerst wahrscheinlich very likely sehr wahrscheinlich likely wahrscheinlich more likely than not eher wahrscheinlich als nicht about as likely as not etwa so wahrscheinlich wie nicht unlikely unwahrscheinlich very unlikely sehr unwahrscheinlich extremely unlikely äußerst unwahrscheinlich exceptionally unlikely außergewöhnlich unwahrscheinlich Eintrittswahrscheinlichkeit > 99 % > 95 % > 90 % > 66 % > 50 % 33 - 66 % < 33 % < 10 % <5% <1% Im 3. AR wurden die Wahrscheinlichkeiten wie folgt angegeben: > 99 % praktisch sicher (virtually certain), 90 %- 99 % sehr sicher (very likely); 33 %-66 % mittlere Wahrscheinlichkeit (medium likelihood), 10 %-33 % unwahrscheinlich, 1 %-10 % sehr unwahrscheinlich, < 1 % äußerst unwahrscheinlich. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 5 3 Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 3.1 Natürliche und anthropogene Treiber Die Arbeitsgruppe I stellt die Ergebnisse zur wissenschaftlichen Basis für den Themenkomplex Klimawandel zusammen. Eine der Schlüsselfragen ist hierbei, wie hoch der anthropogene Anteil des bereits stattfindenden Klimawandels ist. Die Veränderung der natürlichen und anthropogenen Treiber seit der vorindustriellen Zeit werden untersucht und ihr jeweils erwärmender oder Temperatur senkender Effekt quantifiziert. Im Folgenden werden die physikalische Wirkweisen dieser Treiber kurz skizziert, ihre Bedeutung für den Klimawandel herausgearbeitet sowie die Entwicklung des Wissenstandes seit dem 1. AR von 1990 aufgezeigt. Strahlungsantrieb in der vergleichenden Übersicht Im 4. AR wird die Übersicht über die Treiber des aktuellen Klimawandels im ersten Teil der SPM gegeben. Die folgende Darstellung in Abbildung 3-1 ist der deutschen Fassung entnommen. Abbildung 3-1: Treiber des Klimawandels nach /4. AR/ Für jeden der in Abbildung 3-1 dargestellten anthropogenen und natürlichen Treiber ist der beste Schätzwert seines Strahlungsantriebs mit einer Unsicherheitsspannweite angegeben. Des Weiteren ist die räumliche Skala der Wirkung des Treibers von lokal bis 6 Natürliche und anthropogene Treiber global aufgezeigt. Der jeweilige Grad des wissenschaftlichen Verständnisses ist in der Spalte GDWV angegeben. Als einzigen natürlichen Treiber, der sich seit der vorindustriellen Zeit maßgeblich geändert hat, wird die Sonnenstrahlung angegeben. Die restlichen Treiber beruhen auf menschlichen Aktivitäten, wobei die CO2-Emissionen den stärksten erwärmenden Einfluss haben. Einige der anthropogenen Faktoren weisen einen negativen Wert für ihren Strahlungsantrieb (SA) auf, das heißt sie wirken einer Erwärmung entgegen. Der gesamte Nettoeffekt der anthropogenen Treiber wird mit 1,6 W/m² angegeben. Die Auswahl der Treiber entspricht der in /3. AR/. Die Aufteilung und Darstellung weicht jedoch leicht ab (vgl. Abbildung 3-2). Abbildung 3-2: Treiber des Klimawandels nach /3. AR/ Im 3. AR wurde kein gesamter Nettoeffekt der anthropogenen Treiber ausgewiesen. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass dieser sich nicht durch einfache Addition bzw. Subtraktion der Einzelwerte ergibt. Hervorzuheben ist, dass sich im 4. AR bei den Aerosolen, den Wirkungen des Luftverkehrs und der Sonnenstrahlung der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses von sehr niedrig im 3. AR auf niedrig bzw. bei den Aerosolen auf mittel bis niedrig verbessert hat. Im 3. AR wurde der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses gegenüber dem 2. AR nicht wesentlich erhöht (vgl. Abbildung 3-3). Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 7 Abbildung 3-3: Treiber des Klimawandels nach /2. AR/ Im 2. AR wurde die Wirkung der veränderten Oberflächenalbedo im Gegensatz zu den nachfolgenden AR noch nicht quantifiziert. Im 1. AR findet sich noch keine vergleichende Darstellung der Treiber und den dazugehörigen Strahlungsantrieben. 3.1.1 Kohlendioxid Kohlendioxid (CO2) ist ein farb- und geruchloses Gas, das zu 0,038 % in der Atmosphäre vorkommt. Die restlichen Anteile der Atmosphäre setzen sich aus Stickstoff mit 78,1 %, Sauerstoff (20,9 %), Wasserdampf (ca. 1 %), Argon (0,93 %) und anderen Spurengasen wie z. B. Helium und Ozon zusammen. Kohlendioxid gehört neben anderen Vertretern (CH4, N2O, CFCs,…) zu den Gasen, die den Treibhauseffekt verursachen, und werden daher Treibhausgase genannt (THG oder GHG (Greenhouse Gases)). Hierbei wird zwischen dem natürlichen und dem anthropogen verursachten Treibhauseffekt unterschieden. Der natürliche Treibhauseffekt macht Leben auf der Erde überhaupt erst möglich, da die Temperaturen auf der Erdoberfläche sonst zu niedrig (ca. -18 ºC) für die biologische Vielfalt wären. Der anthropogen verursachte Treibhauseffekt wird durch den zusätzlichen Ausstoß von Treibhausgasen verursacht, der den natürlichen Kohlenstoffkreislauf aus dem Gleichgewicht bringt und zu einer weiteren, unerwünschten Erwärmung der Erde führt. Während beim natürlichen Treibhauseffekt der Wasserdampf den größten prozentualen Anteil der Treibhausgase ausmacht, ist es beim anthropogenen Treibhauseffekt das CO2. 8 Natürliche und anthropogene Treiber Der CO2-Ausstoß trägt laut 4. AR zu 61 % zum aktuellen anthropogenen Treibhauseffekt bei. Die Zunahme an atmosphärischem CO2 seit der vorindustriellen Zeit ist nach 2 /4. AR/ für einen Strahlungsantrieb von +1,66 ± 0,17 W/m verantwortlich, und übersteigt somit alle anderen Treiber. Es gibt mehrere Anzeichen dafür, dass der rasche Anstieg an atmosphärischen CO2, der vor allem seit Beginn des industriellen Zeitalters zu beobachten ist, nicht durch natürliche Mechanismen verursacht wurde. Die vorindustrielle CO2-Konzentration lag bei 280 ppm und stieg bis 2005 auf 379 ppm. Das entspricht einem Anstieg der Konzentration um ca. 100 ppm. Am Ende der letzten Eiszeiten stieg die CO2-Konzentration innerhalb von 5.000 Jahren um 80 ppm. Die atmosphärische CO2-Konzentration im Jahre 2005 übersteigt bei Weitem die Konzentration der letzten 650.000 Jahre, die zwischen 180 und 300 ppm lag (siehe Abbildung 3-4). Da CO2 in der Atmosphäre global gut durchmischt wird, konnte die CO2-Konzentration der letzten Jahrtausende mittels Eiskernbohrungen festgestellt werden. Hierbei geben die im Eis eingeschlossenen Luftblasen unter anderem Aufschluss über die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre der jeweiligen Zeitperiode. Abbildung 3-4: Schwankungen der atmosphärischen CO2-Konzentration über 650.000 Jahre ermittelt durch eingeschlossene Luftblasen in Eiskernen und durch atmosphärische Messungen /4. AR/ Der globale Anstieg der CO2-Konzentration resultiert hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der Änderung der Landnutzung, überwiegend durch Abholzung und Umstellung der agrarwirtschaftlichen Nutzung. In /4. AR/ wird geschätzt, dass die anthropogenen CO2-Emissionen zu zwei Drittel durch die Verbrennung fossiler Brennstoff und zu etwa ein Drittel durch die veränderte Landnutzung verursacht Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 9 werden. Ungefähr 45 % dieses CO2 verbleiben in der Atmosphäre, während ca. 30 % von den Ozeanen und ca. 25 % in der terrestrischen Biosphäre aufgenommen wurde. CO2 gehört zu den langlebigen Treibhausgasen, die über lange Zeit chemisch stabil in der Atmosphäre verbleiben und dessen Emission somit einen lange anhaltenden Einfluss auf das Klima hat. Ein wesentlicher Parameter in Klimamodellen in Bezug auf CO2 ist die so genannte Klimasensitivität (Climate Sensitivity). Die Klimasensitivität ist definiert als die mittlere globale Erwärmung an der Erdoberfläche aufgrund einer Verdoppelung der CO2Konzentration. Die Analyse von Klimamodellen kombiniert mit Randbedingungen aus den Beobachtungen ermöglicht im 4. AR zum ersten Mal die Angabe einer geschätzten wahrscheinlichen Spannweite der Klimasensitivität und verschafft ein höheres Vertrauen in das Verständnis der Reaktion des Klimasystems auf den Strahlungsantrieb. Die Klimasensitivität wird aus der Erwärmung des 20. Jahrhunderts und verschiedener Klimamodelle abgeleitet. Im 4. AR werden auf Basis dieser Auswertung für die Klimasensitivität Werte zwischen 2 K und 4,5 K mit einem besten Schätzwert von 3 K angegeben. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Klimasensitivität kleiner als 1,5 K ist. Wesentlich höhere Werte als 4,5 K können nicht ausgeschlossen werden, wobei die Übereinstimmung von Modellen mit den Beobachtungen für diese Werte nicht so gut ist. Im 3. AR wurde der Strahlungsantrieb für anthropogenes CO2 in der Atmosphäre für 2000 im Vergleich zu 1750 mit 1,46 W/m2 angegeben. Im 2. AR wurde der zusätzliche Strahlungsantrieb seit der vorindustriellen Zeit von CO2 auf 1,56 W/m2 beziffert. Zum Zeitpunkt des ersten 1. AR wurde der Strahlungsantrieb des anthropogenen CO2 noch mit 1,50 W/m2 angegeben. Quantitative Angaben zur Klimasensitivität wurden das erste Mal im 3. AR gemacht. Es wurde für die Klimasensitivität ohne Angabe eines besten Schätzwertes eine Spanne zwischen 1,5 K und 4,5 K angegeben. Die Zunahme an atmosphärischem CO2 seit der vorindustriellen Zeit von 280 ppm auf 379 ppm ist für einen Strahlungsantrieb von +1,66 ± 0,17 W/m2 verantwortlich und übersteigt somit alle anderen Treiber. Bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration wird eine Erwärmung von 3 K erwartet. 3.1.2 Weitere langlebige Treibhausgase Zu den langlebigen Treibhausgasen gehören neben CO2 (vgl. Kapitel 3.1.1), Methan (CH4), Lachgas (N2O), Halogenkohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid (SF6) (siehe Tabelle 3-1). Die langlebigen Treibhausgase haben eine Verweilzeit, die von 1,5 Jahren (HFC-152a) bis 50.000 Jahre reicht (CF4). Die lange Verweildauer in der Atmosphäre führt zu einer guten Durchmischung der jeweiligen Treibhausgase, welche eine genaue Schätzung der globalen Konzentration durch Datenanalyse an nur wenigen Orten ermöglicht. Der gesamte Strahlungsantrieb aller langlebigen Treibhausgase liegt laut 4. AR bei +2,63 W/m2. Den langlebigen Treibhausgasen ohne CO2 wird ein Strahlungsantrieb von +0,98 W/m² zugerechnet. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses zum Thema langlebige Treibhausgase wird mit hoch angegeben. 10 Tabelle 3-1: Natürliche und anthropogene Treiber Heutige Konzentrationen (Concentrations) und Strahlungsantriebe (Radiative Forcing) sowie deren Änderungen seit 1998 für langlebige Treibhausgase /4. AR/ Im Vergleich zu CO2 haben die restlichen langlebigen Treibhausgase jeweils einen geringeren prozentualen Anteil am Treibhauseffekt, jedoch ist die Schadenswirkung pro emittierte Einheit (Treibhauspotenzial) im Vergleich zum Referenzgas CO2 größer. Die Schadenswirkung wird durch die so genannten CO2-Äquivalente ausgedrückt, wobei CO2 als Referenz zu einem Äquivalent von 1 gesetzt wird. Methan hat z. B. ein CO2-Äquivalent von 21, also ein 21-fach höheres Treibhauspotential als CO2 (siehe Tabelle 3-2). Tabelle 3-2: CO2-Äquivalente verschiedener ausgewählter Treibhausgase /2. AR/ Treibhausgas Chemische Formel Kohlendioxid Methan Lachgas Schwefelhexafluorid CO2 CH4 N2 O SF6 CO2-Äquivalente (Zeithorizont: 100 Jahre) 1 21 310 23900 Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 11 Im Folgenden werden drei langlebige Treibhausgase beschrieben, die neben CO2 den höchsten Strahlungsantrieb aufweisen. Methan (CH4): Die globale CH4-Konzentration in der Atmosphäre ist seit vorindustrieller Zeit von 715 ppb auf 1774 ppb in 2005 gestiegen und übersteigt bei Weitem die natürliche Konzentration in den letzten 650.000 Jahren, die zwischen 320 und 790 ppb lag (ermittelt durch Eiskernbohrungen). Die seit 1750 festzustellende Konzentrationszunahme lässt auf anthropogenes Handeln schließen, die Hauptquellen sind meist biogenen Ursprungs, wie z. B. Feuchtgebiete, Reisanbau, wiederkäuende Tiere und Verbrennung von Biomasse. Dieser Anstieg der Konzentration trägt zu einem 2 Strahlungsantrieb von +0,48 ± 0,05 W/m bei. Methan hat somit nach CO2 den zweithöchsten Strahlungsantrieb (siehe Abbildung 3-1). Seit 1990 hat die CH4-Zuwachsrate signifikant abgenommen und war zwischen 1999 und 2005 nahezu Null. Halogenkohlenwasserstoffe (CFC und HCFC): Eiskernbohruntersuchungen haben ergeben, dass diese Treibhausgase rein anthropogenen Ursprungs sind. Die so genannten Montreal Protokoll Gase1 tragen mit +0,32 ± 0,03 W/m2 zum Strahlungsantrieb in 2005 bei, davon ist CFC-12 das drittwichtigste langlebige Gas in Bezug auf den Strahlungsantrieb. Lachgas (N2O): Die globale N2O-Konzentration stieg seit vorindustrieller Zeit von 270 ppb auf 319 ppb in 2005 an. Daten aus Eiskernbohrungen zeigen, dass die atmosphärische N2O-Konzentration in den letzten 11.500 Jahren bis zur industriellen Revolution um weniger als 10 ppb variierte. Seit 1980 ist die Zuwachsrate in etwa konstant. Mehr als ein Drittel der aktuellen N2O-Emissionen sind anthropogenen Ursprungs, hauptsächlich verursacht durch die Landwirtschaft. Die Zunahme der N2O2 Konzentration seit 1750 trägt zu einem Strahlungsantrieb von +0,16 ± 0,02 W/m bei. Die aus Eiskernbohrungen rekonstruierten atmosphärischen Konzentrationen der letzten 20.000 Jahre von CO2, CH4 und N2O sowie der sich hieraus ergebende gesamte Strahlungsantrieb zeigt Abbildung 3-5. Der graue Balken zeigt die Spanne der natürlichen Variabilität der letzten 650.000 Jahre auf. 1 Montreal Protokoll: Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde in Deutschland 1988 ratifiziert. Die unterzeichnenden Staaten haben sich verpflichtet, die Emission von Gasen, die die Ozonschicht schädigen, zu reduzieren und letztlich zu unterbinden. Hiervon sind im wesentlichen Kohlenwasserstoffe, die Halogene enthalten, betroffen. 