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2 Naturwissenschaft | Sekundarstufe I
Evolution verstehen
Darwins Evolutionstheorie wird 150 Jahre alt. Was derzeit im Fokus aller Medien steht,
ist uns eine verständliche Zusammenfassung für die Sekundarstufe I wert, erstellt von
Fachleuten der PH Zentralschweiz.
Evolution
verstehen
Illusion Fortschritt
– der Stammbaum trügt
Das scheinbar höchstentwickelte
Lebewesen, der Mensch, ist nicht perfekt, schon gar nicht biologisch. Beispielsweise das Auge: Wir haben einen blinden Fleck im Auge, an dessen
Stelle wir nichts sehen. Es handelt sich
um jenen Bereich, bei dem alle Nervenzellen des Auges zusammentreffen und durch die Netzhaut hindurch
Richtung Hirn weitergehen. Ein solch
blinder Fleck ist ungünstig. Kein Konstrukteur einer Video-Kamera, keine
Besitzerin einer Kamerafirma würde
einen solchen Fehler zulassen.
«Trügt unser Gefühl? Gibt
es kein Ziel zu immer komplexeren Lebewesen auf der
Erde?»
Doch wir Menschen leben mit diesem
Überbleibsel der Augenevolution –
müssen damit leben. Dafür gibt es ein
einfache Erklärung: An der Grundausstattung des Auges änderte sich über
Jahrmillionen wenig, denn das Auge
funktioniert trotz dieses Mangels,
zwar nicht optimal, aber gut genug.
Unser Hirn füllt den blinden Fleck aus,
sodass wir im Normalfall nichts davon
merken.
Das Magazin
1
Evolution verstehen
Ab 7. Schuljahr
Autor: Prof. Dr. Markus
Wilhelm, PHZ Luzern
Fachliche Begleitung: Prof.
Dr. Heinz Richner, Uni Bern
Erprobung: Praktikumsklassen
von Studierenden der PHZ
Luzern
Die Dokumentation
für Lehrpersonen
1 Broschüre für Lehrpersonen
(40 Seiten geleimt), 1 Magazin
für Schülerinnen und Schüler,
1 Lizenz zur Berechtigung von
Downloads von der Medien­
datenbank erscheint Ende
März 2009
9.559.00 42.00
Das Magazin
Magazin (Information für
Schülerinnen und Schüler):
24 Seiten geheftet erschien
Ende Februar 2009
9.558.00 6.00
Es gibt noch andere Beispiele, die aufzeigen, dass wir Menschen nicht ganz
so perfekt sind, wie wir es oft meinen.
Dazu gehört das Problem mit dem
Vitamin C. Zahlreiche Affen können
Vitamin C nicht selber herstellen.
Anderen Tieren, die entwicklungsgeschichtlich viel älter sind als Affen
und Menschen, ist dies möglich. Diese
eigentlich nachteilige Mutation ist für
die meisten Affen aber kein Problem.
Sie leben im tropischen Urwald, also
im Paradies der Orangen, Zitronen
und Waldbeeren. Sie werden folglich
Unser Gefühl trügt. Es gibt keinen
Fortschritt von wenigen einfachen
zu vielen komplexen Lebewesen mit
dem Menschen als Krönung. In Tat
und Wahrheit übertreffen die kleinsten Lebewesen der Welt, die Bakterien
und Archaeen, die kühnsten Erwartungen hinsichtlich Vielfalt, aber auch
hinsichtlich ihrer Fähigkeiten. Da gibt
es solche, die in 350°C heissen Tiefseequellen leben oder mehrere Kilometer
unter der Erdoberfläche problemlos
existieren können.
Wir Menschen sind auf Vitamin C-Spender wie die Zitrone angewiesen, viele Tiere
nicht.
in der Nahrung verwöhnt mit Vitamin C. Nur für einen Affenartigen,
den Menschen, wurde die Mutation,
kein Vitamin C herstellen zu können,
zu einem Problem. Er zog aus dem
tropischen Urwald gegen Norden und
glaubte erst noch, mit Schiffen über
das Meer reisen zu müssen. Früchte,
die reich an Vitamin C sind, waren
auf den Schiffen nicht vorhanden. Die
Menschen litten an der gefürchteten
Krankheit Skorbut.