12 Natürliche und anthropogene Treiber Abbildung 3-5: Konzentration und Strahlungsantrieb (Radiative Forcing) von CO2, CH4, N2O und die Änderungsrate des gesamten Strahlungsantrieb (Rate of Change) über die letzten 20.000 Jahre nach /4. AR/ Im 4. AR beläuft sich der gesamte zusätzliche Strahlungsantrieb der drei wichtigsten langlebigen Treibhausgase ohne CO2 in 2005 seit der vorindustriellen Zeit auf ca. +0,98 W/m2. Im 3. AR lag dieser Wert für das Jahr 2000 bei +0,97 W/m2. Im 2. AR wird der Strahlungsantrieb dieser Gruppe mit +0,86 W/m2 und zum Zeitpunkt des 1. AR mit +0,81 W/m2 angegeben. Schon seit dem 1. AR waren sich die Wissenschaftler einig, dass Methan, Halogenkohlenwasserstoffe und Lachgas den Treibhauseffekt fördern und zu einer Erwärmung der Erdoberfläche führen. Neben Kohlendioxid stellen Methan, Halogenkohlenwasserstoffe und Lachgas wichtige langlebige Treibhausgase dar. Die Emission dieser Gase seit der vorindustriellen Zeit verursacht einen zusätzlichen Strahlungsantrieb von +0,98 W/m². 3.1.3 Ozon Ozon ist ein stark wirksames Treibhausgas, welches im Wellenlängenbereich der Infrarot- als auch der UV-B-Strahlung einen hohen Absorptionsgrad aufweist. In der Stratosphäre wird ein Großteil der schädlichen UV-B-Strahlung vom vorhandenen Ozon absorbiert. Eine Ozonanreicherung in der Troposphäre und Verringerung der Ozonkonzen- Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 13 tration in der Stratosphäre führt daher zu einer Erhöhung der UV-B-Strahlung und gleichzeitig der Temperatur an der Erdoberfläche. Troposphärisches Ozon Als troposphärisches Ozon wird bodennahes Ozon bezeichnet. Es liefert mit +0,35 W/m² nach den langlebigen Treibhausgasen den größten Beitrag zum treibhausgasbedingten Strahlungsantrieb (vgl. Abbildung 3-1). Ozon wird in der Troposphäre durch die photochemische Oxidation von Kohlenmonoxid, Methan und nichtmethanhaltigen, flüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen in Anwesenheit von Stickoxiden gebildet. Eine weitere Ozonquelle stellt der stratosphärische-troposphärische Austausch dar, bei dem Ozon von der höhergelegenen Stratosphäre in die Troposphäre gelangt. Dieser Effekt wurde in vielen älteren Studien überschätzt. Eine Verringerung des troposphärischen Ozons kann durch chemische Reaktionen und Sedimentation geschehen. Da Messdaten über die troposphärische Ozonkonzentration sowohl zeitlich als auch räumlich nur begrenzt vorliegen, basieren die Abschätzungen des Strahlungsantriebs in den Assesment Reports auf Simulationen. Im Gegensatz zum 3. AR berücksichtigen aktuelle Modelle sowohl den chemischen Stofftransport zwischen Tropo- und Stratosphäre als auch die Änderung des Strahlungsflusses, der durch die Verringerung von der Stratosphäre hervorgerufen wird. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses wird als „mittel‘‘ eingestuft. Stratosphärisches Ozon Im Zeitraum von 1980 bis 1995 wurde eine Abnahme des stratosphärischen Ozons auf globaler Ebene verzeichnet. Es gibt belastbare Anzeichen dafür, dass mit einer nachhaltigen Regeneration der Ozonschicht nicht vor Ende des jetzigen Jahrzehnts zu rechnen ist. Die Verringerung der stratosphärischen Ozonkonzentration verursachte laut 4. AR eine Minderung des Strahlungsantriebs um -0,05 ± 0,1 W/m². Dies kann als Schätzwert für den Zeitraum vom 1750 bis 2005 angenommen werden. Die Ozonmenge verringerte sich von 1970 bis 1995. Die niedrigsten Ozonkonzentrationen wurden 1992 und 1993 registriert, diese lagen um bis zu 6 % unter dem Mittelwert der Jahre 1964 bis 1980. Danach ist ein geringer Anstieg der Ozonmenge zu verzeichnen. Es ist weiterhin unklar, welche Faktoren die Regeneration der Ozonschicht begünstigen. Die größte Änderung des Ozongehalts besteht in den Wintermonaten in der Antarktis. Hier sinkt die Ozonmenge bezogen auf die Jahre vor dem Referenzjahr 1980 auf 40 bis 50 % des Referenzwertes. Die Verringerung der Ozonkonzentration über der Arktis war geringer als über der Antarktis, da höhere Temperaturen in der Stratosphäre über der Arktis weniger polare stratosphärische Wolken hervorrufen, die durch einen verstärkten Stoffaustausch die chemische Zerstörung der Ozonschicht begünstigen. Die jahreszeitlich nicht gleichmäßige Entwicklung der stratosphärischen Ozonkonzentration hat auf den Strahlungsantrieb weit reichenden Einfluss und erschwert somit eine global gültige Aussage. Die Änderung der Ozonmenge in der Tropo- und Stratosphäre ist in den mittleren Breitengraden der Südhalbkugel wesentlich ausgeprägter als auf der Nordhalbkugel. In den Jahren 2000 bis 2003 wurde eine Verringerung der Ozonmenge gegenüber 1980 von 6 bzw. 3 % auf der Süd- bzw. Nordhalbkugel registriert. 14 Natürliche und anthropogene Treiber Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses der Thematik wird als „mittel‘‘ bezeichnet. Die Wirkung des Ozons auf den Strahlungshaushalt wird im 1. AR nicht eingehend behandelt. Mit einer Änderung der stratosphärischen oder troposphärischen Ozonkonzentration wird kein erhöhter Strahlungsantrieb assoziiert. Im 2. AR wurde ein Anstieg der troposphärischen Ozonkonzentration erwähnt. Der Strahlungsantrieb eines Konzentrationsanstiegs war zu diesem Zeitpunkt weitgehend unklar, er wurde mit einem Schätzwert von +0,4 W/m² angegeben. Im 3. AR wird der Strahlungsantrieb des vermehrten troposphärischen Ozons mit 0,32 W/m² (Spannweite von 0,28 bis 0,43 W/m²). Die Veränderung der Ozonkonzentration in der Atmosphäre bedingt einen NettoStrahlungsantrieb von 0,3 W/m². Ozon ist somit ein stark wirksames Treibhausgas. Die Ozonanreicherung in der Troposphäre führt zu einer Erwärmung, die lediglich leicht vom Abbau des stratosphärischen Ozons abgeschwächt wird. 3.1.4 Methan verursachter stratosphärischer Wasserdampf Die Hauptquelle von stratosphärischem Wasserdampf stellt Methan dar. In der Stratosphäre oxidiert Methan in Reaktionen, bei denen u. a. Hydroxyl- und Sauerstoffradikale beteiligt sind. Die Reaktionen lassen sich zu einer Nettogleichung zusammenfassen, bei der pro Methanmolekül zwei Wassermoleküle durch Oxidation entstehen. Etwa die Hälfte des so erzeugten stratosphärischen Wasserdampfs gelangt durch vertikalen Transport von Wasserdampf aus der Troposphäre durch die tropische Tropopause2 in die Stratosphäre. Im 3. AR wurde ein sichtbarer Anstieg des Wasserdampfgehalts in der Stratosphäre von 0,05 ppm/a innerhalb des 20. Jahrhunderts verzeichnet. Diese Daten beruhen auf Aufzeichnungen von zwei Messstationen. Da diese sich zeitlich nicht überschneiden, ist keine Überprüfung der Messdaten möglich. Aufgrund der Messungenauigkeiten und der relativ großen Spannweite der Messintervalle, die Monate bis Jahre betragen können, sollten längerfristige Entwicklungen vorsichtig interpretiert werden. Obwohl die Oxidation von Methan in der Stratosphäre eine große Wasserdampfquelle darstellt, kann der Strahlungsantrieb nicht allein diesem Effekt zugeordnet werden. Neben dem Flugverkehr können Vulkanausbrüche, Aerosole aus der Verbrennung von Biomasse, troposphärisches Schwefeldioxid und Änderungen der Oxidationsrate von Methan, die durch eine Veränderung des stratosphärischen Chlor- Ozon und Hydroxylradikalgehalts hervorgerufen wird, zur Erhöhung des stratosphärischen Wasserdampfgehalts führen. Der Wasserdampfgehalt in der Stratosphäre zeigte ausgeprägte längerfristige Schwankungen sowie einen deutlichen Aufwärtstrend innerhalb der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seit 1996 ist jedoch kein Anstieg des Wasserdampfgehalts registriert worden. Diese Beobachtung lässt sich nicht durch bekannte klimatische Veränderungen erklären. Es existiert kein Konsens, welcher Mechanismus den Anstieg oder die Stagnation des Wasserdampfgehalts in der Atmosphäre verursachte. 2 Tropopause: Die Tropopause trennt die Troposphäre, die von Wetterereignissen geprägt ist, von der darüber gelegenen, wesentlich ruhigeren Stratosphäre. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 15 Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses wird im 4. AR als „niedrig‘‘ eingestuft. Der Strahlungsantrieb dieses Effekts wird mit +0,07 ± 0,05 W/m² angegeben. Viele Studien im 3. AR verwiesen auf einen Anstieg des stratosphärischen Wasserdampfs und den damit verbundenen höheren Strahlungsantrieb auf die Atmosphäre. Es wurde jedoch keine Aussagen über den Strahlungsantrieb dieses Effekts veröffentlicht. Sowohl im 1. AR als auch im 2. AR wird der stratosphärische Wasserdampf als Treibhausgas bezeichnet, jedoch lagen keine Aussagen über die Höhe des Strahlungseinflusses oder fundierte Kenntnisse über die physikalischen Mechanismen vor. Durch Methan verursachter, stratosphärischer Wasserdampf hat nur einen geringen Strahlungsantrieb von +0,07 W/m². Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses ist niedrig. 3.1.5 Oberflächenalbedo Die Energiebilanz der Erdatmosphäre wird neben den in der Atmosphäre vorhandenen Gasfraktionen und der solaren Einstrahlung auch von den optischen Eigenschaften der Erdoberfläche bestimmt. Oberflächen mit hohem optischen Reflektionsgrad reflektieren die einfallende Strahlung in die höher gelegenen Luftschichten und erwärmen sich somit weniger. Dieser Effekt wird als „Albedo-Effekt“ oder „Oberflächenalbedo“ bezeichnet. Landflächen besitzen je nach geografischer Lage (z. B. Wüsten- oder Wasserflächen) oder Nutzungsart (landwirtschaftlich genutzte oder brach liegende Flächen bzw. Waldflächen) unterschiedliche Reflektionsgrade, die durch menschliches Handeln beeinflusst werden können. Die Änderung der physikalischen Eigenschaften der Erdoberfläche wirkt sich, neben einer Erhöhung des Strahlungsantriebs, auf die Wärmeund Windströmungen in der Atmosphäre aus. Durch veränderte Wind- und Wärmeströmungen wird die Lufttemperatur in Bodennähe, die Feuchtigkeit und die Ablagerung von Partikeln in der Atmosphäre beeinflusst. Diese Mechanismen bewirken eine Rückkopplung auf den Energiehaushalt der Erdatmosphäre. Eine verstärkte Rodung von Waldflächen erhöht nach dem 4. AR den Albedo-Effekt und verringert den Strahlungsantrieb um -0,2 W/m², wohingegen die Ablagerung von z. B. kohlenstoffhaltigen Aerosolen auf schneebedeckten Oberflächen den Reflektionsgrad senkt und den Strahlungsantrieb um +0,1 ± 0,1 W/m² erhöht. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses wird als niedrig bezeichnet. Im 3. AR wird eine Verringerung des Strahlungsantriebs durch eine Veränderung der Oberflächen-Albedo von -0,2 ± 0,2 W/m² angegeben. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses dieses Effekts wurde als sehr niedrig eingestuft. Die Notwendigkeit eingehender Untersuchungen wird sowohl im 1. AR als auch 2. AR hervorgehoben, jedoch war es zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, eine belastbare, quantifizierte Aussagen über diesen Effekt zu machen. 16 Natürliche und anthropogene Treiber Ein veränderter Reflektionsgrad der Oberfläche kann sowohl wärmende als auch kühlende Wirkung haben. Die veränderte Landnutzung schwächt den anthropogenen Temperaturanstieg mit einem Strahlungsantrieb von -0,2 W/m² ab, wohingegen Kohlenstoffablagerungen auf Schneeflächen einen positiven Strahlungsantrieb von +0,1 W/m² aufweist. Obwohl sich die Kenntnisse im 4. AR verbessert haben, wird das wissenschaftliche Verständnis immer noch als niedrig eingestuft. 3.1.6 Aerosole Mineralpartikel und auf Kohlenstoff basierende Schwebeteilchen werden als Aerosole bezeichnet. Sie werden hauptsächlich in der Landwirtschaft und durch Industrieanlagen emittiert. Aerosolpartikel verändern den Strahlungshaushalt der Erde, indem sie die einfallende solare Strahlung absorbieren oder reflektieren. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses bezüglich des Strahlungsantriebs von Aerosolen, der durch den direkten bzw. indirekten Effekt hervorgerufen wird, wird als „mittel bis niedrig‘‘ bzw. „niedrig‘‘ bewertet. Aerosole, die vorwiegend aus Sulfaten, gebundenem und elementarem Kohlenstoff aus fossilen Brennstoffen und Staubpartikel mineralischer Herkunft bestehen, haben einen starken Einfluss auf den Strahlungsantrieb. Der Strahlungsantrieb der o. g. Aerosolfraktionen kann sowohl negative als auch positive Werte aufweisen. Bei einer Verringerung der Staubemissionen einzelner Aerosolfraktionen wäre eine Verstärkung der Erderwärmung somit durchaus denkbar. Darüber hinaus werden Aerosole mit einer Verschlechterung der Luftqualität und saurem Niederschlag in Verbindung gebracht. Die wichtigsten Einflüsse von Aerosolen auf den Strahlungsantrieb sind die jeweils unterschiedlichen optischen Eigenschaften der Partikel sowie die räumliche und zeitliche Verteilung der Aerosole in der Atmosphäre. Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Summe der Strahlungsantriebe aller relevanten Aerosole. Der direkte Effekt beschreibt die Eigenschaft von Aerosolen, sowohl kurz- als auch langwellige Strahlung zu absorbieren oder zu reflektieren. Grundsätzlich verursachen reflektierende Aerosole eine Verringerung des Energieeintrags in die Atmosphäre, wohingegen Aerosole, die aufgrund ihrer optischen Eigenschaften Strahlungsenergie absorbieren, der Atmosphäre mehr Energie zuführen. Aerosole können auch als Kondensationskeime fungieren und zu einer erhöhten Wolkenbildung und somit zu einer Abkühlung beitragen. Dies wird als indirekter Effekt bezeichnet. Wichtige Bewertungsgrößen hierfür sind die Größe und die chemische Zusammensetzung von Aerosolpartikeln sowie die Umgebungsbedingungen. Zur Ermittlung des Beitrags von Aerosolen zu einem erhöhten Strahlungsantrieb werden Modelle entwickelt, die die zeitliche und räumliche Verteilung verschiedener Aerosole simulieren. Verbesserte in-situ-Messungen3 sowie Messungen an der Oberfläche oder durch Satelliten tragen zu einer Verifizierung der Simulationen bei. Die Interpretation der Auswirkungen auf den Energieeintrag in die Atmosphäre basiert somit auf Messungen und Simulationsergebnissen. Der Strahlungsantrieb durch die direkte Wirkung des Aerosols beträgt im 4. AR -0,5 ± 0,4 W/m². Gleichermaßen ergibt sich für den indirekten Effekt, hervorgerufen durch eine erhöhte Wolkenbildung durch 3 In-situ-Messungen: Messung des zu untersuchenden Objekts an Ort und Stelle Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 17 Aerosole, ein bester Schätzwert von -0,7 W/m² mit einer Spannweite von -1,8 W/m² bis -0,3 W/m². Im Gegensatz zu den folgenden AR wird im 1. AR keine diversifizierte Aussage über den Strahlungsantrieb einzelner Aerosolfraktionen gegeben. Im 2. AR bis 4. AR wird für den direkten Effekt ein Strahlungsantrieb von -0,5 W/m² ausgewiesen. Jedoch wird im 4. AR zum ersten Mal die gesamte Spannweite des direkten Effektes ausgewiesen. Im 2. AR und 3. AR werden lediglich die Spannweiten der Einzeleffekte, wie z. B. von Sulfaten beziffert. Für den indirekten Effekt werden im 2. AR und 3. AR nur Spannweiten angegeben. Diese ist im 3. AR (0 bis -2,0 W/m²) im Vergleich zum 2. AR (0 bis -1,5 W/m²) angestiegen. Die anthropogenen Aerosolemissionen haben in Summe einen kühlenden Effekt. Der Strahlungsantrieb des direkten Effektes beträgt -0,5 W/m² und der des indirekten Effektes -0,7 W/m². Der Strahlungsantrieb ist stark von der räumlichen und zeitlichen Aerosolkonzentration abhängig. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses ist mittel bis niedrig. 3.1.7 Flugverkehr Der Flugverkehr hat direkten und indirekten Einfluss auf das Klima. Im 4. AR werden lediglich die Aspekte, die allein dem Flugverkehr zuzurechnen sind, betrachtet. Hierzu zählen die Kondensstreifen, die Veränderung der Zirruswolken und die Auswirkungen aufgrund der Aerosolemissionen. Die Gesamtheit dieser Effekte wird auch Aviationinduced Cloudiness (AIC) genannt. Die Kondensstreifen und die Veränderung der Zirruswolken sind indirekte Effekte des Luftverkehrs, da sie von der Temperatur und Luftfeuchtigkeit abhängen. Den Kondensstreifen wird ein Strahlungsantrieb von +0,01 [+0,003 bis +0,03] W/m² zugewiesen. Diese Schätzung ist geringer als im 3. AR mit +0,02 W/m², da neue Messungen zur Kondensstreifenbedeckung durchgeführt wurden und die Abschätzung der optischen Tiefe der Kondensstreifen verbessert wurde. Im 3. AR wurde noch getrennt ein Wert zu den durch Luftverkehr verursachten Zirruswolken ausgewiesen. Im 4. AR werden die großen Unsicherheiten bezüglich dieser Messgröße betont. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses ist klein (3. AR: „sehr klein‘‘). Zwei Punkte werden im 4. AR hervorgehoben. Erstens berechneten Minnis et al. /MIN 04/, dass die Erwärmung in den USA zwischen 1973 bis 1994 allein durch ihre Abschätzung des Strahlungsantriebs von AIC erklärt werden könnte. Diese Berechnungen wurden z. B. in /HAN 05/ und /PON 05/ widerlegt. Es wurde gezeigt, dass die Oberflächenerwärmung aufgrund von AIC in /MIN 04/ um ein bis zwei Größenordnung überschätzt wurde. Zweitens wurde das Ausbleiben von AIC durch die Einstellung des Flugverkehrs nach dem 11. September als Grund für den beobachteten höheren Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht angegeben (vgl. /TRA 02/ und /TRA 04/). Diese Schlussfolgerung basieren jedoch lediglich auf Korrelationen einer sehr begrenzten Datenbasis und nicht auf einem quantitativen Modell. Die Emission von Sulfat- und Ruß-Aerosolen in die obere Troposphäre und die untere Stratosphäre beeinflusst ebenfalls die Wolkenbildung. Dieser Effekt ist bisher ungeklärt. 18 Natürliche und anthropogene Treiber Der Flugverkehr beeinflusst durch Kondensstreifen, Veränderung der Zirruswolken und Aerosolemissionen das Klima. Den Kondensstreifen wird ein Strahlungsantrieb von +0,01 W/m² zugerechnet. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses über die Wirkung von Kondensstreifen ist niedrig. 3.1.8 Solarstrahlung Die Energiebilanz der Erde - und damit die Temperatur auf der Erdoberfläche und der Erdatmosphäre - wird durch die Einstrahlung der Sonne bestimmt. Durch Reflektions-, Transmissions- und Absorptionsvorgänge in der Erdatmosphäre stellt sich eine Gleichgewichtstemperatur ein. Dieser Mechanismus wird als „direkter Effekt‘‘ bezeichnet. Die Sonne strahlt mit 1.367 ± 2 W/m² auf die Erdoberfläche. Dieser Wert wird als „Solarkonstante‘‘ bezeichnet und unterliegt zyklischen Schwankungen. Veränderungen der solaren Einstrahlung werden durch folgende Prozesse hervorgerufen: − Kernfusionen im Sonnenzentrum von Wasserstoff zu Helium, − Transport der Energie durch die Strahlungs- und Konvektionszonen der Sonne, − Emission von Strahlung durch die Photosphäre zur Erde, − Spektrale Zusammensetzung der Strahlung im Laufe eines Solarzyklus, − Veränderungen der mittleren Distanz zwischen Sonne und Erde (der Exzentrizität der Erdbahn) im 100.000 Jahrszyklus und der Neigung der Erdachse. Das Ausmaß des solaren Einflusses auf das Klima war Gegenstand einer intensiven öffentlichen Debatte. Abschätzungen dieser Einflussgröße basieren generell auf Annahmen, die den Einfluss der Solarstrahlungsänderung betrachten. Aufgrund der Komplexität des Klimasystems ist die Modellierung zwangsläufig auf vereinfachenden Annahmen aufgebaut. Diese Annahmen machen die Modelle angreifbar. Seit dem 3. AR bestärken empirische Studien einen Zusammenhang zwischen der Schwankung der Solarstrahlung und einer Veränderung der troposphärischen Zusammensetzung. Als möglicher Mechanismus wird eine Kombination aus einer veränderten Leistung der Solarstrahlung (direkte Wirkung) und einer Wirkung der UV-Strahlung auf die Stratosphäre (indirekte Wirkung) angesehen. Ein Prozent der von der Erdatmosphäre absorbierten solaren Einstrahlungsleistung wird im Wellenlängenbereich der UV-Strahlung emittiert. Dieser Anteil der Solarstrahlung trägt bedeutend zur Schwankung der Solarkonstante bei und verändert darüber hinaus die Ozonschicht. Bisher wurde dieser Effekt aber nicht als Strahlungsantrieb in Betracht gezogen, da er nicht in der Troposphäre wirkt. Seit dem 3. AR haben Untersuchungen jedoch die Plausibilität indirekter Effekte, wie z. B. der Veränderung der Stratosphäre durch Schwankungen der solaren UV-Strahlung, bestärkt. Die Veränderungen in der Stratosphäre können sich durch physikalische Mechanismen auch auf die darunter liegende Troposphäre auswirken. Die Sonnenaktivität ist seit Jahrzehnten auf konstant hohem Niveau. Parallel hierzu stieg die globale Mitteltemperatur in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich an. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 19 Somit lässt sich eine globale Temperaturerhöhung seit 1970 nicht mit einer Schwankung der Solarstrahlung erklären. Der direkte Strahlungsantrieb aufgrund eines Anstiegs der Solarstrahlung seit 1750 wird im 4. AR mit +0,12 W/m² angegeben. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses dieses Mechanismus ist ‘‘niedrig‘‘. Der Strahlungsantrieb beträgt weniger als die Hälfte des im 3. AR angegebenen Wertes. Der geringere Strahlungsantrieb berechnet sich durch neue Auswertungen von Langzeitmessungen der Solarstrahlung, die vor allem durch einen geringeren Anstieg der 4 Solarstrahlung seit dem Maunder Minimum hervorgerufen werden. Die Unsicherheiten in der Bestimmung des Strahlungsantriebs dieses Effekts sind immer noch hoch. Der Einfluss der Schwankung der Solarstrahlung auf das Erdklima wurde im 3. AR mit +0,3 W/m² angegeben. Allerdings konnte zur Überprüfung dieses Mechanismus aufgrund der Komplexität der Thematik weder auf profunde theoretische Untersuchungen noch auf Messwerte zurückgegriffen werden. Im 2. AR wurde ein Wert von +0,1 bis +0,5 W/m² für den Strahlungsantrieb der schwankenden Solarstrahlung angegeben. Der Strahlungsantrieb aufgrund eines Anstiegs der Solarstrahlung seit 1750 beträgt +0,12 W/m². Im 3. AR wurde noch von einem Strahlungsantrieb von +0,3 W/m² ausgegangen. Die globale Temperaturerhöhung seit 1970 lässt sich nicht mit der Schwankung der Solarstrahlung erklären. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses ist niedrig. 3.1.9 Kosmische Strahlung Die Kosmische Strahlung ist eine energiereiche Teilchenstrahlung, die von der Sonne selbst, aus den Supernovae des Milchstraßensystems sowie von Sternen anderer Sternensysteme emittiert wird und überwiegend aus Protonen, Heliumkernen sowie schwereren Atomkernen und Elektronen besteht. Zur Bildung von Wolken ist die Existenz von Kondensationskeimen Voraussetzung. Atmosphärische Ionen, die von der kosmischen Strahlung durch das abschirmende Magnetfeld der Erde in die Atmosphäre eingebracht werden, können die Bildung von Kondensationskeimen begünstigen /ARN 03/. Der Einfluss von Wolken auf die Energiebilanz der Erdatmosphäre ist abhängig von deren Höhe und Dicke, da daraus die Fähigkeit der Absorption bzw. Reflektion von IR- oder UV Strahlung resultiert. Es wird angenommen, dass Wolken zu einer Verringerung des Energieeintrags auf die Erde führen Die Intensität der Solarstrahlung unterliegt naturgemäßen, zyklischen Schwankungen (vgl. Kapitel 3.1.8). In einem Zyklus von elf Jahren treten vermehrt Sonnenflecken5 auf. In unmittelbarer Nähe zu den Sonnenflecken finden sich „faculae‘‘ (deutsch: Fackeln‘‘). Diese sind zwar kleiner, jedoch zahlreicher vorhanden und thermisch aktiver, so dass in Summe mehr Energie von der Sonne emittiert wird. 4 5 Maunder Minimum: Das Maunder Minimum bezeichnet eine Phase stark verringerter Sonnenfleckenaktivität in den Jahren zwischen 1645 bis 1715. In dieser Periode wurden außergewöhnlich viele kalte Jahre verzeichnet. Sonnenflecken: Durch die zyklische Störung des Magnetfelds der Erde überschneiden sich die Magnetfeldlinien des Magnetfelds der Sonne und durchdringen die Photosphäre, die von der Erde aus sichtbare obere Schicht der Sonne. Der Wärmestrom aus dem Soneninneren ist hier verringert, die Sonnenflecken sind bedeutend kühler und erscheinen dunkler. 20 Beobachtungen des aktuellen Klimawandels Zu diesen Zeitpunkten hoher Aktivität werden von der Sonne verstärkt Protonen und Elektronen emittiert, was als Sonnenwind bezeichnet wird. Dieser beeinträchtigt das Magnetfeld der Sonne und der Erde. Somit wird auch das Eindringen kosmischer Strahlung in die Erdatmosphäre erschwert. Als Folge dessen stehen keine Ionen in der Erdatmosphäre zur Verfügung, die ihrerseits zur Bildung von Kondensationskeimen zur Wolkenbildung führen könnten. Mit dieser Theorie soll der indirekte Effekt einer erhöhten solaren Aktivität und verringerter Wolkenbildung durch Veränderung der kosmischen Strahlung erklärt werden. Die Beweisführung dieser Theorie basiert auf jüngsten Messungen an Bord von Raumsonden. Für die Informationen über die Sonnenaktivität der letzten Jahrhunderte müssen, ähnlich der Rekonstruktion von Klimadaten, auf so genannte solare Proxydaten6, zurückgegriffen werden. Mit zunehmendem Alter sind diese Daten jedoch ungenauer, lückenhaft und wissenschaftlich wenig belastbar. Indirekte Effekte, welche durch kosmische Strahlung hervorgerufen werden könnten, sind nach bisherigem wissenschaftlichem Stand mit sehr großen Unsicherheiten behaftet. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses des Effekts der kosmischen Strahlung auf das Klimasystem der Erde wird im 4. AR als sehr niedrig eingestuft. Es existieren keine Angaben über die Größenordnung dieses Effekts. Frühere Untersuchungen im Rahmen vorheriger AR können auch keine Zusammenhänge zwischen Wolkenbildung und solarer Aktivität bestätigen oder fundiert feststellen. Solare Aktivitäten beeinflussen den Eintrag kosmischer Strahlung, die aus Protonen, Heliumkernen sowie schwereren Atomkernen besteht, in die Atmosphäre. Es werden Rückwirkungen auf die Wolkenbildung und somit auf das Klima vermutet. Der Grad des wissenschaftlichen Verständnisses ist sehr niedrig. 3.2 Beobachtungen des aktuellen Klimawandels Durch den veränderten Strahlungsantrieb verändert sich die Wärmebilanz der Erdatmosphäre. Dies führt zu einer stärkeren Erwärmung der Luft und somit auch zu einer erhöhten Verdunstung. Der globale Temperaturanstieg vergrößert auch die maximal mögliche absolute Luftfeuchte. Diese Effekte verändern den hydrologischen Zyklus und die Charakteristik der globalen Niederschlagsmenge bzgl. Menge, Häufigkeit, Intensität und Dauer. Zusätzlich fördern diese Mechanismen das Auftreten von Wetterextremen. Bestätigt wird die globale Erwärmung durch die Erwärmung der Atmosphäre und der Ozeane, dem Anstieg des Meeresspiegels, dem Schmelzen von Gletschern, dem Abschmelzen von Eismassen in der Arktis und der Verringerung der eisbedeckten Flächen auf der Nordhalbkugel. Im Folgenden werden einige wichtige Beobachtungen zum Klimawandel sowie ihre physikalischen Zusammenhänge erläutert. 