Wir Menschen haben – zusammen
mit den Affen – die Möglichkeit verloren, Vitamin C zu produzieren. Mindestens in diesem Lebensbereich sind
wir nicht komplexer geworden, sondern weniger komplex als unsere Vorfahren. Da liegt die Vermutung nahe,
dass die Evolution in zwei Richtungen
gehen kann: In die Richtung immer
komplexerer Lebewesen und in jene
zu weniger komplexen Lebewesen.
Und tatsächlich ist sogar auf Ebene der
Chromosomen kein klarer Fortschritt
festzustellen. Die genetische Information der Lebewesen wird von der Alge
bis zum Menschen nicht immer komplexer. Der Mensch zum Beispiel besitzt rund 25 000 Gene, genau so viele
wie eine Maus. Das Haushuhn ist mit
seinen rund 22 000 Genen nur wenig
schlechter bestückt. Der Fadenwurm,
mit einem Gehirn von nur dreihundert Zellen hat ebenfalls fast 20 000
Gene. Wenn wir bedenken, dass die
Menschen ein Gehirn mit 1,4 Milliarden Zellen besitzen, ist es schon sehr
überraschend, dass nur ein Drittel
mehr Gene reichen, um aus einem Fadenwurm einen Mensch zu machen.
Ganz bitter wird es mit der Ackerschmalwand. Die kleine, einheimische
Pflanze weist die unglaubliche Zahl von
26 000 Genen auf. Sie und mit ihr die
meisten Pflanzen übertreffen hinsichtlich der Anzahl Gene Maus, Mensch und
alle anderen Säugetiere. Immerhin haben die Bakterien relativ wenige Gene,
je nach Art 500 bis 7000. Aber so richtig
glücklich können wir darüber nun auch
wieder nicht sein, denn immerhin hat
unser berühmtester Darmbewohner
(Escherichia coli) 5000 Gene, also immerhin ein Fünftel von uns.
Obwohl unzählige Biologinnen und
Biologen seit Jahrzehnten versuchen,
einen Stammbaum der Lebewesen
zu erstellen, ist er noch niemandem
gelungen. Zwar werden die Stammbäume immer genauer und besser,
aber es wird vermutlich nie möglich
sein, den «richtigen Stammbaum» zu
finden. Mindestens drei Gründe sind
dafür verantwortlich:
Die ungewisse Artenzahl
Noch immer ist nicht bekannt, wie
viele verschiedene Lebewesen es auf
der Welt gibt. Aristoteles vermutete
einige Hundert. Zurzeit schätzen die
Biologen die Zahl auf 10 bis 20 Millionen. Es gibt aber auch Schätzungen,
dass es auf der Welt 112 Millionen Arten haben könnte. Beschrieben sind
etwa 2 Millionen. Es wartet also noch
viel Arbeit auf die Biologinnen und
Biologen. Mit jedem neu gefundenen
Lebewesen wächst der Stammbaum
weiter und verändert sich.
Die ausgestorbenen Lebewesen
Seit mindestens 3.5 Milliarden Jahren
gibt es Lebewesen auf der Welt. Das zeigen die ältesten Funde im Gestein. Bis
heute wurden viele versteinerte Lebewesen gefunden, die meisten sind viel
weniger alt. Doch die vielen ausgegrabenen Versteinerungen täuschen. Die
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Die Reaktionen auf das ursprüngliche Kapitel
«Schöpfung und Evolution» im Lehrmittel «Natur­
Wert. Pflanzen – Tiere – Menschen» haben den
schulverlag blmv bewogen, in Zusammenarbeit
mit der Pädagogischen Hochschule Luzern eine
separate Publikation zur Evolutionstheorie zu ent­
wickeln.
Gibt es mehr als eine Menschenart?
Noch vor wenigen Jahrzehnten war alles ganz
einfach: Es gab die Menschenaffen mit OrangUtan, Gorilla und Schimpanse sowie die Menschen. Der Unterschied war offensichtlich: Die
einen gehen auf vier Beinen, sind stark behaart
und mässig intelligent, die anderen sind zweibeinig, nackt und höchst intelligent.