6 Solare Proxydaten: Die Existenz radioaktiver Isotope, sog. kosmogene Radionuklide, wie z. B. 10Be, in Korallen, Baumringen oder Eisbohrkernen, kann unter Kenntnis des Zeitpunkts der Einlagerung und des Orts als relativ verlässlicher Hinweis auf die solare Aktivität verwendet werden. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 21 3.2.1 Temperaturänderung Temperaturanstieg an der Erdoberfläche Messtechnische Beobachtungen zeigen einen Anstieg der Erdoberflächentemperatur. Dieser unterliegt regionalen Schwankungen. Im globalen Durchschnitt wurde in den Jahren von 1910 bis 1940 ein Anstieg der Temperatur um 0,35 K gemessen, in den Jahren 1970 bis zum heutigen Zeitpunkt vergrößerte sich der Temperaturanstieg auf 0,55 K. DIE TEMPERATUR IN DEM ZEITRAUM VON 2001 BIS 2005 ERHÖHTE SICH IM VERGLEICH ZU DER TEMPERATUR VON 1850 BIS 1899 UM 0,76 K (SPANNWEITE: 0,57 K BIS 0,95 K). Der lineare Erwärmungstrend der LETZTEN 50 JAHRE IST MIT 0,13 K PRO DEKADE fast doppelt so hoch wie der lineare Erwärmungstrend der letzten 100 Jahre. Elf der letzten zwölf Jahre (1995---2006) gehören zu den zwölf wärmsten Jahren seit der instrumentellen Messung der globalen Erdoberflächentemperatur (seit 1850). Messtechnische Beobachtungen zeigen auch, dass sich die Troposphäre seit 1950 stärker erwärmte als die Erdoberfläche. Die darüber liegende Stratosphäre dagegen kühlt sich seit 1979 deutlich ab. Dies kann jedoch mit den bekannten physikalischen Vorgängen erklärt werden und deckt sich mit den meisten Ergebnissen aus Simulationsrechnungen. Urban heat island effect: Eine große Anzahl von Studien macht deutlich, dass die EFFEKTE DER VERSTÄDTERUNG und einer verstärkten Flächennutzung (der sog. „urban heat island effect‘‘; UHI) bezüglich einer globalen Erwärmung VERNACHLÄSSIGBAR sind. Diesem Effekt wird lediglich eine TEMPERATURERHÖHUNG VON 0,006 K PRO DEKADE zugeschrieben, im Gesamtkontext einer globalen Erwärmung ist dieser Wert somit untergeordnet. Der UHI-Effekt tritt oft nur örtlich begrenzt auf und ist von lokalen klimatischen Faktoren wie z. B. den Windverhältnissen, dem Bewölkungsgrad und der Nähe zu Meeren abhängig. Die andersartige Flächennutzung in Städten ändert die thermische Speicherung, Strahlungs- und Konvektionswärmeströme und damit auch die Luftfeuchte innerhalb des Mikroklimas. Eine stärkere Emission von Aerosolen und das Vorhandensein von geeigneten Windströmungen können die Wolkenbildung und die Niederschlagsmengen beeinflussen. Dadurch unterscheidet sich das Klima von Städten im Vergleich zu den umgebenden Landmassen deutlich. Veränderung der Meerestemperaturen Die VERÄNDERUNG DER MEERESTEMPERATUR verändert die Dichte des Wassers, BEWIRKT also eine THERMISCHE EXPANSION, und beeinflusst den Wärmegehalt. Meeresströmungen hervorgerufen durch Temperatur- und Salzkonzentrationsunterschiede sowie Windströmungen transportieren, z. B. in Form des Golfstroms, Frischwasser und Wärme. Die Ozeane sind durch die vorhandenen komplexen Meeresströmungen in der Lage, CO2 aus der Atmosphäre zu binden und in tiefer gelegene Schichten zu transportieren. Durch eine ERHÖHUNG DER MEERESTEMPERATUREN ist eine VERRINGERUNG DER CO2-KONZENTRATION IN DEN OZEANEN UND EINE VERSTÄRKTE CO2-EMISSIONEN IN DIE ATMOSPHÄRE MÖGLICH. Die Fähigkeit der Ozeane, Wärme aufzunehmen ist etwa um den Faktor 1.000 größer als die der Atmosphäre. Daher spielen diese für das globale und lokale Klima eine große Rolle. 22 Beobachtungen des aktuellen Klimawandels Es existieren unterschiedliche Erwärmungsgradienten im Atlantik, wohingegen der 7 Pazifik wesentlich vom ENSO-Phänomen beeinflusst wird. Die Erwärmung des Pazifiks unterliegt in äquatorialer Nähe konstanten Langzeitschwankungen, im Gegensatz hierzu weist der indische Ozean einen stetigen Wärmeanstieg auf. Diese Eigenschaften führen zu bedeutenden Unterschieden der regionalen Erwärmung der Ozeane, die die atmosphärischen Windströmungen maßgeblich beeinflussen. Die globale Oberflächentemperatur der Ozeane wird sowohl durch Satelliten- als auch durch in-situ-Messungen bestimmt. Diese ergaben für die letzten 25 Jahre eine durchschnittliche ERHÖHUNG DER GLOBALEN OBERFLÄCHENTEMPERATUR DER OZEANE UM 0,4 K bezogen auf die mittlere Temperatur im Zeitraum von 1961 bis 1990. DIE GLOBALE TEMPERATUR IN DEN OZEANEN HAT SICH IN DEN JAHREN VON 1961 BIS 2003 IN TIEFEN BIS 700 M UM 0,1 K ERHÖHT. Temperaturänderungen in Permafrostböden Der Erdboden in Alaska und weiten Teilen Russlands besteht im Wesentlichen aus zwei Erdschichten: der so genannten. „aktiven Schicht‘‘, die aufgrund saisonaler Temperaturschwankungen periodisch wiederkehrenden Gefrier- und Schmelzvorgängen unterliegt, sowie dem Permafrostboden, der ganzjährlich mehrere Meter gefroren ist. In der aktiven Schicht vollziehen sich alle ökologischen, hydrologischen, biochemischen 8 und pedogenen Prozesse. Die Dicke der aktiven Schicht wird hauptsächlich durch die Lufttemperatur, die Bodenbedeckung sowie durch Dicke und Dauer der Schneedecke beeinflusst. Oberflächennahe Tau- und Gefrierprozesse stellen eine wichtige Rolle in der Energie- und Feuchtebilanz und damit auch für das klimatische und hydrologische System dar. Langfristig beeinflusst eine vergrößerte aktive Schicht sowohl den Kohlenstoffhaushalt als auch den Austausch von Spurengasen zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre. Unter der Reduktion von Permafrostböden wird eine natürlich oder künstlich hervorgerufene Verringerung der Tiefe oder der horizontalen Ausbreitung der ganzjährlich gefrorenen Erdschicht verstanden. Das Abtauen von Permafrostböden verändert die Eigenschaften der Landoberfläche und damit auch den Abfluss der Oberflächengewässer. Ein Auftauen des Permafrostbodens bewirkt ein Absenken der Bodenoberfläche. Dieser Prozess wird auch als „Thermokarst‘‘ bezeichnet. Durch diesen Vorgang entstehen hügelige Landschaften, in deren Täler sich Schmelzwasser sammelt und die Abtauprozesse lokal beschleunigt. Zusätzlich kann durch Niederschläge mechanische Erosion auftreten. Als umweltrelevante Begleiterscheinungen sind die Beeinträchtigung von vorhandener Infrastruktur und die Freisetzung organischer Komponenten, die durch biologische Prozesse in Kohlendioxid oder Methan umgesetzt werden können, zu nennen. 7 8 ENSO (El Niño and the Southern Oscillation): Beschreibung eines komplexen Zirkulationssystem der Luft- und Meeresströmungen im Pazifik. Bekannteste Störung der normalen Strömungsvorgänge ist das El-Niño-Phänomen, welches globale Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt hat. Pedogene Prozesse: Die Pedologie, auch Bodenkunde, beschäftigt sich mit den grundlegenden Mechanismen der Entstehung und Entwicklung von Erdböden. Pedogen sind daher diejenigen Prozesse, durch welche nährstoffreiche Böden entstehen. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 23 Die OBERFLÄCHENNAHE TEMPERATUR DER ARKTISCHEN PERMAFROSTBÖDEN ERHÖHTE SICH SEIT 1980 UM 3 K. Seit 1992 taute der Permafrostboden in Alaska mit einer vertikalen Geschwindigkeit von 0,04 m/Jahr. Im tibetanischen Hochland beträgt die Schmelzgeschwindigkeit seit 1960 0,02 m/Jahr. In der letzten Zeit wurde im tibetanischen Hochland eine Erwärmung und Abschmelzen von Permafrostböden sichtbar. Messungen ergaben eine Verringerung der Permafrostgebiete in Tibet um rd. 36 % innerhalb der letzten drei Jahrzehnte. Seit der „Kleinen Eiszeit9‘‘ verlagern sich die Permafrostgebiete Nordamerikas in nördliche Richtung. INSGESAMT VERRINGERTE SICH DIE FLÄCHE DER PERMAFROSTGEBIETE IN DER NÖRDLICHEN HEMISPHÄRE UM 7 % IM WINTER UND 15 % IM FRÜHJAHR. 3.2.2 Anstieg des Meeresspiegels Der Anstieg des Meeresspiegels wird einerseits durch die thermische Expansion der Wassermassen, die durch die Erhöhung der Luft- und Oberflächentemperatur induziert wird, andererseits durch das Abschmelzen großer Eisflächen hervorgerufen. Der Gesamtbeitrag an der Meeresspiegelerhöhung, der durch das Abschmelzen von Gletschern und anderen schnee- und eisbedeckten Flächen hervorgerufen wird, wird für die Periode von 1993 bis 2003 mit 1,2 ± 0,4 mm pro Jahr angegeben. Es wird angenommen, dass der Meeresspiegel für rund 3.000 Jahre annähernd konstant war. Seit dem 19. Jahrhundert ist ein Anstieg des Meeresspiegels zu verzeichnen. Schätzungen ergeben einen Anstieg des globalen Meeresspiegels für das 20. Jahrhundert von 1,7 mm pro Jahr. Auf Satellitenmessungen basierende Messdaten ermöglichen seit 1990 eine flächendeckende Erfassung des Meeresspiegels. SEIT 1993 BETRÄGT DER ANSTIEG DES MEERESSPIEGELS 3 MM PRO JAHR. Da der Meeresspiegelanstieg regionalen Schwankungen unterliegt, kann dieser regional um ein vielfaches über dem Durchschnittswert liegen und in anderen Gebieten sogar rückläufig sein. Dies resultiert aus der ungleichmäßigen Temperatur- und Salzgehaltänderung der Gewässer und der Änderung der Zirkulation der Meeresströmungen. 3.2.3 Änderungen der Schnee- und Eismassen Beobachtungen lassen eine globale Verringerung der Schnee- und Eisflächen erkennen, die sich seit 1980 und besonders im letzten Jahrzehnt verstärkte. Die Gebirgsgletscher schrumpfen und winterliche Schneemassen schmelzen im Frühjahr früher ab. Die Eismassen in der Arktis verringern sich zu allen Jahreszeiten, wobei die größte Verringerung im Sommer deutlich wird. Die Eismassen Grönlands, der westlichen Antarktis und die Gletscher der antarktischen Halbinsel schmelzen und tragen zur Erhöhung des Meeresspiegels bei. DIE SCHNEEBEDECKTEN FLÄCHEN DER NÖRDLICHEN HEMISPHÄRE WURDEN SEIT 1966 UM ZWEI PROZENT PRO DEKADE KLEINER. Höhere Niederschlagsmengen aufgrund höherer Umgebungstemperaturen führen nicht zu einer Kompensation der Abschmelzung. Die beobachteten starken Schneefälle in kalten Regionen, das Schmelzen der Eismassen in küstennahen Gebieten und Schmelzvorgänge unter den Eismassen entlang von Küsten werden durch eine Temperaturerhöhung hervorgerufen. 9 Kleine Eiszeit: Dies bezeichnet eine Periode kühlen Klimas des 15. bis 19 Jahrhunderts in Europa und Teilen Asiens. Seit 1850 ist ein Temperaturanstieg zu vermerken. 24 Beobachtungen des aktuellen Klimawandels 3.2.4 Änderung der Niederschlagsmengen Es wurde beobachtet, dass sich die Intensität, Anzahl und Art der Niederschläge global verändert hat. Die Niederschlagsmengen variieren naturgemäß stark und werden durch das ENSO-Phänomen sowie veränderte Windströmungen in der Atmosphäre beeinflusst. Für den Zeitraum von 1900 bis 2005 wurde eine ERHÖHUNG DER NIEDERSCHLAGSMENGEN IM ÖSTLICHEN NORD- UND SÜDAMERIKA, NÖRDLICHEN EUROPA SOWIE IN NORDUND ZENTRALASIEN festgestellt. IN OHNEHIN REGENARMEN GEBIETEN, wie der Sahelzone, Südafrika, dem Mittelmeerraum und dem südlichen Asien wurde eine VERRINGERUNG DER NIEDERSCHLAGSRATE diagnostiziert. Es wurde eine ERHÖHTE ANZAHL VON UNWETTERN, auch in den Gebieten, in denen sich die gesamte Niederschlagsmenge verringerte, festgestellt. Diese Veränderung wird mit dem höheren Wasserdampfanteil in der Atmosphäre assoziiert, der durch die Erwärmung der Ozeane hervorgerufen wird. Darüber hinaus wurde IN MANCHEN REGIONEN EIN ANSTIEG VON DÜRRE- UND TROCKENPERIODEN verzeichnet. 3.2.5 Salzkonzentration der Ozeane Die Dichte des Wassers wird neben der Temperatur durch den Salzgehalt (Salinität) bestimmt. Unterschiedliche Temperatur- und Dichteverhältnisse innerhalb und zwischen den Ozeanen und atmosphärische Windströmungen rufen die Meeresströmungen hervor, die in der Lage sind, über weite Strecken große Wärmemengen zu transportieren. Ein Beispiel hierfür ist der Golfstrom, dessen Wärmetransport aus dem Golf von Mexiko nach Europa für ein um 8 K wärmeres Klima in Europa sorgt. Er ist, wie viele andere Meeresströmungen, Teil der so genannten „Thermohalinen Zirkulation‘‘. Die treibenden Kräfte des Golfstroms sind atmosphärische Luftströmungen, die Corioliskraft in Äquatornähe sowie Temperatur- und Dichteunterschiede der Wassermengen. Kaltes, aufgrund vorangegangener Verdunstung stark salzhaltiges und dichtes Wasser sinkt im Nordatlantik ab und zieht äquatoriale, warme Wassermengen mit. Die globale Erwärmung kann ein ABSCHMELZEN DER POLKAPPEN hervorrufen. Als Konsequenz werden in dieser Region große Mengen Süßwasser eingeleitet, die die SALINITÄT und damit die DICHTE des Salzwassers VERRINGERN. Somit kann der SogEffekt ausbleiben. Als Folge hiervon könnte sich das relativ milde europäische Klima, das durch den Golfstrom hervorgerufen wird, entgegen einer vorangegangen, regionalen Erwärmung, stark abkühlen. Der Salzgehalt der Ozeane ist ein indirekter, sehr sensitiver Indikator, der es ermöglicht, Änderungen der Niederschlagsmengen, der Verdunstung, des Abflusses des Oberflächenwassers oder von Gletscherschmelzen zu erfassen. In ozeanischen Becken, in denen VERDAMPFUNGSEFFEKTE ÜBERWIEGEN, konnte festgestellt werden, dass sich die SALZKONZENTRATION BIS ZU EINER TIEFE VON 500 M ERHÖHTE. In Regionen höherer Breite mit geringeren Verdunstungseffekten verringert sich die Salzkonzentration des Oberflächenwassers aufgrund der höheren Niederschlagsrate, der Eisschmelze sowie Rückkopplungseffekten, die sich durch Änderungen der thermohalinen Zirkulation selbst ergeben. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 25 Der Atlantik wird aufgrund einer veränderten thermohalinen Zirkulation über den gesamten Tiefenbereich salzhaltiger. Im Gegensatz hierzu verringert sich der Salzgehalt des Pazifiks. Die sich vergrößernde Differenz der Salzkonzentrationen dieser zwei ozeanischen Becken legt daher einen veränderten Frischwassertransport nahe. 3.2.6 Arktische Meereseisausbreitung Eisflächen stellen im globalen Klimasystem eine wichtige Rolle dar, da sie den AlbedoEffekt und den Austausch von Wärme und Gas zwischen der Atmosphäre und den polaren Zonen der Ozeane beeinflussen. Des Weiteren verändern sie durch die Einleitung von Frischwasser die Temperatur und den Salzgehalt der Wassermassen. Die Beobachtung der Ausdehnung arktischer Eismassen wird seit 1970 durch satellitengestützte Aufnahmen ermöglicht. Ältere Messdaten basieren auf in-situ-Messungen und sind daher nur örtlich und zeitlich begrenzt vorhanden. Aufgrund dieser Datenbasis ist es nur eingeschränkt möglich, längerfristige Aussagen über die Entwicklung der arktischen Eismassen zu treffen. Grundsätzlich unterliegen alle vorherigen Aufzeichnungen saisonalen und örtlichen Schwankungen, zeigen jedoch eine EINDEUTIG ZURÜCKGEHENDE ENTWICKLUNG DER EISMASSEN IN DER ARKTIS. Im Jahr 1979 waren rund 7,8 Mio. km² der Arktis mit Eis bedeckt. Die Aufzeichnungen zwischen 1979 BIS 2006 ERGABEN EINE VERRINGERUNG DIESER FLÄCHEN UM RD. 60.000 KM² JÄHRLICH. Die ARKTISCHE EISFLÄCHE betrug zum Ende des Messzeitraums 6,3 Mio. km². 3.2.7 Extreme Wetterereignisse Extreme Wetterereignisse wie Dürren, Wirbelstürme, starke Regenfälle und Hitzewellen wurden in den letzten Jahrzehnten beobachtet. Diese Wetterereignisse können nicht direkt dem anthropogenen Klimawandel zugeschrieben werden, da diese grundsätzlich natürlich entstehen können. Lang andauernde, extreme Wettererscheinungen können jedoch Klimaphänomenen, wie z. B. dem ENSO-Phänomen, zugewiesen werden. In den letzten 50 Jahren wurde eine globale ERHÖHUNG DER DURCHSCHNITTLICHEN NÄCHTLICHEN TEMPERATUREN beobachtet. Aufgrund der globalen Erderwärmung erhöhten sich die minimalen und maximalen Nachttemperaturen generell. Es wurde jedoch ein Anstieg der minimalen Nachttemperaturen beobachtet, der insgesamt höher ist als der der maximalen Nachttemperaturen. Diese höheren Temperaturen sind gleichbedeutend mit dem VERMEHRTEN AUFTRETEN VON HITZEWELLEN. Ein ANSTIEG STARKER REGENFÄLLE und damit verbundene ÜBERFLUTUNGEN in den gemäßigten Zonen und damit auch in Gebieten, in denen kein Anstieg der gesamten Niederschlagsmenge zu verzeichnen war, trat in den letzten 50 Jahren vermehrt auf. Bekanntes Beispiel hierfür sind die Überflutungen in Europa des Jahres 2002. Anhaltende Regenfälle führten zu außerordentlich hohen Pegelständen der Flüsse. So erreichte die Elbe mit einem Pegelstand von 9,4 m den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1275. Die Intensität von Dürreperioden wird durch die monatliche Niederschlagsmenge und die durchschnittlichen Temperaturen bestimmt. Seit 1950 ist in Südeurasien, Nordafrika, Kanada und Alaska eine Entwicklung zu geringeren Niederschlagsmengen und höheren durchschnittlichen Temperaturen beobachtet worden. Ein gegenläufiger 26 Einordnung des aktuellen Klimawandels in die Klimageschichte Effekt existiert im östlichen Nord- und Südamerika. Langzeitaufzeichnungen für Europa zeigen annähernd konstante Entwicklungen. Seit 1970 wurden insbesondere in den Tropen und Subtropen intensivere und länger andauernde Dürren über größeren Gebieten beobachtet. Auch Änderungen der Meeresoberflächentemperatur und der Windmuster in tropischen Regionen wurden mit Dürren in Verbindung gebracht. Veränderungen der Intensität und der Anzahl von tropischen Stürmen und Wirbelstürmen werden durch natürliche Schwankungen überdeckt. Tropische Stürme bilden sich durch erhöhte Wassertemperaturen. Dadurch beeinflusst z. B. das ENSOPhänomen global stark Ort und Intensität tropischer Stürme. Seit 1970 erhöhte sich die Dauer und Intensität tropischer Stürme. DIE ANZAHL VON WIRBELSTÜRMEN DER 10 KATEGORIE 4 UND 5 ERHÖHTE SICH UM 75 %. Das Auftreten von Wirbelstürmen konzentriert sich besonders im Nord- und Südwestpazifik sowie im Indischen Ozean. Im Nordatlantik wurde in neun der vergangenen elf Jahren eine erhöhte Anzahl von Wirbelstürmen registriert. 3.3 Einordnung des aktuellen Klimawandels in die Klimageschichte 3.3.1 Paläoklimatische Betrachtung im Rahmen der Klimadebatte Ein Thema der Assessment Reports ist der historische Verlauf der mittleren Temperatur über lange Zeiträume von bis zu Millionen von Jahren. Diese Betrachtungen erfolgen unter dem Stichwort „Paleoclimate‘‘ bzw. „Paläoklima‘‘. Mit der Vorsilbe „paläo‘‘ (griech. alt) wird die Betrachtung der Klimageschichte zum Ausdruck gebracht. Die Rekonstruktion der Klimageschichte ist entscheidend für die Bewertung, inwiefern die aktuelle Entwicklung außergewöhnlich und drastisch ist. Daher waren die vorgestellten Temperaturverläufe häufig Thema von heftigen Debatten. 3.3.2 Rekonstruktion des Temperaturverlaufs mit Hilfe von Proxydaten Paläoklimatische Studien nutzen Veränderungen von klimatisch sensiblen Indikatoren, um Rückschlüsse über die vergangenen Klimaschwankungen zu ziehen. Diese Indikatoren sind somit Stellvertreter-Daten für die eigentliche Messgröße und werden daher Proxydaten (von lat. „proximus‘‘ = „der Nächste; am nächsten‘‘) genannt. Sie sind meist für eine bestimmte Jahreszeit repräsentativer als für ein ganzes Jahr. Folgende Übersicht über die zum Einsatz kommenden Proxydaten ist dem 3. AR entnommen. Baumringe: Die Breite und Dichte der Jahresringe von Bäumen wird als Indikator für die Temperatur des entsprechenden Jahres genommen. Je nach Baumalter können bis zu mehrere Jahrhunderte Klimageschichte rekonstruiert werden. Nachteile von Baumringen sind: 10 − Es können nur Daten für Landflächen generiert werden, − das jährliche Wachstum der Bäume ist eine komplexe biologische Antwort auf mehrere klimatische Einflussfaktoren, − nicht klimatische Wachstumstrends müssen berücksichtigt werden, Nach der Saffir-Simpson Hurricane Skala werden Wirbelstürme in fünf Kategorien eingeteilt. Wirbelstürme der Kategorie 4 und 5 können Windgeschwindigkeiten von über 210 bzw. über 250 km/h erreichen. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 27 − es gibt Anzeichen, dass sich das Baumringwachstum als Antwort auf die Temperatur mit der Zeit ändert, − der CO2-Gehalt der Luft kann einen Einfluss auf das Wachstum haben. Baumringe als Proxydaten können daher insbesondere dann aussagekräftig sein, wenn sie mit weiteren Proxydaten in so genannten Multiproxydaten-Verfahren verwendet werden. Korallen: Korallen liefern Informationen über das Klima in der Region von tropischen und subtropischen Ozeanen. Sie sind auch in ENSO-Gebieten zu finden und helfen somit über die Varianz von Klimaschwankungen Aussagen zu treffen. Eiskerne: Eiskerne werden den Polarregionen, den Alpen und subtropischen Gebieten entnommen. Sie enthalten mehrere klimarelevante Indikatoren, wie z. B. stabile Isotope, den Schmelzeis-Anteil, Ablagerungen, Salz- und Säurekonzentrationen, Pollendichte und Spurengase wie CH4 und CO2. Die Vorteile von Eiskernen sind die Bereitstellung von multiplen Klima- und Atmosphärenparametern von der gleichen Quelle, eine hohe zeitliche Auflösung und das Vorkommen in Gebieten, in denen keine anderen Proxydaten vorliegen. Die Nachteile sind der mögliche systematische Fehler, da die Daten entweder aus großer Höhe oder hohem Breitengrad stammen, und die Schwierigkeit Schmelzwasser und Ablagerungen zeitlich richtig zuzuordnen. Sedimente: So genannte Warven umfassen die Ablagerungen eines Jahres in Seen oder Meeren. Durch Auszählen der Warven kann das Alter geschätzt werden und durch die Mächtigkeit und internen Struktur können Rückschlüsse auf das Klima des entsprechenden Jahres gezogen werden. Sowohl die biologischen Prozesse als auch die anorganischen Ablagerungen zur Warvenbildung werden von Klimaschwankungen beeinflusst, wie z. B. Sommertemperaturen, winterlicher Schneefall und Regen. Bohrloch-Messungen: Bei diesem Ansatz wird aus dem Tiefen-Temperaturprofil der zeitliche Verlauf der Oberflächentemperatur abgeleitet. Hierbei wird auf die Daten von über 600 Bohrungen zurückgegriffen, mit denen bis zu 1.000 Jahre Klimageschichte rekonstruiert wird. Die Sensitivität in Bezug auf die zutreffenden Annahmen bei der Umrechnung des Tiefen-Temperaturprofils auf den historischen Temperaturverlauf ist sehr hoch. Des Weiteren wird die Interpretation durch veränderte Landnutzung, natürliche Änderung der Oberflächenbedeckung, langfristige Änderungen der Schneebedeckung und Erdfeuchte erschwert. Historische Dokumente: Historische Dokumente sind zwar eine gute Quelle zur Beschreibung des vergangenen Klimas, müssen aber mit Vorsicht verwendet werden, da es Tendenzen gibt, Extremereignisse stärker zu beschreiben und die Wetterereignisse von verschiedenen Schreibern sowie im Laufe der Zeit unterschiedlich bewertet werden. Die am besten beschriebenen Regionen sind Europa und China. Gebirgsgletscher-Moränen: Die Position von Moränen erlaubt Rückschlüsse über das Wachstum oder (etwas ungenauer) über den Rückzug von Gletschern. Hieraus kann selbst unter Berücksichtigung von lokalen Änderungen von Schmelz und Eisbildungsprozessen sowie der Topographie nur sehr schwierig auf klimatische Schwankungen geschlossen werden. Die erhebliche Masse von großen Gletschern lässt die Gletscher teilweise erst mit Jahrzehnten bis Jahrhunderten Verspätung auf die Klimaänderung reagieren. 28 Einordnung des aktuellen Klimawandels in die Klimageschichte Die Temperaturrekonstruktionen erfolgen meist in so genannten MultiproxydatenVerfahren, in denen verschiedene Proxydaten zusammengeführt werden. Diese müssen zudem noch mit den Messwerten des 20. Jahrhunderts kalibriert werden. Die Klimageschichte der Nordhalbkugel ist aufgrund vielfältigerer Proxydatenquellen durch diese Verfahren wesentlich besser rekonstruierbar als die der Südhalbkugel. Die Studien zum Temperaturverlauf seit ca. 800 n. Chr. im 4. AR (vgl. Abbildung 3-7) stützen sich auf die in Abbildung 3-6 gezeigten Proxydatenquellen. Abbildung 3-6: Lage der Proxydatenquellen für 1000, 1500 und 1750 n. Chr. /4. AR/ In Abbildung 3-6 sind sowohl die Lage der Proxydatenquellen als auch die Art der Proxydaten wie folgt dargestellt: − rot = Thermometer, − braune Dreiecke = Baumringe, Ergebnisse der Arbeitsgruppe I − schwarze Kreise = Bohrlöcher, − blaue Sterne = Eiskerne, − lila Quadrate = weitere Quellen. 29 Je weiter in die Klimageschichte zurückgeschaut wird, desto größer wird die wissenschaftliche Unsicherheit aufgrund der geringeren Datenbasis. Im 4. AR wird betont, dass Studien seit dem 3. AR zunehmendes wissenschaftliches Vertrauen in die Rekonstruktionen aufgrund einer erweiterten Datenbasis entgegengebracht wird. Die vielfachen Proxydaten von verschiedenen Regionen würden ein kohärentes Verhalten zeigen. Wissensstand des 4. AR Paläoklimatische Informationen unterstützen die Interpretation, dass die Erwärmung der letzten 50 Jahre ungewöhnlich für mindestens die letzten 1.300 Jahre ist. Die Polregionen waren das letzte Mal vor 125.000 Jahre signifikant wärmer als gegenwärtig. Die mittlere Temperatur der Nordhalbkugel während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war sehr wahrscheinlich höher als irgendeine andere 50-jährige Periode in den letzten 500 Jahren und wahrscheinlich die höchste in den letzten 1.300 Jahren. Die rekonstruierten Temperaturverläufe verschiedener Studien für die Nordhalbkugel zeigt die Abbildung 3-7. 30 Einordnung des aktuellen Klimawandels in die Klimageschichte Abbildung 3-7: Rekonstruierter Temperaturverlauf auf der Nordhalbkugel nach /4. AR/ Nach Aussage des 4. AR ist es sehr wahrscheinlich, dass die klimatischen Änderungen der letzten sieben Jahrhunderte vor 1950 nicht allein Schwankungen ohne externe Einflüsse waren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die rekonstruierten vorindustriellen Temperaturschwankungen auf der Nordhalbkugel externen, aber natürlichen Einflüssen zugeordnet werden können, wie z. B. Abkühlungen aufgrund von Vulkanausbrüchen, Änderungen der längerfristigen solaren Einstrahlungen, wie z. B. der verminderten solaren Einstrahlung während des Maunder Minimums. Es ist wahrscheinlich, dass die anthropogenen Einflüsse zu den Erwärmungen Anfang des 20. Jahrhunderts beigetragen haben. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 31 Der globale mittlere Meeresspiegel in der letzten zwischeneiszeitlichen Periode vor etwa 125.000 Jahren war wahrscheinlich 4 bis 6 Meter höher als im 20. Jahrhundert. Eiskernbohrungen lassen vermuten, dass in dieser Zeit die mittlere Temperatur an den Polen aufgrund einer veränderten Umlaufbahn der Erde etwa 3 bis 5 K höher lag als heute. Der Rückgang des Grönlandeises und andere arktischer Eisfelder verursachten wahrscheinlich nicht mehr als vier Meter des höheren Meeresspiegels. 