Seit es möglich ist, die Chromosomen von
Menschen und Menschenaffen miteinander
zu vergleichen, ist alles anders. Der Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse ist
viel kleiner als jener zwischen Schimpanse und
Gorilla bzw. Schimpanse und Oran-Utang. Naturwissenschaftlich viel korrekter wäre es, eine
Gruppe der Menschenartigen zu bilden mit
Mensch und Schimpanse und eine Gruppe der
Menschenaffen mit Gorilla und Oran-Utang.
meisten Lebewesen, die auf der Erde
lebten, sind nicht in Versteinerungen
erhalten geblieben, sondern in der
Erde oder im Meer verwest. Über die
ausgestorbenen Lebewesen werden
wir deshalb nie vollständig Bescheid
wissen. Es werden immer riesige Lücken bleiben.
Die Frage der Verwandtschaft
Was beim Stammbaum der Familie meistens noch ganz einfach ist,
die Frage der Verwandtschaft, ist bei
Zellkernlose
Bakterien Archaeen
einem Stammbaum der Lebewesen
kaum zu klären. Sind all jene miteinander verwandt, die ähnlich aussehen? Oder sind jene verwandt, die
ähnliche Lebensweisen haben? Zu
Zeiten von Darwin war das Aussehen
das entscheidende Merkmal. Später
gewann auch die Lebensweise an Bedeutung. Heute sind es immer mehr
die Gene und Proteine. Alte Verwandtschaften müssen aufgelöst werden,
neue entstehen, so auch beim Menschen (vgl. Kasten).
Zellkernträger
Protisten
Pflanzen
Pilze
Tiere
Stammbaum mit sechs möglichen
Gruppen. Die gestrichelten Linien zeigen, dass der Übergang von einer zur
anderen Gruppe über verschlungene
Wege ging und vermutlich mehrfache
Übergänge bestehen.
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Was versteht man unter der Evolutionstheorie?
Was ist eine Art? Wie leben die Evomares und
wie sieht ihr Stammbaum aus? Die Materialien
zur Evolutionstheorie ermöglichen es, die Evolu­
tion beispielsweise auf spielerische und einfache
Art anhand imaginärer Organismen zu erleben.
Wissenschaftlich fundiert werden die Phänomene
der Fortpflanzung, der Mutation, der natürlichen
Entstanden ist nun ein schülernahes und hand­ Selektion, der Gendrift und der Entstehung einer
lungsorientiertes Materialpaket für die Sekundar­ Art erklärt.
stufe I, das Inhalt, Entwicklung und Wirkung der
Evolutionstheorie von Charles Darwin sichtbar Die Mappe enthält neben dem Magazin für die Schü­
macht.
lerinnen und Schüler didaktische Anregungen für
Lehrpersonen. Auf der Mediendatenbank werden
Das Magazin für die Schülerinnen
Kopiervorlagen zum Herunterladen bereitstehen
und Schüler
und weitere Angebote zum Thema aufbereitet.
Das Magazin führt die Leserinnen und Leser auf
Klappentext des Magazins:
eine eher ungewöhnliche Weise in die Evolutions­
Die Evolution ist ein vier Milliarden Jahre dau­
theorie ein: Im Zentrum stehen die Prozesse rund
ernder Prozess, in dessen Zentrum das Fort­
um das Geborenwerden und Sterben. Damit
pflanzen und Sterben der Lebewesen steht.
grenzt sich das Lehrmittel stark von den auf dem
Jeder Akt der Fortpflanzung führt zu Muta­
Markt vorhandenen Materialien ab, bei denen in
tionen und Rekombinationen, also zu Nach­
der Regel die Paläontologie und die Stammbäume
kommen mit neuen Eigenschaften. Zufall,
zentrale Bedeutung haben.
Partnerwahl und Umwelteinflüsse entschei­
Das Magazin dient nicht nur als Lehrmittel, son­
den dann darüber, ob sich die Lebewesen
dern auch als Informationsbroschüre für Inte­
mit den neuen Eigenschaften durchsetzen
ressierte, die eine knappe Einführung in die
werden.
Evo­lu­tionstheorie suchen.
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