3.3.3 Darstellung und Kenntnisse der Klimageschichte in den Assessment Reports Im 4. AR wird der paläoklimatischen Betrachtung ein eigenes Kapitel gewidmet. In den Assessment Reports 1 bis 3 war dieses Thema lediglich ein Unterkapitel von „Observed Climate Variability and Change‘‘. In der SPM des 4. AR wird dem Thema nur wenig Platz eingeräumt, wohingegen es im 3. AR noch das einleitende Kapitel der SPM war. Im 3. AR wurde die so genannte Hockeyschläger-Kurve (vgl. Abbildung 3-8) der Forschungsgruppe um Michael Mann präsentiert. Abbildung 3-8: Temperaturverlauf der letzten 1000 Jahre auf der Nordhalbkugel nach /3. AR/ Die in Abbildung 3-8 dargestellte Temperaturrekonstruktion von Mann et al. zeigt den gemessenen Temperaturverlauf in rot, die mit Hilfe von Proxydaten rekonstruierten Temperaturjahreswerte in blau, die 40-Jahresmittelwerte in schwarz und in grau den Unsicherheitsbereich. Diese Darstellung war der Auslöser heftiger Debatten, da den Forschern systematische statistische Fehler vorgeworfen wurden. Es kam soweit, dass Michael Mann im Juli 2006 unter Eid vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus 32 Einordnung des aktuellen Klimawandels in die Klimageschichte aussagte. Unabhängig von möglichen Verfahrensfehlern wurde die grundsätzliche Form der Kurve in neueren Studien mehrfach bestätigt, wie auch Abbildung 3-7 auf Seite 30 zeigt. Mehrere aktuelle Studien deuten jedoch an, dass auf der Nordhalbkugel zumindest eine höhere Variabilität herrschte als im 3. AR angenommen. Insbesondere gab es wohl kältere Phasen vom 12. bis 14., sowie im 17. und 19. Jahrhundert. Wärmere Perioden als im 20. Jahrhunderts liegen im Unsicherheitsbereich des 3. AR. Im 2. AR war lediglich eine Rekonstruktion der Temperaturen ab 1400 n. Chr. veröffentlicht, die jedoch noch nicht die typische Hockeyschläger-Form aufwies. Basis der dazugehörigen Berechnungen waren 16 Proxydatensätze. Im 1. AR wurde das Klima der letzten fünf Millionen Jahre beschrieben. In dem Diagramm zu dem Temperaturverlauf der letzten 1.000 Jahre waren die Temperaturen der mittelalterlichen Warmperiode11 höher als die der Gegenwart (vgl. Abbildung 3-9). Abbildung 3-9: Der globale Temperaturverlauf für drei Zeitbereiche nach /1. AR/ 11 Die mittelalterliche Warmperiode war eine vom 9. bis zum 14. Jahrhundert andauernde Periode milden Klimas. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 33 Die Paläoklimatische Betrachtung des 3. AR grenzte sich somit deutlich von der Darstellung im 1. AR und 2. AR ab. Der 3. AR zeigte den Temperaturanstieg seit der vorindustriellen Zeit als außergewöhnlich hoch und schnell. 3.4 Szenarien zum zukünftigen Klimawandel Für die Szenarienrechnungen für das IPCC legen die Wissenschaftler die in /SRES/ zusammengefassten Szenarienfamilien aus dem IPCC „Special Report on Emission Scenarios (SRES)‘‘ der WG III von 2000 zugrunde. Die folgende Beschreibung der Szenarienfamilien ist aus /SRES/ übernommen. A1: Die A1-Modellgeschichte bzw. -Szenarien-Familie beschreibt eine zukünftige Welt mit sehr raschem Wirtschaftswachstum, einer Mitte des 21. Jahrhunderts kulminierenden und danach rückläufigen Weltbevölkerung, und mit rascher Einführung neuer und effizienterer Technologien. Wichtige grundlegende Themen sind Annäherung von Regionen, Entwicklung von Handlungskompetenz sowie zunehmende kulturelle und soziale Interaktion bei gleichzeitiger substantieller Verringerung regionaler Unterschiede der Pro-Kopf-Einkommen. Die A1-Szenarien-Familie teilt sich in drei Gruppen auf, die unterschiedliche Ausrichtungen technologischer Änderungen im Energiesystem beschreiben. Die drei A1-Gruppen unterscheiden sich in ihrer technologischen Hauptstossrichtung: fossil-intensiv (A1FI), nichtfossile Energiequellen (A1T) oder eine ausgewogene Nutzung aller Quellen (A1B) (wobei ausgewogene Nutzung definiert ist als eine nicht allzu große Abhängigkeit von einer bestimmten Energiequelle und durch die Annahme eines ähnlichen Verbesserungspotentials für alle Energieversorgungs- und -verbrauchstechnologien). A2: Die A2-Modellgeschichte bzw. -Szenarien-Familie beschreibt eine sehr heterogene Welt. Das Grundthema ist Autarkie und Bewahrung lokaler Identitäten. Regionale Fruchtbarkeitsmuster konvergieren nur sehr langsam, was eine stetig zunehmende Bevölkerung zur Folge hat. Die wirtschaftliche Entwicklung ist vorwiegend regional orientiert und das Pro-Kopf- Wirtschaftswachstum und technologische Veränderungen sind bruchstückhafter und langsamer als in anderen Modellgeschichten. B1: Die B1-Modellgeschichte bzw. -Szenarien-Familie beschreibt eine sich näher kommende Welt, mit der gleichen, Mitte des 21. Jahrhunderts kulminierenden und danach rückläufigen Weltbevölkerung wie in der A1-Modellgeschichte, jedoch mit raschen Änderungen der wirtschaftlichen Strukturen in Richtung einer Dienstleistungsund Informationswirtschaft, bei gleichzeitigem Rückgang des Materialverbrauchs und Einführung von sauberen und Ressourcen-effizienten Technologien. Das Schwergewicht liegt auf globalen Lösungen für eine wirtschaftliche, soziale und umweltgerechte Nachhaltigkeit, einschließlich besserer sozialer Gerechtigkeit, aber ohne zusätzliche Klimainitiativen. B2: Die B2-Modellgeschichte bzw. -Szenarien-Familie beschreibt eine Welt mit Schwergewicht auf lokalen Lösungen für eine wirtschaftliche, soziale und umweltgerechte Nachhaltigkeit. Es ist eine Welt mit einer stetig, jedoch langsamer als in A2 ansteigenden Weltbevölkerung, wirtschaftlicher Entwicklung auf mittlerem Niveau und weniger raschem, dafür diversifizierterem technologischem Fortschritt als in den B1und A1-Modellgeschichten. Während das Szenario auch auf Umweltschutz und soziale 34 Szenarien zum zukünftigen Klimawandel Gerechtigkeit ausgerichtet ist, liegt das Schwergewicht auf der lokalen und regionalen Ebene. Diese vier Szenarienfamilien basieren auf verschiedenen demographischen, sozialen, wirtschaftlichen, technologischen und ökologischen Entwicklungsgeschichten. Für jede Szenarienfamilie wurden wiederum mehrere Szenarien berechnet. Diese ergeben sich bei gleichen Triebkräften in verschiedenen Modellvarianten. Die zu diesen Szenarien gehörigen CO2-Emissionen und Temperaturentwicklungen sind in Abbildung 3-10 dargestellt. Abbildung 3-10: Entwicklung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der mittleren Temperatur nach /4. AR/ Interessant ist, dass selbst bei Fixierung der CO2-Konzentration auf dem Niveau des Jahres 2000 (in der Tabelle 3-3 als „konstante Konzentration bezeichnet‘‘) ein Temperaturanstieg um 0,6 K bis Ende des Jahrhunderts erwartet wird. Tabelle 3-3: Szenario konstante Konzentrationen B1 A1T B2 A1B A2 A1FI Vergleich der Ergebnisse der Szenarienrechnungen im 4. AR und 3. AR AR4 AR3 Temperaturänderung (in K) Meeresspiegelanstieg (in m) Temperaturänderung (in K) Meeresspiegelanstieg in 2090-2099 i. Vgl. zu 1980-1999 in 2090-2099 i. Vgl. zu 1980-1999 in 2100 i. Vgl. zu 1990 in 2100 i. Vgl. zu 1990 beste Abschätzung Spannbreite beste Abschätzung Spannbreite 0,6 1,8 2,4 2,4 2,8 3,4 4,0 0,3 - 0,9 1,1 - 2,9 1,4 - 3,8 1,4 - 3,8 1,7 - 4,4 2,0 - 5,4 2,4 - 6,4 0,18 0,20 0,20 0,21 0,23 0,26 - 0,38 - 0,45 - 0,43 - 0,48 - 0,51 - 0,59 2,0 2,5 2,7 2,9 3,8 4,5 1,4 1,7 1,9 2,1 2,7 3,2 - 2,6 - 3,3 - 3,4 - 3,8 - 4,7 - 5,6 0,09 - 0,57 0,11 - 0,67 0,11 - 0,65 0,13 - 0,70 0,15 - 0,75 0,18 - 0,86 Das ungünstigste Szenario A1FI, das eine weitere intensive Nutzung von fossilen Energieträgern voraussetzt, ergibt einen Temperaturanstieg von 4 K und einen Meeresspiegelanstieg von 26 bis 59 cm bis Endes des Jahrhunderts. Die Spannweite als Maß der Unsicherheit beträgt jedoch 2,4 --- 6,4 K und ist auch bei den anderen Szenarien relativ hoch. Die moderatesten Veränderungen werden im Szenario B1 mit 1,8 K Temperaturanstieg und 18 bis 38 cm Meeresspiegelanstieg erwartet. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 35 Im 3. AR lieferten die Simulationsrechnungen für alle in Tabelle 3-3 dargestellten Szenarien noch einen höheren Temperaturanstieg mit einer geringeren Spannweite. Demnach wird im 4. AR von einem etwas geringeren Temperaturanstieg mit einer höheren ausgewiesenen Spannweite ausgegangen. Das gleiche Bild zeigt sich auch bei der Prognose des Meeresspiegelanstiegs. Auch hier sind die Schätzungen im 4. AR vorsichtiger geworden, jedoch hat sich hier die Spannweite etwas verringert. Das IPCC entwickelte bereits 1990 und 1992 langfristige Emissionsszenarien, die eine weite Verwendung fanden. Im 1 AR wurden vier Szenarien festgelegt (A,B,C,D), in denen vorrangig der Primärenergiemix (von kohleintensiv bis regenerativ und nuklear) und die zu erwartenden Effizienzsteigerungen variiert wurden und die demographischen und sozioökonomischen Randbedingungen bei allen Szenarien gleich gehalten wurden. Für den zweiten Assessment Report wurden die Szenarien überarbeitet, hierbei steht das Szenario IS92a für mittlere THG-Emissionen, IS92c für geringe THGEmissionen und einer niedrigen Klimasensitivität und IS92e für hohe THG-Emissionen mit einer hohen Klimasensitivität. Die in 1995 durchgeführte Evaluation dieser Szenarien kam zu der Empfehlung, neue Szenarien, die den fundamental neuen Erkenntnissen gerecht würden, zu entwickeln. Das Ergebnis sind die in Abbildung 3-10 dargestellten Szenarien, die Basis der Berechnungen des dritten und vierten AR waren. Die Ergebnisse der ersten beiden AR lassen sich nicht direkt vergleichen, da andere Szenarien zugrunde liegen. Im ersten AR wurde im Business-as-usual-Szenario noch ein Meeresspiegelanstieg von 65 cm und im zweiten im IS92a-Szenario mit mittleren Emissionen ein Anstieg von 50 cm angenommen. Im ersten AR lag der prognostizierte Temperaturanstieg zwischen 2,0 K (regenerativ und nuklear) und 4,5 K (kohleintensiv). Im zweiten AR betrug die Spannweite der besten Schätzungen 1,0 K (IS92c) und 3,5 K (IS92e). Der zu erwartende Meeresspiegelanstieg setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, deren Höhe und Spannweite für jedes Szenario in Abbildung 3-11 verglichen werden. 36 Szenarien zum zukünftigen Klimawandel Abbildung 3-11: Globaler mittlerer Meeresspiegelanstieg bis Ende des 21. Jh. im Vergleich zu 1980 --- 1999 /4. AR/ Grundsätzlich gibt es zwei Determinanten des Meeresspiegelniveaus. Zum einen dehnt sich das Wasser bei höheren Temperaturen aus und zum anderen kann die Masse des Wassers durch Austausch durch das an Land gespeicherte Wasser verändert werden. Den größten Anteil am Meeresspiegelanstieg hat die Volumenvergrößerung des Wassers aufgrund dessen Erwärmung (je nach Szenario 0,1 bis 0,4 m). An zweiter Stelle folgt das Abschmelzen von Gletschern und Eisdecken auf Land (außer Grönland und Antarktis). Diese Eisflächen sind wesentlich sensitiver in Bezug auf Temperaturschwankungen, da die mittlere Temperatur in diesen Gebieten im Vergleich zur Antarktis und Grönland deutlich näher am Schmelzpunkt liegen. Bei den Eisflächen über Grönland und der Antarktis kommt es einerseits zum Abschmelzen und andererseits zu einem Massezuwachs durch erhöhten Schneefall. Wie in Abbildung 3-11 zu erkennen ist, überwiegt beim Grönlandeis der Abbau und bei antarktischen Eis der Aufbau der Eismassen. Die genannten Determinanten werden summiert und als erwarteter Meeresspiegelanstieg veröffentlicht. Im vierten AR wurde als Erweiterung der Betrachtung im Vergleich zu den vorangegangen AR die Determinate „Scaled-up ice sheet dynamical imbalance“ eingeführt. In den letzten Jahren kam es zu einem verstärkten Abschmelzen des Grönlandeises und des antarktischen Eises. Es besteht jedoch wissenschaftliche Unsicherheit darüber, ob dies nur einen kurzfristige Anpassung mit einer entsprechenden Abschwächung in den nächsten Dekaden ist oder ob bei einem weiteren Temperaturanstieg eine entsprechende Zunahme des Abschmelzen zu erwarten ist. Für die zweite Annahme, d. h. ein Skalieren des beobachteten Masseverlustes mit dem erwarteten Temperaturanstieg, ist der zusätzliche Meeresspiegelanstieg in Abbildung 3-11 dargestellt. Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 37 3.5 Erklärung und Zuschreibung des beobachteten Klimawandels Der 4. AR widmet ein eigenes Kapitel dem Thema „Understanding and Attributing Climate Change‘‘, in dem dargestellt wird, mit welcher wissenschaftlicher Sicherheit die Beobachtungen des Klimawandels anthropogenen Ursprungs sind. Gründe für ein verbessertes wissenschaftliches Verständnis sind: − längere und verbesserte Messreihen, − erweiterter Umfang von Beobachtungen, − Verbesserung der Simulationen durch Erweiterung um weitere Aspekte des Klimas, − neue „Zuordnungs-Studien“, die zeigen, ob die beobachteten Änderungen (siehe Kapitel 3.2) quantitativ konsistent mit den erwarteten Reaktionen auf die externen Klima-Antriebskräfte und inkonsistent mit anderen physikalischen Erklärungen sind (vgl. Abbildung 3-12). 38 Erklärung und Zuschreibung des beobachteten Klimawandels Abbildung 3-12: Vergleich der beobachteten mit den von Klimamodellen auf Grund natürlicher und anthropogener Antriebe berechneten Temperaturänderungen nach /4. AR/ In Abbildung 3-12 sind mit schwarzen Linien die 10-Jahres-Mittelwerte der beobachteten Temperatur dargestellt. Zum Vergleich sind mit einer 5 - 95 % Spannweite die Simulationsergebnisse von mehreren Klimamodellen mit ausschließlicher Berücksichtigung natürlicher Antriebskräfte (blau) und mit Berücksichtigung von natürlichen und anthropogenen Antriebskräften (rot) dargestellt. Wahrscheinlich hat im Durchschnitt auf jedem Kontinent mit Ausnahme der Antarktis in den letzten 50 Jahren eine signifikante anthropogene Erwärmung stattgefunden (siehe Abbildung 3-12). Die beobachteten Muster der Erwärmung, einschließlich der höheren Erwärmung über den Landflächen als über den Ozeanen sowie deren Änderungen im Verlauf der Zeit, können nur durch Modelle nachgebildet werden, die den anthropogenen Antrieb miteinbeziehen. Die Fähigkeit von gekoppelten Klimamodellen, die beobachtete Entwicklung der Temperatur für alle sechs Kontinente nachzubilden, bietet einen stärkeren Beleg für den menschlichen Einfluss auf das Klima, als im 3. AR verfügbar. Der 4. AR kommt zu dem Schluss, dass der größte Teil des beobachteten Anstiegs der mittleren globalen Temperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich durch den beobachteten Anstieg der anthropogenen Treibhausgaskonzentrationen verursacht wurde. Im 3. AR hieß es lediglich, dass der größte Teil der beobachteten Ergebnisse der Arbeitsgruppe I 39 Erwärmung in den letzten 50 Jahren wahrscheinlich durch die Zunahme der Treibhausgaskonzentrationen verursacht wurde‘‘. Der menschliche Einfluss wird nun auch bei anderen Aspekten des Klimas, wie z. B. Erwärmung der Ozeane, mittlere kontinentale Temperaturen, Temperaturextreme und Windmuster erkennbar. Die wichtigsten Erkenntnisse bei der Erklärung und Zuschreibung des beobachteten Klimawandels im 4. AR im Vergleich zum 3. AR sind: − Es ist wahrscheinlich, dass DIE HÖHERE TREIBHAUSGASKONZENTRATION ALLEIN ERWÄRMUNG ALS DIE BEOBACHTETE HERVORGERUFEN HÄTTE, da vulkanische und anthropogene Aerosole einen Teil der Erwärmung aufgehoben haben. EINE STÄRKERE Im 3. AR wird es als unwahrscheinlich (10 %-33 %) angesehen, dass Änderungen des natürlichen Strahlungsantriebs über den Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Erklärung für die Erwärmung dienen könnten, da deren Wirkung als negativ eingeschätzt wurden. − DIE BEOBACHTETE, WEIT VERBREITETE ERWÄRMUNG DER ATMOSPHÄRE UND DER OZEANE zusammen mit dem Eismassenverlust unterstützen die Schlussfolgerung, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Klimaänderung der letzten 50 Jahre ohne äußeren Antrieb erklärt werden KANN und dass sie sehr wahrscheinlich NICHT ALLEIN AUF BEKANNTE NATÜRLICHE URSACHEN ZURÜCKGEFÜHRT WERDEN kann. Im 3. AR wurde die beste Übereinstimmung zwischen Modellsimulationen und Beobachtungen erreicht, wenn alle dargestellten anthropogenen und natürlichen Strahlungsantriebsfaktoren kombiniert werden. Es wurde jedoch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, dass andere Antriebe auch beigetragen haben könnten. − Die ERWÄRMUNG DER TROPOSPHÄRE BEI GLEICHZEITIGER ABKÜHLUNG DER STRATOSPHÄRE wird sehr wahrscheinlich durch die KOMBINIERTEN EINFLÜSSE DER TREIBHAUSGASZUNAHME UND DES STRATOSPHÄRISCHEN OZONABBAUS verursacht. Im 3. AR wurden die gegenläufigen Temperaturentwicklungen in Troposphäre und Stratosphäre bereits dargestellt. In der SPM wird jedoch nur der stärke Anstieg der Temperatur an der Erdoberfläche im Vergleich zur oberen Troposphäre thematisiert. Hierzu hieß es, dass es physikalisch plausibel sei, dass über eine kurze Zeitspanne, wie z. B. 20 Jahre unterschiedliche Temperaturtrends auftreten können. Die Unterschiede könnten jedoch nicht vollständig erklärt werden. − Es verbleiben SCHWIERIGKEITEN BEI DER BELASTBAREN NACHBILDUNG UND ZUORDNUNG VON KLEINRÄUMIGEREN BEOBACHTETEN TEMPERATURÄNDERUNGEN. Bei dieser räumlich hoch aufgelösten Betrachtung sind die natürlichen Klimaschwankungen vergleichsweise stark, was die Abgrenzung zu den erwarteten Änderungen aufgrund äußerer Antriebe schwieriger macht. 40 Erklärung und Zuschreibung des beobachteten Klimawandels − Der ANTHROPOGENE STRAHLUNGSANTRIEB HAT wahrscheinlich ZU DEN ÄNDERUNGEN DES WINDSYSTEMS beigetragen. Die beobachteten Änderungen in der nordhemisphärischen Zirkulation sind jedoch stärker als die berechnete Reaktion auf die Änderungen des Strahlungsantriebs im 20. Jahrhundert. Im 3. AR werden vor allem Aussagen zu Stürmen gemacht. Hierzu wurden keine signifikanten Trends im 20. Jahrhundert festgestellt. Zudem hätten widersprüchliche Analysen es erschwert, definitive Schlüsse über Sturmaktivitäten, insbesondere in nichttropischen Regionen, zu ziehen − Die TEMPERATUREN DER EXTREM HEIßEN UND KALTEN NÄCHTE SOWIE KALTEN TAGE HABEN wahrscheinlich AUFGRUND DES ANTHROPOGENEN ANTRIEBS ZUGENOMMEN. Es ist eher wahrscheinlich als nicht, dass der anthropogene Antrieb das Risiko von Hitzewellen erhöht hat. Im 3. AR werden ein Rückgang der Häufigkeit extrem tiefer Temperaturen und ein geringer Anstieg der Häufigkeit extrem hoher Temperaturen seit 1950 als sehr wahrscheinlich (90-99 %) eingeschätzt. − Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Klimaänderungen der mindestens sieben letzten Jahrhunderte vor 1950 allein auf Schwankungen innerhalb des Klimasystems zurückzuführen sind. Ein signifikanter Teil der rekonstruierten nordhemisphärischen interdekadischen Temperaturschwankungen in diesen Jahrhunderten kann sehr wahrscheinlich Vulkaneruptionen und Änderungen der Sonnenstrahlung zugeordnet werden. Der anthropogene Antrieb hat wahrscheinlich zur Erwärmung im frühen 20. Jahrhundert beigetragen, die in diesen Aufzeichnungen ersichtlich ist. − DIE KLIMASENSITIVITÄT LIEGT wahrscheinlich IN DER SPANNWEITE VON 2 --- 4,5 K (weitere Ausführungen siehe Kapitel 3.1.1). Die Schlussfolgerung des 2. AR lautete, dass die Abwägung der Erkenntnisse einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima nahe lege. Die nur im begrenzten Umfang verfügbaren Proxydaten ließen vermuten, dass die mittlere globale Temperatur im 20. Jahrhundert mindestens so hoch war wie in jedem anderen seit 1400 n. Chr. Die Fähigkeit den anthropogenen Einfluss auf das Weltklima zu bestimmen sei jedoch begrenzt, da die von Menschen verursachte Klimaänderung erst langsam aus dem Hintergrund der natürlichen Klimavariabilität hervortritt und Unsicherheiten bei einigen Schlüsselfaktoren bestünden. Im 1. AR findet sich kein vergleichbares Kapitel. In der Zusammenfassung wird mit wissenschaftlicher Sicherheit lediglich festgehalten, dass es einen natürlichen Treibhauseffekt gäbe und die anthropogenen Treibhausgasemissionen die Konzentration dieser in der Atmosphäre erhöhen. Ergebnisse der Arbeitsgruppe II und III 41 42 Auswirkungen des Klimawandels 4 Ergebnisse der Arbeitsgruppe II und III Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Tätigkeitsschwerpunkte der zweiten (4.1 Auswirkungen des Klimawandels) und dritten Arbeitsgruppe (4.2 Strategien zur Minderung des Klimawandels). Hierbei soll ein Gesamteindruck von den Arbeiten des IPCC ermöglicht werden. Die Aussagen hierzu werden im Gegensatz zu den Erläuterungen zur Arbeitsgruppe I qualitativ gehalten. Für einen detaillierten Einblick in das Thema wird auf die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger der jeweiligen Arbeitsgruppe verwiesen. 4.1 Auswirkungen des Klimawandels Der Bericht der Arbeitsgruppe II des IPCC beschreibt den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den Auswirkungen des Klimawandels auf natürliche, bewirtschaftete und menschliche Systeme und deren Anpassungsfähigkeit und Empfindlichkeit. Beobachtete Auswirkungen des Klimawandels Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen dem beobachteten Klimawandel und dem kürzlich festgestellten Änderungen im natürlichen und menschlichen Umfeld. Aufgrund von Beobachtungen auf allen Kontinenten und den meisten Ozeanen werden natürliche Systeme (Grad des wissenschaftlichen Verständnisses: hohes Vertrauen), der Wasserkreislauf (hohes Vertrauen), biologische Landsysteme (sehr hohes Vertrauen) sowie biologische maritime und Süßwassersysteme (hohes Vertrauen) durch den regionalen Klimawechsel beeinflusst werden. Beispiele hierfür sind: − Vergrößerung und Vervielfachung von Gletscherseen durch die globale Eisschmelze, − Zunahme der Erdreichinstabilität in Permafrost-Regionen und Felslawinen in bergigen Regionen, − Erwärmung von Seen und Flüssen mit Einfluss auf die thermische Struktur und Wasserqualität, − Früheres Einsetzen von Frühlingsereignissen, wie z. B. Blattentwicklung, Vogelzug und Eiablage, − Pflanzen- und Tierarten verschieben sich polwärts und in höher gelegene Gebiete, − Frühere Wanderung der Fische in Flüssen. Zukünftige Auswirkungen Unter der Annahme, dass dem Klimawandel nicht entgegen gewirkt wird, stellt das IPCC in diesem Jahrhundert die Auswirkungen auf die für Menschen und Umwelt relevanten Kategorien dar: − Süßwasser, − Ökosysteme, − Nahrungsmittel-, Faser- und Forstsproduktion (Landwirtschaft), Ergebnisse der Arbeitsgruppe II und III − Küstennahe Gebiete, − Industrie, Besiedelung, − Gesundheit. 43 Im Folgenden werden die Auswirkungen auf drei ausgewählte Kategorien kurz skizziert. Süßwasser: Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird die Wasserverfügbarkeit in höheren Breiten und in einigen feuchten Tropengebieten um 10 --- 40 % zunehmen, während sich die heute herrschende Wasserknappheit in einigen Trockengebieten der mittleren Breitengraden sowie in tropischen Trockengebieten verstärkt. Die Ausdehnung der von Dürre beeinträchtigten Gebiete wird zunehmen. Die Häufigkeit starker Niederschläge wird sehr wahrscheinlich zunehmen und dadurch das Überschwemmungsrisiko erhöhen. Im Laufe des Jahrhunderts werden die Wasservorräte, die in Gletschern und Schneedecken gespeichert sind, abnehmen und dadurch die Wasserverfügbarkeit in denjenigen Regionen reduzieren, die vom Schmelzwasser versorgt werden. In diesen Regionen leben derzeit mehr als ein Sechstel der Weltbevölkerung. Landwirtschaft: Es wird angenommen, dass die Ernteerträge in mittleren und höheren Breiten bis zu einem lokalen Anstieg der Durchschnittstemperatur um 1 --- 3 K leicht ansteigen. Oberhalb dieser Temperaturschwelle sinken die Erträge in einigen Regionen wieder ab. In niederen Breiten wird der Ernteertrag selbst bei geringem lokalen Temperaturanstieg (1 --- 2 K) abnehmen. Das betrifft vor allem saisonal trockene und tropische Gebiete, in denen sich das Hungerrisiko somit erhöhen würde. Die Zunahme von Dürren und Überschwemmungen werden den lokalen Ernteertrag negativ beeinflussen, vor allem in niederen Breiten. Global betrachtet wird die forstwirtschaftliche Produktivität durch den Klimawandel leicht zunehmen. Hierbei werden jedoch erhebliche lokale Unterschiede bestehen. Gesundheit: Die Wissenschaftler sind der Ansicht, dass die Folgen des Klimawandels wahrscheinlich die Gesundheit mehrerer Millionen Menschen beeinträchtigen wird, vor allem in Regionen mit geringer Anpassungsfähigkeit. Beispiele für gesundheitliche Folgen sind: − Zunahme der Mangelernährung mit Auswirkungen auf die Entwicklung und das Wachstum bei Kindern, − Vermehrte Todesfälle, Krankheiten und Verletzungen verursacht Hitzewellen, Überschwemmungen, Stürme, Feuer und Dürreperioden, − Zunahme an Herz- und Lungenerkrankungen aufgrund von höheren bodennahen Ozonkonzentration, − Zunahme von Durchfallerkrankungen und Verbreitung von ansteckenden Krankheitserregern. durch Studien haben ergeben, dass der Klimawandel auch Vorteile bringen wird, wie z. B. weniger Todesfälle aufgrund von Erfrierungen. Im Großen und Ganzen wird aber 44 Auswirkungen des Klimawandels erwartet, dass diese Vorzüge durch die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, vor allem in Entwicklungsländern, übertroffen werden. Ergebnisse der Arbeitsgruppe II und III 45 Absehbare Folgen nach Regionen ---- Europa Im 4. AR der Arbeitsgruppe II werden die Folgen des Klimawandels für die jeweiligen Kontinente, die Polarregionen und kleine Inseln dargestellt. Im Folgenden werden die Auswirkungen für Europa kurz skizziert. Nahezu alle europäischen Regionen und viele wirtschaftliche Sektoren werden durch die künftigen Folgen des Klimawandels betroffen sein. Zu den negativen Auswirkungen werden das erhöhte Risiko häufigerer inländischer Springfluten sowie Küstenüberschwemmungen und zunehmende Erosionen sein. Die große Mehrheit der Organismen und Ökosysteme werden Schwierigkeiten haben, sich an den Klimawandel anzupassen. Bergregionen werden mit dem Gletscherrückzug, verminderter Schneebedeckung, geringerem Wintertourismus und Verluste an Artenvielfalt konfrontiert. In Südeuropa, einer bereits jetzt klimatisch empfindlichen Region, werden höhere Temperaturen und Dürren erwartet. Geringere Wasserverfügbarkeit sowie Ernteerträge, vermindertes Wasserkraftpotenzial, höhere gesundheitliche Risiken, Hitzewellen und Großflächenbrände auftreten. In Zentral- und Osteuropa wird der Sommerniederschlag abnehmen, wodurch Wasserversorgungsproblemen auftreten können. Gesundheitsrisiken aufgrund von Hitzewellen nehmen zu. Das Waldwachstum wird zurückgehen und Moorbrände werden häufiger. In Nordeuropa bringt der Klimawechsel anfänglich einige Vorteile mit sich, wie z. B. geringerer Heizbedarf und höhere landwirtschaftliche Erträge. Bei weiterer Änderung des Klimas werden die negativen Auswirkungen jedoch wahrscheinlich die positiven Auswirkungen aufheben. Abgrenzung des 4. AR gegenüber den vorangegegangenen Assessment Reports Im 4. AR werden im Vergleich zum 3. AR exaktere Bewertungen über den Zusammenhang von beobachteter Erwärmung und deren Auswirkungen gemacht. Unter anderem werden im 4. AR zum ersten Mal Aussagen über Klimafolgen in Abhängigkeit von zukünftig zu erwartenden Temperaturerhöhungen getroffen. Die Wissenschaftler sehen es als sehr wahrscheinlich an, dass die bereits stattgefundenen regionalen Temperaturänderungen einen wahrnehmbaren Effekt auf viele physikalische und biologische Systeme hatten. Auch im 3. AR konnten im Vergleich zu den ersten beiden Assessment Reports Fortschritte bezüglich der Erkennung von Veränderungen in biologischen und physikalischen Systemen gemacht werden, sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Verständnisses der Anpassungsfähigkeit, der Anfälligkeit gegenüber Klimaextremen und anderer kritischer auf Auswirkungen bezogener Fragen aufgezeigt werden. Beispielsweise haben sich seit dem 2. AR die Anpassungsstrategien für Küstenregionen von festen Schutzmaßnahmen (Dämme) zu schonenderen Maßnahmen verändert, wie z. B. Sandaufspülung und verbesserte Widerstandsfähigkeit der biophysikalischen und sozioökonomischen Systeme, darunter auch der Einsatz von Flutversicherung um das finanzielle Risiko zu streuen. 46 Strategien zur Minderung des Klimawandels 4.2 Strategien zur Minderung des Klimawandels Der Bericht der Arbeitsgruppe III stellt die Ergebnisse der neuesten wissenschaftlichen Studien über die Möglichkeiten zur Minderung des Klimawandels zusammen. Inhalt der Arbeiten sind die Analyse von kurzfristig realisierbaren Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen und die Aufbereitung von Informationen über langfristige Emissionsminderungsstrategien. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt getrennt für alle Sektoren. Globale Minderungspotenziale bis 2030 Studien haben gezeigt, dass sich bei Zugrundelegen eines Kohlenstoff-Äquivalenz12 preises für Treibhausgase erhebliche wirtschaftliche THG-Einsparpotenziale ergeben. In dem 4. AR sind in Abhängigkeit des angelegten Kohlenstoff-Äquivalenzpreises die jährlichen Einsparpotenziale dargestellt (vgl. Tabelle 4-1). Tabelle 4-1: Globales Minderungspotenzial bis 2030 Kohlenstoffpreis Wirtschaftliches Potenzial in US$/tCO2-eq in GtCO2-eq/a 0 20 50 100 5-7 9-17 13-26 16-31 Reduktion i.Vgl. zum SRES A1 B (68 GtCO2-eq/a) Reduktion i.Vgl. zum SRES B2 (49 GtCO2-eq/a) in % 7-10 14-25 20-38 23-46 in % 10-14 19-35 27-52 32-63 Die in Tabelle 4-1 zusammengefassten Ergebnisse zeigen die Spannweite der jährlichen Einsparpotenziale bis 2030 auf Basis von ausgewerteten Bottom-up-Studien. Top-DownStudien kommen zu überwiegend vergleichbaren Ergebnissen. Die möglichen Treibhausgas-Einsparungen sind in Prozent der jährlichen Emissionen in 2030 der beiden Szenarien SRES A1 B und SRES B2 dargestellt (Erläuterungen zu den Szenarien in Kapitel 3.4). Es wird herausgestellt, dass weder ein Sektor noch eine bestimmte Technologie allein die gesamten Einsparungen erzielen könnte. Sektorale Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels Großes Potenzial zur Minderung der Treibhausgasemissionen besteht sowohl in gegenwärtig verfügbaren als auch in zukünftig wirtschaftlichen Technologien. In Abbildung 4-1 sind die Einsparpotenziale nach Sektoren und Regionen in Abhängigkeit des Kohlenstoff-Äquivalenzpreises aufgetragen. 12 In den Assessment Reports wird den Berechnungen ein „Carbon Price‘‘ zugrunde gelegt. Die Preise der einzelnen Treibhausgase werden entsprechend ihrer Klimawirksamkeit umgerechnet. Somit ergibt sich die Einheit US$ pro Tonne CO2-Äquivalent. Ergebnisse der Arbeitsgruppe II und III 47 Abbildung 4-1: Geschätzte sektorale wirtschaftliche globale Einsparpotenziale in Abhängigkeit des Kohlenstoff-Äquivalenzpreises in 2030 /4. AR-c/ Laut 4. AR bestehen die größten Einsparpotenziale im Gebäudebereich und in den nicht OECD/EIT-Ländern. Die wichtigsten Technologien zur Ausschöpfung des Minderungspotentials werden im Folgenden kurz genannt, wobei Maßnahmen zur Minderung der Emissionen im Energiesektor im folgenden Abschnitt eingehend ausgeführt werden. Energieversorgung: Heute durchführbare Maßnahmen sind u. a. Erhöhung der Verteileffizienz, Nutzung der Kernenergie, der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung und der Wechsel von Kohle zu Gas. Wirtschaftliche Technologien der Zukunft (bis 2030) werden die Technik der CO2-Abscheidung, weiterentwickelte erneuerbarer Energien wie Gezeiten- und Wellenenergie oder Fotovoltaik sein. Transport: Gegenwärtig wirtschaftlich sind die Verwendung effizienterer Fahrzeuge und die Förderung nichtmotorisierten Verkehrs. Bis 2030 werden effizientere Flugzeuge, Biokraftstoffe der zweiten Generation und der Fortschritt in Elektro- und Hybridfahrzeugen wichtige Optionen darstellen. Gebäude: Zum heutigen Zeitpunkt gehören zu den Minderungsmaßnahmen u. a. verbesserte Wärmedämmung sowie passive und aktive Solarenergienutzung für Heizung und Kühlung. Zu den wirtschaftlichen Technologien bis 2030 werden gebäudeintegrierte Fotovoltaikzellen und andere unterstützende Technologien zählen, wie z. B. intelligente Mess- und Regelungssysteme, die eine bessere Nutzung regenerativer Ressourcen ermöglichen. Industrie: Momentane Technologien sind das Materialrecycling, effizientere Anlagen, und die Kontrolle der Nicht-CO2-Emissionen. Als Beispiele für zukünftige Maßnahmen werden die CO2-Sequestrierung in der Zement-, Ammoniak- und Eisenindustrie und erhöhte Effizienz genannt Landwirtschaft: Zu den gegenwärtigen Minderungsmaßnahmen gehören die verbesserte Stickstoffdüngung und neue Techniken des Reisanbaus zur Reduzierung der Methanemissionen. Eine zukünftige Maßnahme ist die Steigerung der Ernteerträge. 48 Strategien zur Minderung des Klimawandels Forstwirtschaft: Zu den aktuellen Maßnahmen gehören die Aufforstung, die Einschränkung der Abholzung und der Ersatz fossiler Energieträger durch Holz. Bis 2030 werden durch Züchtung neuer Baumsorten die Biomasseproduktivität und CO2Sequestrierung erhöht und verbesserte Überwachungs- und Analysemethoden weitere Einsparungen erzielen. Müll: Momentane Minderungsmaßnahmen sind die Methanrückgewinnung auf Deponien und die Müllverbrennung mit Wärmenutzung. Zukünftig werden neue Techniken die Methanoxidation optimieren. Minderungsstrategien für den Sektor Energie Zukünftige Investitionsentscheidungen in die Energieinfrastruktur werden aufgrund der langen Lebenszeiten von Kraftwerken langfristige Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen haben. Neue Investitionen in die Energieinfrastruktur von Entwicklungsländern und Verbesserungen der Energieinfrastruktur in Industrieländern können in vielen Fällen Reduktionen von Treibhausgasemissionen bewirken. 2005 betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung 18 %. Laut 4. AR könnte bei einem Kohlenstoff-Äquivalenzpreis von bis zu 20 US$/tCO2-eq der Anteil der erneuerbaren Energien von 20 % in 2010 auf 30 % in 2030 steigen. Bei Kohlenstoff-Äquivalenzpreisen von bis zu 50 US$/tCO2-eq könnte der Anteil bis 2030 35 % betragen. Je höher die Preise für fossile Brennstoffe sein werden, desto schneller werden die kohlenstoffarmen Technologien wettbewerbsfähig. Andererseits könnten dann auch Alternativen eingesetzt werden, die noch mehr Kohlenstoff emittieren wie z. B. Schweröl oder aus Kohle und Gas gewonnene, synthetische Brennstoffe. Bei Kohlenstoff-Äquivalenzpreisen bis zu 50 US$/tCO2-eq könnte die Kernkraft in 2030 zu 18 % an der Stromversorgung beitragen (16 % in 2005). Hierbei seien jedoch die Betriebssicherheit, der Missbrauch des nuklearen Materials für militärische Zwecke und die Entsorgung der Endprodukte ein Hemmnis. Die CO2-Sequestrierung ist eine neue Technologie, die möglicherweise einen wichtigen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 beitragen könnte. Die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und Genehmigungsverfahren werden das tatsächliche Potenzial beeinflussen. Zu den Maßnahmen und Instrumenten, die sich im Energieversorgungssektor als wirksam zur CO2-Minderung herausgestellt haben, gehören: − Reduzierung der Fördermittel für fossile Brennstoffe − Besteuerung fossiler Brennstoffe oder Abgaben für CO2-Emissionen − Einspeisevergütung für Erneuerbare Energieträger − Verpflichtungen zum Einsatz Erneuerbaren Energien. Schon seit dem 1. AR wurden folgende mittelfristige und langfristige Minderungsmaßnahmen Folgendes vorgeschlagen: − die Effizienz bei der Energieumwandlung zu erhöhen, − die Akzeptanz für Atomenergie zu steigern, Ergebnisse der Arbeitsgruppe II und III 49 − bei den erneuerbaren Energien vor allem solar unterstütze Technologien zu fördern − und die CO2-Sequestrierung voranzutreiben. Im Prinzip sind diese Vorschläge bis zum 4. AR gleich geblieben, wobei vor allem ein Sprung vom 2. AR zum 3. AR festzustellen war, da sich einige Technologien schneller entwickelt hatten als eigentlich vorausgesehen wurde. Dazu gehörten die Einführung effizienter Hybrid-Autos, der Fortschritt im Windturbinendesign und die Demonstration des unterirdischen Kohlenstoffspeichers. Auch im Bereich der Energieeffizienz bei Gebäuden, Industrie, Transport und Energieversorgung konnten Effizienzpotentiale identifiziert werden, die kostengünstiger waren als ursprünglich angenommen. 50 Abschließende Überlegungen zur Klimadebatte 51 Abschließende Überlegungen zur Klimadebatte Der Stellenwert der Klimadebatte in der öffentlichen Diskussion veränderte sich seit der Veröffentlichung des 1. AR 1990 teilweise erheblich. Ein wesentlicher Grund hierfür ist sicherlich, dass das IPCC nur etwa alle sechs Jahre seinen Assessment Report veröffentlicht. Des Weiteren ändert sich die Auswahl der Themen, die im Fokus der Diskussion stehen. Im 1. AR war die Debatte vorrangig durch die Tatsache geprägt, dass es zu einem durch Menschen verursachten Klimawandel kommen kann. Im 2. AR wurde den Szenarien eine hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Der zu erwartende Meeresspiegelanstieg war vielfach dominant bei möglichen Schadensdiskussionen. Die Hockeyschläger-Kurve war häufig diskutierter Bestandteil des 3. AR. Zunächst einmal diente sie als Beweis, dass der seit der vorindustriellen Zeit zu beobachtende Temperaturanstieg im historischen Vergleich außergewöhnlich schnell und hoch ist. Nachdem die von Mann et al. angewendete Methodik kritisiert wurde, diente die Kurve Klimaskeptikern häufig dazu, den anthropogenen Klimawandel grundsätzlich in Frage zu stellen. Ein abschließendes Urteil, welche Themen die Debatte im Umfeld des vierten Assessment Reports dominieren, ist aufgrund der noch sehr zeitnahen Veröffentlichungen noch nicht möglich. Auffällig ist jedoch, dass ein anthropogener Klimawandel nun in der Gesellschaft wohl als Tatsache angesehen wird. Die aktuellen Diskussionen beschäftigen sich daher besonders mit möglichen Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels. Dies hat die Ergebnisse der dritten Arbeitsgruppe in den Fokus rücken lassen. In Abbildung 0-1 ist die Entwicklung des Strahlungsantriebs für die wichtigsten Einflussgrößen vom zweiten bis zum vierten Assessment Report zusammenfassend dargestellt. Im ersten AR wurde der Strahlungsantrieb nur für wenige Einflussgrößen quantifiziert. 52 Abschließende Überlegungen zur Klimadebatte 2,5 2,0 1,5 Strahlungsantrieb in W/m² 1,0 CO2 weitere THG Ozon strat. Ozon trop. Methan ->Wasserdampf Landnutzung Aerosole direkt 13) Aerosole indirekt Flugverkehr Solarstrahlung 0,5 0,0 2. AR 3. AR 4. AR 2. AR 3. AR 4. AR 2. AR 3. AR 4. AR 2. AR 3. AR 4. AR 2. AR 3. AR 4. AR 2. AR 3. AR 4. AR -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 -2,5 Abbildung 0-1: Strahlungsantrieb der wichtigsten Einflussgrößen vom 2. AR bis zum 4. AR13 Die öffentliche Diskussion zur Ursache des Klimawandels ist vor allem von den CO2Emissionen geprägt. Wie in Abbildung 0-1 zu erkennen ist, haben die CO2-Emissionen zwar den höchsten positiven Strahlungsantrieb, dennoch existieren viele weitere Einflussgrößen mit teilweise nicht unerheblichem Einfluss. Auffällig ist, dass seit dem 2. AR bei keinen der dargestellten Einflussgrößen erhebliche Sprünge bei der Höhe des zugerechneten Strahlungsantriebs und bei den Spannweiten festzustellen ist. Einige Einflussgrößen, wie z. B. durch Methan verursachter Wasserdampf sind jedoch hinzugekommen. 13 Im zweiten und dritten AR wurde die Strahlungsantriebsspannweite des direkten Effekts von Aerosolen nicht als Gesamteffekt dargestellt. Es wurden lediglich die Spannweiten der Einzelkomponenten ausgewiesen. Daher wurde die Gesamtspannweite entsprechend den Angaben des vierten AR angegeben. Literaturverzeichnis 53 5 Literaturverzeichnis /1. AR/ IPCC: Climate Change: The IPCC Scientific Assessment, 1990 /1. AR-b/ IPCC: Climate Change: The IPCC Impacts Assessment, 1990 /1. AR-c/ IPCC: Climate Change: The IPCC Response Strategies, 1990 /2. AR/ IPCC: Climate Change 1995: The Science of Climate Change, 1995 /2. AR-b/ IPCC: Climate Change 1995: Impacts, Adaptations and Mitigation of Climate Change: Scientific-Technical Analyses, 1995 /2. AR-c/ IPCC: Climate Change 1995: Economic and Social Dimensions of Climate Change, 1995 /3. AR/ IPCC: Climate Change 2001: The Scientific Basis, 2001 /3. AR-b/ IPCC: Climate Change 2001: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 2001 /3. AR-c/ IPCC: Climate Change 2001: Mitigation, 2001 /4. AR/ IPCC: Climate Change 2007: The Physical Science Basis, 2007 /4. AR-b/ IPCC: Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 2007 /4. AR-c/ IPCC: Climate Change 2007: Mitigation of Climate Change, 2007 /SRES/ Swart, R.; Nakicenovic, N.: Emissions Scenarios --- Special Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge University Press, 2000 /ARN 03/ Arnold, F. 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